Mündlchkeit: Mündliche Kommunikation PDF

Title Mündlchkeit: Mündliche Kommunikation
Course Einführung in die Neuere Deutsche Literaturwissenschaft
Institution Universität Paderborn
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EDDSL - Vorlesung am 08.06.2018 Mündlichkeit/ Mündliche Kommunikation ! Lernbereich Sprechen und Zuhören ! Von der präskriptiven zur deskriptiven Wende „Vor der kommunikativen Wende war der Lernbereich Mündlichkeit ein „angeleiteter, vom Lehrervorbild und hochsprachlichen Normen geprägter Unterricht“ mit den Arbeitsfeldern 2Sprecherziehung, Rechtlautung, Gesprächserziehung, gestaltetes Sprechen und darstellendes Spiel“.“! „Mit der kommunikativen Wende […] änderten sich diese Grundorientierungen radikal. „Ähnlich wie beim Grammatikunterricht ging es nun weniger um eine Anpassung an präskriptiv vorgegebene Normen, sondern „[d]ie eigenen Bedürfnisse und Interessen des Sprechers und der Sprecherin sowie pragmatische Formen des Sprechens standen hier im Vordergrund.“! [Bartnitzky 2010]!

Kommunikative Wende Das neue Ziel des Deutschunterrichts nach der sog. „kommunikativen Wende“ war es, „jeden Schüler im Verlauf einer Schulzeit mit jener Bandbreite kommunikativer Rollenflexibilität auszustatten, die es ihm ermöglicht, die Kommunikationssituationen seines Lebens optimal zu bewältigen.“! [Pabst-Weinschenk 2006]! Es ging auch um alltägliche Kommunikationssituationen, z.B. um die Sprechakte „sich unterhalten, Rat suchen/beraten, fragen/Antwort geben, lehren/lernen, Gefühle äußern, klären/streiten, entscheiden, argumentieren“ sowie auch um die Metakommunikation, z.B. „sich über den Arten von Kommunikationssituationen klar werden“ ! Das (Konflikt-)Rollenspiel wurde zu einer bevorzugten Methode zur Förderung kommunikativen Kompetenzen.!

Mündliche Kommunikation im Unterricht heute „Die Aufwertung der Gesprächskompetenz in den KMK-Bildungsstandards (2003) spiegelt sich in vielen neuen Rahmenlehrplänen wider.! Dem Sprechen ist zusammen mit dem Zuhören ein eigener Bereich zugewiesen worden; die frühere Kombination mit dem Schreiben wurde aufgegeben. Unter Zuhören wird dabei mehr verstanden als stilles Zuhören - vielmehr sind damit aktive Fähigkeiten verknüpft wie: !

Feedback über Verstandenes bzw. Nicht-Verstandenes geben; Wiedergeben dessen, was ein Anderer gesagt hat; Aufmerksamkeit zeigen durch Interjektionen wie „hm“, „ja“ u.Ä.; dem Gegenüber bewusst spiegeln, wie man seine sprachlichen Äußerungen rezipiert.! Vor dem Hintergrund des pragmatischen Ansatzes ist ein Unterricht dann als besonders wirksam einzustufen, wenn mündliche Kommunikation als gemeinsames Handeln von Sprecher und Zuhörer aufgefasst wird und Schüler dazu befähigt werden, verschiedene Formen und Funktionen des Sprechens situationsbezogen und flexibel einzusetzen sowie Wirkungen auf Adressaten kritisch einzuschätzen.“! [Beste 2008]! Sprechen und Zuhören • Gespräche führen ! • zu anderen sprechen ! • verstehend zuhören ! • szenisch spielen ! • über Lernen sprechen ! → Die Bildungsstandards für die Primarstufe legen ihren Akzent nicht nur auf die verschiedenen Funktionen des Sprechens, verstehenden Zuhörens und auf die Fähigkeit Gespräche zu führen, sondern auch auf die Reflexivität in der Metakommunikation. Die Schülerinnen und Schüler sollen auch über ihr Lernen und ihr Miteinander sprechen

Mehrfachfunktion der Mündlichkeit im (Deutsch)Unterricht Das Mündliche ist mit einer „dreifachen Funktion belegt, denn es ist gleichermaßen ! 1. Lernziel, 2. Lernmedium, 3. Lerngegenstand.“ [Wildemann/Fach 2017]! Baumann führt darüber hinaus an:! „Sprechen und Zuhören als Kompetenz wird im Unterricht in mehrfacher Hinsicht berücksichtigt -! • innerhalb des Kompetenzbereichs selbst und ! • in weiteren Lernbereichen des Deutschunterrichts (s. Folie 13)! • sowie sonstiger Fächer.“! [Baumann 2017]!

Zu 1: Mündlichkeit als Lernziel „Kommunikative Kompetenzen sind ein erklärtes Ziel in den Lehrplänen, schließlich haben sie in der heutigen Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert gewonnen.“! [Becker 2007]! → Ziel: SuS sollen situations- und adressatengerecht kommunizieren können/lernen!

„[…] weil die Gesellschaft zunehmend heterogene sprachliche Prägungen erzeugt“, muss die [Grund-]Schule nicht nur individuelle Kompetenzen fördern, sondern auch Unterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern ausgleichen - eine anspruchsvolle Zielsetzung.“! [Behrens/Eriksson 2017]! → Ziel: SuS sollen in der deutschen Standardsprache kommunizieren können (vgl. auch Voraussetzung für den Schriftspracherwerb)!

Anmerkung Mündliche Kommunikation ist, trotz ihrer heutigen Stellung als Schlüsselqualifikation ein mäßig erforschter Bereich.! Behrens/Erikson merken an:! „Die Didaktik der Mündlichkeit steckt noch in den Kinderschuhen.“ Wortschatzerhebungen, Studien zur Erzählkompetenz, Sprechentwicklung u.a.! → Aber noch kein umfassendes Curriculum für einen gezielten Kompetenzaufbau! [Behrens/Eriksson 2017]

Zu 2: Mündlichkeit im Unterrichtsgespräch (Lernmedium) → 2.1. Mündlichkeit ist in allen Lernbereichen (integrativer DU) und in allen Fächern Lernmedium ! • Schreiben • Formen des Überarbeitens (Lektorenrunde, Schreibkonferenz)! • Lesen/Umgang mit Texten und Medium • Literarisches Lernen (literarische Gespräche, szenische Interpretation)! • Reflexion über Sprache und Sprachgebrauch (einschließlich Rechtschreiben) • Gespräche über Text- und Gesprächsformen und -inhalte, Rechtschreibgespräche ! • Sachunterricht, Geschichte, Biologie, Sport, Kunst… - ALLE Fächer • Fachspezifische Anteile bezogen auf Wortschatz, Satzstrukturen ! [Vgl. Baumann 2017]! → 2.2 ! Mit welchen Formen der Unterrichtskommunikation lernen SuS am meisten über den Gegenstand: lehrerzentriertes „Gespräch“ (Frage-Antwort-Muster) oder z.B. offenes Unterrichtsgespräch (z.B. Literarisches Unterrichtsgespräch, vgl. Heidelberger Modell) oder Moderation durch Schüler, kommunikative Rituale?! → 2.3! Mündlichkeit ist eingebettet in die gesamte (sprachliche und außersprachliche) Kommunikationsstrukturen innerhalb des Unterrichts ! • Wie spricht man mit den Kindern? → Gesichtsausdruck, Ton…!

Beispiele für entsprechende Kommunikationstheorien:! • Lasswell! • Von Thun ! • Watzlawick ! „Der mündliche Sprachgebrauch findet in der Schule in verschiedensten Hinsichten unter anderen Vorzeichen statt, als er viele Kinder von zu Hause gewohnt sind.“! [Behrens/Eriksson 2017]!

„Bei normal entwickelten Kindern mit Deutsch als Primärsprache ist der mündliche Spracherwerb im Bereich der Phonologie und Grammatik bei Schuleintritt im Wesentlichen abgeschlossen […].“! • Die Kinder entwickeln hier [in der Schule] ihren Wortschatz weiter, strukturieren ihn um und neu,! • sie erwerben Textkompetenzen der Mündlichkeit, wie „Erzählen, Erklären, Argumentieren, Beschreiben“ • und darauf aufbauend „Präsentieren und Moderieren“.! Folgende Aspekte machen nun die kommunikative Herausforderung „Schule“ aus:! • Sprachreflexion • Sprache wird dekontextualisiert, objektiviert und metasprachlich reflektiert, im SSE vergegenständlich => Sprache erhält Eigenständigkeit ! • Soziale Einbindung • Neue, unterschiedliche kommunikative Gruppen mit neuen kommunikativen Herausforderungen (Ansprache Peers, Lehrerin)! • Standardsprache • Ggf. Nivellierung von dialektalen, regionalen, sozialen Einflüssen! • Mündlichkeit und Schriftlichkeit

• Komplexere Sprachwelt, mit schnellen Wechseln zwischen - nicht immer eindeutig trennbaren - medialen und konzeptionellen mdl./schrift. Sprachhandlungen (lesen, schreiben, Rezeption, Produktion)! • Sprachliche Muster und sprachliche Normen • Erweiterung der Alltagssprache um neue Textmuster (vortragen, Rollenspiel, beschreiben), dialogische Formen (argumentieren, behaupten, reflektieren), Einforderung sprachlicher Normen!

Zu 3: Mündlichkeit als Unterrichtsgegenstand Welche Formen des mündlichen Sprachgebrauchs sollten Schüler beherrschen? Gibt es ein komplexes Lernziel Kommunikationsfähigkeit/kommunikative Kompetenz? Die Kompetenz lässt sich eher in Teilbereiche untergliedern.! Im Bereich des Mündlichen müssen in der Schule (hier GS) unterschiedliche Kompetenzen ausgebildet werden:! Erzählkompetenz • Erlebte und erfundene Geschichten nachvollziehbar, spannend, hörerbezogen erzählen ! Informationskompetenz • Anderen berichten, erzählen, beschreiben können, was man gesehen/recherchiert hat! Spielkompetenz • Vorgegebene oder erfundene Rolle spielen bzw. Ausgestalten können ! Redekompetenz • Vor Zuhörern ein Statement abgeben, Kurzvortrag/Referat halten, Redebeitrag themazentriert und hörerbezogen (z.B. in Debatte) einbringen! Gesprächskompetenz • Sich an Gespräch/Diskussion eigenständig beteiligen ! Präsentationskompetenz • eigene/fremde Texte, z.B. Gedichte wirkungsvoll vortragen !

Der Lernbereich Sprechen und Zuhören Sprechen und Zuhören in den Bildungsstandards von 2003

Diese konzeptualisierten Teilkompetenzen können unter den Bezeichnungen „dialogische und monologische Gesprächsformen“ zusammengefasst werden.!

Teilkompetenzen Verstehend zuhören • Eigener Kompetenzbereich (Aufwertung!)! • Komplexer, konstruktiver Prozess:! • Wissensbedarf → Selektion → Organisation → Integration scaffolding)! • Kompetenter (verantwortungsvoller!) Interaktionspartner ! • Zugewandtheit und aktives Zuhören (Nachfragen und Kommentare!)! • Anregungen der Kinder aufnehmen für die Planung ! • Echte Gespräche führen: planen, vermuten, vergleichen, präsentieren, rückmelden ! Eine mögliche sinnvolle Schrittfolge für den Lernprozess der Kinder kann folgendermaßen aussehen:! • Sich und andere in Gesprächssituationen erleben ! • Auf einen Impuls oder eine Störung hin das Gesprächsverhalten oder Probleme wahrnehmen und formulieren ! • Das Verhalten reflektieren und Lösungen suchen ! • Regeln formulieren, Kriterien entwickeln, Handlungsabfolgen festlegen ! • In weiteren Gesprächssituationen das Verhalten erproben und üben ! Ritualisierte Gesprächkreise • Diverse Ziele (z.B. erzählen, zuhören, Metakommunikation in Reflexionsgesprächen → vgl. Über lernen sprechen)! • Ritualisierte Morgen-und Abschlusskreise ! • Strukturierter Rahmen ! • Gesprächsleitung bei Kindern !

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Kreisleitung wechselt ! Rederechte werden vergeben ! Lehrkraft bringt sich ein, ist Vorbild! Rückfragen erlaubt ! Störungen sind reglementiert ! Feedback für die Leitung !

• Rahmen für Lerngespräche (Schreib- und Lesekonferenzen, Rechtschreibgespräche)!

Erzählen

Beispiel für den narrativen Strukturtyp nach Boueke Exposition: Ort, Zeit, handelnde Personen, Handlung wird angebahnt ! Komplikation: erzählenswerte Begebenheit, die normalen Ereignislauf stört ! Affektmarkierung: emotional bedeutsame Komplikation (hier: Unfall) ggf. Sprachlich markiert (hier: zusammenprallen, schimpfen) Auflösung

Bartnitzky (2010) bemerkt dazu: ! „Die Erzählungen auf den drei Stunden unterscheiden sich durch erkennbare Strukturen, durch Erzählschemata. […] Gelernt werden diese Erzählschemata offenbar, weil dem

Kind erzählt wird und weil es beim eigenen Erzählen die Reaktionen der Zuhörer registriert. […] Dies geschieht in der Regel nicht bewusst, vielmehr generalisiert das Gehirn intern die Schemata. Mündliches Erzählen wird mithin kommunikativ gelernt.“

Erzählfähigkeit ausbilden → Didaktische Folgerung „Zum Erzählen bedarf es der Zeit zum Erzählen und zum Zuhören. Es bedarf der aufmerksamen und unterstützenden Zuhörer und es bedarf der Erzählermodelle […], insbesondere der erzählenden Lehrerin.“! [Bartnitzky 2010]! Exemplarische Unterrichtsmethoden • Ideensammlungen (Anregungen z.B. Bilder aus einer Klassensammlung von Postkarten etc.)! • Wortfelder ! • Erzählkarten mit einzelnen Erzählschritten zur Vorentlastung (Beispiel: Gespenstergeschichten)!

Kriteriensteuerung für das Erzählen • Inhaltlichkeit • Erzählperspektive, Reihenfolge, Ideen, Textstruktur! • Wortsprache • Wortwahl, Satzstruktur, Erzählzeit einhalten ! • Sprachliche Mittel • Aussprache, Deutlichkeit, Lautstärke, Betonung! • Nonverbale Mittel • Blickkontakt, Mimik, Gestik, Körperhaltung ! → Erzählkompetenz UND Präsentationskompetenz werden geschult!

Erzählsfähigkeitsförderne Aspekte (nach Hausendorf/Quasthoff) bzw. Kern/Quasthoff (2004)! • Durch interaktive Gesprächsinteraktionen - insbesondere durch: Kommunikatives Auffordern, Zuhören, Stimulieren - zwischen Kindern und Erwachsenen wird die kindliche Diskurs- und Erzählfähigkeit weiterentwickelt.! • Erzählanteile von Kindern werden größer und selbstständiger ! • Zu beachten: Erwachsene sollten Hilfe auf inhaltliche Aspekte beziehen und nicht auf strukturelle. Wichtig sind inhaltsbezogene, bestätigende Kommentierungen, Rückfragen, Zusammenfassungen oder das Zeigen von Einbezogenheit.!

Argumentieren Ludwig und Spinner (2000) führen aus: „Im Unterricht bloß die Argumentationsstruktur eines Textes zu analysieren und darauf zu vertrauen, dass damit Argumentieren gelernt sei, reicht […] nicht aus. Es geht vielmehr darum, vielfältige Situationen des Argumentierend zu schaffen […]. Dieser mehr rhetorisch als philosophisch-logische Zugang zum Argumentieren hat vor allem unter dem Einfluss der kommunikativen Orientierung des Deutschunterrichts […] an Bedeutung gewonnen.“! „Kinder, die schon vor der Schule erfahren haben, dass sie ernst genommen werden, wenn sie Meinungen äußern und begründen […], sind mit dem Argumentieren vertrauter als Kinder, die in einer an solchen Kommunikationssituationen ärmeren Umwelt aufgewachsen sind. […] Es ist eine zentrale Aufgabe von Schulen, das Argumentieren als Teil des sozialen Umgangs in der Klein- und Großgruppe (und auch in der. Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden) zur Praxis werden zu lassen.“!

Exemplarische Unterrichtsmethoden • Rollenspiele • Zu Alltagssituationen oder zu Situationen aus literarischen Texten ! • Kontrollierte Dialoge • Erst wiedergeben, was der andere gesagt hat, bevor man seinen eigenen Gesprächsbeitrag abliefert ! • Kurzreden • z.B. nach dem folgenden Fünfsatz: 1. Nennung des Sachverhalts, 2. eigene Meinung, 3. erstes Argument, 4. zweites Argument, 5. Appell! • Diskussions- und Debattenübungen • Debattenübungen sind nicht konsensorientiert, sondern es kommt darauf an, möglichst viele der Zuhörer von der eigenen Meinung zu überzeugen, anschließend Abstimmung !

Szenisch spielen Theaterarbeit → Schulkultur → kulturelle Bildung und Teilhabe ! Ingo Scheller hat das szenische Spiel - nicht nur im Deutschunterricht - als eine grundlegende Lernform eingeführt.! • Lernen findet in den Szenen statt, in die wir mit allen Sinnen eingebunden sind. Lernprozesse sind eng mit Erlebnissen verknüpft und Erlebnisse entstehen immer in oder als Reaktion auf Szenen, in die wir ganzheitlich körperlich, ästhetisch, emotional, denkend und handelnd und sozial eingebunden sind.! • Ziel: Selbst- und Fremdverstehen und kommunikative Ausdrucksfähigkeit ! • Vor allem im Literaturunterricht spielt Schillers szenisches Spiel eine herausragende Rolle - hier wiederum vor allem im Bereich des Dramas, aber auch in Romanen,

Kurzgeschichten etc. So kann man sich mit Hilfe von Rollenspielen in einzelne Figuren und Handlungsbereiche einfühlen, sie verstehen lernen.! • → Szenisches Interpretieren ! • Aber auch in anderen Bereichen spielt das szenische Spiel eine entsprechende Rolle: Im Bereich des Geschichtsunterrichts z.B., des Politikunterrichts etc. kann das szenische Spiel eingesetzt werden....


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