Dt RG 02 Antike - Vorlesung Deutsche Rechtsgeschichte PDF

Title Dt RG 02 Antike - Vorlesung Deutsche Rechtsgeschichte
Course Deutsche Rechtsgeschichte
Institution Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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Summary

Vorlesung Deutsche Rechtsgeschichte...


Description

Prof. Dr. Christian Hattenhauer

Deutsche Rechtsgeschichte

Das Erbe der Antike

Iustinianus I. (483-565) • oströmischer Kaiser 527-565 • bis 554 (vorübergehende) Wiederbegründung der römischen Herrschaft rund um das Mittelmeer (Rückeroberung Nordafrikas v. d. Vandalen, Italiens v. d. Ostgoten u. Südspaniens v. d. Westgoten)

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Das „Corpus iuris civilis“ Justinians Erstellung der drei Teile des Gesetzgebungswerks durch eine Kommission unter Vorsitz Tribonians (Kanzler und ehem. Justizminister) 1. Codex: Kaisergesetze von Hadrian (76-138) bis zu Justinian selbst, erste Fassung von 529, zweite Fassung an die Digesten angepasst (Codex repetitae praelectionis) von 534; 12 Bücher (1: Kirchenrecht, 2-8: Zivilrecht, 9: Strafrecht, 1012: Staatsrecht) 2. Institutiones: Anfängerlehrbuch, aufbauend auf den Institutionen des Gaius (um 160), 533 publiziert und mit Gesetzeskraft versehen; 4 Bücher: personae, res corporales, res incorporales, actiones (gaianisches Institutionensystem)

Das „Corpus iuris civilis“ Justinians 3. Digesta / Pandectae: Fragmente aus 207 Schriften (Const. Tanta: fast 2.000 Bücher, mehr als 3 Mio. Zeilen) von 38 Juristen der klassischen Zeit (etwa 50 v. bis 250 n.Chr.), 533 publiziert und mit Gesetzeskraft versehen • lat. digerere = ordnen, griech. παν-δέχεσθαι (pan-dechestai) = alles aufnehmen • 50 Bücher, Zahlenmystik: 7 [= Vollkommenheit] x 7 + 1 [das Göttliche]) • aufgeteilt nach Titel, Fragment, Paragraph (erst seit MA) • nicht übernommene Stellen vernichtet • „etwas aus dem ff können“ / § = signum sectionis (Zeichen des Abschnitts)

4. (später:) Novellae (leges Iustiniani): Gesetze Justinians nach Abschluss des Codex (nur private Sammlungen) Bezeichnung „Corpus iuris civilis“ durch frz. Humanisten Dionysius Gothofredus 1583 (1604–1620 in Heidelberg)

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Institutionum Imperialium libri IV (1506): Constitutio „Imperatoriam“

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Digestenhandschrift „Littera Florentina“ (zw. 533 u. 557) • z.Zt. der Glossatoren in Pisa („littera Pisana“, mglw. 1135 in Amalfi erbeutet  Lotharische Legende) • 1406 von Florenz erbeutet („littera Florentina“) • „Urmutter“ der Digestenausgaben

[D. 1,4] De constitutionibus principum Ulpianus libro primo institutionum. Quod principi placuit, legis habet vigorem: utpote cum lege regia, quae de imperio eius lata est, populus ei et in eum omne suum imperium et potestatem conferat.

Textbeispiel aus den Digesten: „Sachmängel“ beim Sklavenkauf Digesten, Buch 21, 1. Titel: De aedilicio edicto et redhibitione et quanti minoris – Über das ädilizische Edikt und über die Klagen auf Wandlung und Minderung 1. [= 1. Fragment] Ulpianus libro primo ad edictum aedilium curulium …10 [= § 10]. Idem Vivianus ait, quamvis aliquando quis circa fana bacchatus sit et responsa reddiderit, tamen, si nunc hoc non faciat, nullum vitium esse: neque eo nomine, quod aliquando id fecit, actio est, sicuti si aliquando febrem habuit: ceterum si nihilo minus permaneret in eo vitio, ut circa fana bacchari soleret et quasi demens responsa daret, etiamsi per luxuriam id factum est, vitium tamen esse, sed vitium animi, non corporis, ideoque redhiberi non posse, quoniam aediles de corporalibus vitiis loquuntur: attamen ex empto actionem admittit. 11. Idem dicit etiam in his, qui praeter modum timidi cupidi avarique sunt aut iracundi. 2. Paulus libro primo ad edictum aedilium curulium vel melancholici 3. Gaius libro primo ad edictum aedilium curulium vel protervi vel gibberosi vel curvi vel pruriginosi vel scabiosi, item muti et surdi. 4. Ulpianus libro primo ad edictum aedilium curulium pr. [= principium] Ob quae vitia negat redhibitionem esse, ex empto dat actionem.…

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D. 21,1,1. Ulpian [um 170-223] im 1. Buch zum Edikt der kurulischen Ädilen. … 10. Vivian sagt ferner, auch wenn jemand [ein Sklave] irgendwann einmal bei den Tempeln in Ekstase geraten war und Prophezeiungen von sich gegeben hat, liege gleichwohl kein Mangel vor, wenn er dies jetzt nicht mehr tut. Und es gibt deswegen auch nicht etwa eine Klage, weil er dies früher einmal getan hat, ebenso wenig wie wenn er früher einmal Fieber gehabt hat. Wenn er aber unvermindert in diesem gestörten Zustand bleibe und im Tempelbezirk gewöhnlich in Ekstase gerate und wie von Sinnen Prophezeiungen von sich gebe, so liege, auch wenn dies nur aus Zügellosigkeit geschehe, dennoch ein Mangel vor, aber ein psychisch-geistiger Mangel, kein körperlicher. Und deswegen könne nicht gewandelt werden, da die Ädilen nur von körperlichen Mängeln sprechen. Die Klage aus Kauf lässt Vivian jedoch zu. 11. Dasselbe sagt er auch in Bezug auf diejenigen, die über die Maßen furchtsam, habgierig und geizig sind oder jähzornig 2. Paulus [Ende 2. – Anf. 3. Jh.] im 1. Buch zum Edikt der kurulischen Ädilen oder schwermütig 3. Gaius [2. Jh.] im 1. Buch zum Edikt der kurulischen Ädilen oder frech, buckelig, krumm, mit Schorf oder Krätze behaftet, ebenso auch die, welche stumm und taub sind. 4. Ulpian im 1. Buch zum Edikt der kurulischen Ädilen. Hinsichtlich solcher Mängel greift, wie er sagt, die [Klage auf] Wandlung nicht ein; er gibt die Klage auf Kauf. …

Das römische Recht in der Spätantike und im Mittelalter – Ostrom (Byzanz) • nach (erneuter) Vulgarisierung Renaissance d. justinianischen Rechts in mehrfach überarbeiteter und immer stärker gestraffter Form in griechischer Sprache (ius graeco-romanum) • Ende 9. Jh. amtliche griechische Fassung von Digesten u. Codex (Basiliken) unter Kaiser Leo VI. • 1334 Ἑξάβιβλος (Hexabiblos, in Anwendung auch unter türkischer Herrschaft, seit 1946 griech. ZGB)

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Das römische Recht in der Spätantike und im frühen Mittelalter – Westen • Inkraftsetzung des justinianischen Rechts in Italien 554 durch die sog. Sanctio pragmatica pro petitione Vigilii • Verlust der wiedergewonnenen Gebiete bald nach dem Tod Justinians (565) an Langobarden (Italien, ab 568), Westgoten (Spanien) und Araber (Nordafrika) • Vulgarisierung: • germanische Stammesrechte (leges barbaorum) • i.W. bleiben nur Codex, Institutionen u. Novellen bekannt • komplexes Recht der Digesten mit Niedergang von Kultur, Wirtschaft und Recht nicht mehr praxisrelevant u. weitgehend in Vergessenheit • nur noch geringe Kenntnisse des römischen Rechts – v.a. in Italien (insbes. langobardische Rechtsschule von Pavia) u. Frankreich (Montpellier)

Geschichte des römischen Privatrechts XII Tafeln (um 450 v. Chr.) „Klassik“ (50 v. – 250 n. Chr.)

Rezeption

Pandektistik

„Corpus iuris civilis“ Justinians (~530) „Wiederentdeckung“ der Digesten

500 v.

0

500

1000

BGB

1500

2000 12

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Beispiel: Vom römischen Kaufrecht zum Kaufrecht des BGB Domitius Ulpianus, um 170-223: 1. Die Ädilen sagen: „Diejenigen, welche Sklaven verkaufen, sollen den Käufern mitteilen, ob ein Sklave eine Krankheit oder einen Fehler hat […] Wurde aber ein Sklave entgegen diesen Bestimmungen verkauft oder befand er sich in einem Zustand, der dem beim Verkauf Zugesagten oder Versprochenen widersprach, soweit man dafür (nach Zivilrecht) haften muss, dann werden wir dem Käufer und allen, die diese Sache angeht, eine Klage darauf geben, dass dieser Sklave gegen Rückzahlung des Preises zurückgenommen wird. [...]“ D. 21,1,1,1 (Ulp. 1 ad edictum aedilium curulium)

Vom römischen Kaufrecht zum Kaufrecht des BGB Die Frist für die Wandlungsklage ist eine von sechs für die Rechtsverfolgung tauglichen Monaten. Wenn aber der Sklave nicht im Wege der Wandlung zurückgegeben werden soll, gilt eine Frist von einem zur Rechtsverfolgung tauglichen Jahr. […] D. 21,1,19,6 (Ulp. 1 ad edictum aedilium curulium) Die Ädilen sagen: „Diejenigen, die Zugtiere verkaufen, müssen öffentlich und wahrheitsgemäß erklären, was jedes Tier für Krankheiten oder Mängel hat; und so, wie die Tiere zum Zweck des Verkaufs aufs beste mit Geschirr versehen sind, müssen sie den Käufern übergeben werden. Wenn etwas nicht demgemäß geschehen ist, werden wir eine Klage gewähren, [und zwar …] auf Rückgängigmachung des Kaufs der Zugtiere wegen einer Krankheit oder eines Mangels innerhalb von sechs Monaten oder auf den Betrag, um den die Zugtiere weniger wert waren, als sie verkauft wurden, innerhalb eines Jahres. […]“ D. 21,1,38 pr. (Ulp. 2 ad edictum aedilium curulium)

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Vom römischen Kaufrecht zum Kaufrecht des BGB BGB 1896/1900 § 462: Wegen eines Mangels, den der Verkäufer nach den Vorschriften der §§ 459, 460 zu vertreten hat, kann der Käufer Rückgängigmachung des Kaufes (Wandelung) oder Herabsetzung des Kaufpreises (Minderung) verlangen. § 477: (1) Der Anspruch auf Wandelung oder auf Minderung … verjährt … bei beweglichen Sachen in sechs Monaten von der Ablieferung, bei Grundstücken in einem Jahre von der Übergabe an. .…

Vom römischen Kaufrecht zum Kaufrecht des BGB Richtlinie 1999/44/EG des europäischen Parlaments RICHTLINIE 1999/44/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter Artikel 3: Rechte des Verbrauchers (1) Der Verkäufer haftet dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes besteht. (2) Bei Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3 oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in bezug auf das betreffende Verbrauchsgut nach Maßgabe der Absätze 5 und 6. … Artikel 5: Fristen (1) Der Verkäufer haftet nach Artikel 3, wenn die Vertragswidrigkeit binnen zwei Jahren nach der Lieferung des Verbrauchsgutes offenbar wird. …

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Vom römischen Kaufrecht zum Kaufrecht des BGB § 437 BGB n.F.: Rechte des Käufers bei Mängeln Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist, 1. nach § 439 Nacherfüllung verlangen, 2. nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern und 3. nach den §§ 440, 280, 281, 283 und 311a Schadensersatz oder nach § 284 Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.

Vom römischen Kaufrecht zum Kaufrecht des BGB § 438 BGB n.F.: Verjährung der Mängelansprüche (1) Die in § 437 Nr. 1 und 3 bezeichneten Ansprüche verjähren 1. in 30 Jahren, wenn der Mangel a) in einem dinglichen Recht eines Dritten, auf Grund dessen Herausgabe der Kaufsache verlangt werden kann, oder b) in einem sonstigen Recht, das im Grundbuch eingetragen ist, besteht, 2. in fünf Jahren a) bei einem Bauwerk und b) bei einer Sache, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden ist und dessen Mangelhaftigkeit verursacht hat, und 3. im Übrigen in zwei Jahren. […]

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