Romantik - Zusammenfassung Gründzüge der Literaturgeschichte PDF

Title Romantik - Zusammenfassung Gründzüge der Literaturgeschichte
Course Gründzüge der Literaturgeschichte
Institution Universität Duisburg-Essen
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Alle Dateien unter dem Kurs Grundzüge der Literaturgeschichte sind Zusammenfassungen des gesamten Kurses / Vorlesung im WS 15/16 ...


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Romantik 1. (Zeitlicher) Überblick über die Epoche Ludwig Tieck: 1796 Der blonde Eckbert—> 1841 Waldeinsamkeit (1796-1841) oder Augustus W. u. Friedrich Schlegel: 1798 Athenäum —> Heinrich Heine 1836 Die romantische Schule (1798-1836) Name afranz. „romanz“ engl. bei Thomas Bailey 1650 „romantick“ romantisch= romanisch; romanhaft Einteilung - Frühromantik in Jena 1798-1804 - Förderung der Weltliteratur - Hochromantik in Heidelberg 1804-1818 - Förderung von Volkspoesie; Sagen Märchen - Spärromantik in Berlin 1816-1835 Motive - Überwindung durch Phantasie - Das Wunderbare Das Unheimliche - zeitlose Gegenwertigkeit - Sehnsucht - Liebe (vervollkommung in allen Facetten) - Aufwertung der Sinnlichkeit - Frauen nicht nur Objekte, sondern Subjekte der Liebe - Konzept der romantischen Liebe: - Sexualität + Freundschaft + Exklusiv(Schicksalhaft) - Der Partner stirbt oft, aber nicht die Liebe - Einheit _Natur und Geist - Poesie: Poetisierung d.h. die Harmonisierung der Gesellschaft Merkmale/ Stichworte - Progressive Universalpoesie (alles wird romantisiert) - Fortschritt niemals vollendet oder abgeschlossen - offen für neue Formen und Inhalte - Aufheben der Grenzen zwischen Gattungen und Künsten - Vermischung von Poesie und Prosa, von Genialität und Kritik, Kunst und Volkspoesie - romantische Ironie (Ich weiß ich kann das Werk zu Ende bringen, ich setzte mich mit Ironie mir meinen Werk auseinander, Vorwegnahme des Scheiterns des Schreibens) - Transzendentalpoesie (selbsteinbeziehung von Poesie in Poesie) - Triadisches Geschichtsmodell 1. Es gab mal ein goldenes Zeitalter 2. Gegenwart ist problematisch 3. möglichst nah wieder an das goldene Zeitalter - Romantik orientiert sich auf das Mittelalter (statt Antike) —> christlich - Christentum: Kultur und Mystik

Textsorten - Gattungsvermischung - Fragment - Märchen - Novelle (Schauerroman, Volkslied, Sagen , Kunstmärchen, Bildungsroman) Überblick wichtig: - Bildungsroman - Bezeichnung: von Johann Karl Simon Morgenstern - Beispiel: Goethe/ Wilhelm Meister Lehrjahre (Selsbtständige Vervollkommnung eines Jungen Mannes) - = Prototyp: n Wilhelm Dilthey - Bildungsziel: reifes Subjekt durch harmonische Selbstbildung - Vorläufer des Bildungsroman - Christoph Martin Wieland: Agathon (1766/67); 1773; 1794) —> Kalokagathie - Karl Phillip Moritz: Anton Reiser (1785-90) —> Seelenerfahrungskunde Romantische Programmatik: - Aufwertung der Phantasie —> Fichte (Alles was ich mir vorstelle, kann erschaffen werden) - Synästhesie (Sinneseindrücke, Geräusche sehen, Farben hören) - Kindheit als Schlüsselphase —> Psychologie (Blick in die Kindheit, erklärt was mit den Erwachsenen los ist) - Entdeckung des Unbewussten: Aufwertung anderer Bewusstseinszustände; Traum, Hypnose, Kontemplation, Rausch etc. - Natur, Technik, Medizin: Automaten, Elektrizität und Magnetismus —> Mesmerismus (Magnetbehandlungen) - Künstlertum Bürgertum (=Philister)

2. Autoren und Werke Autoren 1. Frühromantik (Jena ab ca. 1798) - August Wilhelm und Friedrich Schlegel, - Johann Gottlieb Fichte, - Novalis (Friedrich von Hardenberg), - Ludwig Tieck, - Friedrich Wilhelm Schelling, - Sophie Mereau-Brentano, - Dorothea Schlegel 2. Hochromantik (Heidelberg ab ca. 1804) - Jacob und Wilhelm Grimm, - Achim von Arnim, - Clemens Brentano, - Bettina (Brentano) von Arnim, - Karoline von Günderrode, - Joseph von Eichendorff In Berlin - E.T.A. Hoffmann, - Adelbert von Chamisso, - Rosa Maria Assing, - August Ferdinand Bernhardi, - Friedrich und Caroline de la Motte Fouqué 3. Spätromantik (Berlin ab ca. 1814) - Salon von Rachel Levin Vornagen: - Rahel Levin-Varnhagen, - E.T.A. Hoffmann, - Bettina von Arnim, - Ludwig Tieck, - Serapionsbrüder in der Wohnung E.T.A Hoffmanns: - Adelbert von Chamisso, - David Ferdinand Koreff, - Theodor Gottlieb von Hippel, - Julius Eduard Hitzig, - Karl Wilhelm Salice-Contessa, - Friedrich de la Motte Fouqué. In Wien - Joseph von Eichendorff, - Dorothea und Friedrich Schlegel

Bildungsromane - Ludwig Tieck: - Der blonde Eckbert (1796); - Waldeinsamkeit (1841) - August Wilhelm und Friedrich Schlegel: - Athenäum (1798). - Heinrich Heine - Die romantische Schule (1836). - Christoph Martin Wieland: - Agathon (1766/7; 1773; 1794). - Karl Philipp Moritz: - Anton Reiser (1785-90). - Johann Wolfgang von Goethe: - Wilhelm Meisters Theatralische Sendung (1777-85). - Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795-96). - Wilhelm Meisters Wanderjahre (1821). Romantische Rezeption des Wilhelm Meister - Friedrich Schlegel Athenäums-Fragment 216: „Die Französische Revolution, Fichtes Wissenschaftslehre, und Goethes Meister sind die größten Tendenzen des Zeitalters. Wer an dieser Zusammenstellung Anstoß nimmt, wem keine Revolution wichtig scheinen kann, die nicht laut und materiell ist, der hat sich noch nicht auf den hohen weiten Standpunkt der Geschichte der Menschheit erhoben. Selbst in unsern dürftigen Kulturgeschichten, die meistens einer mit fortlaufendem Kommentar begleiteten Variantensammlung, wozu der klassische Text verloren ging, gleichen, spielt manches kleine Buch, von dem die lärmende Menge zu seiner Zeit nicht viel Notiz nahm, eine größere Rolle, als alles, was diese trieb.“

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Ludwig Tieck Franz Sternbalds Wanderungen (1798) Dorothea Mendelsohn-Veit (Schlegel): Florentin (1801) Novalis Heinrich von Ofterdingen (1802) Jean Paul Flegeljahre (1804/05) Friedrike Helene Unger: Bekenntnisse einer schönen Seele. Von ihr selbst geschrieben. (1806) Eichendorff Ahnung und Gegenwart (1815) E.T.A. Hoffmann Lebensansichten des Katers Murr (1820-22)

Volksdichtung und Märchen der Romantik - Achim von Armin und Clemens Brentano: - Des Knaben Wunderhorn (in 3 Bänden, 1806/8). - Jakob und Wilhelm Grimm: - Kinder- und Hausmärchen (1812-1857). - Ludwig Tieck: - Der blonde Eckbert (1796). Später in: Die Märchen aus dem Phantasus. 3 Bde. 1812-1815. - Novalis: - Hyazinth und Rosenblüthchen. Aus: Die Lehrlinge zu Sais. Fragment. (posthum 1802). - Joseph von Eichendorff: - Die Zauberei im Herbste (1808/09). - Das Marmorbild (1816/17). - E.T.A. Hoffmann: - Der goldne Topf. Aus: Fantasiestücke in Callots Manier. Zweiter Teil. (1808/15).

Schauerromantik/ schwarze Romantik - Horace Walpole: - The Castle of Otranto (1765) - Ann Radcliffe: - The Castles of Athlin and Dunbayne (anonym, 1789) und - The Mysteries of Udolpho (1794). - Matthew Gregory Lewis: - The Monk (1796). - Mary Shelley: - Frankenstein or The Modern Prometheus (1818). - E.T.A. Hoffmann: - Nachtstücke, darunter Der Sandmann (1816). - Die Elixiere des Teufels. (1815/16). USA - Edgar Allan Poe—> Phantastische Literatur —> Horror Genre

3. Zentrale Termini und Historie Romantische Programmatik August Wilhelm Schlegel 5. und 6. Vorlesung über schöne Literatur und Kunst von 1801 bis 1804 in Berlin: „[E]s [ist] das ökonomische Prinzip [...], welches die Aufklärer leitet [...]. Hier zeigt sich schon die ganze verkehrte Denkart [der Aufklärung], das an sich Gute [...] dem Nützlichen unterzuordnen [...] Natürlich hat sich die Aufklärung auch in die Moral gemischt und darin großes Unheil angerichtet. Nach ihrer ökonomischen Richtung gab sie alle Tugenden, die sich nicht der Brauchbarkeit für irdische Angelegenheiten fügen wollten, für Überspannung und Schwärmerei aus. Ohne irgendeine Ausnahme für besondere Naturen gelten zu lassen, sollten alle gleichermaßen in das Joch gewisser bürgerlicher Pflichten gespannt werden, in das Gewerbs- und Amts- und dann in das Familienleben, und zwar nicht aus Patriotismus und Liebe, sondern um den Acker des Staates wie Zugvieh zu pflügen“ —> die Aufklärung hätte Gehirnwäsche betrieben alles geht nach Zahlen, dies hätte sich auch in die Moral gemischt —> Aufklärung mit der Vernunftbetonung wertet alles andere ab

Progressive Universalpoesie [116] Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennte Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen, und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen, den Witz poetisieren, und die Formen der Kunst mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors beseelen. Sie umfaßt alles, was nur poetisch ist, vom größten wieder mehre Systeme in sich enthaltenden Systeme der Kunst, bis zu dem Seufzer, dem Kuß, den das dichtende Kind aushaucht in kunstlosen Gesang. Sie kann sich so in das Dargestellte verlieren, daß man glauben möchte, poetische Individuen jeder Art zu charakterisieren, sei ihr Eins und Alles; und doch gibt es noch keine Form, die so dazu gemacht wäre, den Geist des Autors vollständig auszudrücken [...]. Die romantische Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet sein kann. Sie kann durch keine Theorie erschöpft werden, und nur eine divinatorische Kritik dürfte es

wagen, ihr Ideal charakterisieren zu wollen. Sie allein ist unendlich, wie sie allein frei ist, und das als ihr erstes Gesetz anerkennt, daß die Willkür des Dichters kein Gesetz über sich leide. Die romantische Dichtart ist die einzige, die mehr als Art, und gleichsam die Dichtkunst selbst ist: denn in einem gewissen Sinn ist oder soll alle Poesie romantisch sein. [Friedrich Schlegel: Fragmente, S. 32. Quellen Germanistik: Romantik, S. 25833 (vgl. Schlegel-KFSA, 1. Abt. Bd. 2, S. 183)] -> dynamisch, alles ist Poesie z.B. ein Roman der mit zwei Sonetten beginnt —> Witz und Humor=Ironie (romantische Ironie) Andere Herangehensweise an die progressive Universaltheorie Romantisierung: NOVALIS „Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ur[sprünglichen] Sinn wieder. Romantisieren ist nichts anderes als eine qualit[ative] Potenzierung. Das niedre Selbst wird mit einem bessern Selbst in dieser Operation identifiziert. [...] Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es – Umgekehrt ist die Operation für das Höhere, Unbekannte, Mystische, Unendliche – [...] es bekommt einen geläufigen Ausdruck.“ (Fragmente, (1799-1800) Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren! sind Schlüssel aller Kreaturen,! wenn die, so singen oder küssen,! mehr als die Tiefgelehrten wissen,! wenn sich die Welt ins freie Leben! und in die Welt wird zurückbegeben, wenn dann sich wieder Licht und Schatten zu echter Klarheit werden gatten und man in Märchen und Gedichten erkennt die wahren Weltgeschichten, dann fliegt vor Einem geheimen Wort das ganze verkehrte Wesen fort. —> aus etwas alltäglichen wird was besonderes gemacht= Romantisierung

Historische Theorien /Mythen Platon - Sympassion - Aristophanes —> Mythos vom Kugelmenschen - „Menschen kamen als Kugel zur Welt, Sie wurden aufmüpfig deswegen wurden sie von den Göttern getrennt. Deswegen suchen die Menschen Liebe (ihre andere Kugelhälfte) Loreley/Nixe - z.B. Eichendorff: Im Waldgespräch - Mann erobert die Frau im gefährlichen Wald, die Sünden die den Mann treibt ist Habgier, Frau warnt den Mann er solle verschwinden, Man merkt aber das die Frau reich ist und sehr hübsch und will die Frau somit. Dann merkt er, das sie die Hexe Loreley ist, diese meint sie hätte ihn gewarnt. - Unheimlich, Gefahrenmoment, Kritik

Historie - Wechsel von feudaler zur bürgerlichen Gesellschaft - 1806 Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation - 1806 Gründung des Reibendes - 1807-1814: preußische Reformen Bauernbefreiung, Gewerbefreiheit, Städteordnung, Heeresreform, Bildungsreform, Judenemanzipation - 1812 Napoleon zog in den Krieg gegen Russland - 1813-1815 Befreiungskriege - 1815 Wiener Kongress —> Restauration

4. Moodle Fragen 1. In der Romantik gibt es verschiedene Programmschriften und Programmatiken. Welche beiden Schlagworte verbinden sich mit dem romantischen Konzept? - Transzendentalpoesie - romantische Ironie 2. Nennen sie drei romantische romane, die als Bildungsroman in der folge von Goethes Wilhelm Meister Lehrjahre zu lesen sind. - Novalis: Heinrich von Ofterdingen - Ludwig Tieck: Franz Sternbalds Wanderungen - Dorothea Schlegel: Florentin 3. Welche Gegensätze werden in der Romantik besonders stark gemacht? - Das Wunderbare vs. das Unheimliche - Die Einbildungskraft vs. das Rationale 4. Wer entwirft in seiner Programmatik die Progressive Universalpoesie? —> Friedrich Schlegel 5. Ordnen sie die Stadt zu, die als Zentrum der jeweiligen Phase der deutschen Romantik gilt. - Frühromantik: Jena - Hochromantik: Heidelberg - Spätromantik: Berlin 6. Welche Textsorten sind in der Romantik neben der allgemeinen Gattungsvermischung besonders populär? - Novelle - Fragment - Märchen 7. Kreuzen sie die beiden Texte an, die zu dem Genre des Kunstmärchens gehören - Ludwig Tieck: Der blonde Eckbert - E.T.A. Hoffmann: Der goldenen Topf 8. Welche Genres entwickeln sich aus der Schauerromantik? - Phantastik - Horror

9. Wählen sie jeweils einen Autor aus der Liste, der repräsentativ für die jeweilige Phase der Romantik ist - Frühromantik in Jena: Friedrich Schlegel - Hochromantik in Heidelberg: Joseph von Eichendorff - Spätromantik: E.T.A. Hoffmann 10. Welche Strömungen sind parallel zur Romantik? Wie zeigt sich das im Kapitelbau ihrer Literaturgeschichte? Klassik-Romantik-Jakobinismus-Kleist —> Das Kapitel heißt „Kunstepoche“ und umfasst all die oben genannten Strömungen 11. Welche Autoren gehören für Beutin zur späten Romantik? - E.T.A. Hoffmann - Adelbert von Chamisso - Joseph Freiherr von Eichendorf 12. Nennen sie die wichtigen Vertreterinnen und Werke der Romanik. - Tiecks: Franz Sternbalds Wanderungen (1798) - Novalis - August Wilhelm und Friedrich Schlegel - Achim von Arnim - Eichendorff - Schlegel - Hoffmann - etc. 5. Beispiele 1. Bsp.: Bildungsroman Goethe/ Wilhelm Meister Lehrjahre „Was hilft es mir, gutes Eisen zu fabrizieren, wenn mein eigenes Inneres voller Schlacken ist? und was, ein Landgut in Ordnung zu bringen, wenn ich mit mir selber uneins bin? Daß ich Dir's mit einem Worte sage: mich selbst, ganz wie ich da bin, auszubilden, das war dunkel von Jugend auf mein Wunsch und meine Absicht. Noch hege ich eben diese Gesinnungen, nur daß mir die Mittel, die mir es möglich machen werden, etwas deutlicher sind. Ich habe mehr Welt gesehen, als Du glaubst, und sie besser benutzt, als Du denkst. Schenke deswegen dem, was ich sage, einige Aufmerksamkeit, wenn es gleich nicht ganz nach Deinem Sinne sein sollte. Wäre ich ein Edelmann, so wäre unser Streit bald abgetan; da ich aber nur ein Bürger bin, so muß ich einen eigenen Weg nehmen, und ich wünsche, daß Du mich verstehen mögest. Ich weiß nicht, wie es in fremden Ländern ist, aber in Deutschland ist nur dem Edelmann eine gewisse allgemeine, wenn ich sagen darf, personelle Ausbildung möglich. Ein Bürger kann sich Verdienst erwerben und zur höchsten Not seinen Geist ausbilden; seine Persönlichkeit geht aber verloren, er mag sich stellen, wie er will. [...] An diesem Unterschiede ist nicht etwa die Anmaßung der Edelleute und die Nachgiebigkeit der Bürger, sondern die Verfassung der Gesellschaft selbst schuld; ob sich daran einmal etwas ändern wird und was sich ändern wird, bekümmert mich wenig; genug, ich habe, wie die Sachen jetzt stehen, an mich selbst zu denken, und wie ich mich selbst und das, was mir ein unerläßliches Bedürfnis ist, rette und erreiche. Ich habe nun einmal gerade zu jener harmonischen Ausbildung meiner Natur, die mir meine Geburt versagt, eine unwiderstehliche Neigung. [...] Dazu kömmt meine Neigung zur Dichtkunst und zu allem, was mit ihr in Verbindung steht, und das Bedürfnis, meinen Geist und Geschmack auszubilden, damit ich nach und nach auch bei dem Genuß, den ich nicht entbehren kann, nur das Gute wirklich für gut und das Schöne für schön halte. Du siehst wohl, daß das alles für mich nur

auf dem Theater zu finden ist, und daß ich mich in diesem einzigen Elemente nach Wunsch rühren und ausbilden kann. Auf den Brettern erscheint der gebildete Mensch so gut persönlich in seinem Glanz als in den obern Klassen;“

[Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre, S. 479. Digitale Bibliothek Band 4: Goethe, S. 6182 (vgl. Goethe-HA Bd. 7, S. 289-292)] 2. Bsp.: Romantische Rezeption des Wilhelm Meister Novalis: Heinrich von OFterdingen (1802) Zuneigung I Du hast in mir den edeln Trieb erregt! Tief ins Gemüt der weiten Welt zu schauen; Mit deiner Hand ergriff mich ein Vertrauen, Das sicher mich durch alle Stürme trägt. Erster Teil Mit Ahndungen hast du das Kind gepflegt,! Und zogst mit ihm durch fabelhafte Auen;! Hast, als das Urbild zartgesinnter Frauen,! Des Jünglings Herz zum höchsten Schwung bewegt. Was fesselt mich an irdische Beschwerden?! Ist nicht mein Herz und Leben ewig Dein?! Und schirmt mich Deine Liebe nicht auf Erden? Ich darf für Dich der edlen Kunst mich weihn; Denn Du, Geliebte, willst die Muse werden, Und stiller Schutzgeist meiner Dichtung sein. II In ewigen Verwandlungen begrüßt! Uns des Gesangs geheime Macht hienieden, Dort segnet sie das Land als ew'ger Frieden, Indes sie hier als Jugend uns umfließt. Sie ist's, die Licht in unsre Augen gießt,! Die uns den Sinn für jede Kunst beschieden, Und die das Herz der Frohen und der Müden In trunkner Andacht wunderbar genießt. An ihrem vollen Busen trank ich Leben; Ich ward durch sie zu allem, was ich bin, Und durfte froh mein Angesicht erheben. Noch schlummerte mein allerhöchster Sinn; Da sah ich sie als Engel zu mir schweben Und flog, erwacht, in ihrem Arm dahin. Erster Teil Die Erwartungen/Erstes Kapitel Die Eltern lagen schon und schliefen, die Wanduhr schlug ihren einförmigen Takt, vor den klappernden Fenstern sauste der Wind; abwechselnd wurde die Stube hell von dem Schimmer des Mondes. Der Jüngling lag unruhig auf seinem Lager, und gedachte des Fremden und seiner Erzählungen. »Nicht die Schätze sind es, die ein so unaussprechliches Verlangen in mir geweckt haben«, sagte er zu sich selbst; »fern ab liegt mir alle Habsucht: aber die blaue Blume sehn' ich mich zu erblicken. Sie liegt mir unaufhörlich im Sinn, und ich kann nichts anderes dichten und denken. So ist mir noch nie zumute gewesen: es ist, als hätt ich vorhin geträumt, oder ich wäre in eine andere Welt hinübergeschlummert; denn in der Welt, in der ich sonst lebte, wer hätte da sich um Blumen bekümmert, und gar von einer so seltsamen Leidenschaft für eine Blume hab' ich damals nie gehört. Wo eigentlich nur der Fremde herkam? Keiner von uns hat je einen ähnlichen Menschen gesehn; doch weiß ich nicht, warum nur ich von seinen Reden so ergriffen worden bin; die andern haben ja das nämliche gehört, und keinem ist so etwas begegnet. Daß ich auch nicht einmal von meinem wunderlichen Zustande reden kann! Es ist mir oft so entzückend wohl, und nur dann, wenn ich die Blume nicht recht gegenwärtig habe, befällt mich so ein tiefes, inniges Treiben:

das kann und wird keiner verstehn. Ich glaubte, ich wäre wahnsinnig, wenn ich nicht so klar und hell sähe und dächte, mir ist seitdem alles viel bekannter. Ich hörte einst von alten Zeiten reden; wie da die Tiere und Bäume und Felsen mit den Menschen gesprochen hätten. Mir ist gerade so, als wollten sie allaugenblicklich anfangen, und als könnte ich es ihnen ansehen, was sie mir sagen wollten. Es muß noch viel Worte geben, die ich nicht weiß: wußte ich mehr, so könnte ich viel besser alles begreifen. Sonst tanzte ich gern; jetzt denke ich lieber nach der Musik.« Der Jüngling verlor sich allmählich in süßen Phantasien und entschlummerte. Da träumte ihm erst von unabsehlichen Fernen, und wilden, unbekannten Gegenden. Er wanderte über Meere mit unbegreiflicher Leichtigkeit; wunderliche Tiere sah er; er lebte mit mannigfaltigen Menschen, bald im Kriege, in wildem Getümmel, in stillen Hütten. Er geriet in Gefangenschaft und die schmählichste Not. Alle Empfindungen stiegen bis zu einer niegekannten Höhe in ihm. Er durchlebte ein unendlich buntes Leben; starb und kam wieder, liebte bis zur höchsten Leidenschaft, und war dann wieder auf ewig von seiner Geliebten getrennt —> blaue Blume = ideale Liebe —> Erweiterung über Phantasie/ Traum, weite Welt im Traum offen und wunderbar
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