Title | Zerebelläre Funktionsstörungen und Schwindel |
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Course | Anatomie für Zahnmediziner |
Institution | Universität zu Köln |
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Zerebelläre Funktionsstörungen und Schwindel Lernziele
Funktion des Kleinhirns zerebelläre Syndrome Kleinhirnerkrankungen
Funktion des Kleinhirns Regulation von Stützmotorik Zielmotorik Blickmotorik zerebelläre Funktionsstörungen Zusammenspiel der Muskeln gestört Maß und Geschwindigkeit der Bewegungen außer Kontrolle Zielbewegungen, Haltung, Stand und Gang unsicher
zerebelläres Syndrom
!
Stand-, Gang- und Extremitätenataxie Dysmetrie sakkadierte Blickfolge Blickrichtungsnystagmus Intentionstremor Dysdiadochokinese Merke o immer ipsilateral zur Läsion o auch bei Läsionen der Kleinhirnstiele im Hirnstamm CAVE! Koordinationsstörungen nicht nur bei Kleinhirndysfunktion, sondern auch bei Läsionen o Hinterstränge o Vestibular-Apparates o Basalganglien
symptomatische Kleinhirnerkrankungen – entzündlich
akut o viral o bakteriell parainfektiös chronisch: MS
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symptomatische Kleinhirnerkrankungen – nicht entzündlich
Alkohol/toxisch o detaillierte Alkohol- und Medikamentenanamnese o Abdomensonographie o Leberwerte, MCV, CdT Paraneoplastisch o detaillierte Anamnese (B-Symptomatik) o Tumorsuche (Thorax-/Abdomen CT) o anti-YO AK Vitamine/metabolisch o Vitamin B12, E, Schilddrüsenwerte o Immunvermittelt o Anti-GAD-, Antigliadin-, Schilddrüsenantikörper
Degenerative Kleinhirnerkrankungen
Multisystematrophie – cerebellärer Typ (MSA-C) degenerativ (nur kurz angekratzt) sporadisch auftretende neurodegenerative Erkfnakungn („alpha-Synukleinopathie“) Befall zentral-motorisch, cerebellär, pontin-medullär und präganglionär autonom MSA-Parkinsontyp (MSA-P), früher: striato-nigrale Degeneration (SND); etwa 80 % MSA-cerebellärer Typ(MSA-C),früher: olivo-ponto-cerebelläre Atrophie (OPCA)20% Einordnung nach der vorherrschenden Symptomatik, im Krankheitsverlauf vermischt Klinisches Bild: o Parkinson-Symptome, Pyramidenbahn-Symptome, cerebelläre Symptome, autonome Symptome o kognitive Störungen: relevante kognitive Störungen gelten als Ausschlusskriterium, werden aber in zahlreichen Studien beschrieben und als Frontalhirnzeichen interpretiert; MSA-P stärker betroffen als MSA-C WS17/18, Fink
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Friedreich Ataxie hereditär, häufigste autosomal-rezessiv erbliche Ataxie progressive Ataxie mit Erkrankungsbeginn vor de 25. Lebensjahr Dysarthrie innerhalb von 5 Jahren nach Krankheitsbeginn Areflexie, Babinski positiv Störungen der Hinterstrangsensibilität Diagnostik MRT: Atrophien des Kleinhirns und zervikales Rückenmarks Frataxin, Trinukleotid; Abkürzung FRDA
Spinozerebelläre Ataxien hereditär, autosomal-dominant progrediente Degeneration und Neuronenverlust in o Kleinhirn o Rückenmark o Basalganglien o Hirnstamm Klinik o Gang- und Standataxie, Rumpfataxie, Dysarthrie o je nach Subtyp andere Symptome Diagnostik: klinische/genetische Untersuchung, MRT, PET
Weitere hereditäre Ataxien bei autosomal dominanten Erkrankungen über 12 verschiedene Syndrome (v.a. Spinozerebelläre Ataxien) mit verschiedenen Genloci episodische Ataxe mit Mykomie: AD (autosomal-dominant) episodische Ataxie ohne Maokomie: AD episodische Ataxien beruhen auf Kanalstörungen Ataxie mit Vitamin E-Mangel: AR
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Schwindel
Lernziele o systematischer Schwindel vs. unspezifischer Schwindel o wichtige Schwindelsyndrome peripherer Ursache o zentral vestibulärer Schwindel neben Kopfschmerzen eines der häufigsten Symptome, das zu notfallmäßigen Vorstellungen führt (2 – 3 %) die meisten Schwindelsyndrome sind gut behandelbar, für eine erfolgreiche Therapie ist jedoch die rasche symptombezogene syndromale Zuordnung essentiell die Anamnese ermöglicht in bis zu 75 % der Fälle die richtige Diagnose
Entstehung von Schwindel Schwindel entsteht bei Differenz zwischen Erwartung und tatsächlichem Umweltzustand Gehirn entscheidet was es erwartet Signal an Sinnesorgane und motorisches System Vergleich zwischen Erwartung und Ist-Zustand Differenz zwischen Gehirn-Erwartung (Efferenzkospie) und Rückmeldung Schwindel
Differentialdiagnosen Schwindel
vaskulär infektiöse
traumatisch autoimmun metabolisch idiopathisch neuplastisch epileptisch
z.B. Hirnstamm- oder Kleinhirninsult, Synkope, HRS z.B. Meningo-Enzephalitis, virale/parainfektiöse Cerebellitis, Neuroborreliose z.B. SHT, posttraumatisch z.B. Multiple Skerose z.B. Hypoglykämie, Alkohol, Medikamente, Dehydratation z.B. BPLS, Morbus Meniére, vestibuläre Migräne z.B. Neurofibrome/Meningeome des N. VIII, Hirnstammgliome Vestibularisparoysie
Vitamine! WS17/18, Fink
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Neuroanatomischen Grundlagen des vestibulären Schwindels
Gleichgewichtsnerv: Cochlear Nerv 3 Bogengänge Information über 8. Hirnnerv zum Hirnstamm Hirnnervenkerne (Nuclei cochleares, Nuclei vestibularis) Störungen in diesem System (peripher oder zentral) führen zu o Drehschwindel o Nystagmus o Flalneigung o Übelkeit & Erbrechen
Häufigkeit Schwindel in einer neurologischen Schwindelambulanz Beispiele 18,5 % 15,6 % 11,7 % 10,6 % 9,4 % 3,0 %
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benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel Phobischer Schwankschwindel zentral vestibulärer Schwindel Basilarismigräne/vestibuläre Migräne Morbus Meniére Schwindel unklarer Genese
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Ziel der Anamnese – erste Klassifikation
(Dreh)schwindelattacken (Sekunden bis einige Stunden) z.B. Morbus Meniere, vestibuläre Migräne, TIA, Vestibularparoxysmie, vestibukäre Epilepsie andauernder (Dreh)schwindel (Stunden bis Tage) z.B. Neuritis vestibularis, Morbus Menière, akute Labyrinthschädigung, Kleinhirnbrückenwinkeltumor, Hirnstammläsion Lage-/Lagerungsschwindel z.B. benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel, alkoholischer Lageschwindel, zentraler Lage- und Lagerungsschwindel Schwank- und Benommenheitsschwindel z.B. phobischer Schwankschwindel, Upbeat- und Downbeat-Nystagmus-Syndrom, bilaterale Vestibulopathie, Kleinhirnerkrankungen, Hirnstammläsionen, ParkinsonSyndrom und Multisystematrophien, Sehstörungen, Polyneuropathien, orthostatische Dysregulation, Intoxikation
Schwindelattacken
Leitsymptom: wiederholt auftretende (Dreh)schwindelattacken. Minuten bis Stunden dauernd Patient stellt sich meist im Intervall vor, d.h., diagnostische Einordnung erfolgt in erster Linie aufgrund der Angaben des Patienten
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Morbus Meniére (meist Erwachsene zwischen 40 – 60 Jahren Attacke (> 20 Minuten) beginnt mit: betroffenes Ohr: Druckgefühl, Tinnitus, Hörminderung, im Verlauf o episodischer Drehschwindel (erst zur betroffenen, im Verlauf zur gesunden Seite) o horizontaler Nystagmus (erst zur betroffenen, im Verlauf zur gesunden Seite) o gerichtete Fallneigung (erst zur gesunden, im Verlauf zur betroffenen Seite) o Nausea ohne Prodromi oder Auslöser! Abklingen mit einem Decrescendo über Minuten bis Stunden
Ursache: endolymphatischer Labyrinthhydrops mit periodischen Rupturen der Trennmembran zwischen Endo- und Perilymphraum o im Verlauf der Erkrankung Abnahme der Attacken-Frequenz o nach 10 – 20 Jahren ist bei 30 – 60 % der Betroffenen auch das kontralaterale Ohr erkrankt
Behandlung der Attacke durch Antivertiginose (Dimenhydrinat = Vomex®, 1 – 3 x 100 mg/die), in schweren Fällen Benzodiazepine Prophylaxe der Schwindelattacken durch Histamin-Analoga (Betahistin = Vasomotal®) 3 x 48 (!) md/d über 12 Monate, bei Attackenfreiheit langsam (!) reduzieren nach Jahren durch Ausbildung einer permanenten Fistel zwischen Endo- und Perilymphraum Sistieren der Attacken selten notwendig: ggf. Therapie mit ototoxischen Antibiotika (transtympanale Instillation von Gentamicin; Einzelinstillationen in mehrwöchigen Abständen)
Meniére Attacke
klinische Symptomatik und Diagnose
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vestibuläre Migräne DD zu Morbus Meniére häufigste Ursache spontan rezidiverender Schwindelattacken! Attackendauer von weniger als einer Minute bis Tage! Drehschwindel > Schwankschwindel typisch: „motion sensitivity“ (Zunahme bei Lageänderung und Bewegung) Kopfschmerz – kann fehlen Untersuchugnsbefund im Intervall meist normal, in der Attacke sehr variabel und wechselnd kurzum: Schwierig! was hilft? Beginn in der Regel in der zweiten oder dritten Lebensdekade, Gefäßrisikofaktoren fehlen, Kopfschmerz meist stark ausgeprägt und vestibuläre Symptomatik überdauernd
Therapie (nicht großartig besprochen): Reizabschirmung, körperliche Entspannung durch Hinlegen medikamentöse Behandlung o leichte bis mittelschwere Migräneattacke:Metoclopramid 20 mg p. o., nach 15 Minuten ASS 1000 mg als Brauselösung/Kautablette oder Ibuprofen 400–600 mg p.o. oder Paracetamol 1000 mg p. o. o mittelschwere bis schwere Migräneattacke: 5HT 1B/1D-Agonisten (“Triptane”), z.B.: Sumatriptan (Imigran®) 50 – 100 mg p.o.; oder als Nasenspray (10, 20 mg); oder 6 mg s.c., Zolmitriptan(AscoTop®) Cave! Triptane können wie Ergotamin zu medikamenteninduzierten Kopfschmerzen führen (Einsatz an maximal 10 Tagen / Monat) Akutmedikation ≤ 10 Tage/Monat und ≤ 3 Tage hintereinander wegen Gefahr medikamenten- induzierter Kopfschmerzen; ansonsten Prophylaxe-Therapie
Vestibularisparoxysmie Attackenschwindel durch Gefäßkompression des N. verstibularis hirnstammnah (meist: A. cerebelli inferior anterior) Dreh- und Schwankschwindelattacken mit Stand. und Gangunsicherheit, Sekunden bis Minuten dauernd, kann lageabhängig sein, evtl. einseitige Hörminderung Besserung oder Abklingen durch Carbamazepin (niedrig dosiert) Therapie o Carbamazepin ret. (200 – 400 mg/die) o mikrovaskuläre Dekompression (strenge Indikationsstellung)
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andauernder (Dreh-)schwindel (Stunden bis Tage) akute periphere Vestibulopathie (Neuritis vestibularis) meist Erwachsene zwischen 30 – 60 Jahren häufig vorher kürzere Drehschwindelattacken für einige Tage Leitsymptom: o ein über Tage anhaltender heftiger Dauerdrehschwindel zur gesunden Seite, begleitet von horizontal-rotatorischem Spontan-Nystagmus (Fixation aufheben!, zur gesunden Seite) o Fallneigung (zur kranken Seite) o Übelkeit und Erbrechen o ggf. Oszillopsien Ursache: Untererregbarkeit des erkrankten Vestibularorgans (kalorische Testung!) Die Beschwerden klingen meist über 2 – 3 Wochen ab Ursache umstritten: viral/vaskulär
klinische Symptomatik und Diagnose
Therapie o Antivertiginosa (100-300 mg Dimenhydrinat/die, 1-3 Tage) o Kurzdauernde Behandlung mit Methylprednisolon (initial 100 mg täglich, jeden 4. Tag um 20mg ausschleichen) o Antivirale Therapie oder Infusionsschemata NICHT wirksam! o Stufenförmiges physikalisches Training zur o Gleichgewichtsstabilisation nach Abklingen der Akutphase o meist bleibt eine Tonusimbalance zwischen den Vestibularorganen bestehen wichtig ist die Behandlung mit Cortison (Mthylprednisolon) + physikalisches Training Untersuchungs-Tests: klinischer Nachweis der Tonusimbalance zwischen den Vestibularorganen o Halmagyi-Kopftest als wichtigster Test o Romberg-Versuch
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o Unterberger-Tretversuch
Lage-/Lagerungsschwindel
häufigste Schwindelform überhaupt mit zunehmendem Alter häufiger kurzzeitige Schwindelattacke Ursache: traumatische oder spontane Ablösung von Partikeln (Otokonien) der Utriculusotolithen im Bogengang .
Häufigste Schwindelform (klassisch: bei Drehung im Bett in Richtung des betroffenen Ohres), 1/3 aller über 70-jährigen hat ihn bereits ein- oder mehrfach erlebt Kurze Drehschwindelattacken nach der Lagerung mit einer Latenz von Sekunden mit gleichzeitig Lagerungsnystagmus zum unten liegenden Ohr, Übelkeit, Erbrechen Crescendo-Decrescendo-Verlauf
BPSL: benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel Patient sofort heilbar
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BPLS des hinteren Bogengangs
BPLS
des seitlichen Bogengangs seltener Drehschwindelattacken bei Drehung um die Körperlängsachse längere Dauer, geringere Adaptation bei Drehung des Kopfes sowohl nach rechts als auch nach links horizontaler Nystagmus provozierbar
Welcher Bogengang- welches Befreiungsmanöver?
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Diagnostische Kriterien gleichzeitiges Auftreten von Drehschwindel und Nystagmus, durch Kopf- oder Körperbewegung ausgelöst verzögertes Einsetzen des Drehschwindel und Nystagmus (Latenz) begrenzte Dauer von Schwindel und Nystagmus (weniger als 1 Minute) horizontaler/rotatorischer Nystagmus mit Crescendo/Decrescendo- Charakter Umkehr des Nystagmus beim Zurückgehen in die Ausgangsposition Erschöpfbarkeit nach wiederholten Lagerungsmanövern keine vestibulospinalen Störungen, normales Hörvermögen, unauffälliger Neurostatus
Schwank- und Benommenheitsschwindel kurz angekratzt: z.B. phobischer Schwankschwindel, Upbeat- und Downbeat-Nystagmus-Syndrom, bilaterale Vestibulopathie, Kleinhirnerkrankungen, Hirnstammläsionen, Parkinson-Syndrom und Multisystematrophien, Sehstörungen, Polyneuropathien, orthostatische Dysregulation, Intoxikation
zentral vestibulärer Schwindel
durch Läsionen (Infarkt, Blutung, Tremor, Entzündung) der vestibulären Bahnen, der Vestibulariskerne, des Kleinhirns, des Thalamus und des vestibulären Kortex (temporo-parietal) subakut (Entzündung, Tumor) oder akut (Blutung, Ischämie) dauert Stunden bis Tage an wichtig ist eine sorgfältige Untersuchung auf zusätzliche neurologische Symptome (Doppelbilder, Skew deviation, Schluckstöurng, Sprechstörung, Paresen, Sensibilitätsstörung, Hemiataxie)
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Take home Message
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Schwindel aus neurologischer Sicht Anamnese & klinische Untersuchung wichtiger als technische Diagnostik wichtig: abwendbar gefährliche Verläufe verhindern (VITAMINE!) zuordnen: Drehschwindelattacken, Dauer(dreh)schwindel, lage- und lagerungsabhängiger Schwindel, Schwank- und Benommenheitsschwindel nur keine Hemmung: Schwindel ist interessant und wenn richtig zugeordnet schnell diagnostiziert und in der Regel gut behandelbar! Hints
HINTS klärt Schlaganfallverdacht bei Schwindel
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Head Impulse Test: Einstellsakkaden sprechen für periphere vestibuläre Schädigung – ein Normalbefund eher für ein zentrales Geschehen Nystagmus Test: ein ausschließlich horizontaler Nystagmus in nur eine Richtung, der sich beim Blick in die Schlagrichtung verstärkt und beim Blick zur Gegenseite abnimmt/erlischt, ist ein klarer Hinweis auf eine peripher vestibuläre Schädigung, ein Blickrichtungsnystagmus beidseits oder ein torsioneller oder vertikaler Nystagmus sprechen für eine zentrale Ursache Skew deviation: eine vertikale Divergenz der Bulbusachsen spricht für eine zentrale Ursache
kein Indiz für eine zentrale Ursache: Sicherheit höher als MRT!
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