Title | Manual Zusammenfassung - Einleitung |
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Course | Übung aus Verfassungsrecht |
Institution | Universität Wien |
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Zusammenfassung Manual - Einleitung...
Gegenstand und Methoden der Rechtsgeschichte I.
Grundbegriffe
A) Rechtsgeschichte und Rechtsbegriff ➢ Rechtsgeschichte beschäftigt sich mit normativen Texten, Entwicklung der Rechtswissenschaft, Rechtsanwendung, Entstehung v. Recht etc. ➢ RG ist interdisziplinär= sie ist Teil v. Geschichtswissenschaft & Teil v. Rechtswissenschaften ➢ 2 Definitionen v. Recht: o Essentialistische Rechtsdefinition: Recht ist allgemein verbindlich, über die Zeit gleich definiert o Nominalistische Rechtsdefinition: Recht ist je nach Zeit, Rechtkreis, Epoche etc. ist anderer Rechtbegriff zu verwenden ➢ Was man unter „Recht“ versteht → große Schwankungen in Epochen: man konnte daher moderne juristische Begriffe nicht weiteres auf andere Epochen übertragen
bis in Neuzeit wird eher ein Begriff v. Recht Sinn machen, der sich auf Akzeptanz durch die Rechtsgenossen in den Fokus stellt, als einer, der die (nicht vorhandene) Gesetzgebung fokussiert
➢ mit Zeit neue Forschungsfelder entwickelt: Legal Gender Studies, Umweltrechtsgeschichte, Technikrechtsgeschichte, Globalrechtsgeschichte
B) Rechtsgeschichte und Staatsbegriff ➢ wichtig ist erkenntnistheoretische Problem zu beachten: heute gängige Termini wurden auf frühere Zeiten angewendet ohne, dass dies stimmig war
ZB: Staatsbegriff: lange Zeit sprach in Bezug auf HHR od. Mittelalter von Staaten, obwohl dies nicht zutreffend war, weil die Voraussetzungen (Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt) nicht erfüllt wurden im Mittelalter + Frühneuzeit: Herrscher mussten sich gegen konkurrierende Gewalten (Adel, Stände) durchsetzen; in ein und demselben Raum waren unterschiedliche Herrschaftsrechte; keine festen Grenzen+ Grenzkontrollen; rechtliche Zugehörigkeit v. Menschen zu einer Gesellschaft war lokal/personal bestimmt (bis in 18. JH)
Unterschied zw. modernen Staat v. 19./20. Jh & mittelalterlichen Gemeinwesen (RZ 1008): Mittelalter: Feudale Personenverbandsstaat: 1. wurde durch Personengruppen (Adel+ König) getragen (im Rahmen v. Lehenswesen) 2. in enger persönlicher Beziehung zueinander stehend 3. kein örtlich fixiertes Herrschaftszentrum (- Herrscher nahm Aufgaben an wechselnden Orten wahr) 4. Herrschaftsrechte waren auf mehrere Träger verteilt 5. Komplex v. Einzelrechten Neuzeit: Institutionalisierter Flächenstaat (Territorialstaat): 1. wurde von Personen unabhängig und stärker durch örtlich fixierte Behörden getragen 2. persönliche Beziehung verlor an Bedeutung 3. Institutionalisierung von Herrschaftsausübung durch hierarchisch strukturierte Behörden & festen Zuständigkeiten 4. diese waren ortsgebunden & auch ohne Herrscher tätig 5. Herrschaftsrechte in einer Hand konzentriert 6. einheitliche obrigkeitliche Gewalt 7. verfügte über kontinuierliche Einkünfte > wurde zu Steuerstaat Transformation von feudalen zu institutionellen Flächenstaat: Prozess in Ö Raum: 13./14. Jh. beginnend > bis 18. Jh. Im 19. Jh.: Nationalstaat & ethnisch homogene Bevölkerung entstand
C) Rechtsgeschichte und Österreichbegriff: Österreichbegriff: • 996: Erstbeleg für „Österreich“ = Ostarichi durch Kaiser Otto III in Schenkungsurkunde → bezeichnete geographisch kleinen Teil an der Donau, der von den Babenberger beherrscht wurde • 12.Jh: „Österreich“ wurde zu Land, das 1156 zum Herzogtum erhoben wurde • ab 1282: Habsburger wurden durch Nachfolge der Babenberger damit belehnt • Spätmittelalter: aus Land entstanden: „Österreich über der Enns“, & „Österreich unter der Enns“
→ Habsburger setzten babenbergische Expansion fort → • 14./15. JH: „Herrschaft zu Österreich“ = neue Nennung v. Gesamtheit der habsburgisch beherrschten Länder Durch Heiratspolitik + Erbfolge: Burgund, Spanien+ seine Kolonien, Ungarn + Böhmen → Teil v. Habsburgerreich → Reich v. Kaiser Karl V.: in dem Sonne nie untergeht → nach Tod Karl V.: → Trennung in spanische (1700 ausgestorben) und deutsche Linie
• 16.-18. JH: „Haus Österreich“: bezeichnete Dynastie & deren Herrschaftskomplex „Österreichische (Erb-) Länder": bildeten HHR & dazugehörigen Länder • 16. JH: 3 Ländergruppen herausgebildet:
niederösterreichische Ländergruppe: Ö unter & ober der Enns (Wien)
innerösterreichische Ländergruppe: Steiermark, Kärnten, Krain (Graz)
oberösterreichische Ländergruppe: Tirol, österr. Vorlande (Innsbruck)
+ Ungarn und Nebenländer + Böhmen und Nebenländer • 18.JH: „Österreichische Monarchie“ = Bezeichnung der Gesamtheit der österr. Erbländer (= außenpolitische Sicht, eigl. noch immer „monarchische Union von Ständestaaten“!) • 1804: Franz I/II. nahm Titel an „Kaiser von Österreich“ → aber noch kein Staat „Österreich“ sondern: • erst 1848: Taufe zum eigentlichen Staat Österreich durch die Verfassung vom April 1848 zu „Kaisertum Österreich“ • 1867 (Erlass Dezemberverfassung) -1915: österreichische Reichhälfte v. Doppelmonarchie Österreich-Ungarn als: „die im Reichsstaat vertretenen Königreiche und Länder“ od. „Cisleithanien“ bezeichnet
• 1918: Republik „Deutschösterreich“→ 1919: Vertrag v. Saint Germain „Republik Österreich“
• 1938-1945: NS-Herrschaft → auf Begriff „Österreich“ zurückgedrängt
D) Die österreichische Rechtsgeschichte: Österreichische Rechtsgeschichte hat europäische Dimension, weil es durch Habsburger Dynastie große Ausdehnung erlebte → Entwicklung v. ö RG immer in einem gesamteuropäischen Zusammenhang • seit 1945: Österreich = eigenständig, aber nicht isoliert von deutscher RG → komplementäres Verhältnis: Ö bis 1156: Teil v. Herzogtum Bayer bis 1806: Teil v. HRR dt. Nation Habsburger bildeten Jh. lang röm.-dt. Könige/Kaiser bis 1866 :als „Kaisertum Österreich“ eines v. Führungsmächten v. Dt. Bund
II.
Das Fach Rechtsgeschichte
A) Die Entstehung der Disziplin Rechtgeschichte • seit 19. Jh.: RG gilt als eig. Disziplin • davor: Beschäftigung mit RG war f. Juristin wichtig, weil oft sehr alte Urkunden noch Geltung hatten ➢ historische Arbeit war integraler Bestandteil juristischer Tätigkeit
• Im öffR: Bewusstwerdung, dass Recht historisch gewachsen ist → best. Ausprägung in Staatsrechtslehre ➢ Rechtshistorie wurde zu Hilfsdisziplin der Reichspublizistik • In PRwissenschaft: auch hier intensivere Beschäftigung mit Geschichte ➢ Versuch geschlossenes System v. PR zu entwerfen
• Mitte v. 19. Jh.: Aufschwung v. Historischer Rechtsschule (Begründer Carl von Savingny ) → Aufschwung inRG ➢ Historische RS (Savigny): wandte sich v.a. Erforschung v. römischen Recht + seiner Rezeption (Übernahme) in Dtland seit Mittelalter zu (Romanistik) ➢ Karl Friedrich Eichhorn & Karl Joseph Anton Mittermaier: Begründer v. anderen Zweig der Historischen RS → Germanistik: wandten sich germanisch-deutschen Grundlagen des Rechts zu & Vielzahl v. mittelalterlicher dt. Rechtsquellen wurde erschlossen
• In 2. Hälfte v. 19. Jh: Ausdifferenzierung in Rechtsgeschichte & Rechtsdogmatik • Seit 19. Jh: unterscheidet innerhalb v. Disziplin RG zw. 3 großen Schulen: 1. Germanistik (Geschichte v. heimischen Recht) 2. Romanistik (Geschichte v. römischen Recht) 3. Kanonistik (Geschichte v. Kirchenrecht)
B) Rechtsgeschichte im juristischen Studium • Im Mittelalter & Frühzeit: an österr. Unis standen kirchliches und röm. Recht im Mittelpunkt: ➢ Unis wie Wien, Graz, Innsbruck und Salzburg; Oberitalienische Rechtsfakultäten waren sehr gern gesehen • 1752: Studienreform Maria-Theresias → Verankerung v. RG; nun gab es Geschichte v. Kirchenrecht & röm. Recht und Reichs- & Staatengeschichte • 1810: Studienordnung v. Franz v. Zeiller & Zerfall v. HHR → entfernte RG als Studienordnung & im Zivilrecht konzentrierte man sich ganz auf ABGB • 18551: Studienreform v. Minister Leo Graf Thun-Hohenstein: unter Einfluss v. Historischen Rechtsschule: → 1. rechtshistorischen Studienabschnitt: röm. Recht, Kirchenrecht, dt. Reichs- und Rechtsgeschichte & dt. PR gelehrt → dadurch sollten Studenten in katholisch-konservativen, staatstragenden, dynastietreuen System geformt werden • 1871: erstmal Lehrstuhl für „Österreichische Rechtsgeschichte und Rechtsaltertümer“ in Wien → sollte Eigenständigkeit gegenüber dt. Rechtsentwicklung betonen • 18932: Fach „Österreichische Reichsgeschichte“ eingeführt: „öster. Gesamtbewusstsein zu fördern und zu festigen und d. nationalen Gegensätze allmählich abzuschwächen“ = Argument v. Nationalrat • 1935: „Österreichische ReichsG“ wird in „Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte“ umbenannt
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1855 war zum Höhepunkt von Neoabsolutismus → Studienreform war somit politisch bedingt und gewollt 1893 war zurzeit v. eskalierenden Nationalitätenstreit im Vielvölkerstaat der Habsburgermonarchie (RZ 1710 ff.)
• 1978: dieses wurde mit „dt. PR“ → zu „Rechtsgeschichte Österreich“
C) Warum Rechtsgeschichte studieren? • Beschäftigung mit RG ermöglicht vertieftes & besseres Verständnis v. Recht • es zeigt dessen historische Bedingtheit/Wandelbarkeit • heutige moderne Recht ≠ Ergebnis v. linearen Prozess; sondern = eine v. Wertvorstellungen & Rahmenbedingungen geprägte Momentaufnahme
• es führt zur kritischen Reflexion v. geltenden Rechtsordnung • bietet Lösungsansätze f. Rechtspolitik; bezieht Rechtswirklichkeiten mit ein → Rechtsfolgenabschätzungen
• Ziele & Mechanismen können im Zeitverlauf & in Rechtskulturen variieren → Beitrag zur Rechtsanthropologie + besseren Verständnis fremder Rechtskulturen
D) Periodisierung • Periodisierungen = Ergebnis wissenschaftlicher Konventionen • herkömmliche Periodisierung stammt v. Humanisten Christoph Cellarius (17.Jh.); seitdem: weitere Verfeinerungen: •
Antike: bis 500
•
Mittelalter: 500 bis 1500 o Frühmittelalter: 500 bis 1000 o Hochmittelalter: 1000 bis 1250 o Spätmittelalter: 1250 bis 1500
•
Neuzeit: ab 1500 o Frühe Neuzeit: bis 1800 o Neuere Zeit und Zeitgeschichte
• In Verfassungsgeschichte andere Zäsuren gesetzt als in Privatrechtsgeschichte → so sind verschiedene Einschnitte ausschlaggebend • Mitte v. 18. Jh.: in mehreren Bereichen grundlegende, bis in Gegenwart nachwirkende Einschnitte:
➢ Aufkommen v. Idee v. Grund- & Menschenrechte im Zeichen v. Naturrecht & Aufklärung; deren Verankerung in Verfassungsurkunden; Kodifikationen, Anfänge v. Rechtsvereinheitlichung, grundlegende Verwaltungsreformen
II)
Quellen & Methoden A) Historische Quellen
• „alle Texte, Gegenstände od. Tatsachen, aus denen Kenntnis aus der Vergangenheit gewonnen werden kann“ • Textquellen: Gesetzestexte, mittelalterliche Chroniken, Urkunden, Prozessschriften, Literatur • Sachquellen: Richtschwert, Folterwerkzeuge, Ratshäuser, Moorleichen • Bildquellen: Abbildungen, Wappen • Mündliche Überlieferung („oral history“) – nur untergeordnete Bedeutung ➢ all diese Quellen sind Rechtserkenntnisquellen
B) Rechtsquellen • Rechtsquellen (Rechtsgeltungsquellen) = Grundlagen anwendbaren Rechts ➢ Gesetze, Gewohnheitsrecht, Richterrecht, Juristenrecht • Rechtserkenntnisquellen stammen v. Wissenschaft; Rechtsgeltungsquellen stammen v. Rechtserzeugung • Gesetze = allg. (1), schriftliche (2), v. Obrigkeit erlassene (3) & gehörig kundgemachte (4) Rechtsnorm ➢ Papst hatte bereits im 12. Jh. unbestrittene Gesetzgebungsgewalt; Weltliche Herrscher erst im Verlauf v. Neuzeit • Gewohnheitsrecht = longa consuetudo (lang andauernde Übung/Gewohnheit) & opinio iuris (Rechtsüberzeugung3) ➢ Mittelalterliches Gewohnheitsrecht = Rechtsgewohnheiten ➢ In Frühneuzeit wurde es von Gesetzesrecht verdrängt
3
Rechtsüberzeugung = Überzeugung, dass es sich um Recht handelt
• Richterrecht (Fallrecht): In Ö keine eigene Rechtsquelle → nur in anglikanischen Raum eine Rechtsquelle, da bereits im Mittelalter eine einheitliche königliche Rechtsprechung gab In Kontinentaleuropa: wurde Rechtsordnung seit Rezeption akzeptiert, aber Gerichtswesen war stark zersplittert • Juristenrecht: RZ: 1037
C) Quellenkritik Es gibt nicht „die“ rechtsgeschichtliche Methode
•
d.h. des gibt keine einheitliche rechtsgeschichtliche Methode Sondern es gibt viele verschiedene Arten der Fragestellung & methodischen Annäherung:
•
z.B.: Rechtsgeschichte kann o als historische Rechtssoziologie betrieben werden die nach konkreten Rechtsanwendung der Vergangenheit sucht mit statistischen Methode (Rechtstatsachenforschung) o oder als Dogmengeschichte betrieben werden die sich mit Entstehung & Entwicklung eines Rechtsbegriffs auseinander setzt durch Auseinandersetzen mit Gesetzestexten & Literatur o Beide Wege führen zu Erkenntnis über die historische Entwicklung einer Rechtskultur
•
Wichtigstes Element bleibt hierbei aber bei allen: die Quellenkritik: o Im Rahmen der Quellenkritik sind Fragen nach Verfasser, Adressaten, Entstehungszusammenhang, Überlieferungsform zu klären o Eine sachgerechte Interpretation der Quelle ist dabei oberstes Ziel
•
Die Kritik der äußeren Merkmale einer rechtshistorischen Quelle: o beschäftigt sich mit physischen Überlieferung o sie fragt nach Überlieferungsform, Sprache, Aufbewahrungsort, Erhaltungszustand etc. o v.a. bei mittelalterlichen Quellen wichtig • Kritik der inneren Merkmale:
o ermöglicht die Bewertung der in der Quelle enthaltenen Informationen
o sie prüft Erkenntniswert einer Quelle; ermöglicht Auflösen v. Widersprüchen zw. mehreren Quellen •
Wichtig zu beachten ist, dass wir als Rechtshistoriker nie die Zeitbedingtheit des eigene Denkens ganz ablegen können o d.h. es ist immer alles in Zeitbedingtheit des eigenen Denkens zu betrachten Daher kann die Untersuchung der Vergangenheit immer nur eine Annäherung sein Folglich muss Rechtsgeschichte immer wieder unter verschiedenen Perspektiven neu geschrieben werden...