Der Habitus nach Pierre Bourdieu PDF

Title Der Habitus nach Pierre Bourdieu
Author Carina Beck
Course Einführung in die Soziologie
Institution Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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Summary

unterschiedliche Kapitalsorten, die Habitustheorie, Habitus als Sozialisation...


Description

Ruprechts-Karls-Universität Heidelberg Fakultät für Wirtschaft- und Sozialwissenschaften Max-Weber-Institut für Soziologie Seminar: Sozialisation Sommersemester 2020 DozentIn: Dr. Stefan Bär

Der Habitus nach Pierre Bourdieu und Sozialisation Kapitalsorten ● Der soziale Raum bezeichnet die objektiven sozialen Relationen innerhalb der Gesellschaft ● Soziale Felder sind spezifische gesellschaftliche Rahmen konkreter, klassenspezifischer Erfahrungen und typischer Praxis z.B. Politik, Wirtschaft oder Religion ● Die Gesellschaft selbst versteht Bourdieu als Klassengesellschaft und diese Klassen unterscheiden sich nach der Struktur ihres Kapitals ○ Ökonomisches Kapital: wie viel und ob man sich gesellschaftliche Güter leisten kann z.B. durch Geld ○ Kulturelles Kapital: bestimmte Fähigkeiten und Handlungsweisen, welche angeboren sind, familiär vermittelt oder erarbeitet werden oder Güter von kulturellem Wert z.B. Kunst, Bildungsabschlüsse ■ Aus dem kulturellen Kapital bildet sich der Geschmack: eine bestimmte Art den Wert der Dinge um einen herum einzuschätzen und danach zu leben ○ Soziale Kapital: soziale Beziehungen einer Person in erster Linie, Familie, Verwandtschaft etc. ● Das Zusammenwirken der drei Kapitalformen bestimmen die Position des Individuums in der Gesellschaft ● Symbolisches Kapital: der symbolische Effekt der Kapitalsorten

Markus Schwingel, Pierre Bourdieu zur Einführung. Hamburg 2000

Kampf um symbolische Ordnung ● Das symbolische Kapital steht nicht fest, sondern hängt von den Regeln der Gruppe ab, die es anerkennt oder ablehnt ● Daraus folgt ein Kampf um die symbolische Ordnung, zwischen Befürwortern und Gegnern der “allgemeinen Gesetze ” des Feldes ○ Wer steht wo in der symbolischen Ordnung? Und welche Eigenschaften muss eine Person haben, um diese Position zu verdienen? Akteure versuchen sich selbst in einer Gruppe einzuordnen und werden ihrerseits von Mitgliedern dieser Gruppe eingeordnet ○ Ein Feld ist ein "Ensemble objektiver historischer Relationen zwischen Positionen, die auf bestimmten Formen von Macht (oder Kapital) beruhen" (Wacquant 1996, S. 36) ● Dies lässt sich auf die Ordnung der gesamten Gesellschaft ○ Gesellschaft besteht aus einer Vielzahl verschiedener Gruppen, die sich häufig überschneiden. Anhand der Regeln einzelner Gruppen bildet sich eine Ordnung innerhalb derselben. Die Ordnung der Gesellschaft ist ein dynamischer, stetig fortschreitender Prozess, organisiert durch Bewertung von “richtig und falsch”, (wichtig/unwichtig, gut/schlecht etc.) durch ihre Mitglieder ● Es ist ein Prozess der Definition der Wirklichkeit, in dem jeder Akteur sich bemüht, nach seinen Möglichkeiten zu seinen Gunsten Einfluss zu nehmen, diese Wirklichkeit entsprechend zu bewahren oder zu verändern ○ Die Definitionsmacht über Lebensstile: eine Macht, die sich in den Köpfen der Menschen festsetzt und sich reproduziert, ohne, dass diesen das unbedingt bewusst ist Geschmack und Klassen Es gibt eine Wechselbeziehung zwischen strukturellen Bedingungen (Einkommen, Geschlecht, Alter…) und praktischen Handlungsweisen (Lebensstil, Konsum, politisches Verhalten…) à Bourdieus‘ Soziologie: Theorie der Praxis ● Geschmack: Klassifikationsprinzip, nach dem man in gut/schlecht, schön/hässlich etc. einordnen kann ● Sehr hohe strukturelle Bedeutung ● Bourdieu belegt, dass Präferenzen an die soziale Position/Klasse gebunden sind ○ „Geschmack“ ist keine Wesenseigenschaft eines Individuums, sondern entsteht durch dessen Verankerung im sozialen Raum ○ Der soziale Raum ist auch eine soziale Ordnung, in der Dinge, Personen, Situationen, bewertet werden ●

○ Soziale Räume unterscheiden sich neben dem Geschmack auch durch die Vorstellung, wer zum eigenen sozialen Raum dazugehört und wer nicht. Das erzeugt ein Gespür für soziale Grenzen. -Soziale Räume und Klassen sind gleichsetzbar und in ihrer Struktur ähnlich Soziale Unterschiede bleiben erhalten Habitus ● Soziale Räume unterscheiden sich auch durch eine klassenspezifische „allgemeine Grundhaltung“, eine Disposition gegenüber der Welt ● Der Habitus ist das typische Muster des Handelns und Denkens, bewirkt durch Beziehungen und Interaktionen in einem Feld ● Wir verleiben uns die objektiven Strukturen eines sozialen Raumes durch tägliche Fleisch und Blut übergehen. Diese werden dementsprechend als selbstverständlich angesehen und nicht weiter reflektiert ● Sein „Versuch geht dahin zu zeigen, daß zwischen der Position, die der einzelne innerhalb eines gesellschaftlichen Raumes einnimmt, und seinem Lebensstil ein Zusammenhang besteht“. (Bourdieu 1997, S.31) ● Der Habitus ist eine durch strukturelle Gegebenheiten geformte Art und Weise wie Menschen die Realität wahrnehmen und nach eben dieser Wahrnehmung Handeln (Bourdieu ²⁷2020) ● Aufwachsen in gleichen strukturellen Gegebenheiten führt zu Ähnlichkeiten im Habitus ● Der Habitus „ist die Verinnerlichung der durch eine spezifische Klassenlage erzwungenen bzw. ermöglichten Handlungsformen“. (Abels und König 2010, S. 213) ● Bourdieu bezieht sich auf Leibniz und konstatiert, dass die meisten unserer Entscheidungen (3/4) automatisch ablaufen und nicht bewusst. (vgl. Bourdieu ²⁷2020) ● Wichtig ist: Der Habitus ist „nicht angeboren, er ist etwas Gewordenes, in ihm wirkt die ganze Vergangenheit des Individuums die ihn hervorgebracht hat, in der Gegenwart fort“. (Krais 2014, S. 166) ● Der Habitus ist also sowohl selbst eine strukturierte als auch eine strukturierende Struktur. (Bourdieu ²⁷2020) ● Kinder schauen sich die Sprache, Gestik, Mimik und das Verhalten von Erwachsenen ab, das sie selbstverständlich als richtig anerkennen und sich einverleiben ○ so werden unausgesprochen gesellschaftliche Strukturen und soziale Verhältnisse vermittelt → Sozialisation ● Der soziale Habitus ist „die Haltung des Individuums in der sozialen Welt“ (Fuchs-Heinritz u. König 2005, S. 113, zit. bei Abels Heinz u. Alexandra König 2010, S. 217); also die Gewohnheiten, Werte, Normen, Einstellungen, Lebensweisen, etc. die von einem Individuum aus der Gesellschaft übernommen werden und die wiederum dessen Denken und Handeln in der Gesellschaft beeinflussen

● er spiegelt die kollektive Vergangenheit einer sozialen Gruppe und deren Verhalten wider und ist relativ unabhängig von der unmittelbaren Gegenwart ● Sozialisation ist zu verstehen als das Lernen des Denkens und Handelns innerhalb der Gesellschaft und dessen reflektierte Anwendung, während der Habitus eher im Unbewussten als im Bewusstsein stattfindet ● der Habitus ist ein durch den sozialen Habitus eines sozialen Raums gesellschaftlich geprägtes Ordnungsschema (z.B. wie nehmen wir andere Menschen wahr, was mögen wir, wie sprechen wir mit anderen, …) → d.h. die Vergesellschaftung eines Individuums findet auch in seinem Inneren statt ● Denk- und Handlungsdispositionen sind bei Individuen gesellschaftlich präformiert ● Habitus = „System von Grenzen“ (S. 219) ○ Alternativen werden ausgeblendet ○ Handlungen und Denkweisen durch Bekanntes und Selbstverständliches ● reproduzierende Kraft des Habitus → Sicherheit im Niveau des Gewohnten ● „Habitus ist Struktur und generiert wiederum Struktur“ (S. 219) ○ Theorie der Strukturierung (Giddens): Erzeugung neuer Strukturen durch das Handeln innerhalb bestehender Strukturen ● Zwingende Struktur bedingt das Denken und Handeln für alle Individuen in einem Raum ○ Möglichkeiten und Anforderungen sollen innerhalb der Struktur ausgeführt werden ● Individuen im Raum verstehen sich „blind“ durch die soziale Sicherheit des Habitus ● Gleiche soziale Geschichte = gleicher Habitus → intuitives Verständnis ● Erkenntnis sozialer Maßstäbe der Beurteilung des individuellen Handelns ○ Anerkennung ○ Erklärung der täglichen Entscheidungen in Bezug auf Dinge und Personen ● Struktur des Denkens = Ausschaltung von Veränderungen ○ Eigene Konstanthaltung ○ Systematische Auswahl

Habitus als Sozialisation Laut Bourdieu gibt es eine „Black Box“ ,also objektive und einverleibte Strukturen Familie hat beim Habitus eine sehr wichtige Rolle bzw. Bedeutung ○ Man lernt schon in frühen Jahren von der Familie und wird in die „Klasse“ hineingeboren ○ Redensarten, das Leben, kulturelle Ordnung werden schon in der Kindheit erlernt ○ Gewohnheiten der Familie werden einverleibt ● Es gibt eine Wechselwirkung zwischen strukturellen Bedingungen und Sozialisation ● Menschen die in schlechtere Klassen hineingeboren werden haben schlechtere Karten im Kampf um symbolische Ordnung

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Die Reichen definieren kulturelle Werte, sind die ökonomisch und politisch Führenden ○ Kapital hilft bei der Ästhetik: längere Ausbildungsmöglichkeit, generell mehr Möglichkeiten ○ Wer von Anfang an gebildete Menschen um sich rum hat, hat es viel leichter als Menschen, die sich alles selber erlernen müssen ➔ Fazit: laut Bourdieu gibt es keine Sozialisationstheorie, weil man „wird nicht Mitglied einer Gesellschaft, sondern ist es von Geburt an“ (S.224) D.h. niemand sucht sich das aus, alles wird von Geburt an bestimmt und einverleibt ○

Identität ● Identität als Entfremdung und als Modewort der Intellektuellen ● Subjekt kein “bewusstes Ich”, das bewusst rational handelt ● trotzdem Keine Maschine, sondern körper gewordene -inkorporierte- Geschichte ● der Mensch denkt zwar, er könne frei handeln, reproduziert dabei aber nur die sozialen Strukturen des Denken und Handelns, die im sozialen Raum anerkannt sind → so entstehen Strukturen von “typischen Identitäten” ● unser Habitus determiniert nicht direkt alle unsere Handlungen, begrenzt aber die Möglichkeiten in denen wir uns bewegen (Grenzen Können jedoch durch neue soziale Gruppen usw. geweitet werden) ● Innerhalb einer Klasse gibt es einen Klassenhabitus, alle verhalten sich prinzipiell gleich ● Erfahrungen, die man macht decken sich nicht zu 100%, finden aber alle in einem sozialen Raum statt und sind daher ähnlich ● es gibt ein Set von Dispositionen, die in jedem unterschiedlich angeordnet sind. Damit ist die Struktur dieser Anordnung zwar verschieden aber inhaltlich gleich

können, ist sozial festgelegt ➔ der “Spielraum” in dem wir uns bewegen und erfinden  ➔ es findet die Einverleibung einer sozialen Praxis statt, die vorgegeben ist, ohne dass man es weiß ➔ der soziale Körper ist damit Existenzform der Gesellschaft

Quellen: Abels H., König A. (2010) Pierre Bourdieu: Über Relationen und kulturelles Kapital, die Einverleibung eines Habitus und ein Subjekt in Anführungszeichen. In: Sozialisation. VS Verlag für Sozialwissenschaften Bourdieu, Pierre (1997): Die verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zu Politik & Kultur 1. Hamburg: VSA-Verlag. Bourdieu, Pierre (²⁷2020): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. 27. Auflage. Frankfurt a. M.: Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft). Krais, Beate (2014): Habitus. In: Nicole Burzan, Günter Endruweit und Gisela Trommsdorff (Hg.): Wörterbuch der Soziologie. 3. Auflage. Konstanz, Stuttgart: UVK; UTB GmbH, S. 166. Teilnehmer:

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