Lisa-Mae Mercorella Hausarbeit SS18 PDF

Title Lisa-Mae Mercorella Hausarbeit SS18
Author Lisa-Mae Mercorella
Course Pädagogische Grundlagen
Institution Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
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Lernen im Verständnis behavioristischer Theorien ...


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Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Proseminar: Sozialisation und Lernen Prüfer: Christoph Röseler Prüfungsnummer: 52211 Prüfungssemester: Sommersemester 2018 Abgabetermin: 31.09.2018

Lernen im Verständnis behavioristischer Theorien

Eingereicht von: Lisa-Mae M Matrikelnummer: 22042740 Studiengang: Pädagogik/Italoromanistik 2. Fachsemester

Inhaltsverzeichnis 1. Behaviorismus – Geschichte und Definition.......................................................................1 2. Lernen....................................................................................................................................2 2.1 Wissen-Lernen..................................................................................................................3 2.2 Können-Lernen.................................................................................................................3 2.3 Leben-Lernen....................................................................................................................4 2.4 Lernen-Lernen...................................................................................................................5 3. Behaviorismus.......................................................................................................................6 3.1 Klassische Konditionierung nach Pawlow........................................................................6 3.1.1 Löschung, Spontanerholung und Spontanremission..................................................8 3.1.2 Praktische Anwendung...............................................................................................8 3.2 Operante Konditionierung nach Skinner.........................................................................10 3.2.1 Verstärker.................................................................................................................11 3.2.2 Bestrafung und Löschung........................................................................................12 3.2.3 Praktische Anwendung.............................................................................................13 4. Kritik....................................................................................................................................14 5. Literaturverzeichnis...........................................................................................................16

1. Behaviorismus – Geschichte und Definition Ein Kind greift mit der Hand auf eine heiße Herdplatte und verbrennt sich, woraufhin es den gleichen Fehler nicht nochmal begehen wird. Ein Mann isst verdorbene Meeresfrüchte und ihm wird augenblicklich übel. Obwohl er bis dahin gerne Meeresfrüchte aß, wird er diese aufgrund seiner Erfahrung in Zukunft meiden. Ein Hund hört, wie sein Herrchen Futter in dessen Schüssel gibt, woraufhin er anfängt zu sabbern. All diese Fallbeispiele haben eines gemeinsam: Sie veranschaulichen zwei zentrale Muster der Lernpsychologie des Behaviorismus, nämlich die klassische und die operante Konditionierung, welche den Beginn der Lernforschung maßgeblich prägten. Er wird Ende des 19. Jahrhunderts in den USA begründet, wobei seine wichtigste Vertreter unter anderem Pawlow und Skinner waren (Baumgart, 2007, S. 110 und S. 112). Bei der Erforschung des Verhaltens von Mensch und Tier nimmt das Lernen eine zentrale Rolle ein, da der Begriff anders verstanden wird als in der Pädagogik. Der Behaviorismus ist eine Naturwissenschaft, die die Gesamtheit menschlicher Anpassungsvorgänge umfasst. Behavioristische Theorien grenzen sich bestimmt von psychoanalytischen Theorien ab und verbannen konsequent Phänomene des Bewusstseins, beziehungsweise des Unterbewusstseins, aus deren Forschungsansatz. Die inneren Prozesse des Menschen werden zwar nicht geleugnet, bleiben aber bewusst unberücksichtigt, da sie weder beobachtbar noch präzise genug sind. Die Grundannahmen sind simpel: Das Verhalten eines jeden Organismus, sprich auch der des Menschen, ist seine Reaktion auf bestimmte Umweltreize, mit der sich der Organismus an die Umwelt anpasst. Verhalten ist im behavioristischen Ansatz das sichtbare Ergebnis von Reiz-Reaktions-Verbindungen, die der Organismus im Laufe der Zeit erlernt (ebd., S. 109). Lernen aus behavioristischer Sicht entsteht demnach, wenn eine relativ dauerhafte Veränderung beobachtbaren Verhaltens als Ergebnis von Erfahrungen erfolgt ist, wobei Lernen als ein mechanischer Prozess angesehen wird, in dessen Verlauf erfolgreiche Verhaltensweisen automatisch häufiger auftreten, während erfolglose geschwächt werden. Durch Lernen kann sich die Form, aber auch die Auftretenshäufigkeit

einer

Verhaltensweise

verändern,

wobei

der

Auslöser

einer

Verhaltensweise immer ein Reiz ist (vgl. Mietzel, 2017, S. 20). Im Folgenden wird sich mit der Frage auseinandergesetzt, inwiefern der Grundbegriff Lernen aus behavioristischer Sicht verstanden wird. Hierfür wird zunächst der Lernbegriff nach Göhlich, Zirfas und Wulf zerlegt und definiert, anschließend wird die klassische von der 1

operanten Konditionierung abgegrenzt, mithilfe von Bodenmann, Perez, Schär und Baumgart. Schlussendlich wird noch eine kritische Perspektive auf das behavioristische Lernkonzept geworfen.

2. Lernen Lernen ist lebenswichtig. Dies gilt für alle Lebewesen, insbesondere jedoch für den Menschen. Denn Lernen ist Voraussetzung nicht nur menschlichen Überlebens, sondern auch der Menschwerdung des Menschen. Lernen ist Bedingung und Chance des Menschen als Mensch. (Göhlich et al. 2014, S. 7)

Mit diesem Zitat wird versucht, einen Zugang zu einem der Grundbegriffe der Pädagogik zu finden. Menschliches Lernen ist jedoch nicht mit jedem Lernen gleichzusetzen, das anderen Lebewesen zugeschrieben wird, denn es ist in Bezug auf seine für den Menschen besonderen Notwendigkeiten und Möglichkeiten zu untersuchen. Die Pädagogik hat hierbei die Aufgabe, die Prozesse des Lernens und der Lernunterstützung in dieser Hinsicht zu untersuchen und zu begreifen. Sie möchte den Begriff folglich nicht erklären, sondern diesen verstehen und versuchen, einen Zugang dazu zu finden. Die Pädagogik interessiert sich nicht nur für die Modalitäten des Lernens, sondern auch für dessen Inhalt (vgl. Göhlich/Zirfas, 2007, S. 7). Es gestaltet sich schwierig, eine genaue Definition für den Begriff zu finden, da das Verständnis von Lernen aus pädagogischer Sicht mehrere Faktoren einschließt, wie zum Beispiel die des Lernenden, aber auch die der Welt des Lernenden. Man möchte ein Verhältnis zwischen Lernendem und Welt als Möglichkeit der Weiterentwicklung dieses Verhältnisses begreifen (Göhlich et al., 2014, S. 7). Nach Göhlich und Zirfas (2007, S. 180) ist Lernen ein erfahrungsreflexiver, auf den Lernenden sich auswirkender Prozess der Gewinnung von spezifischen Wissen und Können. Modal

verläuft

Lernen

erfahrungsbezogen,

dialogisch,

sinnvoll und

ganzheitlich.

Erfahrungsbezogen heißt in diesem Fall, dass Lernen stets an Erfahrungen geknüpft ist und laut Meyer-Drawe (2003, S. 506) meint es ein ambivalentes Geschehen. Wenn der Lernende etwas Neues gelernt hat, kann er in Zukunft von einer anderen Erfahrungsbasis ausgehen. Lernen ist dialogisch, da dies kein individueller Vorgang ist, sondern nur in dialogischer Auseinandersetzung gelingen kann. Es ist sinnhaft, weil sich so ein Horizont des Möglichen ausbildet. Der Sinn kann auf unterschiedlichen Ebenen vorhanden sein, wie zum Beispiel auf einer biographischen, körperlichen, sozialen etc. Des Weiteren ist Lernen ganzheitlich, da Lernen ein vollkommener Prozess ist, der nicht nur auf eine Verhaltensänderung abzielt, sondern den gesamten Lernenden auch jenseits des im Lernen Fokussierten transformiert (vgl. Göhlich/Zirfas, 2007, S. 180). 2

Um inhaltlich die im Lernprozess stets verbundenen Aspekte zu unterscheiden, wird der Lernbegriff als solches in vier Kategorien eingeteilt, die im Folgenden skizziert werden sollen: Wissen-Lernen, Können-Lernen, Leben-Lernen und Lernen-Lernen. 2.1 Wissen-Lernen Das Verb „lernen“ lässt sich über das Gotische „lais“ auf die indogermanische Grundbedeutung „ich habe erwandert, erfahren“, bzw. „ich weiß“ zurückführen (Koch, 2014, S. 43). Das Lernen ist eine von mehreren Arten, die zu Wissen und Erkenntnis führen soll. Das Wissen-Lernen ist ein rein sachlicher Prozess, denn Körperliches, Soziales, Emotionales und Sprachliches wird rein sachlich lernbar gemacht. Des Weiteren ist es objektiv, da das ZuLernende, wie auch das außerhalb des Lernens vorhandene und folgerichtig umgekehrt vom Gelernt-Habenden entäußerbare Objekt, begriffen wird. Hierin unterscheidet sich das WissenLernen vom Können-Lernen (ebd., S. 181). Der Begriff des Wissen-Lernens erweist sich angesichts der verkürzten Schul- und Studienzeit als fortwährender Aspekt des lebenslangen Lernens, bezieht sich zunehmend weniger auf das Allgemeinwissen und mehr auf aktualisierendes Spezialwissen und wird letztlich nicht schulisch, sondern webbasierend durch das sogenannte, webbasierende Blended Learning ermöglicht und unterstützt (ebd., S. 182). Dadurch hat der Begriff vor allem mit der Schule eine enge Verbundenheit, da hier Wissen von etwas über etwas vermittelt wird. Das Überprüfen von Wissen ist ein zentrales Element der Organisation Schule, denn es wird festgestellt, ob der Schüler über den Wissenskanon verfügt und weist den in der Prüfung festgestellten Wissensstand als solchen aus. WissenLernen bedeutet in diesem Sinne, sich kanonisiertes Wissen anzueignen, weshalb es sehr auf den Lehrplan bezogen ist. Dieser ist eine systematisierte und didaktisierte Version des kulturellen Gedächtnisses einer Gesellschaft, in welchem benannt wird, was die ältere Generation der jüngeren tradieren möchte und was diese erhalten und weiterentwickeln soll. Das Problem hierbei ist jedoch, dass der Lehrplan durch überliefertes, kanonisiertes Wissen das gegenwärtige Leben und als abstrahiertes Wissen die Praxis entwertet. Deshalb soll unter Wissen-Lernen nicht die Hinführung des Lernenden zu einem fachlich systematisierten Menschheitswissen verstanden, sondern die Erfahrung als Grundlage gesehen werden. In seinem vollen Sinne erfolgt es schulisch dort, wo traditionelle Wissensbestände des Lehrplans an zeitgenössische Erfahrungen angeknüpft werden (ebd., S. 182f.).

3

2.2 Können-Lernen Beim Können-Lernen handelt es sich um verkörperlichte und reflexionslos reaktivierbare Handlungsfähigkeiten, weswegen der Begriff auch oft „praktisches Wissen“ genannt wird (ebd., S. 184). Hier geht es, im Gegensatz zum Wissen-Lernen, um das Erlangen einer über Routine bis zum Automatismus unter das Bewusstsein verlagerten Prozessgewissheit. Können kann nicht vom Akteur und der betreffenden Tätigkeit gelöst werden, weshalb man dies nicht in Schrift oder Sprache vermittelt, sondern in der Ausführung einer Tätigkeit mittels Mimesis, Versuchen und Wiederholung (ebd., S. 184). Mimetische Prozesse richten sich grundsätzlich auf andere Menschen, weswegen beispielsweise Säuglinge und Kleinkinder versuchen, Eltern, Geschwister oder Verwandte nachzuahmen. Sie lernen somit durch diesen Prozess, eine bestimmte Tätigkeit auszuführen. Im Gegensatz zum Wissen-Lernen beruht Können-Lernen nicht auf theoretischem Vorwissen, sondern gründet auf bereits gegebenem Können. Dies gilt schon beim existentiell notwendigen Können wie dem Saugen, Greifen, Trinken, Essen, SichFortbewegen und vielem mehr. Wer dies nicht erlernt, wird ohne die Hilfe anderer nicht überleben und mit jedem Lernschritt hinsichtlich eines spezifischen Könnens wächst die Autonomie des Individuums (Wulf, 2014, S. 91). Beim Hinblick auf professionelles Können wird deutlich, dass es eine Vielzahl von Stufen des Könnens gibt. Dabei ist nicht zu beachten, ob ein Individuum etwas kann, sondern wie gut er dies kann. Das Können-Lernen in dem Sinne bedeutet, sein Können zu verbessern und zu erweitern, gegeben falls bis hin zur „Kunst des Könnens“ (vgl. Göhlich/Zirfas, 2007, S. 185). Neben mimetischer Prozesse ist das Üben von wichtiger Bedeutung beim Können-Lernen, es besteht zunächst vor allem aus der Wiederholung bestimmter Tätigkeiten. Im weiteren Verlauf wird auch die (Selbst-)Wahrnehmung und Prüfung der Wiederholung im Abgleich mit dem Vorbild berücksichtigt. Doch auch das Trainieren ist eine besondere Form des Übens, wobei diese Methode entschiedener auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet und methodisch aufwendiger ist. Beim Training werden Selbst- und Fremdwahrnehmung ständig rückgekoppelt und unterstützt (ebd., S. 187). 2.3 Leben-Lernen Das Leben-Lernen wird systematisch in verschiedenen Facetten unterschieden: Überleben-, Lebensbewältigung-, Biographisches-. Lebenskunst und Sterben-Lernen (ebd., S. 187). Das Überleben-Lernen soll einem lehren, wie das Leben gesichert und Fähigkeiten, Techniken sowie Ressourcenbildung erlernt werden können. Diese Art von Lernen ist auch heute noch in 4

Ländern verbreitet, die mit großen sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sind. In den europäischen Sozialstaaten des heutigen Jahrhunderts schien das ÜberlebenLernen an Bedeutung verloren, aufgrund der wiederaufkommenden Armut als Bewältigung von Ausgrenzungsverfahren jedoch wieder an Relevanz gewonnen zu haben. Das Lebensbewältigungs-Lernen zielt auf die Führung eines existenziell sozialstaatlichen gesicherten Lebens ab. Lebensbefähigung bedeutet kritisch leben zu lernen und erlangt mit der Wohlstandsgesellschaft enorme Bedeutung. Hier sind Fragen der Emanzipation und der Chancengleichheit miteinander verknüpft, des Weiteren gehören auch intellektuelle Fähigkeiten, kreative, soziale und emotionale Kompetenzen dazu (vgl. Göhlich/Zirfas, 2007, S. 187ff.). Das Biographische Lernen verweist auf eine lange bestehende allgemeine Sicht im Leben, sei es das Lernen im Leben, in der Schule, oder im Allgemeinen. Man lernt unterschiedliche Erfahrungen in diversen Situationen des Lebens. Diese Lernprozesse sind auf Erfahrungen angewiesen, die man mit sich selbst macht (ebd., S. 188 und Delory-Momberger, 2014, S. 142f.). Das Lernen der Lebenskunst entsprang aus der Antike und meint nicht (nur) ein Dazulernen im Sinne einer Informationsbearbeitung, aber auch nicht (nur) ein Umlernen im Sinne einer Neustrukturierung von Wahrnehmungs-, Handlungs- und Denkmustern. Man soll lernen, sich als Individuum originell zu stilisieren (vgl. Göhlich/Zirfas, 2007, S. 189). Das Sterben-Lernen gilt in der Pädagogik als bedeutsames Ziel und meint eine Orientierung an der Ewigkeit. Man soll dem Tod gegenüber eine richtige Haltung annehmen und die Lebenszeit zum Sterben-Lernen sinnvoll nutzen. In der heutigen Zeit bedeutet es auch das Einüben von Abschieden, Trennungen, Differenzen und Distanzierungen (ebd., S. 189f.). 2.4 Lernen-Lernen Das Lernen-Lernen meint, sich bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten des Umgangs mit Lernsituationen und -prozessen anzueignen. Es ist in jeglichen Theorien des Lernens involviert; wenn ein bestimmtes Wissen, Können oder eine Lebensweise erlernt wird, nimmt man dabei bewusst aber auch unbewusst den Modus, die Art und die Weise wahr, wie diese Art von Lernen geschieht. Die Verbindung zum Wissen-Lernen ist die, dass über das erlernte spezifische Wissen hinaus eine Verdeutlichung der Wahrnehmung einhergeht, die auch für andere Lernprozesse genutzt werden kann. Beim Können-Lernen werden über das dabei erlernte spezifische Können hinaus praktische Lernmethoden als Wege der Gewinnung von 5

Handlungsmöglichkeiten eingeschlossen, die ebenfalls für andere Lernprozesse genutzt werden können. Letztendlich werden beim Leben-Lernen basale Lebenstechniken und Möglichkeiten der Lebensbewältigung stets auch der jeweilige Modus des Lernens erworben, der für andere Lernprozesse eingesetzt werden kann (vgl. Göhlich/Zirfas, 2007, S. 190f.).

3. Behaviorismus Der Lernbegriff wurde Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem vom Behaviorismus geprägt, da dieser, im Gegensatz zu psychoanalytischen Theorien, Lernen als Reiz-Reaktionskette zu zerlegen versucht. Im Folgenden wird deshalb ein Überblick zu zwei der wichtigsten Vertretern des Behaviorismus gegeben. 3.1 Klassische Konditionierung nach Pawlow Pawlow gilt als einer der wichtigsten Vertreter der klassischen Konditionierung, weswegen zunächst ein kurzer Überblick zu seiner Person vorliegen wird. Iwan Petrowitsch Pawlow wurde 1849 in der Nähe Moskaus, mit elf Jahren wurde er auf ein Priesterseminar geschickt, wodurch sein Interesse an den Wissenschaften geweckt wurde. Anstatt jedoch wie sein Vater Priester zu werden, entschied er sich 1870 für ein Jura- und Naturwissenschaftsstudium, welches er aber nach kurzer Zeit abbrach um sich an der militärischen Akademie von St. Petersburg zum Arzt ausbilden zu lassen. Mit 31 Jahren wurde er Leiter der physiologischen Abteilung am Institut für experimentelle Medizin, wo er einige Jahre später die Professur dafür erhielt. Da die wissenschaftliche Forschung vom damaligen Zaren nicht unterstützt wurde, musste Pawlow sehr eingeschränkt leben. Berühmt wurde er durch seine Forschungen und Experimente im Rahmen des Verdauungsverhaltens von Hunden, worauf später genauer eingegangen wird. Er erhielt 1904 den Nobelpreis für Medizin und war somit der bekannteste Physiologe seiner Zeit, bis er im Alter von 86 Jahren starb (vgl. Bodenmann et. al., 2011, S. 44f.). Die Theorie der klassischen Konditionierung geht davon aus, dass der Organismus bestimmte Reize mit bestimmten Reaktionen verbindet, diese Verbindungen können angeboren oder auch zufällig erlernt sein. Das Grundprinzip ist demnach das Verknüpfen neuer Reize mit bereits vorhandenen Reiz-Reaktionsverbindungen (vgl. Baumgart, 2007, S. 110). An der klassischen Versuchsanordnung Pawlows sollen zunächst die Grundbegriffe erklärt werden: Ein unkonditionierter Stimulus, beziehungsweise ein unbedingter Reiz (UCS für „unconditioned stimulus“) ist ein Reiz, dessen Bedeutung für den Organismus angeboren ist. Wenn ein gesunder Organismus einen UCS wahrnimmt, reagiert er stets mit einer 6

angeborenen Reaktion. Unkonditionierte Stimuli können beispielsweise Schmerzreize über Hitze, Lärm oder Licht sein, aber auch positive Reize wie Süßigkeiten (vgl. Bodenmann et. al., 2011, S. 48). Die unkonditionierte Reaktion (UCR für „unconditioned reaction“) erfolgt automatisch auf den UCS und hat somit eine Überlebensfunktion. Das Wegziehen der Hand nach Berührung eines heißen Gegenstandes ist ein Beispiel hierfür. Der Organismus reagiert entsprechend auf vegetativer (Ausschüttung von Adrenalin), motorischer (Fluchtverhalten) oder kognitiver (erhöhte Aufmerksamkeit) Ebene (ebd., S. 49). Der neutrale Reiz (NS für „neutral stimulus“) hat für den Organismus noch keine spezifische Bedeutung und handelt sich nur dann um einen neutralen Reiz, wenn nicht alle Personen mit derselben Reaktion auf die Darbietung eines Reizes reagieren. Er kann durchaus zu Angst führen, jedoch nur bei gewissen Personen und ist selbst dann keine klassisch konditionierte Reaktion (ebd., S. 49). Der konditionierte Stimulus (CS für „conditioned stimulus“) ist ein Reiz, der hinsichtlich der Auslösung der UCR zunächst neutral ist. Erst durch eine wiederholte Koppelung mit einem UCS wird der NS zu einem CS und löst schließlich eine bedingte Reaktion (CR für „conditioned reaction“) aus (ebd., S. 50f.). Zum Standardexperiment Pawlows: Vor Beginn des Experiments wird das Tier an den von äußeren Reizen abgeschirmten Raum gewöhnt. Es ist während des eigentlichen Vorgangs festgeleint und ruhiggestellt, um Störungen zu vermeiden, und durch eine Fistel wird die exakte Speichelmenge gemessen. Im ersten Versuchsstadium wird dem Hund Fleischpulver gegeben, woraufhin eine instinktbedingte Speichelsekretion festgehalten wird. Das Fleischpulver dient hier als angeborener Auslöser, beziehungsweise als unbedingten Reiz UCS für die unbedingte Reaktion UCR des Speichelflusses (vgl. Schermer, 2014, S. 29ff.). Der Ablauf stellt eine angeborene Reiz-Reaktions-Verbindung dar und kann daher noch nicht als

Lernen,

beziehungsweise

als

Lernprozess

bezeichnet

wer...


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