7. Nationalsozialismus PDF

Title 7. Nationalsozialismus
Course Neuere Rechtsgeschichte II
Institution Universität Bern
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7. NATIONALSOZIALISMUSFS 2020 1914 erster WK, 1918 Niederlage Deutschlands – nun wurde Deutschland zur Weimarer Republik, die von Anfang an vor Problemen stand. Es gab eine Vielzahl von Parteien im Parlament, die Entscheidungsprozesse waren schwierig. Auch ökonomische Probleme traten auf, es herrsc...


Description

7. NATIONALSOZIALISMUS FS 2020 





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1914 erster WK, 1918 Niederlage Deutschlands – nun wurde Deutschland zur Weimarer Republik, die von Anfang an vor Problemen stand. Es gab eine Vielzahl von Parteien im Parlament, die Entscheidungsprozesse waren schwierig. Auch ökonomische Probleme traten auf, es herrschte grosse Arbeitslosigkeit und Unternehmen brachen zusammen. 1932: NSDAP (nationalsozialistische deutsche Arbeiterpartei) wurde stärkste Partei bei den Wahlen zum nationalen Parlament. Trotz Arbeiterpartei wurden keine sozialistischen oder kommunistischen Ziele vertreten. Kennzeichen: Führerkult und Antisemitismus. 1933: Hitler wurde zum Reichskanzler ernannt (Machtergreifung, Beginn «Drittes Reich») o Sie zogen auch die Rechtsetzung an sich Drittes Reich: Bezugnahme auf das heilige römische Reich und das deutsche Kaiserreich – die Weimarer Republik war also nur eine (unbedeutende) Zwischenzeit Zentrale Elemente der nationalsozialistischen Ideologie: Führerprinzip und Rassentheorie o Rassentheorie: Wert eines Menschen hängt von Abstammung ab  Rangordnung: Arier stehen an der Spitze, ganz unten stehen Juden  Aufgabe des Staates: Bildung einer rein arischen Gesellschaft Auslegung: «Lebensnähe» und «Einbeziehung von Werten» – so konnte die Ideologie Eingang in die Rechtsanwendung finden, indem die Begriffe ideologisch ausgefüllt wurden o Konkretes Ordnungsdenken: Lebensverhältnisse tragen eine Ordnung in sich, die Vorrang vor den gesetzlichen Regelungen hat o Generalklauseln Das BGB von 1900 blieb aber in Kraft, nur einzelne Artikel wurden verändert o Die Akademie für deutsches Recht arbeitete an einer neuen Kodifikation, die das BGB ablösen sollte. Diese wurde aber nie fertiggestellt. Auch die Weimarer Verfassung blieb in Kraft, diverse Grundrechte wurden aber entkräftet durch Notverordnungen Volksgemeinschaft: Interpretation durch die nationalsozialistische Ideologie, auch der Rassengedanke spielte eine zentrale Rolle. o Trennung von öffentlichem Recht und Privatrecht wird in Frage gestellt o Private Gestaltungen müssen dem Interesse der Volksgemeinschaft entsprechen o Kaum Schutz vor staatlicher Gewalt

A. POLITISCHE VORGABEN Parteiprogramm der NSDAP, S. 88 

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Art. 4: Staatsbürger können nur Volksgenossen (= deutsches Blut) sein, also keine Juden o Rassentheorie; Rangordnung

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Art. 5: Alle, die nicht Staatsbürger sind, sind nur Gast in Deutschland = weniger Rechte Art. 19: Es ist nicht ausdrücklich von Privatrecht die Rede, man kann das aber hineininterpretieren – Das römische und deutsche Recht werden gegenübergestellt. o Das römische Recht wird als materialistisch dargestellt, es dient nur dem Einzelnen. Das wird offensichtlich als negativ angesehen, es wird zu dessen Ablösung aufgerufen. o Das deutsche Recht hingegen ist erstrebenswert, es ist das «Gemeinrecht» und geht vom Gedanken der Gemeinschaft auf. o Vgl. dazu Gierke S. 83-85:  Römisches Recht = individualistisch, Grundsatz der Privatautonomie; der Wille des Einzelnen zählt.  Deutsches Recht = sozial, die Verfügungsmöglichkeiten der Einzelpersonen sind durch die Interessen der Gemeinschaft beschränkt; das Gemeinschaftsinteresse ist mindestens ein gleichwertiges Prinzip bei der Gestaltung des Privatrechts (wenn nicht höher).  Die Gemeinschaftsinteressen bestimmen den Handlungsspielraum von Privatpersonen von vornherein (immanente Schranken)  Gierkes Gegenüberstellung ist sehr pauschal und trifft historisch nicht unbedingt zu; sie sollte vor allem eine griffige Formel beim Streit um die Gestaltung des BGB bieten, das nach Gierkes Ansicht zu stark von römischen Gedanken und damit von Privatautonomie geprägt war o Die verlangte Ablösung des römischen Rechts ist also so zu verstehen, dass das BGB abgeschafft werden soll. Es wird wegen seiner grundsätzlich freiheitlichen Konzeption (Privatautonomie) abgelehnt, gefordert wird stattdessen eine Konzeption, die die Gemeinschaftsinteressen in den Vordergrund stellt. o Gierkes Vorstellung von einer immanent begrenzten Freiheit wird übernommen Art. 24: Freiheit aller Religionen, solang sie nicht gegen das Sittlichkeitsgefühl der germanischen Rasse verstossen – Juden werden bekämpft, weil sie materialistisch sind

Schlegelberger, Abschied vom BGB, S. 88    



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Schlegelberger war Jurist und arbeitete als Staatssekretär In diesem Vortrag bringt er zentrale Gedanken für die Neugestaltung des Privatrechts nach nationalsozialistischen Vorstellungen zum Ausdruck. Statt «Freiheit von der Gemeinschaft» (= Privatautonomie) soll «Freiheit in der Gemeinschaft» herrschen Nach Schlegelberger hat ein grundlegender Wandel stattgefunden: Das deutsche Volk ist seelisch und sittlich wiedergeboren, es gibt einen neuen deutschen Lebensstil – Aufnahme der Propaganda der Nazis, nach der ab 1933 eine neue Zeit angebrochen sei (Drittes Reich). Neue Lebensauffassung = braucht auch eine Neugestaltung des Rechts, da das Recht mit dem Leben des Volkes zusammenhängt (Hinweis auf historische Rechtsschule: Das Recht entwickelt sich mit dem Volk mit) Das Recht muss dem Leben entsprechen Die grundsätzliche Konzeption sollte geändert werden. o Alter Gedanke: Freiheit von der Gemeinschaft (Privatautonomie)

Neuer Grundgedanke: Freiheit in der Gemeinschaft (einzelne Personen haben nur so viel Gestaltungsfreiheit, wie es mit den Interessen der Gemeinschaft vereinbar ist.)  Rangordnung: Nutzen der Gemeinschaft steht über dem Nutzen der einzelnen Personen Schlegelbergers Forderungen entsprechen also Art. 19 des Parteiprogramms. o



B. PRIVATRECHT – ÖFFENTLICHES RECHT Ernst Rudolf Huber, Einheit und Gliederung des völkischen Rechts, S. 89  Hier sind ähnliche Gedanken wie bei Schlegelberger zu finden  Auch Huber geht davon aus, dass es eine Rechtserneuerung braucht, da sich die Rechtsgesinnung verändert hat.  Ziel: Gemeinrecht (Rechtsgestaltung, in deren Mittelpunkt die Volksgemeinschaft steht)  Abs. 1 Wichtige Aussage im Hinblick auf die Gesamtrechtsordnung: Einheit des Rechts, weil es ein gemeinsames Ziel des gesamten Rechts gebe (vgl. Gierke S. 76: Einheit des Zieles – der Mensch als Einzelperson und als Mitglied einer Gemeinschaft) o Huber sieht die Einheit des Ziels aber etwas anders, nämlich in der Einheit des völkischen Lebens (Gedanke der Volksgemeinschaft) o Er sieht den Menschen also nicht als Einzelperson, sondern nur als Glied in der Gemeinschaft  Abs. 2: Unterscheidung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht wird von Huber ganz abgelehnt (Unterschied zu Gierke, dieser akzeptierte die Unterscheidung dieser Rechtsbereiche im Kern) – es braucht eine Einheit des Rechts o Abs. 4 Grund: Es soll keinen Bereich geben, in dem die einzelnen Personen frei gestalten können; ein Privatrecht mit Privatautonomie kommt nicht in Frage. o Begriffsbestimmung von frei: Individuelle Freiheit gibt es eigentlich gar nicht, sondern nur eine echte Freiheit des Gemeinrechts. Diese Freiheit setzt er mit einer völkischen Bindung gleich. Freiheit ist also kein individueller Gestaltungsspielraum für Einzelpersonen, sondern nur Gestaltungsmöglichkeiten, die mit Gesellschaftsinteressen übereinstimmen  Auch hier werden die Forderungen aus Art. 19 des Parteiprogramms konkretisiert

C. KONZEPTION DES PRIVATRECHTS I. GESTALTUNGSFÄHIGE PERSONEN Larenz, Rechtsperson und subjektives Recht, S. 90  Auch Larenz gehörte zu der Gruppe Juristen, die sich als Vordenker einer nationalsozialistischen Rechtserneuerung verstanden (wie auch Huber)  «Wandlung der Rechtsgrundbegriffe» im Titel macht deutlich, dass auch Larenz der Meinung ist, mit der Machtergreifung Hitlers habe eine neue Zeit angefangen, die eine Veränderung der Vorstellungen (inkl. Rechtsvorstellungen) zur Folge hatte.  Abs. 1: Wie Huber sieht Larenz den Menschen nur als Glied der Gemeinschaft; der Mensch als Träger einer abstrakt allgemeinen Vernunft wird ausdrücklich abgelehnt. 3

Vernunft, Individuum: Hinweise auf Naturrecht und Konzeption der Rechtsfähigkeit in Art. 16 ABGB S. 61, wo alle Menschen gleichermassen rechtsfähig sind – genau diese Konzeption wird von Larenz abgelehnt o §1 BGB S. 79: Auch hier wird indirekt der Grundsatz der allgemeinen gleichen Rechtsfähigkeit ausgedrückt, das ergibt sich auch aus den Motiven auf S. 80 Larenz will §1 BGB ersetzen (wurde aber nicht umgesetzt). Hinweis auf das Verständnis der Volksgemeinschaft: Die Mitgliedschaft wird über das Blut vermittelt (Vgl. Art. 4 S. 88 Parteiprogramm). o Rassentheorie, Rangordnung o Diese Rangordnung soll auch für die Rechtsfähigkeit bedeutend sein: Nur Arier (Personen deutschen Blutes) sollen rechtsfähig sein. o Der Begriff Gemeinschaft hatte also nun eine ganz bestimmte Bedeutung: Nur Arier sind Teil der Volksgemeinschaft. Ideologische Prägung. Mit der Gemeinschaft als zentralen Wert für die Rechtsordnung bekommt die Ideologie Eingang in die Rechtsordnung. Fazit: Die Rechtsfähigkeit wurde nicht allen Leuten zugestanden, sondern nur Ariern. 2. Absatz: Rechtsstellung anderer Personen (= Nichtarier) o Nichtarischen Personen wird eine beschränkte Rechtsfähigkeit zugestanden.  Vgl. S. 60: Unterschied zur naturrechtlichen Vorstellung, dass gewisse Rechte dem Menschen angeboren sind. Das hätte zur Folge, dass der Kernbereich nicht entzogen werden kann.  Hier nun abgestufte Rechtsfähigkeit o Wenn man davon ausgeht, dass die Rechte nicht angeboren sind, sondern den Personen zugestanden werden, hängt der Umfang der zugestandenen Rechte vom Belieben des Gesetzgebers ab und kann jederzeit auch vollständig entzogen werden. o Legitimation: Nur arische Staatsangehörige haben eine persönliche Ehre; andere Personen sind nicht ehrenhaft und bekommen darum nur beschränkte Rechtsfähigkeit o Bezeichnung der nichtarischen Personen als «Fremde»: Hier stützt Larenz sich auf Art. 5 Parteiprogramm S. 88, welcher nichtarische Personen der Fremdengesetzgebung unterstellt. Dort wird ein alter Gedanke aufgenommen: Fremde haben grundsätzlich nicht die gleichen Rechte wie Einheimische.  Vgl. Code civil Art. 11 S. 61 oder Bayrisches Zivilgesetzbuch §3 S. 114 3. Absatz: Auch für Volksgenossen ist die Rechtsfähigkeit nicht immer gleich o Nicht jeder Arier ist grundsätzlich Träger aller Rechte und Pflichten o Die Rechtsfähigkeit ist gestuft; der Gesetzgeber kann darüber entscheiden, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um bestimmte Rechte zu erhalten (= konkret) o Konkrete Ordnung (vgl. Schlegelberger: Das Recht muss dem Leben entsprechen): Gesetzliche Bestimmungen sollen nicht allgemein und abstrakt bestimmt werden, sondern sich auf bestimmte Sachverhalte beziehen. o Larenz lehnt einen allgemeinen Begriff der Rechtsfähigkeit ab und meint, der Gesetzgeber kann den Umfang im Hinblick auf konkrete Sachverhalte bestimmen. o



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Unterschied zu Nichtariern: Ariern kann die Rechtsfähigkeit nicht vollständig aberkannt werden (sie haben also einen geschützten Kernbereich)

Fazit: Die allgemeine gleiche Rechtsfähigkeit wird abgelehnt, stattdessen kann der Gesetzgeber die Voraussetzungen für den Erwerb von Rechten und Pflichten bestimmen.  Konzept der abgestuften Rechtsfähigkeit (vgl. S. 61 Neuzeit II Landrecht Preussen: Voraussetzung für den Erwerb gewisser Grundstücke war ein bestimmter Stand)  Damit werden grundlegende Unterschiede zum BGB und ZGB deutlich, wo die allgemeine gleiche Rechtsfähigkeit der Grundsatz war. Einschränkungen als Ausnahme sind dort nur mit besonderer Begründung möglich. o Bei Larenz steht es im Belieben des Gesetzgebers, bestimmte Rechte an bestimmte Voraussetzungen zu binden. Da hier nicht von der allgemeinen gleichen Rechtsfähigkeit ausgegangen wird, bedarf es dafür keiner besonderen Legitimation. II. EHE 1. DEFINITION EHE Begriffsbestimmung des Familienrechtsausschusses, S. 91  





Die Akademie für deutsches Recht beschäftigte sich mit der Ausarbeitung von nationalsozialistischen Gesetzesentwürfen. Wahl des Ehepartners ist beschränkt: o Nur zwischen rassegleichen und artgesunden Personen (nationalsozialistische Rassenlehre, deren Ziel es ist, eine rein arische Gemeinschaft zu erreichen)  Da die Zugehörigkeit zu einer Rasse sich aus der Herkunft ergibt, wollte man Ehen zwischen verschiedenen Rassen verhindern  Artgesundheit: Es soll verhindert werden, dass kranke Personen eine Ehe eingehen, damit keine Kinder mit Behinderungen geboren werden.  Erlaubnis der Unfruchtbarmachung von Personen mit Erbkrankheiten Zweck: Erzeugung rassegleicher und artgesunder Kinder und Förderung des Gemeinwohls o Gemeinwohl: Begriff aus der Frühen Neuzeit I (S. 48 ff.), wo die Ehefreiheit auch stark beschränkt wurde, was dem Gemeinwohl dienen sollte (ökonomisch/religiös).  Unterschied zur frühen Neuzeit I: Hier geht es beim Gemeinwohl primär um die Rasse. o Vgl. S. 63 Frühe Neuzeit II §1: Hauptzweck der Ehe ist die Erzeugung von Kindern  Hatte damals nichts mit der Rasse zu tun Die Ehe war also eine Institution, die nicht nur das Privatleben betrifft, sondern auch eine wichtige Bedeutung für den Staat hat, da sie das Mittel zur rein arischen Gemeinschaft war

2. EHESCHLIESSUNG Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre, S. 91 5

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Ausdrückliches Eheschliessungsverbot zwischen Juden und Ariern Begründung: Das ist notwendig, um den Fortbestand des deutschen Volkes zu sichern o Schutz der arischen Rasse als höchste Rasse in der Rangordnung

3. EHEAUFLÖSUNG Urteil des Reichsgerichts vom 12.7.1934, S. 91  Dieses Urteil wurde vor Erlass des Gesetzes zum Schutz des deutschen Blutes gefällt, das ab 1935 Mischehen verbot, aber nach der Machtergreifung von Hitler.  Ein Mann wollte sich von seiner Frau scheiden lassen, weil sie Jüdin war. o Anspruchsgrundlage §1333 BGB: Irrtum über eine persönliche Eigenschaft des Ehegatten, der wesentlich für die Eheschliessung ist.  1. Abschnitt: Rassezugehörigkeit ist eine wesentliche persönliche Eigenschaft. o Begründung: Jede Rasse hat besondere Eigentümlichkeiten.  Verweis auf Rassetheorie – die Verschiedenheit der Rassen bei Eheleuten ist bedeutsam, weil damit auch die Kinder nicht rassegleich werden. o Irrtum: Zu bejahen, wenn der Mann nicht wusste, dass die Frau Jüdin ist.  Das ist vorliegend aber nicht der Fall, der Mann wusste bei der Heirat, dass die Frau Jüdin war.  2. Abschnitt S. 92: Das Gericht verneint den Irrtum aber trotzdem noch nicht. o Ein Irrtum wäre immer noch möglich, wenn der Mann zwar wusste, dass die Frau Jüdin ist, ihm die Bedeutung davon aber nicht klar war, da er unter Einfluss kirchlicher Lehren dachte, es handle sich nur um eine andere Religion und nicht eine ganz andere Rasse. o Denkbar wäre auch, dass er zwar vom Rassenunterschied gehört hatte, die Bedeutung aber nicht kannte und nicht wusste, dass die Eigentümlichkeiten der anderen Rasse sich auf die Kinder übertragen würden. Hier wäre ein Irrtum anzunehmen.  Aber: Das Parteiprogramm (insb. Art. 4 und 5) wurde schon 1920 erlassen; darum müsste die Bedeutung des Rasseunterschieds jedem deutlich sein und ein Irrtum über die Bedeutung des Rasseunterschieds ist seitdem auszuschliessen.  Der Mann kannte die Bedeutung des Rasseunterschieds, er erfasste die Bedeutung aber nicht richtig. Es liegt kein Irrtum vor. o Die Anspruchsvoraussetzungen wurden im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie ausgelegt, die Ideologie fand also bereits ein Jahr nach Machtergreifung Eingang in die Rechtsprechung. o Auch das Parteiprogramm wurde als grundlegendes Element der Meinungsbildung anerkannt  Im Ergebnis widersprach das Urteil aber den nationalsozialistischen Gedanken: Eine Aufhebung der Ehe wurde nicht gewährt, obwohl es sich um eine Mischehe handelte.  Letzter Absatz: Die Gerichte waren sich bewusst, dass sie unter erheblichem politischem Druck standen, darum gaben sie eine spezielle Rechtfertigung ab 6

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Das Gericht stellt klar, dass es Grenzen bei der Berücksichtigung der Ideologie in der Rechtsanwendung gibt. Sie können den Inhalt von Gesetzen nicht ändern, auch nicht mit Rückgriff auf das Parteiprogramm. Wenn ein Gesetz der Ideologie widerspricht, ist es Aufgabe der Regierung, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen  Daraufhin wurde das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes geschaffen, das die Wirksamkeit von Mischehen abschaffte. Diskrepanz zwischen BGB und Ideologie: Das BGB mit Grundsatz der Privatautonomie galt noch immer, daran änderte auch die Machtergreifung nichts. Die Ideologie vertrat aber den Gedanken der Volksgemeinschaft und lehnte Privatautonomie ab; darum waren Gesetzesänderungen notwendig.  Ehe: Die Bestimmungen zur Ehe wurden aus dem BGB entfernt und in einem neuen Sondergesetz geregelt.

Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschliessung und der Ehescheidung, S. 92  §48: Verweigerung der Fortpflanzung als Scheidungsgrund o Hauptaufgabe der Ehe ist die Erzeugung von (reinrassigen) Kindern o Vgl. S. 64 frühe Neuzeit II §178: Eheliche Pflicht darf nicht anhaltend versagt werden o S. 63 §1: Hauptzweck der Ehe sind Kinder  §49 und §55: Hier geht es um das Wesen der Ehe (eine Art Generalklausel, ein ausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriff), wobei die Zulässigkeit einer Ehescheidung von der Bestimmung dieses Wesens abhängig gemacht wird. o Vgl. BGB 1333: Auch hier ist so eine Generalklausel zu finden o Die Nazis setzten die Generalklausel des Wesens der Ehe ein, um eine ideologische Rechtsanwendung zu ermöglichen – das Wesen der Ehe sollte nach den ideologischen Vorstellungen ausgelegt werden Larenz, Grundsätzliches zum Ehescheidungsrecht, S. 93  



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Die nationalsozialistische Vorstellung der Ehe unterschied sich deutlich von der aus dem BGB, das wird hier deutlich Larenz stimmt dem Vorschlag für das Gesetz zu, dass der Staatsanwalt auch gegen den Willen der Eheleute einen Antrag auf Scheidung stellen soll, wenn die Ehe Gemeinschaftsinteressen verletzt – wurde aber letztlich nicht ins Gesetz aufgenommen Gerade im Vergleich mit anderen Privatrechtskonzeptionen zeigen sich hier die deutlichen Unterschiede in der nationalsozialistischen Konzeption o Naturrecht S. 62 und historische Rechtsschule S. 80: Ehe wurde als Vertrag zwischen zwei Personen gesehen, die individuelle Freiheit der Eheleute wurde betont  Konsequenz: Einvernehmliche Scheidung muss möglich sein (obwohl Savigny das hinsichtlich der Würde der Ehe ablehnte) o Larenz richtet sich ausdrücklich dagegen: Dem Willen der Eheleute kommt keine zentrale Bedeutung zu; entscheidend ist allein, ob die Volksgemeinschaft ein Interesse an der Ehe hat oder nicht.  Konsequenz: Eine Ehe kann auch gegen den Willen der Eheleute geschieden werden, wenn die Gemeinschaft kein Interesse an der Ehe hat.





Fazit: Die Gemeinschaftsinteressen sind also das grundlegende Prinzip für die Rechtsgestaltung, dabei wird das Gemeinschaftsinteresse politisch bzw. ideologisch bestimmt (vgl. S. 91: Der Staatsanwalt hat eine Aufgabe bei der Auflösung der Ehe) Gemeinschaftsinteressen stellen das zentrale Prinzip für die Gestaltung des Privatrechts dar, dadurch kann der individuelle Gestaltungsspielraum völlig aufgehoben werden.

III. VERTRÄGE  

Ziel: Kontrolle und politische Lenkung der Wirtschaft; darum griff der Staat in die Vertragsgestaltung ein Verträge sind nicht Ausdruck individueller Freiheit, sondern müssen Gemeinschaftsinteressen berücksichtigen

Larenz, Die Wandlung des Vertragsbegriffs, S. 93 







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Larenz weist auf die Probleme hin, die durch die Vertragsfreiheit entstanden und im 19. Jahrhundert sichtbar wurden: Die Vertragsfreiheit wurde von Fabrikanten dazu genutzt, schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne zu vereinbaren; die Arbeiter hatten keine Möglichkeit, auf die Verträge Einfluss zu nehmen – sie hatten also gar keine Vertragsfreiheit («Scheinfreiheit des Liberalismus», vgl. Huber S. 89) Bereits im 19. Jahrhundert hatte man sich damit auseinandergesetzt und Lösun...


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