Title | Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften |
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Author | Valentina C |
Course | Einführung in die Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft |
Institution | Universität des Saarlandes |
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Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft Literatur und Literaturgeschichte 1)Was ist Literatur? • Text und Literatur Textus (lat.): Gewebe / Geflecht Text: Instrument der Kommunikation mittels Sprache (geschrieben oder gesprochen) durch Kohärenz (=stringent logisch) und Kohäsion miteinander verbundene Zeichen Littera (lat.): der Buchstabe → medialer Charakter des Textes Literatur: alles Geschriebene, jede Art von Text • Weiter / extensiver Literaturbegriff = alles Geschriebene, jeder Art von Text (z.B. Roman, Brief, Vertrag, Urkunde, Fachliteratur, Textdatei in der Informatik) • Primärliteratur: Objekt der literaturwissenschaftlichen Arbeit • Sekundärliteratur: Fachliteratur zu einem bestimmten Thema=wissenschaftliche Texte über literarische Texte • Tertiärliteratur: Literatur über Sekundärliteratur=Bibliographien, Forschungsberichte • Enger / intensiver Literaturbegriff Merkmale zur Beschreibung literarischer Texte: • Fiktionalität = Vorstellung, erfundene Handlung, mögliche Welten → ← Faktualität • Ästhetische Sprachverwendung = eine Verwendung von Sprache (poetisch): Ironie / im übertragenem Sinne • Entpragmatisierung = ohne Zweck / Sinn • Polyvalenz = Vielwertigkeit / Vielsinnigkeit / Vieldeutigkeit : nonsense-Sprachspiel → Literaturwissenschafter müssen analysieren • Selbstreferenzialität = Literatur lässt über Literatur nachdenken (ein Gedicht, das über sich selbst nachdenken lässt) → ABER: • Literatur kann auch vorhanden sein, wenn nicht alles erfunden ist (Fiktionalität) • die Sprache in der Literatur muss nicht immer poetisch sein → ← Poetik heißt aber auch nicht gleich Literatur (Werbung) • Extreme politische Texte = Pragmatisch → solche Texte dürfen nicht polyvalent sein (Gebrauchsanweisung), aber für ein Gedicht wäre Eindeutigkeit langweilig • Literarische und nicht-literarische Texte: Probleme der Definition und Abgrenzung: • Literatur: kein ontologischer, sondern ein funktionler, sowohl diachron (historisch bedingt) als auch synchron (zu einem gew. Zeitpunkt) veriabler Begriff • Literaturbegriff ist abhängig von - der Rezeptionshaltung - der Produktionshaltung - dem historischen, sozialen und kulturellen Kontext • Faktualität: realer Bezug auf die außentextuelle Wirklichkeit [Dokumentarfilm] z.B. Geschichtsbuch über Napoléon → Napoléon=faktuale Person/Figur → Napoléon als historische Person • Fiktivität: Wirklichkeitsbezug des Ausgesagten (énoncé) [reale Person in der erzählten Welt] → Fabrice als erfundende Figur in Stendhals Roman • Fiktionalität: Status der Aussage (énonciation) [Spielfilm] → Fabrice und Napoléon als Figuren des fiktionalen Romans von Stendhal
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Literatur als Konstruktion der Literaturwissenschaft: Literaturwissenschaft kostruiert sich ihren Gegenstand, was Literatur ist, lässt sich nicht über den Inhalt (énoncé), sondern am ehesten über die Form (énonciation) bestimmten; Literatur kann aus unterschiedlichen Perspektiven, mit unterschiedlichen Zielen untersucht werden Tätigkeitsbereiche: Literaturtheorie, Methoden der Literaturwissenschaft, Literaturkritik, Übersetzung, Editionsphilologie, Literaturgeschichtsschreibung
2) Wozu Literatur? • Literaturgeschichte und Poetik: Seit es Literatur gibt, gibt es Poetiken (Art Sekundärliteratur), die Aussagen darüber treffen, • was das Wesen der Dichtung, die Funktion von Literatur ist • was gute und was schlechte Literatur ist • wie man gute Literatur verfasst • Beispiele und Deskriptionen: Mängel und Vorzüge bestimmter literarischer Werke • Auflistung von Texten (Kanones: Liste an vorbildlichen Werken → Poetiken können normativ (geben Regel vor) oder deskriptiv (beschreibend) sein; sie können implizit (indirekte Kritik) oder explizit (direkte Kritik) verfahren; sie können induktiv (hab ein Stück und entwickel daraus Kriterien) oder deduktiv (ich kenn die Kriterien und such ein Stück) vorgehen • Beispiele der Poetik Mimesisi: dichterische Nachahmung der Wirklichkeit • Platon: Politeia (ca. 370 v. Chr.) =Dichter sind Lügner, sie ahmen lediglich Nachgeahmtes nach (1. Wahrheit der Idee; 2. Wahrheit des Handwerkers, der die Idee nachahmt; 3. Wahrheit des Dichters, der das Werk des Handwerkers nachbildet) • Aristoteles: Poetik (ca. 335 v. Chr.) =Dichter schaffen eine eigene Welt, die die reale Welt nachahmt. Dichtung ist daher erkenntnisfördernd und affektregulierend, Literatur als Modell von Wirklichkeit • Literaturgeschichte und Epochen • Bedeutung des Begriffs Literaturgeschichte • das konkrete Werk, das eine Ordnung von Texten herstellt • historischer Prozess des literarischen Wandels • Systematisierung und Deutung literaturgeschichtlicher Phänomene und Prozesse • Literaturgeschichte als Modell: Notwenigkeit der Konstruktion, Schematisierung, Selektion, Verallgemeinerung, Reduktion, d.h. Nachträglich, perspektivengebunden, kontextbezogen, „gegenwartsblind“, relativ → es gibt nicht DIE Literaturgeschichte, sondern eine Vielzahl möglicher Literaturgeschichten • Literaturgeschichtsschreibung bietet: • Literaturgeschichtliche Ereignisse (Objekte, Fakten, Daten) • Systematisierung der Ereignisse (Darstellung) • Interpretation der sich daraus ergebenden Zusammenhänge (Deutung) Verbindung aus: • interner Geschichte (Veränderung der Formen, Stile, Gattungen, Themen, Ideen, Poetiken, etc.) • externer Geschichte (außenliterarische Kontexte, Zusammenhang mit politischen, sozialen Ereignissen/Prozessen) • Beziehung zu anderen Künsten und Medien (Architektur, Musik,
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Kunstgeschichte, etc.) Literaturgeschichtliche Ordnungskriterien: • literatursoziologischer Ansatz • geistes-, ideen- oder mentalitätsgeschichtlicher Ansatz • biographischer Ansatz • Vorläufer-/Nachfolger-Modelle • Stoff-, Motiv- oder Themengeschichte • nationalphilologischer Ansatz • gattungs-oder textensortenspezifischer Ansatz Periodisierung (Epocheneinteilung): Diachrone Perspektive, Gliederung des geschichtlichen Verlaufs in zeitlich begrenzte Einheiten, die durch gemeinsame Kennzeichen charakterisiert sind und daher als mehr oder weniger homogene Perioden verstanden werden können; mit dem Ziel der Strukturierung und Systematisierung des vorhandenen Textmaterials • schematische Gliederung nach Jahrhunderten (Literatur des 19. Jahrhunderts, letteratura del Cinquecento) • Gliederung nach inhaltlich definierten Epochen (Literatur der Aufklärung, moderne Literatur, Literatur des Humanismus und der Renaissance)
3) Kanon Griech.: Regel, Maßstab, Begriff ursprüngl. aus der Theologie: die anerkannten Heiligen Schriften → Auswahl / Korpus an Autoren und Werken, die für bestimmte Gattungen, Strömungen oder die Epochen besonders repräsentativ sind und als mustergültig angesehen werden („Meilensteine der Literaturgeschichte“, „Klassiker der Literatur“, überzeitliche Bedeutung) → Materialer Kanon: das ausgewählte Textkorpus selbst → Deutungskanon: Interpretation, Wertungen Der Kanon wird gebildet durch kompetente Meinungsträger (wie Literaturwissenschaftler, Verlage, Autoren, Literaturkritiker, Kulturinstitutionen, Bildungspolitik, etc.) • Funktionen der Kanonisierung: • Speicher für literarisches Erbe, Traditionsbildung • Verständigung über ästhetische und kulturelle Werte und Normen • Identitätsstiftung (für eine Nation, Bildungsschicht, kulturelle Gemeinschaft) • Legitimation und Abgrenzung gegenüber anderen Gruppen („Bildungskanon“) → Für best. sozialen Gruppen / für best. Bildungsschichten → Austausch im Vordergrund • Sicherung der Kommunikation über gemeinsame Gegenstände • Kontextualisierung: Kenntnis von Bezugstexten, auf die sich andere Texte immer wieder beziehen • Probleme der Kanonisierung • Kanon als Machtinstrument zur Durchsetzung von Regeln und Normen → Wer auswählt hat mehr Macht • Kanonisierung als Ausgrenzungs-und Ausschlussmechanismus • Risiko einer „Einheitskultur“ (white, male, european, upper class) • „Blindheit“ für relatives, situationsgebundenes subjektives, ideologisches Wissen und die eigenen Auswahl- bzw. Wertungskriterien • Generelles Problem der Repräsentativität → Konsequenzen: • Existenz mehrerer rivalisierender Kanones, Bildung von alternativen Kanons
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(„Gegenkanon“) • Ständige Kanonrevision / Aktualisierung • Kritische Reflexion der eigenen Wertungs-und Auswahlkriterien • Ingesamt historische Entwicklung von vorbildlichen Kanones und Poetiken hin zu grundsätzlicher Kanonpluralität und Kritik am Repräsentationsgedanken Weltliteratur Begriff 1827 erstmals von Goethe konzeptionell erfasst • Goethes Begriff: getragen von der Idee eines humanistischen Kosmopolitismus, völkerverbindendes Konzept, ständiger Kulturaustausch von Weltbürgern, Kulturkontakt und Kommunikation über Literatur (meint das Schrifttum allgemein, nicht literarische Texte im engeren Sinne) • Dimensionen des Konzepts „Weltliteratur“ • Quantitativer Begriff: Weltliteratur als die gesamte Literatur der Welt, nur Literatur im engeren Sinne, aber jenseits einer eurozentrischen Perspektive, ohne Wertung und Auswahl • Kanonischer Begriff: repräsentative Werke, die über die nationalen Grenzen hinaus wirken • Weltliteratur als Objekt transnationaler Komparatistik: Kritik am eurozentristischen Wertmonopol, Literatur globalisierter, postkolonialer, transkultureller und hybrider Gesellschaften • Weltliteratur als Begriff für besondere „Welthaltigkeit“ der Literatur: Erkenntnisinteresse: Wie kommt die Welt in die Literatur? Literatur sagt etwas über die Welt aus, dient als „Speicher für Lebenswissen“ (Ette) → eine andere Idee Begriff „Welt“ Textsorten • Funktionen und Probleme → Gattungen Wortbedeutung: german. „ghed“: verwandt mit „gut“ und „Gatte“ (in eine Gemeinschaft, Gruppe) passend, zusammenfügen, umklammern Gattung als Artgemeinschaft, Gruppe, Sorte → Synchrones Ordnungsprinzip der Literatur (das selbst wiederum diachron gegliedert sein kann), beruht auf logischen Analogien, Ähnlichkeitsprinzip, System an Zuordnungen und Typologisierungen → Gattungen sind nicht nur naturgegeben, sondern Konstruktionen Gattungen sind: • Orientierungshilfe: • Bildung von Gruppen und Familien • typos: typologische Gemeinsamkeiten • Ähnlichkeitsprinzipien • Interpretationshilfe: • bestimmen die Rezeption / Erwartung / das Verständnis literarischer Texte (Gattungstypologische Kommunikationseinstellung) • bilden den „Horizont, der die Lektüre umspannt“ → Probleme der Gattungstheorie: • Naturgemäß zahlreiche Grenzfälle und Mischformen (sind so alt wie die Literatur selbst) • Deckt sich nicht mit einem erweiterten Literaturbegriff • „das Wesen“ der Literatur / der Gattung existiert nicht, auch wenn bestimmte Themen und Stoffe für manche Gattungen
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geeigneter erscheinen als für andere → Entwicklungen in der Theoriegeschichte von der selbstverständlichen Hinnahme der Gattungsgrenzen bis hin zur grundsätzlichen Infragestellung eines eindeutigen Schemas Definitionsversuche...