Modul 2 - Einführung Familienrecht PDF

Title Modul 2 - Einführung Familienrecht
Author Shereen Akbar
Course Soziale Arbeit
Institution Frankfurt University of Applied Sciences
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Summary

Übungsfragen zum Thema Einführung Familienrecht im Recht der Sozialen Arbeit...


Description

1

Einführung ins Familienrecht I Prof. Nils Volkersen Die Familie hat sich in den letzten hundert Jahren vielfach gewandelt und wird heute meist nur noch als Kern- oder Kleinfamilie verstanden. Daneben haben sich andere Lebensformen etabliert wie die Nichteheliche Lebensgemeinschaft oder die eingetragene Lebenspartnerschaft. Auch das Familienrecht hat sich entsprechend weiter entwickelt. Das Familienrecht umfasst insbesondere: - das Eherecht, - das Verwandtschaftsrecht, - das Unterhaltsrecht, - das Kindschaftsrecht, - das Betreuungsrecht, - das Vormundschaftsrecht und - das Pflegschaftsrecht. Die Rechtsgrundlagen des Familienrechts sind im Art. 6 GG und im 4. Buch des BGB zu finden. Der Gesetzgeber sieht die Familie trotz aller Veränderungen als eine wichtige, selbstverantwortliche Institution unserer Gesellschaft. Der Staat soll in diesem Bereich nicht alles regeln, sondern nur in Notfällen eingreifen. Allerdings gilt heute das Wohl der Kinder als oberstes Gebot und gerade in dieser Hinsicht überwacht der Staat auch die Familien. Und immer, wenn das Kindeswohl gefährdet ist, greift der Staat ein und unterstützt die Familie mit Hilfsangeboten – beispielsweise mit Maßnahmen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII) oder als letzte Möglichkeit dem Entzug des elterlichen Sorgerechts, § 1666 BGB.

Fälle zum Eherecht: 1 Verliebt, verlobt, verheiratet: Ist Verlobung Pflicht? Beispiel: Danny und Christian kennen und lieben sich jetzt seit vier Jahren. Nach einem Besuch bei ihren Freunden, die gerade Nachwuchs bekommen haben, reden sie noch den ganzen Abend von Familie, Kindern und einer neuen Wohnung. Jetzt wollen sie auch heiraten und planen eine große Hochzeitsfeier mit vielen Freunden und Verwandten. Doch vorher noch so eine altmodische Verlobung, das wollen sie nicht. Aber geht das überhaupt: Heirat ohne Verlobung? Früher war es ganz selbstverständlich, dass einer Hochzeit eine offizielle Verlobung vorausging. Inzwischen hat sich ein gesellschaftlicher Wandel vollzogen. Ein Verlöbnis wird nicht länger als ein wichtiges gesellschaftliches und familiäres Ereignis begriffen. Die Verlobung wird daher heute häufig weggelassen. Kann man also heiraten ohne sich vorher verlobt zu haben? Nein! Tatsächlich ist das rechtlich nicht möglich. Zwar können Sie auf eine offizielle Verlobung verzichten. Auch braucht es keine Ankündigung in der Zeitung, keine Verlobungsfeier mit oder ohne Familie, keine Verlobungsringe und auch keine Verlobungsgeschenke. Ja, es muss noch nicht einmal irgendjemand etwas von Ihrer Verlobung wissen – noch nicht einmal Sie selbst. Und doch sind Sie, wenn Sie heiraten, vorher verlobt. In dem Augenblick nämlich, in dem Sie und Ihr Partner beschließen, zu heiraten. Das kann im Kino sein, auf einer Party, auf einem Spaziergang oder am Autobahnkreuz Olpe. Egal. Sie

2 brauchen nicht einmal von einer Verlobung zu sprechen. Ja, Sie können sogar ganz im Gegenteil beschließen, dass Sie zwar heiraten, sich aber nicht verloben wollen. Und dennoch sind Sie genau in diesem Augenblick verlobt. Sozusagen automatisch verlobt. Ein Verlöbnis ist ein gegenseitiges, ernst gemeintes Eheversprechen ohne irgendwelche Formvorschriften. Aber es ist ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft. Daher kann man sich – wie bei der Eheschließung – nicht vertreten lassen. Also können sich Geschäftsunfähige nicht verloben und auch nicht von gut meinenden Eltern als gesetzliche Vertreter verlobt werden. Und Minderjährige? Sie brauchen für die personenrechtlichen Folgen einer Verlobung eine gewisse Einsichtsfähigkeit. Und wegen der wirtschaftlichen Folgen einer Verlobung brauchen sie in jedem Fall die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter. Eine Verlobung ist ein familienrechtlicher Vertrag. Und Verträge muss man einhalten. Allerdings macht der Gesetzgeber hier eine Ausnahme: Eine Heirat kann man nicht gerichtlich erzwingen (§ 1297 BGB). Aber es gibt einige rechtliche Regelungen, die besonders bei einer Auflösung der Verlobung – wenn also doch nicht mehr geheiratet werden soll – relevant werden können. Will einer der Verlobten vom Verlöbnis zurücktreten, so hat er dem anderen und auch dessen Eltern die Aufwendungen zu ersetzen, die diese in Hinblick auf die bevorstehende Heirat bereits gemacht haben. Man muss also Schadensersatz leisten (§§ 1298, 1299 BGB). Und nicht nur das: Es können auch die Geschenke zurückverlangt werden, die im Zusammenhang mit der Verlobung gegeben wurden (§1301 BGB). Verlobte sind „Angehörige“ nach dem Strafgesetzbuch, § 11Abs. 1 Nr.1 a StGB. Und Verlobte haben ein Zeugnisverweigerungsrecht im Straf- und Zivilprozess (§ 52 StGB, § 383 ZPO) Ergebnis: Danny und Christian müssen sich nicht extra verloben – schon gar nicht offiziell –, wenn sie heiraten wollen. Aber in dem Augenblick, wo sie beide gemeinsam beschließen zu heiraten, da sind sie verlobt. Ob sie es wollen oder nicht. 2 Dürfen Sie eigentlich heiraten, wen Sie wollen? Beispiel: Auf einem Familienfest trifft Monica (17 Jahre) nach langer Zeit wieder auf ihren vier Jahre älteren Cousin Martin. Der hatte beim letzten Familientreffen nur Augen für Monicas große Schwester gehabt. Das halbe Baby, das Monica in seinen Augen noch war, zählte nicht. Umso geschmeichelter fühlt sich Monica nun, als Martin ihr diesmal seine ganze Aufmerksamkeit schenkt. Nach ein paar Takten Klammerblues, vielen tiefen Blicken und noch viel tieferen Gesprächen, waren die beiden von diesem Abend an unzertrennlich. Ein halbes Jahr später wollen Monica und Martin heiraten. Die Frage ist nur: Dürfen sie das? In allen Kulturen wurde und wird gerade die Gründung einer Familie besonders sorgfältig geregelt. Es soll kein Zufall sein, wer wen heiratet und wer mit wem Kinder in die Welt setzt. Auch in Deutschland gibt es zahlreiche gesetzliche Regelungen rund um das Thema Heiraten. Seit einigen Jahren aber setzt sich bei uns immer mehr die Meinung durch, dass Heiraten eigentlich eine eher private Angelegenheit von zwei Menschen ist. Und dass sich weder der Staat noch die Familie und schon gar nicht die Kirche einmischen sollten. Aber einige Regeln bleiben: So kann man in Deutschland nur auf dem Standesamt heiraten und beide Verlobte müssen dabei auch anwesend sein. Diese Forderung mag mehr als selbstverständlich klingen. Aber Ferntrauungen hat es – bei uns etwa im Zweiten Weltkrieg – durchaus gegeben. Nämlich als „erleichterte Form der Eheschließung in Abwesenheit des Mannes“ (Brockhaus 1952).

3 Zusätzlich kann man sich anschließend auch kirchlich trauen lassen. Inzwischen folgt bei uns auf die standesamtliche Trauung aber nur noch bei etwa 25 Prozent der Hochzeiten auch eine kirchliche Trauung. Da die Hochzeit nicht nur eine schöne Feier ist, sondern zugleich auch ein familienrechtlicher Vertrag, regelt der Gesetzgeber im BGB die Bedingungen der Eheschließung. Die drei wichtigsten Regelungen sind: 1. Es sollen nur Erwachsene heiraten (§ 1303 BGB). Als Ausnahme kann das Familiengericht auch Sechzehnjährigen eine Hochzeit erlauben zumindest dann, wenn der künftige Ehepartner bereits volljährig ist. In diesem Fall ist nicht einmal mehr die Einwilligung der Eltern erforderlich. Nur wenn die Eltern mit triftigen Gründen gegen die Heirat ihres noch minderjährigen Kindes argumentieren, kann das Familiengericht diese Ausnahme nicht genehmigen. 2. Keine Doppelehe (§ 1306 BGB). Keiner der beiden Partner darf bereits verheiratet sein. 3. Verboten sind auch Eheschließungen unter Verwandten in gerader Linie sowie zwischen vollbürtigen und halbbürtigen Geschwistern (§1307 BGB). 4. Nach § 1308 BGB soll eine Ehe nicht zwischen Personen geschlossen werden, deren Verwandtschaft durch Adoption begründet worden ist. Eine Ehe zwischen Enkelkindern, Kindern, Eltern, Großeltern oder Urgroßeltern ist also verboten, weil sie alle Verwandte in gerader Linie sind. Dagegen fallen unter dieses Verbot nicht: Neffen, Nichten, Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen etc. – und auch nicht: alle Verschwägerten. Sie dürfen also – natürlich erst nach der Scheidung – Ihre Schwägerin oder sogar Ihre Schwiegermutter heiraten, wenn Sie das wirklich wollen. Ergebnis: Wenn die Eltern von Monica keine stichhaltigen Gründe gegen eine Heirat einwenden und das Familiengericht die Ausnahmegenehmigung erteilt, dann können die beiden heiraten, obwohl Monica noch nicht volljährig ist und beide miteinander verwandt sind. Übrigens: - Im Jahr 2014 wurden in Deutschland 386.000 Ehen geschlossen, die Gesamtzahl der Ehen lag damit bei etwa 21 Millionen - Das Durchschnittsheiratsalter bei Männern wird immer höher. Es liegt jetzt bei 32 Jahren. - Frauen heiraten immer noch etwas jünger -- nämlich durchschnittlich mit 29 Jahren - Die Zahl der Paare ohne Trauschein steigt stetig – „nichteheliche Lebensgemeinschaften“ Inzwischen gibt es etwa 3 Millionen nichteheliche Lebensgemeinschaften - Und auch die Zahl der Singlehaushalte steigt - Von den insgesamt rund 37 Millionen Haushalten in Deutschland waren etwa 35 Prozent Einpersonenhaushalte - Etwa 7 Prozent aller Haushalte hatten in Jahr 2004 eine Bezugsperson mit ausländischer Staatsangehörigkeit. In Großstädten lag der Anteil sogar bei 12 Prozent.

3 Hochzeit mit einer Ausländerin, einem Ausländer Beispiel: Bernhard Kohl macht Urlaub an der Ostsee – in Polen. Erstens ist es dort billiger, zweitens nicht so überlaufen, drittens wunderschön und außerdem wollte er da schon immer mal hin. Schließlich kommen seine Eltern aus der Ecke. Am Strand von Zoppot lernt er Wanda Nowak kennen, die erstaunlich gut deutsch spricht und auch sonst ganz erstaunlich ist. Sie verlieben sich ineinander. Das Beste aber ist, dass das

4 Gute so nahe liegt: Beide leben eigentlich in Frankfurt. Kaum ist der Urlaub vorüber, fängt Wanda Nowak einen Brautstrauß. Ein halbes Jahr später wollen sie heiraten. Geht das? Und wenn ja, wie geht das? Natürlich wissen Bernhard Kohl und Wanda Nowak, wie man eine Familie gründet. Da das Familienrecht aber in beiden Ländern unterschiedlich geregelt wird und man daher auch in rechtlicher Hinsicht unterschiedlich heiratet, stellt sich die Frage: Was gilt in unserem Beispiel? Das deutsche oder das polnische Recht? Um solche Fragen zu klären, hat der Gesetzgeber das Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) erlassen. Es soll zwischenstaatliche Probleme dieser Art regeln. Man nennt diese Regelungen internationales Privatrecht, wobei der Name etwas irreführend ist: Es handelt sich hierbei keinesfalls um international geltendes Recht, sondern nur um das Recht, das in Deutschland gilt, wenn es um Probleme mit anderen Ländern geht. Da andere Länder das auch so machen, hat jede nationale Rechtsordnung ihr eigenes internationales Privatrecht. Gerade auch wenn es ums Heiraten geht, schaffen die vielen unterschiedlichen Regelungen natürlich eine Menge Probleme. Die Länder versuchen daher in internationalen Abkommen einheitliche Regeln für bestimmte Sachbereiche wie das Familienrecht oder das Erbrecht zu finden, die dann den Regelungen des EGBGB vorgehen. Für das Familienrecht gelten – falls nicht binationale Verträge oder internationale Abkommen Vorrang haben – die Art. 13 bis Art. 24 EGBGB. Danach ist insbesondere zu beachten: 1. Die Voraussetzungen der Eheschließung bestimmen sich für jeden Verlobten nach dem Recht des Staates, dem er angehört (Art. 13 EGBGB). 2. Da die deutschen Standesbeamten die ausländischen Regelungen meist nicht kennen, benötigen Ausländer, die in Deutschland heiraten wollen, ein Ehefähigkeitszeugnis (§ 1309 BGB). Das klingt etwas merkwürdig, meint aber nichts anderes als eine Bescheinigung darüber, dass die geplante Heirat auch nach dem Recht des Heimatlandes erlaubt ist. Ein Ehefähigkeitszeugnis muss im Heimatland beantragt und dann ins Deutsche übersetzt werden. 3. Wenn es dem Ausländer unmöglich oder unzumutbar ist, das Ehefähigkeitszeugnis zu besorgen – z.B. bei Asylbewerbern – und die Prüfung seines Heimatrechts ergibt, dass keine Ehehindernisse bestehen, dann kann der Präsident des zuständigen Oberlandesgerichts davon Befreiung erteilen (§ 1309 BGB). Den entsprechenden Antrag nimmt das Standesamt entgegen. 4. Allerdings verhindert nicht jedes Ehehindernis des ausländischen Verlobten die Eheschließung hier bei uns. Nach Art. 6 EGBGB sind Regelungen eines anderen Staates bei uns nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung mit den Grundrechten unvereinbar ist. So verstößt es bei uns gegen das Grundrecht auf Freiheit der Eheschließung, wenn es Soldaten eines Landes verboten ist, zu heiraten. Bei uns dürften sie es dennoch. Sie hätten dann aber natürlich Probleme in ihrem Heimatland. 5. Bei einer Heirat im Ausland gelten dann umgekehrt die Regelungen des Auslandes. Wenn dort z.B. schon mit der kirchlichen Trauung die Eheschließung perfekt ist, ist diese Ehe auch nach deutschem Recht gültig. In den meisten Ländern braucht man auch ein Ehefähigkeitszeugnis. Dies wird von dem für den Wohnsitz zuständigen Standesamt ausgestellt und muss dann natürlich übersetzt werden. Wer eine deutsche Urkunde über die im Ausland geschlossene Ehe wünscht, kann beim zuständigen Standesamt ein Familienbuch beantragen. Auf dem Weg zu einer standesamtlichen Trauung mit einem ausländischen Partner sind in Deutschland aber noch einige Hürden zu nehmen, die nicht im EGBGB stehen. Wer auch wen

5 am Ende über die Schwelle trägt: Es sollte die einfachste Übung sein. Hier ein möglicher Ablaufplan: 1. Am Anfang steht die Beratung. Es ist sicher eine gute Idee, eine einschlägige Beratungsstelle aufzusuchen, um sich über Schwierigkeiten und Konsequenzen einer binationalen Eheschließung klar zu werden. Ebenfalls hilfreich ist die Beratung durch einen Rechtsanwalt, vielleicht gibt es auch im Bekanntenkreis entsprechende „Experten“. 2. Und dann geht es auch schon zum Standesamt. Allerdings nur, um eine aktuelle Liste aller Dokumente zu bekommen, die für die Heirat notwendig sind. 3. Einige Dokumente wie das Ehefähigkeitszeugnis müssen im Heimatland besorgt und anschließend von einem staatlich vereidigten Übersetzer ins Deutsche übertragen werden. 4. Ein erneuter Besuch beim Standesamt, wo die Papiere geprüft werden. 5. Im Einwohnermeldeamt muss der ausländische Verlobte angemeldet werden. 6. Auf dem Standesamt wird der Termin der Eheschließung festgelegt. 7. Es ist soweit: Die Eheschließung auf dem Standesamt folgt. Herzlichen Glückwunsch! 8. Danach erst geht es zur Ausländerbehörde. Und was ist dabei problematisch? Mal abgesehen vom Papierkram, den vielen Amtsgängen und dem Zeitaufwand? Bei binationalen Eheschließungen hört der Amtsschimmel das Gras wachsen. Die entsprechenden Ämter – allen voran das Ausländeramt – sind äußerst misstrauisch. Da natürlich auch die Ausländerbehörde weiß, dass es eine Reihe von Eheschließungen gibt, die keine reine Herzensangelegenheit sind, sondern dem ausländischen Partner lediglich ein Bleiberecht verschaffen sollen, spitzt man die Ohren und schärft den Blick. Auf den Ämtern ist es durchaus schon zu Festnahmen mit anschließender Abschiebungen gekommen. Wanda lebt seit drei Jahren in Deutschland. Illegal. Seit Polen der EU beigetreten ist, kann sie mit ihrem Pass oder Personalausweis zwar ohne Schwierigkeiten und vor allem ohne Visum ein- und ausreisen. Allerdings hat sie keine Arbeitserlaubnis und daher auch keine Aufenthaltsgenehmigung – wie so viele andere arbeitet sie immer noch schwarz. Anders als z.B. England oder Spanien hat Deutschland den Bewohnern der neuen Beitrittsländer noch nicht die volle Freizügigkeit gewährt. (Das hat sich für Polen seit Mai 2011 positiv geändert!) Wer aus diesen oder anderen Gründen vorsichtig sein muss, sollte wissen, dass der ausländische Verlobte eigentlich nur bei der Eheschließung persönlich anwesend sein muss. Das ist zwingend vorgeschrieben. Bei allen anderen Terminen aber kann der deutsche Verlobte mit einer Vollmacht des anderen und dessen Pass oder Ausweis alles allein erledigen. Es kann sinnvoll sein, den Ämtern nicht den Pass selbst, sondern eine notariell beglaubigte Kopie vorzulegen, da der Pass bisweilen eingezogen und zur Ausländerbehörde geschickt wird. Von dort ist das Dokument nicht immer leicht zurückzubekommen. Die Meldebescheinigung sollte als letztes Papier besorgt werden, da die Meldebehörde in jedem Fall die Ausländerbehörde über die Anmeldung eines Ausländers – oder in unserem Beispiel: einer Ausländerin – informiert. Zur Ausländerbehörde gehen Sie dann nach der Eheschließung! Sind Sie verheiratet, hat der Gatte ausländischer Herkunft einen Anspruch auf die Aufenthaltserlaubnis. Bei den meisten Ämtern kann man auf freundliche und hilfsbereite Mitarbeiter stoßen. Dennoch sind die Behörden nicht dazu angehalten, Ihnen alle Hindernisse aus den Weg zu räumen. Ganz im Gegenteil besteht ihre Aufgabe darin, den Aufenthalt zu erschweren oder besser noch zu verhindern.

6 Lassen Sie sich also nicht irritieren, wenn ein Standesbeamter bereits zur Eheschließung ein Aufenthaltsrecht verlangt. Auch als „Illegaler“ haben Sie in Deutschland das Recht zum Heiraten – die gegenteilige Behauptung vieler Standesämter ist schlicht falsch. Und noch etwas kann beim Gang zum Standesamt nervös machen: Seit der Reform des Familienrechts von 1998 müssen Standesbeamte die Mitwirkung an der Eheschließung verweigern, wenn offenkundig ist, dass die Eheleute gar keine Verantwortung für einander tragen wollen. Wird nur eine Scheinehe geschlossen, dann ist die Ehe aufhebbar. Um die Ernsthaftigkeit Ihrer Absichten zu prüfen, müssen Sie unter Umständen einen Fragebogen ausfüllen, oder Sie werden zu einem speziellen Termin vorgeladen und über die gemeinsamen Lebensgewohnheiten befragt. Man sollte sich da etwas abstimmen. Es gibt darüber lustige Filme, aber in der Praxis ist das nicht so spaßig. Eine Reihe heikler Fragen brauchen Sie nicht zu beantworten, wenn Sie zum Beispiel sagen, dass Sie aus religiösen Gründen natürlich erst nach der Heirat zusammenziehen und auch dann erst Sex miteinander haben werden. Aber auf so banale Fragen wie „Wo haben Sie sich kennen gelernt? Wie verständigen Sie sich? Was unternehmen Sie gemeinsam?“ müssen Sie Antworten parat haben. Vielleicht kommt man sich dabei ja auch näher. Auch nach der Eheschließung kann die Ausländerbehörde noch Schwierigkeiten machen – z.B. bei einer Trennung oder bei längeren Auslandsaufenthalten. Genaue Kenntnisse der Rechtslage sind daher auch weit über den Austausch der Ringe erforderlich. Ergebnis: Für Bernhard Kohl und Wanda Nowak bedeutet die Heirat mit Sicherheit etwas mehr bürokratischen Aufwand. Und zwar in beiden Herkunftsländern. Aber zumindest die deutschen Standesämter stellen sich auf diese Situation immer besser ein und sind auch zunehmend genauer informiert. Nach der Eheschließung bekommt Wanda die Aufenthaltserlaubnis und dann die Arbeitserlaubnis und kann endlich ganz „normal“ hier leben und arbeiten. Noch ein paar Regelungen aus dem internationalen Privatrecht, die die Zeit nach der Eheschließung betreffen: 1. Die allgemeinen Wirkungen der Ehe richten sich bei gemischten Ehen nach dem Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. 14 EGBGB). 2. Der eheliche Güterstand ist – falls kein notarieller Ehevertrag abgeschlossen wird – die Zugewinngemeinschaft, wenn beide den normalen Aufenthalt in Deutschland haben. Aber es gibt ein Wahlrecht auch für das Recht des anderen Staates. Hier ist dann eine notarielle Beurkundung erforderlich (Art. 15 EGBGB). 3. Gehen Sie – speziell als deutsche Ehefrau – mit ihrem Ehegatten in dessen Land, dann kann der Abschluss eines entsprechenden Ehevertrags sehr sinnvoll sein. Dies würde die Durchsetzung von in Deutschland selbstverständlichen Rechten wie zum Beispiel Berufstätigkeit, eigenverantwortliche Kindererziehung, Unterhalt, persönliches Eigentum auch in dem anderen Land sichern helfen. 4. Unabhängig davon, wo die Ehe geschlossen wurde, kann sie nach deutschem Recht geschieden werden, wenn die Eheleute ihren Wohnsitz in Deutschland haben. War ein Ehegatte bei der Eheschließung Deutscher, so wird die Ehe auch grundsätzlich dann nach deutschem Recht geschieden, wenn die Ehe nach ausländischem Recht nicht oder noch nicht geschieden werden könnte. In diesen Fällen brauchen Sie auf jeden Fall kompetente Rechtsberatung!...


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