Fall 13 Lösungsskizze PDF

Title Fall 13 Lösungsskizze
Course Rechtswissenschaften
Institution Universität Greifswald
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Deliktsrecht...


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Vorlesungsbegleitendes Kolloquium Grundkurs Privatrecht III – Schuldvertragsrecht/ Deliktsrecht Wissenschaftliche Mitarbeiterin Wintersemester 2017/ 2018

Fall 13: Die Stromausfälle Lösungsskizze

Einordnung des Fälle: Der Fall zeigt, wie schwierig es sein kann, ein tatsächliches Geschehen in ein abstraktes rechtliches System einzuordnen. Es ist hier daher unerlässlich, den Fall von verschiedenen rechtlichen Perspektiven aus zu betrachten: kommen unterschiedliche Ansatzpunkte für die Verletzungshandlung in Betracht, sind verschiedene Rechtsgüter verletzt? Die Problematik des ersten Falls liegt in der Feststellung der Rechtsgutsverletzung. Das hier betroffene Rechtsgut des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs als sonstiges Recht des § 823 I BGB stellt ein sog. Rahmenrecht dar, d.h. sein Schutzbereich ist relativ offen. Daher muss die Rechtswidrigkeit stets aufgrund einer gesonderten Abwägung positiv festgestellt werden. Im zweiten Fall schöpft die Tiefe des Falls nicht aus, wer lediglich feststellt, dass die verdorbenen Eier eine Eigentumsverletzung darstellen.

Zu den Fällen siehe BGHZ 29, 65; 41, 123; 55, 153 Lösungsskizze Stromausfall 1:

I.

Vertragliche Schadensersatzansprüche

Da zwischen B und U keine vertraglichen Beziehungen bestehen, scheidet ein Anspruch aus Vertrag oder vertragsähnlichem Schuldverhältnis aus. II.

Anspruch des U gegen B gem. § 823 II BGB 1 iVm § 303 StGB

Man kann dem B hier allenfalls unterstellen, bei der Beschädigung des Stromkabels fahrlässig gehandelt zu haben. Gemäß § 303 StGB ist nur die vorsätzliche Sachbeschädigung strafbar. Ein Anspruch gem. § 823 II BGB iVm § 303 StGB scheidet daher mangels entsprechendem Schutzgesetz aus. (Anm.: Dieser Anspruch wird hier vor § 823 I geprüft, um eine inzidente Prüfung im Rahmen des Eingriffs in das Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs zu vermeiden.)

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§§ -Angaben ohne Bezeichnung sind solche des BGB.

III.

Anspruch des U gegen B gem. § 823 I

U könnte gegen B einen Schadensersatzanspruch gem. § 823 I hinsichtlich des entgangenen Gewinns haben. 1. Haftungsbegründender Tatbestand a) Rechtsgutsverletzung Dann müsste B den U in einem seiner Rechtsgüter verletzt haben. (Anm.: Als Ansatzpunkt für eine Rechtsgutsverletzung kommen hier verschiedene Aspekte in Betracht. Zum einen hat die fehlende Stromzufuhr zu dem Ausfallschaden des U geführt. Zum anderen war er durch den Stromausfall nicht in der Lage, seine elektrischen Geräte zu benutzen und darüber hinaus ist durch den B die Tätigkeit des Gewerbebetriebes des U beeinträchtigt worden. Es macht daher Sinn, jeden dieser einzelnen Aspekte auf eine Rechtsgutsverletzung iSd § 823 I zu prüfen.)

(1) Strombezugsrecht als verletztes Rechtsgut In Betracht kommt das Strombezugsrecht als sonstiges Recht iSd § 823 I. Derartige sonstige Rechte müssen jedoch mit den in § 823 I ausdrücklich genannten Rechtsgütern vergleichbar sein. Das setzt zumindest einen „absoluten“ Charakter voraus, d.h. geschützt werden nur solche Rechte, die gegenüber jedermann wirken (wie z.B. dingliche Rechte). Der Anspruch des U auf Strombezug ist hingegen schuldrechtlicher Art und besteht nur gegenüber U’s jeweiliger Stromversorgungsgesellschaft. Wegen dieser lediglich relativen Wirkung des Anspruchs stellt das Strombezugsrecht kein absolutes Recht iSd § 823 I dar. (2) Eigentumsverletzung an den Stromkabeln Hinsichtlich der zerstörten Stromleitung ist bei lebensnaher Auslegung des Sachverhalts davon auszugehen, dass diese im Eigentum des Stromlieferanten und nicht des U steht. U kann einen Anspruch aus § 823 I aber nur auf die Verletzung eigener Rechtsgüter stützen. (3) Eigentumsverletzung an den betroffenen elektrischen Geräten U’s Eigentum an den im Betrieb befindlichen Geräten könnte verletzt worden sein. Eine Eigentumsverletzung ist nicht nur bei einer Substanzverletzung bzw. -zerstörung gegeben, sondern kann auch bei einer Gebrauchsbeeinträchtigung vorliegen. U konnte während des Stromausfalls seine Geräte nicht benutzen, somit liegt eine Gebrauchsbeeinträchtigung vor. Zur Vermeidung einer unüberschaubaren Haftungsausweitung ist für die Fälle der Gebrauchsbeeinträchtigung jedoch erforderlich, dass der Gebrauch der Sache vollständig und für nicht nur unerhebliche Zeit entzogen ist (siehe BGHZ 55, 153; 29, 65). Dies ist im vorliegenden Sachverhalt 1

der Fall, denn ohne Strom können die Geräte nicht genutzt werden und sechs Stunden sind für einen Unternehmer auch keine unerhebliche Dauer. Dennoch verneint der BGH in Fällen des Stromentzugs eine Eigentumsverletzung. Er argumentiert damit, dass eigentlich und vordergründig nur der schuldrechtliche Anspruch des U auf Strombezug betroffen ist, dieser aber nicht in den Schutzbereich des § 823 I fällt. Hintergrund dieser Argumentation ist, dass der BGH vor einer allzu weiten Ausdehnung des Haftungstatbestandes des § 823 I schützen will: Wer einen Stromausfall verursacht, wäre allen Betreibern elektrischer Geräte potentiell schadensersatzpflichtig. Daher liegt keine Eigentumsverletzung an den betroffenen elektrischen Geräten vor. (4) Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (ReaG) Als möglicherweise betroffenes Rechtsgut des U kommt aber das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Betracht. (a) Subsidiarität Beim ReaG handelt es sich im Rahmen des § 823 I um einen richterrechtlich seit langem anerkannten Auffangtatbestand, der eine Lücke im Rechtsschutz schließen soll(te). Ein Anspruch wegen Verletzung des ReaG kommt daher nur in Betracht, wenn sich der Anspruch nicht bereits wegen einer anderen Rechtsgutsverletzung oder aufgrund einer anderen deliktischen Anspruchsgrundlage ergibt. Derartige Ansprüche sind jedoch nicht ersichtlich. (Anm.: Es ist sinnvoll, die Verletzung des ReaG erst nach allen anderen denkbaren deliktischen Ansprüchen zu prüfen, um einer unübersichtlichen Inzidentprüfung im Rahmen des § 823 I zu entgehen, siehe auch schon Anm. oben.)

(b) Eingriff in den Schutzbereich des ReaG Der Schutzbereich des ReaG ist weit, er umfasst grundsätzlich sämtliche Güter und Interessen, die in Zusammenhang mit dem fraglichen Betrieb stehen (BGHZ 29, 65, 70: das Unternehmen ist „ in seinem Bestande und seinen Ausstrahlungen“ schutzfähig).

Um diese tatbestandliche Weite ein-

zuschränken, verlangt die Rechtsprechung eine sog. Betriebsbezogenheit des Eingriffs. Ein im Rahmen des § 823 I relevanter Eingriff in das ReaG liegt somit nur vor, wenn der Eingriff betriebsbezogen ist. Daran fehlt es, wenn unmittelbar verletztes Objekt nicht der Gewerbebetrieb, sondern ein anderes Recht oder Rechtsgut ist. Ein Eingriff setzt somit eine unmittelbare Beeinträchtigung des Gewerbebetriebes als solchem voraus. Er muss sich spezifisch gegen den gewerblichen Organismus oder die unternehmeri2

sche Entscheidungsfreiheit richten und muss über eine bloße Belästigung oder sozialübliche Behinderung hinausgehen. Im vorliegenden Fall war nur das Stromkabel unmittelbar betroffen, die dadurch veranlasste Beeinträchtigung des Betriebes des U war nur eine mittelbare. Daher liegt kein im Rahmen des ReaG relevanter Eingriff vor. b) Zwischenergebnis Es ist keines der Rechtsgüter des U, die durch § 823 I geschützt werden, verletzt. 2. Ergebnis U hat gegen B keinen Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns.

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Lösungsskizze Stromausfall 2:

Anspruch des G gegen S gem. § 823 I G könnte gegen S einen Schadensersatzanspruch für die verdorbenen Eier und den Betriebsausfallschaden gem. § 823 I haben. 1. Haftungsbegründender Tatbestand a) Rechtsgutsverletzung G könnte in seinem Eigentum verletzt worden sein. (1) Verletzung des Strombezugsrechts als sonstiges Recht Eine Rechtsgutsverletzung ist aus denselben Erwägungen wie im obigen Fall, siehe Stromausfall 1 III.1.a)(1), zu verneinen. (2) Eigentumsverletzung am Stromkabel Eine Eigentumsverletzung des G an der Stromleitung scheidet mangels eigenem Rechtsgut ebenfalls aus, siehe bereits oben Stromausfall 1 III.1.a)(2). (3) Eigentumsverletzung an den Brutmaschinen In Betracht kommt eine Eigentumsverletzung an den Brutmaschinen des G. Der umfassende Eigentumsschutz des Grundgesetzes und des BGB (vgl. etwa §§ 903, 905 BGB) gebietet es, nicht nur Substanzverletzungen als Eigentumsverletzungen einzuordnen, vielmehr liegt eine Eigentumsverletzung auch in der Gebrauchsbeeinträchtigung und zwar in Form einer vollständigen Entziehung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs für einen nicht unerheblichen Zeitraum (BGHZ 55, 153). Die Frage des bestimmungsgemäßen Gebrauchs ist grundsätzlich objektiv und nicht subjektiv zu beantworten. Hier konnten die Brutmaschinen wegen mangelnder Stromzufuhr für einen Tag zu ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch nicht eingesetzt werden. Dennoch lehnt der BGH eine Eigentumsverletzung an den nicht einsetzbaren Maschinen ab (BGHZ 29, 65).

Damit soll die Konsequenz einer unüberschaubaren Haftung vermieden werden.

Wer einen Stromausfall verursacht, wäre allen Betreibern elektrischer Geräte potentiell schadensersatzpflichtig. Diese wertende Argumentation lässt sich auch dogmatisch untermauern: Vorrangig verletztes Gut bei einer solchen Konstellation ist der rein schuldrechtliche (und 4

damit § 823 I nicht unterfallende) Anspruch des Betreibers gegen sein Stromversorgungsunternehmen. Würde man eine Eigentumsverletzung der Maschinen annehmen, so würde man letztlich eine von § 823 I nicht erfasste Beeinträchtigung schuldrechtlicher Ansprüche in einen Fall des § 823 I umkonstruieren. Dies wird dem fragmentarischen Charakter des Deliktsrechts nicht gerecht. Hinsichtlich der Maschinen liegt somit keine Eigentumsverletzung vor. (4) Eigentumsverletzung an den Bruteiern In Betracht kommt eine Eigentumsverletzung an den Bruteiern selbst. G war Eigentümer der Eier und in Gestalt des Verderbs liegt eine Substanz- und damit Eigentumsverletzung vor. (5) Eingriff in das ReaG Durch den Stromausfall wurde außerdem der Betriebsablauf des G beeinträchtigt. Der Betriebsablauf stellt kein von § 823 I erfasstes Rechtsgut dar. Anerkannt als sonstiges Recht im Rahmen des § 823 I ist jedoch das sog. „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“, welches ein Unternehmen in seinem Bestand und in allen seinen Ausstrahlungen schützt. Da es jedoch lediglich lückenfüllende Funktion hat, kommt es nur in Betracht, wenn kein anderes Rechtsgut des Anspruchstellers verletzt ist. Da dies vorliegend mit den Bruteiern der Fall ist, lässt sich ein Anspruch aus § 823 I insoweit nicht begründen. b) Kausale Verletzungshandlung Die Beschädigung des Stromkabels durch S müsste kausal für die Zerstörung der Eier gewesen sein. Die Verletzungshandlung ist nach der Äquivalenztheorie dann kausal für die eingetretene Rechtsgutsverletzung, wenn die Verletzungshandlung nicht hinweggedacht werden könnte, ohne dass der tatbestandliche Erfolg in seiner konkreten Form entfiele. Ohne die Zerstörung des Stromkabels durch S wären die Brutmaschinen weiterhin mit Strom versorgt worden und die Bruteier wären nicht verdorben. Somit war die Verletzungshandlung des S kausal für die Eigentumsverletzung bzgl. der Bruteier i.S.d. Äquivalenztheorie. Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Bruteier nicht unmittelbar durch die Handlung des S verdorben sind. Für die Verletzung einer Person oder Sache wird nach § 823 Abs.1 unabhängig davon gehaftet, ob die gesetzte Ursache den Schaden unvermittelt oder erst nach ihrer Fortpflanzung durch eine Ursachenkette hervorruft. Dies gilt – eingeschränkt durch den Gesichtspunkt der Adäquanz – auch dann, wenn es nur an einer besonderen Beschaffenheit der zunächst betroffenen Sache liegt, dass weitere Gegenstände in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Besonderheit in Fällen der vorliegenden Art liegt nur darin, dass das Eigentum 5

der vom Stromausfall Betroffenen nicht durch die fehlerhafte Zuleitung, sondern durch die Unterbrechung des elektrischen Stroms beschädigt worden ist. Dies rechtfertigt jedoch keine abweichende Beurteilung. Bedarf eine Sache zur Erhaltung ihrer Substanz der ständigen Zufuhr von Wasser, Strom oder dergl., so bewirkt (im Rechtssinne) auch derjenige ihre Zerstörung, der sie durch Abschneiden dieser Zufuhr vernichtet (BGHZ 41, 123, 125). Das Verderben der Eier ist auch eine adäquate Folge der Beschädigung des Kabels. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass beim Ausfall des Stromes Sachen zerstört werden, deren Erhalt von elektrisch erzeugter Wärme abhängt. § 823 Abs.1 müsste des Weiteren den Schutz des Geschädigten (G) durch die konkrete Verletzungshandlung des S bezwecken. Nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm sind nur solche Schadensfolgen zurechenbar, vor denen die verletzte Haftungsnorm dem Geschädigten Schutz gewähren will. Das durch die Schadensersatzpflicht ausgedrückte Gebot, fremdes Eigentum nicht zu beschädigen, bezweckt bei Einrichtungen weittragender Bedeutung nicht nur den Schutz ihrer Substanz, sondern auch ihrer Funktion. Dass Dämme, Signalanlagen, Versorgungsleitungen nicht zerstört werden dürfen, hat nicht nur den Sinn, ihren Eigentümern den Aufwand der Wiederherstellung zu ersparen. Das Verbot der Beschädigung will vielmehr auch und gerade Schutz vor dem Eintritt der typischen Folgen bieten (BGHZ 41, 123, 127). Demnach war die Zerstörung des Stromkabels durch S kausal für das Verderben der Bruteier. c) Rechtswidrigkeit Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. S handelte rechtswidrig. d) Verschulden Laut Sachverhalt handelte S auch schuldhaft. 2. Haftungsausfüllender Tatbestand G hat mit den verdorbenen Eiern einen ersatzfähigen Schaden erlitten, der auch kausal auf der Eigentumsverletzung des G basiert. Nach dem BGH ist Ersatz im Wege der Naturalrestitution gem. § 249 II 1 zu leisten, nach anderer Ansicht Wertersatz über § 251 I. Gemäß § 252 kann G außerdem den entgangenen Gewinn verlangen, der ihm dadurch entsteht, dass er die Küken, die aus den verdorbenen Eiern geschlüpft wären, nicht gewinnbringend veräußern bzw. weiterverarbeiten kann. 6

Die verdorbenen Bruteier stehen dagegen in keinem Zusammenhang mit dem Schaden, den G dadurch erlitten hat, dass er in der Zeit des Stromausfalls keine weiteren Eier in die Brutkästen einlegen konnte. Demnach kann der G den diesbezüglich entgangenen Gewinn gemäß § 252 nicht als Schaden geltend machen. 3. Ergebnis G hat gegen S einen Schadensersatzanspruch für die verdorbenen Bruteier gem. § 823 I und kann für ihren Wert gem. § 249 II 1 bzw. § 251 I sowie für den diesbezüglichen entgangenen Gewinn gem. § 252 Ersatz verlangen.

Zur Vertiefung: Mit Anerkennung der ReaG hat die Rechtsprechung bestehende Rechtsschutzlücken geschlossen. Wegen der Weite des Schutzbereiches bedarf es jedoch einer mehrfachen Einschränkung dieses Rechts, da Beeinträchtigungen des unternehmerischen Handelns im freien Wettbewerbs oder wegen sonstiger höherrangiger Interessen legitim sind und damit sanktionslos bleiben müssen. Eine Verletzung des ReaG kommt nur unter folgende Voraussetzungen in Betracht: •

Subsidiarität: Wegen seiner Funktion als Auffangtatbestand kommt eine Verletzung des ReaG nur in den Bereichen in Betracht, in denen das Unternehmen nicht bereits abschließend durch einen spezielleren Deliktstatbestand (keine Subsidiarität gegenüber vertraglichen Ansprüchen) geschützt wird. Die Subsidiarität wirkt in doppelter Richtung: einmal dann, wenn ein ausreichender Schutz in anderen Vorschriften vorgesehen ist, zum anderen dann, wenn die speziellen Vorschriften das Schutzproblem erkennbar abschließend regeln sollen. In der Literatur wird z.T die Ansicht vertreten, das ReaG sei entbehrlich, weil man den notwendigen Schutz über die Anerkennung von Schutzgesetzen (§ 823 II) bzw. über § 826 besser erzielen kann (siehe Larenz/Canaris SchR II/2, § 81 IV; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 614 ff. m.w.N.; Ermann/Schiemann, § 823, Rn. 61 f.)



Betriebsbezogenheit: Nach der Rechtsprechung sind nur solche Eingriffe erfasst, „die irgendwie gegen den Betrieb als solchen gerichtet...sind und nicht vom Gewerbebetrieb ohne weiteres ablösbare Rechte oder Rechtsgüter betreffen“ (BGHZ 29, 65, 74). Es wird somit ein unmittelbarer Eingriff in den Betrieb vorausgesetzt. Immer dann, wenn irgendein anderes Rechtsgut (auch eines Dritten) betroffen ist, fehlt es an einer unmittelbaren Beeinträchtigung (z.B. Verletzung eines Betriebsmitarbeiters (BGHZ 7,36) oder eines Berufssportpartners (BGH NJW 2003, 1040))



Güter- und Interessenabwägung: Der Eingriff ist nur dann tatbestandsmäßig und rechtswidrig, wenn er nach einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung zwischen dem Inhaber des Gewerbebetriebes einerseits und dem Verletzer andererseits als nicht hinnehmbar erscheint. Dabei kann auf Seiten des Verletzten die besonderer Schwere des Eingriffs oder ein gravierender Schaden zu berücksichtigen sein und auf Seiten des Verletzers ein billigenswerter Zweck der Beeinträchtigung, z.B. Handeln in Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit, Warnung vor Gesundheitsgefahren. Wird ein billigenswer-

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ter Zweck verfolgt, so ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob die Beeinträchtigung im Rahmen der Verhältnismäßigkeit bleibt.

Vorschlag für ein Aufbauschema: I. Haftungsbegründender Tatbestand 1. Tatbestand a) Rechtsgutsverletzung: ReaG aa) Subsidiarität bb) Eingriff in den Schutzbereich nur der bereits bestehende, selbständig geführte Gewerbebetrieb wird geschützt und zwar in seinen sämtlichen Gütern und Interessen cc) Betriebsbezogenheit des Angriffs b) Verletzungshandlung c) haftungsbegründende Kausalität 2. Rechtswidrigkeit positive Feststellung im Rahmen einer Güter und Interessenabwägung; BGHZ 138, 311 3. Verschulden II. Haftungsausfüllender Tatbestand 1. Schaden Feststellung im Rahmen der Differenzhypothese, eventuelle Korrekturen 2. haftungsausfüllende Kausalität 3. Schadensausgleich, §§ 249 ff. BGB

Anerkannte Fallgruppen der ReaG: •

Unberechtigte Schutzrechtsverwarnungen / Abmahnungen (BGHZ 38, 200)



Boykott von Geschäften (Ermann/Schiemann, § 823, Rn. 74; BGHZ 90, 113)



Rechtswidrige Streiks (BGHZ 59, 30)



Schädigende Werturteile oder Verbreitung abträglicher wahrer Tatsachen (bei unwahren Tatsachen ist § 824 BGB einschlägig) (BGH JZ 1966, 478; BGHZ 45, 296; BGHZ 65, 325)

Da das Wettbewerbsrecht und kollektives Arbeitsrecht kaum bzw. nicht in einer Pflichtklausur im Ersten Staatsexamen abgeprüft werden, verbleibt nicht mehr viel. Davor gewarnt wird, in einer Klausur ohne weiteres neue Fallgruppen „hinzuzuerfinden“! Dies kann zwar richtig sein, jedoch ist in jedem Fall Vorsicht angebracht.

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