Vorsatz (inkl. aller Problematiken) PDF

Title Vorsatz (inkl. aller Problematiken)
Course Strafrecht I
Institution Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
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Summary

Vorsatzformen, Sonderformen des Vorsatzes, TB-Irrtümer, Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit...


Description

Subjektiver Tatbestand Vorsatz

Voraussetzungen des Vorsatzes (§§ 8 i.m. V.16 I 1 e.c. StG) Tatentschluss der Wille des Täters zur Verwirklichung (Abgrenzung zum Gefährdungsvorsatz) eines Tatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatbestandsmerkmale Verwirklichungsbewusstsein das Bewusstsein, den gefassten Entschluss gegenwärtig in die Tat umzusetzen (der Täter muss seiner Vorstellung nach das Vorbereitungsstadium verlassen und zumindest unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung ansetzen (unmittelbares Ansetzen)

Zeitpunkt des Vorsatzes • Wann muss Vorsatz vorliegen? § 8 StGB: bei Begehung der Tat (zw. unmittelbarem Ansetzen und Vollendung) → Koinzidenzprinzip: Zusammenfallen von obj. Tatbestandsverwirkl. + Vorsatz • Wie lange muss der Vorsatz mindestens aufrechterhalten werden? bis zum Ende der erfolgsverursachenden Handlung

Parallelwertung in der Laiensphäre es reicht aus, wenn der Täter die mit dem jeweiligen normativen Tatbestandsmerkmal beschriebene außerstrafrechtliche Rechtslage erkennt, d.h. ihm muss zwar nicht die juristische Begrifflichkeit nicht bekannt sein, aber er muss den „sozialen Sinngehalt“, also die sachliche Aussage des Tatbestandsmerkmals erfassen („laienhaft“)

„Mitbewusstsein“ des Täters der Täter muss im Zeitpunkt der Tat nicht sämtliche Tatumstände ausdrücklich im Sinne eines "Daran-Denkens" bedenken, sondern es reicht ein „sachgedankliches Mitbewusstsein“ oder ein „ständig verfügbares Begleitwissen“ aus

Vorsatzformen

Vorsatzform

Absicht dolus directus 1. Grades

kognitives Element ABGESCHWÄCHT Täter hält den Verwirklichung des Tatbestandes jedenfalls für ernsthaft möglich

voluntatives Element DOMINANT es kommt dem Täter auf die Verwirklichung des Tatbestandes i.S. zielgerichteten Wollens an ABGESCHWÄCHT

Wissentlichkeit dolus directus 2. Grades

DOMINANT der Täter nimmt die Tatbeder Täter erkennt die Tatbe-

standsverwirklichung billigend

standsverwirklichung als siche-

in Kauf / findet sich mit ihr ab

re Folge seines Handelns

(innere Abgeneigtheit des Täters ist irrelevant) ABGESCHWÄCHT

ABGESCHWÄCHT Eventualvorsatz

dolus eventualis

der Täter nimmt die Tatbeder Täter hält die Tatbestands-

standsverwirklichung billigend

verwirklichung für (ernsthaft)

in Kauf / findet sich mit ihr ab

möglich

(innere Abgeneigtheit des Täters ist irrelevant)

Sonderformen des Vorsatzes

Vorsatzform

Erklärung

Folge

Vorsatz wurde zwar gedolus

fasst, besteht zum Zeit-

antecedes

punkt der Tatbegehung kein Vorsatz

aber nicht mehr dolus subsequens

nachträgliche Billigung einer zuvor unvorsätzlich begangenen Tat Täter will mit einer Tathand-

Bestrafung des Täters wegen

dolus

lung mehrere tatbestandli-

tateinheitlicher Begehung aller

cumulativus

che Erfolge nebeneinander

verwirklichten / versuchten Tatbe-

(kumulativ) verwirklichen

stände h.M.: Bestrafung nach allen konstruktiv erfassbaren Delikten z.B.: Bestrafung aus vollendetem Delikt (für RGV) + Bestrafung aus Versuch (für „alles andere“) a.A.: Bestrafung nur aus vollendetem Delikt; Versuchsunrecht ist

Täter will von den als mög- „verbraucht“ dolus

lich vorgestellten Taterfol-

alternativus

gen nur einen herbeiführen

Kritik:

(Entweder-oder-Verhältnis)

schweres Versuchsunrecht darf nicht unberücksichtigt bleiben a.A.: Bestrafung aus Versuch geht vor, sofern dieser schwerer wiegt Kritik: Nichtbestrafung aus vollendetem Delikt erscheint „befremdlich“

Abgrenzung: Eventualvorsatz ↔ bewusste Fahrlässigkeit

Theorie

Aussage

Kritik

volitive Theorien (auch Willenselement erforderlich) Vorsatzes soll von einer bevoluntatives Element (+), wenn

Gleichgültigkeits-

wussten willentlichen Position

der Täter den Erfolgseintritt aus zum Eintritt eines Erfolges, und

theorie

Gleichgültigkeit in Kauf nimmt

gerade nicht von Emotionen abhängen

dolus eventualis wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung ernsthaft für möglich hält und sie billigend in Kauf nimmt / sich jedenfalls mit ihr abfindet „billigen“ im Rechtssinne

h.M.:

wenn der Täter sich mit dem

Billigungs- und Ernstnahmetheorie

Erfolg abfindet, selbst wenn dieser ihm sogar unerwünscht ist bewusste Fahrlässigkeit wenn der Täter (in irrationaler Weise) ernsthaft darauf vertraut, dass der tatbestandliche Erfolg nicht eintritt

kognitive Theorien (Wissenselement genügt)

Theorie

Aussage

Kritik

Eventualvorsatz wenn die Tatbestandsverwirklichung mehr als möglich und weniger als überwiegend wahrWahrscheinlichkeitstheorie

Lehre von der Vorsatzgefahr

scheinlich ist Vertrauen auf guten Ausgang durch den Rückgriff auf schließt den bedingten Vorsatz

„schwammige“ Abgrenzungskri-

nur dann aus, wenn es nach in

terien / den Verzicht auf ein

den Grenzen der allgemeinen

voluntatives Element verwischt

Lebenserfahrung nicht nach-

die Grenze zwischen Eventual-

vollziehbar ist

vorsatz und bewusster Fahrläs-

Eventualvorsatz

sigkeit mehr als sie von den

wenn die vom Täter geschaffe-

kognitiven Theorien definiert

ne Gefahr (der Tatbestands-

wird

verwirklichung) von solcher Höhe und Qualität ist, dass ein vernünftiger Dritter sie nur dann eingehen würde, wenn der Verletzungserfolg „sein soll“ oder jedenfalls „sein darf“

Theorie

Aussage

Kritik

Eventualvorsatz wenn der Täter den Erfolgseintritt ernsthaft für möglich hält und dennoch die Tathandlung vornimmt; auf ein eigenständi-

durch den Rückgriff auf

ges Willenselement kommt es

„schwammige“ Abgrenzungskri-

dann nicht mehr am

terien / den Verzicht auf ein voluntatives Element verwischt

Möglichkeitstheorie bewusste Fahrlässigkeit

die Grenze zwischen Eventual-

wenn der Täter (irrational) dar-

vorsatz und bewusster Fahrläs-

auf vertraut, dass sich die von

sigkeit mehr als sie von den

ihm erkannte Gefahr der Tat-

kognitiven Theorien definiert

bestandsverwirklichung nicht

wird

realisieren wird, fehlt es schon am Wissenselement, da dann bereits kein ernsthaftes fürmöglich-halten vorliegt

Tatbestandsirrtümer

Irrtum

Erklärung / Beispiel

Auswirkung auf den Vorsatz

der erkennt Täter das im objektiTatbestandsirrtum

Vorsatz entfällt

ven Tatbestand beschriebene Geschehen (übertragen auf den tatsächlichen Sachverhalt) nicht

ggf. Fahrlässigkeitsstrafbarkeit

oder nur unvollständig

der Täter erfasst zwar den Sachverhalt richtig, erkennt aber nicht, dass sein Verhalten den betreffenden Tatbestand verwirklicht und denkt deshalb, sein Verhalten sei straflos Subsumtionsirrtum

Vorsatz bleibt bestehen

Prüfungsmethode ein Subsumtionsirrtum liegt vor, wenn ein „perfekter Strafrechtler“ (kennt alle Definition aller Tatbestandsmerkmale des jeweiligen Delikts) erkannt hätte, dass sein Verhalten den Tatbestand des betreffenden Delikts verwirklicht

Vorsatz bleibt bestehen

error in persona / error in obiecto

der Täter irrt sich über die Identi-

Begründung

tät der anvisierten Person / Sa-

für die Verwirklichung eines Tat-

che

bestandes kommt es nicht auf die Identität der Person / Sache an

Irrtum

Erklärung / Beispiel

Auswirkung auf den Vorsatz h.M.: Konkretisierungstheorie • bzgl. anvisiertem Tatobjekt Bestrafung aus Versuch • bzgl. tatsächlich getroffenem Tatobjekt Bestrafung aus Fahrlässigkeitsdelikt a.A.: Gleichwertigkeitslehre Bestrafung des Täters aus dem vollendeten Delikt, sofern die Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf nicht wesentlich

aberratio ictus

der Taterfolg tritt (versehentlich) bei einem anderen gleichwerti-

(Fehlgehen der

gen (als dem vom Täter anvisier-

Tat)

ten) Tatobjekt ein

ist (Lösung wie error in persona) Begründung das strafrechtliche Unrecht besteht in der Verletzung des öffentlichen Interesses an der Geltung der die Individualrechtsgüter schützenden Norm, wonach es nicht darauf ankommt, welche Person der Täter verletzen wollte Kritik Vorsatz bezieht sich immer auf eine konkrete Wirklichkeit, nicht nur auf ein abstraktes Tatbestandsmerkmal

Irrtum

Erklärung / Beispiel

Auswirkung auf den Vorsatz

der Täter hat eine Person gedanklich als sein Opfer individualisiert; die tatsächlich anvisierte Person Zusammenfallen

ist jedoch eine andere

von error in per-

(„error in persona“-Teil)

sona und aberratio ictus

Lösung wie aberratio ictus

der Angriff verfehlt das „tatsächlich anvisierte“ Opfer und trifft das „gedanklich individualisierte“ Opfer („aberratio-ictus“-Teil) der Täter irrt hinsichtlich einzel-

Irrtum über Tat-

ner Varianten eines Tatbestandes bei qualitativer Gleichwertig-

bestandsvarian-

(Bsp.: will in einen Geschäfts-

keit der Varianten

ten

raum eindringen, dringt aber in

Vorsatz bleibt bestehen

eine Privatwohnung ein)

Irrtum

Erklärung / Beispiel

Auswirkung auf den Vorsatz klassische Konstellation Anknüpfungspunkt ist die vorsätzliche Ersthandlung; dass der Erfolg erst durch die unvorsätzliche Zweithandlung eintritt, stellt einen Irrtum über den vorgestellten Kausalverlauf

klassische Konstellation (dolus generalis) Täter denkt, den Taterfolg bereits durch eine vorsätzliche Ersthandlung verursacht zu haben, tatsächlich tritt der Taterfolg aber erst durch eine unvorsätzliche Irrtum über den

Zweithandlung ein

dar, der in Abhängigkeit von der Erheblichkeit den Vorsatz entfallen oder unberührt lassen soll Erheblichkeit des Irrtums wenn der tatsächliche Kausalverlauf innerhalb der Grenzen der allgemeinen Lebenserfahrung nicht mehr

(vorgestellten)

vorhersehbar war und des-

Kausalverlauf

halb eine andere Bewertung umgekehrte Konstellation Täter mit Tötungsvorsatz führt nach unmittelbarem Ansetzen ungewollt den Taterfolg bereits durch eine Ersthandlung und nicht wie geplant durch eine Zweithandlung herbei

der Tat rechtfertigt unerhebliche Abweichung Vorsatz bleibt bestehen erhebliche Abweichung Vorsatz entfällt

umgekehrte Konstellation unwesentliche Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf Vorsatz bleibt bestehen

Irrtum

Erklärung / Beispiel

Auswirkung auf den Vorsatz e.A.: aberratio-ictus-Lösung • bzgl. anvisiertem Tatobjekt Bestrafung aus Versuch • bzgl. tatsächlich getroffenem Tatobjekt Bestrafung aus Fahrlässigkeitsdelikt a.A.: error-in-persona-Lösung Angriffsobjekt ist stets derjenige,

Täter will sein Opfer aus der FerDistanzfälle

ne (Gift- oder Sprengfalle) töten / verletzen; der Erfolg tritt aber bei der falschen Person ein

der tatsächlich mit dem Angriffsmittel in Berührung kommt h.M.: Individualisierungs-Lösung einem Täter, der sich nicht selbst um die Individualisierung kümmert, sondern diese dem Zufall überlässt, wird das Verwechslungsrisiko subjektiv zum Vorsatz hinzugerechnet (dieser entfällt also nicht), wenn sich bei der tatsächlich getroffenen Person der eigentlich für das Zielobjekt vorgesehene Erfolg realisiert...


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