Rhetorik Definition - Lernmaterial PDF

Title Rhetorik Definition - Lernmaterial
Course Einführung in die neuere deutsche Literaturwissenschaft
Institution Universität Bremen
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Rhetorik 1: Allgemeine Einführung Rhetorik- Definitionen: 1. Rhetorik ist die Kunst der Meinungsbeeinflussung durch eine triftig argumentierende, sinnvoll gegliederte, stilistisch ansprechende und wirkungsvoll vorgetragene Rede zunächst im mündlichen, dann aber auch, wie beim Brief, im schriftlichen Kontext. Zugleich hat die Rhetorik seit der Antike als Theorie und Wissenschaft der Redekunst ein imponierendes Lehrgebäude errichtet. (vgl. Nünning, Ansgar (Hrsg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Vierte aktualisierte und erweiterte Auflage. Weimar, 2008: Verlag J.B. Metzler.) 2. Rhetorik als „ars bene dicendi“ ARS: in der griechischen Übersetzung auch techne, bedeutet „Kunst“ aber auch „Kunstfertigkeit“ und weist damit darauf hin, dass Rhetorik sowohl lehr- als auch lernbar ist. BENE: bedeutet „gut“ und hat als Begriff zwei Dimensionen: Einerseits soll die Rede effektiv sein, also zielorientiert, andererseits geht es um eine moralische Qualität und einen Wahrheitsanspruch. Diese beiden Dimensionen sind nicht immer vereinbar, man denke einmal ganz pragmatisch an die Werbung. DICENDI: bedeutet „des Sprechens, Sagens“, bezieht sich aber durchaus, wie in der ersten Definition auch deutlich herauskommt, auch auf die Textproduktion. Die Rhetorik wird in der griechischen und römischen Antike ausgeprägt. Der Begriff ist einerseits wörtlich zu verstehen, als das Erstellen und Halten von Reden, andererseits als die Theorie von eben dieser Redekunst. Rhetorik war Bestandteil der klassischen Ausbildung, der septem artes liberales, die in der Antike auf die drei Studienfächer Medizin, Jura oder Theologie vorbereitete. Sie gliederte sich in das Trivium: Grammatik, Rhetorik und Logik und das darauf aufbauende Quadrivium, das aus Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie bestand. Rhetorik fand und findet ihre Anwendung in Gerichtsreden, politischen Reden und in Festreden. (vgl. auch Spörl, Uwe: Basislexikon Literaturwissenschaft. Zweite durchgesehene Auflage. Paderborn, 2006: Verlag Ferdinand Schöningh.) Ziel der Rhetorik= persuasio Der Begriff „persuasio“ ist auf zweierlei Weisen zu übersetzen. Er kann sowohl für Überredung als auch für Überzeugung stehen, hier wird wiederum bedeutsam, wie „wahr“ und „moralisch“ eine Rede ist. Die persuasio lässt sich in drei Unterziele teilen: Docere: Movere: Delectare:

unterrichten, informieren (emotional) bewegen angenehm machen, erfreuen

Produktionsstadien einer Rede/ eines Textes: 1. inventio: Stoffsammlung Für die Stoffsammlung kann der Redner Kenntnisse benutzen, die er bereits hat und natürlich ist auch der Einfallsreichtum des Produzenten nicht unerheblich. Er kann aber auch eine geordnete, an Fragen orientierte, Stoffsammlung angehen. Dazu ist im Zusammenhang mit der Rhetorik die Topik entwickelt worden. Unter Topik versteht man eine regelgeleitete Befragung eines darzustellenden Gegenstandes oder Themas (vgl. Spörl 2006: 79). Der Begriff stammt vom griechischen „tópos“ und bedeutet Ort. Ort deshalb, weil man sich gedanklich an bestimmte „Plätze“ begibt, um ein Thema von allen Seiten zu beleuchten. Im Deutschen wird dies meistens durch die W-Fragen geleistet:

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Wer hat wann was getan und wieso? Wo ist er gewesen? Warum hat er welches Mittel genutzt? 2. dispositio: Gliederung In dieser Produktionsphase werden die gefunden Argumente und Information gegliedert. Hierbei ist die Zielorientierung nicht aus den Augen zu verlieren. 3. elocutio: Vertextung Die elocutio ist die für uns wichtigste Phase der Produktion. Die Argumente und Information werden in einem schriftlichen Text verknüpft. Dabei werden die so genannten „rhetorischen Stilmittel“ verwendet, die in den nächsten Stunden Thema sein werden. Auch hier sind Zielorientiertheit und Angemessenheit zentrale Prinzipien. 4. memoria: Erinnerung Da die Reden zumeist mündlich vorgetragen wurden, besteht diese Phase aus dem Einprägen der Rede. Hierzu wurden teilweise spezielle Techniken entwickelt. 5. actus: Aussprache Die letzte Phase bezeichnet dann das Vortragen der Rede. Memoria und actus sind für die Literaturwissenschaft eher unwichtig, da wir es mit Texten zu tun haben und uns daher auf die dritte Phase, die elocutio, konzentrieren wollen. Die Semantik der Rhetorik: res - verba Die Rhetorik entwickelt eine minimale Semantik, also Bedeutungslehre. Sie geht davon aus, dass Worte (verba) in einem Abbildungsverhältnis zu Dingen, Gedanken und Sachverhalten (res) stehen. Hierbei wird nicht darin unterschieden, ob die Dinge real existieren, oder nur als gedankliche Konstrukte vorhanden sind. Das Norm-Abweichungsprinzip: natura – ars Die Rhetorik nutzt ein bestimmtes System, um die Aufmerksamkeit des Rezipienten zu gewinnen. Dieses Prinzip liegt in natura- ars verborgen. Natura steht hierbei für die Norm, also den natürlichen Grundzustand und „ars“ für eine künstlich produzierte Abweichung von diesem Grundzustand. Diese Abweichungen finden wir in den rhetorischen Figuren und Tropen wieder, die im Grunde schlicht als Fehler aufgefasst werden könnten. Das Prinzip wird besonders in der elocutio verwendet, wenn es um die Verschriftlichung der Rede bzw. generell eines Textes geht. Eng verbunden mit dieser Grundunterscheidung ist auch das Prinzip des ornatus (Schmuck, Zierde). Ornatus bezeichnet eben eine punktuelle Abweichung von der Norm, beispielsweise durch Stilmittel. Das aptum/ decorum Aptum, bzw. decorum, bezieht sich auf ein wirkungsorientiertes Zusammenpassen aller Teile der Rede. Angemessenheit bezieht sich hier auf den Redegegenstand, die Redesituation, die sprachliche Gestaltung und die Person des Redners (Auftreten, Kleidung usw.) Stilniveaus Die Rhetorik unterscheidet drei Stilniveaus: Genus grande:

hoher, erhabener Stil: Das genus grande soll starke Affekte beim Publikum erregen, es soll das Publikum mitreißen und bewegen und unterstützt damit auch das Teilziel movere. Das Genus grande eignet sich gut zur Manipulation des Publikums und wird wegen des pathetischen Stils auch in der Tragödie verwendet.

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Genus medium:

mittlerer Stil: Der mittlere Stil wird vorwiegend zur Erfreuung des Publikums angewandt. Man findet ihn zum Beispiel zu Beginn einer Rede, wenn der Redner sich das Publikum gewogen machen will und sich selbst als sympathischen Menschen präsentieren will. Auch in Festreden findet dieses genus Anwendung.

Genus humile:

niederer Stil: Der niedere Stil wird vor allem zur Darstellung von Sachverhalten und zur Vermittlung von Informationen genutzt. Die Sprache ist sehr nüchtern und deutlich, weshalb diesem Stilniveau auch die Komödie zugeordnet wurde. Immer dann, wenn Argumentationen im Vordergrund stehen sollen, empfiehlt sich das Genus humile.

Noch eine letzte Anmerkung: Die Rhetorik geht davon aus, dass die Textproduktion zielführend ist, also einen Zweck hat. Wenn wir das Instrumentarium der Rhetorik verwenden, um Literatur zu untersuchen, dann unterstellen wir der Literatur also immer einen Zweck, die Orientiertheit an einem Ziel. Dazu im Gegensatz steht der Begriff von Literatur als Kunst. Über diesen Widerspruch sollten wir uns immer bewusst sein.

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