Kapitel 2 Zusammenfassung Utilitarismus - John Stuart Mill PDF

Title Kapitel 2 Zusammenfassung Utilitarismus - John Stuart Mill
Author Rudi Ali
Course Ethik
Institution Westfälische Wilhelms-Universität Münster
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Summary

Ein kurzer "Essay" zum zweiten Kapitel des Werkes "Utilitarismus" John Stuart Mills...


Description

Der britische Philosoph John Stuart Mill gilt als einer der einflussreichsten und meistdiskutierten Denker des 19. Jahrhunderts. Seine Schrift zur Moral1 ist durch ihre intensive diskursive Behandlung und breite Rezeption ins Zentrum der praktischen Philosophie gerückt. Die folgende Arbeit behandelt das zweite Kapitel jener Schrift, in dem Mill die utilitaristischen Grundprinzipien vorstellt. Ziel ist es, ein grundlegendes Verständnis der

moralphilosophischen

Position

Mills

zu

erfassen,

indem

einerseits

Grundlegungen rekonstruiert und andererseits Schwachstellen und Lücken deutlich gemacht und diskutiert werden. Daher werden die folgenden Passagen nicht den gesamten Inhalt des zweiten Kapitels rekapitulieren. Sie beschränken sich auf vier Grundprinzipien, anhand derer Mill seine utilitaristische Grundhaltung darlegt. Das erste und zentrale Prinzip, das Mill im zweiten Kapitel zum Ausdruck bringt, ist das Prinzip des größten Glücks2. Dieses beurteilt Handlungen ausschließlich danach, wie viel Glück sie bewirken oder Unglück sie vermeiden. Unter Glück fasst Mill all das, was zur Freude gereicht und unter Unglück all das, was Sorgen oder Schmerzen bereitet.3 Folgt man dem Prinzip, ergibt sich der Wert einer Handlung aus dem Nutzen – der sich anhand der Summe an Glück und Unglück bemessen lässt –, den sie stiftet, und nicht aus dem Motiv, das ihr vorausgeht, da es selbst nicht als relevante Folge der Handlung zu werten ist. Stellt sich also durch abwägende Beurteilung heraus, dass eine Handlung eine Steigerung des Glücks zur Folge hat, wird ebendieser Handlung ein normativer Anspruch geltend gemacht. Normative Einsichten werden im Mill’schen Utilitarismus folglich aus deskriptiven Eigenschaften gewonnen. Aufgrund dieser Bestimmung ist Mills Konzept dem Konsequentialismus zuzuordnen. Mill setzt somit nicht nur voraus, dass Glück wünschenswert, sondern das einzige wünschenswerte ist. Diese These scheint für ihn so evident, dass sie keinerlei weiterer Begründung bedarf. Diese vermeintliche Evidenz gibt insbesondere Mills Erwiderung auf den Einwand wider – den er selber im zweiten Kapitel anführt –, dass der Utilitarismus einer Schweinephilosophie gleichkäme, da er allein Freude und Leid als Indikatoren für Handlungsabwägungen achtet und den Menschen somit zum Triebwesen

deklassiert.

Mills

Begegnung

auf

diesen

Vorwurf

greift

1 Mill, John Stuart: Utilitarianism. Der Utilitarismus. Übersetzt und herausgegeben von Dieter Birnbacher. Stuttgart 2006 (=Reclam Nr. 18461). [Anm. R.A.: Im Folgenden abgekürzt durch: Utilitarismus] 2 Utilitarismus, S.23. 3 Utilitarismus, S.25. 1

ausschließlich auf, dass Menschen nicht nur empfänglicher für Freude sind, sondern auch eine höhere Auswahl an Freudequellen genießen können – beispielsweise den Genuss eines Konzerts oder Films.4 Dadurch intendiert er eine Widerlegung der Gleichstellung angesichts der Freude und des Leids von Mensch und Tier. Mill kommt aber nicht auf eine alternative Deutung des Einwands, nämlich eine, die dem Menschen andere Fähigkeiten zuspricht, die nicht unmittelbar mit Freude verbunden sind. Der Mensch könnte etwa jenseits von Freude einigen Werten genügen – beispielsweise durch das Streben nach Studium oder Bildung. Auf einen solchen beispielhaften Fall geht Mill allerdings nicht ein, da ihm Handlungen jenseits von Freude fremd scheinen. Ein zweites Prinzip, das Mill einführt, ist die Unterscheidung von Qualität und Quantität einer Freude5. Dadurch distanziert er sich von seinen Vordenkern, denn jener Differenzierung nach ist nicht die Quantität der Freuden vorrangiges Kriterium zur Bestimmung der Gesamtbilanz einer Handlung, sondern die Qualität. Hiernach sind nicht allein die äußeren Vorteile – etwa Dauerhaftigkeit, Verlässlichkeit, Intensität, Wahrscheinlichkeit, zeitliche Distanz – von Bedeutung für das Kalkül, sondern vielmehr die intrinsische Beschaffenheit der Freuden6. Freude oder Leid tragen also für sich genommen dazu bei, dass eine Handlung als moralisch richtig oder falsch kategorisiert wird. Folgt man dieser Bestimmung, ist es nicht immer unvernünftig, eine Handlung, die mit einer geringeren Menge an Freude verbunden ist, höher zu gewichten oder gar zu bevorzugen als eine Handlung, die zu einer größeren Menge an Freude führt. Ein Fallbeispiel dafür könnte sein, dass die Qualität der Freude, gesundheitsförderlichen Sport zu treiben, der Qualität der Freude, ein Videospiel zu spielen, vorzuziehen ist. Erstere ist für ein längerfristiges Wohlbefinden förderlich, während letztere nicht produktiv und nur innerhalb eines kleinen Zeitfensters zu verspüren ist. Durch ein drittes Prinzip belässt es Mill allerdings nicht bei der reinen Addition von Freude und Leid zu dem Kalkül. Er setzt auf ein empirisches Bewertungsverfahren durch diskursive Abwägung aller Vor- und Nachteile einer Handlung: Von zwei Freuden ist diejenige wünschenswerter, die von allen oder nahezu allen, die beide erfahren haben – ungeachtet des Gefühls, eine von beiden aus moralischen Gründen vorziehen zu müssen –, entschieden bevorzugt wird7

4 Utilitarismus, S.25ff. 5 Utilitarismus S27. 6 ebd. 7 Utilitarismus S.29. 2

Menschen, die mit beiden Seiten der Freude gleichermaßen vertraut sind gelten demnach als kompetente Beurteiler und dürfen an jener Diskussion teilnehmen. Diese kompetenten Beurteiler sollen die Menschen, die angesichts dessen weniger erfahren sind, gleichsam zum Glück führen. Darunter sollte nicht verstanden werden, dass Mill eine Ethik verficht, die von den weisesten Menschen kontrolliert und beherrscht wird. Denn auch Mill sieht – in Entsprechung zum klassischen Utilitarismus Benthams – das Glück der größten Zahl als primären Zweck. Er möchte lediglich die Möglichkeit ausschließen, dass das Glück eine beliebige und kurzfristige Freude ist und setzt daher auf die Qualität der Freude, welche der abwägende Akteur bewerten können muss. Die Diskussion über die Abwägung unterschiedlicher Qualitäten der Freuden, um ein verbindliches Urteil zu liefern, birgt zwei Schwierigkeiten: Erstens scheint der Vorzug höherer Freuden nach diesem Verfahren ein Ausschlusskriterium für die niederen Freuden zu sein. Ganz zu schweigen von der unplausiblen Annahme, bereits die höchste Freude hinsichtlich der Qualität durch den Diskurs eruiert zu haben, scheint Mills Vorschlag von den niederen Gelüsten ausnahmslos abkommen zu wollen, mithin eine Abstinenz zu verfechten. Damit soll nicht angedeutet werden, dass Abstinenz keiner Ethik inhärent sein sollte. Doch scheint Mill sein Hauptaugenmerk auf die Freude und das Wohlbefinden der Menschen zu richten, wodurch die Forderung einer gänzlich abstinenten Lebensweise begründungsbedürftig wird. Zweitens besteht das Risiko, dass die Diskussionen kein Ende nehmen. Diesem Risiko begegnet Mill selbst durch ein viertes Prinzip: die Einführung von Handlungsregeln – sogenannte sekundäre Prinzipien. Diese fungieren als Verallgemeinerung der Nutzenbewertungen spezifischer Handlungen, die aus dem Prinzip des größten Glücks entspringen. Nachdem man eine Handlung auf ihre Folgen geprüft hat und sich diese – unter Berücksichtigung der Qualität und Quantität von Freude – als positiv herausstellt, wird die Handlung in Form einer Regel verallgemeinert.8 Dadurch konkretisieren die Handelnden durch ihre Erfahrungen das Prinzip des größten Glücks gleichsam auf anwendungsspezifische Situationen. Dies ist, so Mill, von zweierlei Punkten aus zweckdienlich: zum ersten wird das kollektive Wohlergehen durch eine bereits vollumfänglich durchdachte Handlungsoption potenziert und zum zweiten spart uns der Gebrauch unserer Handlungserfahrung Zeit9, gerade in Situationen der Unsicherheit oder solche in denen eine schnelle Abwägung erforderlich ist. Eine solche Handlungsregel könnte

8 Utilitarismus, S.73 9 ebd 3

sein, 10% des Einkommens zu spenden, falls dieses Mittel sich als nützlich – angesichts des kollektiven und langfristigen Wohlergehens – erweist.

Es lässt sich festhalten, dass Mill keine einfache Nutzenabwägung im Sinne des klassischen Utilitarismus darlegt. Dieser scheint sich allein auf das Prinzip des größten Glücks zu beschränken. Durch das oben genannte zweite und dritte Prinzip distanziert sich Mill stark von seinen Vorgängern: er legt dem utilitaristischen Kalkül durch die qualitative Unterscheidung von Freude und Leid eine gänzlich neue Berechnung zugrunde, die im Idealfall von erfahrenen Menschen vollzogen werden soll.

Auch

durch

die

Einführung

der

sekundären

Prinzipien,

die

Mills

Regelutilitarismus kennzeichnet, rückt er von seinen Vorgängern ab. Denn nach diesem muss der Handelnde vorerst prüfen, ob eine bestimmte Einzelhandlung überhaupt eine bereits formulierte Handlungsregel berücksichtigt. Erst im Anschluss daran sollen die für den Konsequentialismus bezeichnenden Folgenabschätzungen vorgenommen werden.

4...


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