So Psy XII - Pradeep Chakkarath Zusammenfassung Vorlesung 12 PDF

Title So Psy XII - Pradeep Chakkarath Zusammenfassung Vorlesung 12
Author Johanna Edel
Course Einführung in die Sozial- und Kulturpsychologie
Institution Ruhr-Universität Bochum
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Pradeep Chakkarath Zusammenfassung Vorlesung 12...


Description

SoPsy XII Kulturpsychologie - Bedeutung von Weltanschauungen Warum sollte Psychologie sich mit Weltanschauungen beschäftigen? ● Wie wir sehen konnten, spielt das Thema „Weltanschauungen“ (z.B. Zusammenhänge von religiösen Hintergründen mit psychischen Phänomenen) in der klassischen Sozialpsychologie keine nennenswerte Rolle. ● Aus kulturpsychologischer Sicht aber geben Weltanschauungen Antworten auf Fragen, die für Menschen offenbar von großer psychologischer und sozialer Bedeutung sind ● Darüber hinaus geben Weltanschauungen Orientierung, wie bestimmte Phänomene gedeutet und bestimmte Probleme bewältigt werden können. ● Beispiele für entsprechende Fragen: Die vier Fragen Immanuel Kants ○ Die Erkenntnisfrage: Was kann ich wissen? ○ Die moralische Frage: Was darf ich tun? ○ Die theologische Frage: Was darf ich hoffen? ○ Die anthropologische Frage: Was ist der Mensch? ● Damit zusammenhängende Fragen: ○ Gibt es ein Leben nach dem Tod? ○ Gibt es eine Wiedergeburt? ○ Was ist gut und was ist böse? ○ Darf man töten? ○ Muss man anderen helfen? ○ Sind meine Gene an allem schuld oder ist es mein Schicksal, stets zu versagen? ○ Gibt es einen Gott? ○ Hat das Leben einen Sinn?

Religionen und Weltanschauungen ● Religionen und Weltanschauungen sind Ausdruck gesellschaftlichen und







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individuellen menschlichen Bestrebens, dem eigenen Dasein und Tun, der Erfahrung des Nicht-Alltäglichen, sowie der Welt als ganzer einen Sinn zu geben, der weit über die begrenzte biologische Lebensspanne und aktuelle historische Kontexte hinausreicht Sie haben damit einigen Anteil an der Konstitution von Kultur als einem Handlungsfeld, das bestimmte Ziele mitsamt bestimmter Mittel zur Zielerreichung erlaubt, andere einschränkt oder verbietet. Auch Denk- und Attributionsweisen wie auch gesellschaftliche Ordnungen und die Rolle des Individuums in der Gesellschaft und der Welt spielen dabei eine zentrale Rolle. Zugleich halten Weltanschauungen Bewertungs- und Bewältigungsstrategien (inklusive Therapien) für existentielle Erfahrungen z.B. ○ der Angst, ○ der Ungerechtigkeit, ○ des Leidens ○ und der Endlichkeit bereit oder schreiben solche Strategien (z.B. Askese, Beichte, Gebet, Reue, Sühne, Geißelung, Märtyrertum, Yoga, Pilgerreise, etc.) auch explizit vor. Der Begriff der Weltanschauung wird vielfältig und unscharf und oft auch als Synonym für „Weltbilder“ gebraucht. Häufig werden mit dem Begriff folgende Denk- und Überzeugungssysteme in Verbindung gebracht:

Religionen ● Traditionale Religionen wie Schamanismus, Spiritualismus, Totemismus ● Monotheistische Religionen wie Judentum, Christentum, Islam, Bahaitum ● So genannte Polytheistische Traditionen wie die griechischen und römischen Hochreligionen, der frühe Hinduismus, Shinto, Voodoo, Animismus und andere traditionale Glaubenssysteme ● Religionsähnliche Traditionen wie Buddhismus, Taoismus und Konfuzianismus Politische Weltanschauungen / Ideologien Beispiele: ● Marxismus / Kommunismus / Sozialismus ● Faschismus / Nationalsozialismus ● Konservatismus ● Liberalismus ● Kapitalismus ● Imperialismus u.a.

Wissenschaftliche Weltanschauungen Beispiele: ● Geozentrismus ● Heliozentrismus

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Naturwissenschaftliche Weltanschauung Materialismus Rationalismus Empirismus Idealismus „Marxistische Wissenschaft“ „Völkische Wissenschaft“

Religionen als spezifische Weltanschauungen ● Da der Begriff „Religion“ europäischen Ursprungs ist und seit der Aufklärung u.a. dazu benutzt wurde, die christlichen von nicht-christlichen Überzeugungssystemen abzuheben bzw. ihre Gemeinsamkeiten aufzuzeigen, handelt es sich um einen stark eurozentrisch geprägten Begriff, der kaum dazu taugt, nicht-europäische Religionsverständnisse angemessen zu erfassen und einzuordnen. ● Die Religionswissenschaft nennt u.a. folgende Charakteristika, die es erlauben sollen, eine Religion (im engeren Sinne) von anderen Weltanschauungen zu unterscheiden: ○ Die Annahme der Existenz einer oder mehrerer göttlicher und/oder anderer übermenschlicher „Instanz(en)“ ○ Die Annahme einer (zumindest theoretischen) Unterteilung der Welt in eine diesseitige und eine jenseitige Sphäre. ○ Die Annahme, dass Gott bzw. die Götter oder irgendwelche Geistwesen auf irgendeine Weise die Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits verbürgen und über Experten (Seher, Schamanen, Priester, etc.) kontaktiert, sogar beeinflusst werden können. ○ Die Unterscheidung zwischen Profanem (dem Weltlichen, dem keine kultische und magische Bedeutung zukommt) und dem Sakralen (dem Heiligen, Magischen und Unfassbaren, das göttlichen Sphären zugehörig ist). Gemeinsame Merkmale von Weltanschauungen ● Als gemeinsame Merkmale von allen Weltanschauungen lassen sich bestimmte Merkmale identifizieren, um auch die psychologische Bedeutsamkeit solcher Denkund Überzeugungssysteme verdeutlichen, z.B. ○ Mythen ○ Rituale ○ Utopien

Mythen ● vorwissenschaftliche, kulturelle Narrationen, die hinsichtlich mancher ihrer Inhalte Autorität, höhere Wahrheit und zeitüberdauernde allgemeine Relevanz beanspruchen. ● Sie handeln häufig von den Ursprüngen der Welt, des Menschen, natürlicher Phänomene (Erdbeben, Sintfluten, Blitze, Gestirne) oder kultureller

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Errungenschaften (wie z.B. im Prometheus-Mythos oder in Herrschaftsmythen). Damit liefern Mythen eine Erklärung dafür, wie die Gegenwart in der Vergangenheit begründet ist und geben der menschlichen Geschichte dadurch Sinn. Oft wird in Mythen das Handeln und Wirken von Göttern in Anlehnung an menschliche Verhältnisse (also anthropomorph) dargestellt. ○ Beispiel: Prometheus stiehlt den Göttern das Feuer und wird von Ihnen dafür bestraft Für Sigmund Freud und Jung zeigen sich Mythen dadurch auch als Projektionen menschlicher Erfahrungen, Probleme und Schwächen auf übermenschliche Wesen und prähistorische Begebenheiten (so auch in Freuds mythologischer Darstellung der „Urhorde“) Nach Blumenberg reflektieren Mythen existenzielle Grunderfahrungen (z.B. Schuld, Scham, Abscheu, Angst und Hoffnung), die den Menschen überlasten. ○ Der Mythos lehre einen Umgang mit diesen Situationen und stelle somit (im Sinne Arnold Gehlens) eine „Entlastungsfunktion“ für den Menschen dar. ○ Dabei lasse sich der Mythos nicht in klare, explizite Sprache überführen, sondern bleibe stets metaphorisch. ○ Gerade seine Polyvalenz (Mehrdeutigkeit) mache seine Interpretierbarkeit und Anwendbarkeit in unterschiedlichsten Krisen möglich.

Rituale ● menschliche Handlungen, die durch festgelegten Ablauf und Mittel alltägliche Lebensbereiche in einen höheren, meist spirituellen und kosmischen Zusammenhang einordnen. ● Von dieser Einbindung menschlicher Verhältnisse in eine höhere Ordnung werden die Stabilisierung oder Wiederherstellung der (sozialen und emotionalen) Ordnung und damit Sicherheit und Sinngebung erwartet. ● Da Rituale sich häufig auf mythische Überlieferungen einer Kultur beziehen, binden

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sie die Gegenwart an die Vergangenheit, stellen die Gegenwart in eine (bewährte) Tradition und tragen damit zur Sinngebung sowohl der Vergangenheit als auch der Gegenwart bei. Rituale sind ein universales menschliches Phänomen, haben aber häufig kulturspezifische Formen und Bedeutungen. Sie berühren Grundfragen der Existenz und orientieren dadurch das menschliche Miteinander. Sie vermögen die Welt einfacher und handhabbarer zu machen und erleichtern in schwierigen Lagen Entscheidungen. Rituale dienen in diesen Zusammenhängen auch der Strukturierung und der Rhythmisierung biologischer und sozialer Abläufe: ○ Zyklische Rituale werden tageszeitlich, wöchentlich, monatlich, jährlich oder in vieljährigen Abständen durchgeführt (Gutenachtgeschichten, Geburtstage, Gedenkfeiern). ○ Lebenszyklische Rituale (vor allem Initiationsrituale) markieren bestimmte Ereignisse in einem individuellen Lebenslauf (z.B. Taufe, Abschlussfeier, Mannbarkeit, Hochzeit). ○ Ereignisbezogene Rituale finden Anwendung bei individuellen oder gemeinschaftlichen Krisen (z.B. Kontrollverlust, Krankheiten, Seuchen, Tod, Naturkatastrophen; Milch ins Wasser kippen)

Utopien ● Die Bedeutung des Begriffs „Utopie“ ist aus dem griechischen eutopie (guter Ort) und outopie (kein Ort) abgeleitet. ● Damit verweisen Utopien auf Wunsch- und Zielvorstellungen, deren Verwirklichung nicht unbedingt erwartet, aber als motivierendes Ideal verfolgt wird. ● Meist sind Utopien zukunftsgerichtet und entwerfen eine Welt, die auf gesellschaftlicher, individueller und universaler Ebene besser ist als die gegenwärtige. ● Dadurch stellen sie die gegenwärtigen Verhältnisse zwar immer in Frage, ordnen diese aber in eine Fortschrittslinie ein, die auch der Gegenwart (z.B. als einer







notwendigen Entwicklungsstufe) Sinn verleiht. Die Sinngebung betrifft damit auch ein utopisches Menschenbild, sowohl einer Gesellschaft als auch ihrer Individuen ( → z.B. Verwirklichung eines paradiesischen Gottes- oder Arbeiterstaats, einer reinrassigen Volksgemeinschaft, einer vollständig wissenschaftlich beherrschten Welt, einer stetigen Entwicklung des Menschen vom Bösen zum Guten, etc.). Utopien sind Bestandteil der meisten Weltanschauungen und legitimieren oft, ○ warum die weltanschaulichen Ideale (noch) nicht vollkommen verwirklicht sind und ○ warum es lohnt, diese Ideale weiter zu verfolgen und sein Denken und Verhalten daran zu orientieren. Utopische Idealvorstellungen werden oft ○ rituell (z.B. durch Messen, Personenkulte, Gelöbnis- und Gedächtnisfeiern), ○ programmatisch (z.B. durch politische, ökonomische und wissenschaftliche Programme) oder auch ○ künstlerisch (z.B. literarisch oder filmisch) in Erinnerung gehalten und beschworen. ⇒ Oftmals sind Utopien auch mythologisch eingebettet (z.B. als Mission, die eine mythische Figur seinem Volk auferlegt hat, zB Moses teilt das rote Meer und führt sein Volk in das gelobte Land)

Beispiel für das Zusammenspiel solcher Merkmale: Faschismus ● Führerprinzip ○ Unterordnung aller gesellschaftlichen Bereiche (u.a. Familie, Verwaltung, Staat) unter eine einzige Ideologie, ○ die Ergebung in den Willen einer einzigen, ins Göttliche erhobenen Persönlichkeit verlangt. ● Nationalistischer Kollektivismus ● Blutideologie, Rassismus und Antisemitismus ● Sozialdarwinismus und Superiorismus ○ Natürliche Auslese und ○ Überleben der „Besten“;

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○ Idee eines naturbedingt anderen Völkern überlegenen Volkes Autoritarismus Demokratiefeindlichkeit (z.B. Ablehnung von Meinungs- und Pressefreiheit) und Antikommunismus Gewaltsames Machtstreben/ Gewaltsamer Machterhalt Hohe Rolle von Militär und Geheimdienst Ritualisierung ○ Führergruß ○ Blut- und Weiherituale ○ Fahnen- und Führereid ○ Redeinszenierungen ○ Massenaufmärsche ○ Uniformierungen Mythen ○ Abstammungsmythen ○ Heldenmythen ○ Führermythen Utopie ○ Weltherrschaft ○ Überleben der Herrenrasse ○ 1000jähriges Reich

Einige Beispiele für die sozial- und kulturpsychologische Bedeutung von Religionen und religionsähnlichen Weltanschauungen und für indigene Aspekte psychologischen Denkens. ● Monotheismus und westliche Auffassung von Individualität und Identität → Michelangelo: Die Erschaffung des Menschen ● Polytheismus Während monotheistische Religionen die höchste Individualität und Independenz eines einzigen und allmächtigen Gottes betonen, verehren so genannte polytheistische Religionen (z.B. der Hinduismus) eine Vielzahl von Göttern und betonen deren Interdependenz und familiale Verbundenheit. Zugleich zeigen sich holistische Kognitionsstile, die scheinbar Unvereinbares in Vereinbarung bringen.

Die buddhistische Auffassung von Identität

Reinkarnation und Erlösung in Hinduismus und Buddhismus



Buddhismus: Wiedergeburt ohne Selbst

Die Bedeutung des japanischen jibun (Selbst/ “ich”)

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“Mein Anteil am gemeinsamen Raum zwischen uns” Das Selbst wird hier als eine Dimension verstanden, die von mindestens zwei Personen allererst konstituiert wird. → Ein “Individuum” hat folglich kein “Selbst” im westlichen Sinne, sondern eher ein “Selbst” im buddhistischen Sinne....


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