Epidemiologische Transition und ihre Ursachen PDF

Title Epidemiologische Transition und ihre Ursachen
Author Ann-Kathrin Lange
Course Ergänzungs Gesundheitswissenschaften
Institution Universität Bielefeld
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Epidemiologische Transition und ihre Ursachen...


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BHC 21b 05.12.17

Epidemiologische Transition und ihre Ursachen Epidemiologischer Übergang bezeichnet die Veränderungen der Häufigkeit von Krankheiten und Todesursachen als Folge und Ursache des demografischen Übergangs. Konzept des demografischen Übergangs  Idealtypische Beschreibung des Übergangs von hohen zu niedrigen Sterbe- und Geburtenraten mir seinen Auswirkungen auf das Bevölkerungswachstum - Phase 1: Hohe Geburten- und Sterberaten - Phase 2: Weiterhin hohe Geburtenziffer, sinkende Sterbeziffer - Phase 3: Fallende Geburten- und Sterbeziffer - Phase 4: Niedrige Sterbeziffer, sinkende Geburtenziffer - Phase 5: Niedrige Geburten- und Sterbeziffer, Annäherung der Geburten- an die Sterbeziffer

Rückgang der Sterblichkeit Säuglingssterblichkeit in Deutschland Jahr 1900 1939 1990 2000 2010 2015

Sterblichkeit je 1000 Neugeborene 226 61 7 4,4 3,4 3,3

BHC 21b 05.12.17

Die Säuglingssterblichkeit errechnet sich aus der Zahl der im 1. Lebensjahr Gestorbenen multipliziert mit 1.000 und dividiert durch die Zahl der Lebendgeborenen. Die Säuglingssterblichkeit hat sich im historischen Verlauf sehr stark verringert. Starb um 1870 noch jedes vierte Kind innerhalb des ersten Lebensjahres, so halbierte sich dieser Anteil in den folgenden rund 50 Jahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg verstarb noch etwa jedes zehnte Kind in den ersten zwölf Monaten nach der Geburt, gegenwärtig ist mit einem Wert von rund 3,3 Sterbefällen je 1.000 Lebendgeborene ein sehr niedriges Niveau erreicht. Die Sterblichkeit von männlichen Säuglingen ist dabei höher als die von weiblichen Säuglingen.

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Durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt in Deutschland Jahr 1901/10 2015 Zugewinn

Männer 44,8 78,18 33,38

Frauen 48,3 83,06 34,76

Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt in ausgewählten europäischen Staaten (2014) Land Deutschland Großbritannien Schweden Niederlande Italien Frankreich Griechenland Ungarn

Männer 78,7 79,5 80,4 80 80,7 79,5 78,9 72,3

Frauen 83,6 83,2 84,2 83,5 85,6 86 84,1 79,4

Gesamt 81,2 81,4 82,3 81,8 82,8 82,8 81,5 75,9

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-Lebenserwartung nimmt kontinuierlich zu Todesursachen in reichen Gesellschaften - Dominanz chronisch-degenerativer Krankheiten - 40-45% Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (mit sinkender Tendenz) - 25-30% bösartige Neubildungen (mit steigender Tendenz) o Risiko für Krebs steigt mit zunehmendem Alter allgemein - 5% Erkrankungen der Verdauungsorgane - 5% Erkrankungen der Atmungsorgane Wandel der Todesursachen in Deutschland 1989 bis 2015

BHC 21b 05.12.17 Todesursachen weltweit

https://www.berlin-institut.org/onlinehandbuchdemografie/bevoelkerungsdynamik/faktoren/sterblichkeit.html Ursachen für den Rückgang der Sterblichkeit - Nach unserem Wissen sich als Ursache dafür theoretisch vier Entwicklungen denkbar: o Medizinische Interventionen (Chemotherapie, Impfungen) o Veränderungen in der Virulenz von Erregern o Sanitärreformen o Verbesserung des Lebensstandards (insbes. der Ernährungssituation)

BHC 21b 05.12.17 Beitrag der Medizin: McKeown (1912-1988) - Mediziner - Prof. für Sozialmedizin - Medizin und Bevölkerungshistoriker - „The modern rise of population“ (1976) - Der langfristige Mortalitätsrückgang in England und Wales seit der zweiten Hälfte des 18. Jh. Ist vor allem dem Rückgang der von Infektionskrankheiten verursachten Sterblichkeit zuzuschreiben - Bis aus wenige Ausnahmen – z.B. Diphterie, Syphilis - wurden für das Gros der Infektionskrankheiten effektive medizinische Mittel (Antibiotika, Impfstoffe) erst in den 1930er- und 1940er-Jahren verfügbar. - Also kann der größte Teil des Mortalitätsrückgangs nicht der Einführung medizinischer Interventionen geschuldet sein. Verminderung der Sterblichkeit 1838-1971 England und Wales McKeown

Wir sehen gleich eine Kurve, die die stetige Verbesserung der sozialen Bedingungen widerspiegelt. Die größte Verringerung der Todeszahlen fand dabei zwischen 1838 und 1848 statt, mit einem Rückgang von mehr als 1000 Toten je einer Million Menschen. Die TBC-Impfung kam erst, als die Todesrate ohnehin schon stark gesunken war, und hatte dazu noch keinerlei relevanten statistischen Einfluss. Die Einführung der Antibiotika (Chemotherapie) hatte einen kleinen statistischen Einfluss, wenn es nicht das Kriegsende war und kam ebenfalls erst, als die Todeszahlen schon stark gesunken waren.

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Sterblichkeitskurve der Tuberkulose in Deutschland von 1750 bis 1950

Die Sterblichkeitskurve der Tuberkulose in Deutschland nahm von 1750 bis in die Mitte unseres Jahrhunderts kontinuierlich und fast linear ab. Die Einführung der Tuberkuloseimpfung um 1925 und die breite Anwendung der heute üblichen Medikamente sind ohne Einfluss auf den Seuchenverlauf geblieben. Zu sehen ist außerdem ein erklärbarer Ausschlag nach oben während und kurz nach den beiden Weltkriegen. Beitrag der Medizin: spätere Forschungen - Es besteht heute ein breiter Konsens, dass die Individualmedizin bis etwa zur Mitte des 20. Jh. Relativ wenig zum Rückgang der Sterblichkeit beigetragen hat - Es sind verschiedene Studien veröffentlicht worden, die den Beitrag der Medizin zum historischen Mortalitätsrückgang differenzierter beschreiben wollen - Niederlande: beschleunigter Rückgang der auf Infektionskrankheiten zurückgehenden Mortalität nach Einführung von Antibiotika o Besonders deutlich bei Bakterienruhr, Scharlach, Tuberkulose, Syphilis, Erysipel, Kinderbettfieber o Anstieg des jährlichen Mortalitätsrückgangs von 4% auf 10% nachdem Antibiotika wie Penicillin weithin zugänglich waren  keine völlige Irrelevanz des medizinischen Fortschritts - Obwohl die beobachteten Mortalitätsveränderungen zeitlich auf die Einführung von Antibiotika folgen, ist damit kein Kausalverhältnis impliziert. - Wenigstens zwei weitere mögliche Erklärungen sollten erwogen werden: o Veränderungen in der Verbesserungsrate des Lebensstandards o Veränderungen in der Intensität und Effektivität von Public-HealthProgrammen - Lebensstandard: Zeitreihendaten zur Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln, zu Wohnbedingungen und zu anderen Indikatoren des Lebensstandards zeigen in den Niederlanden keine beschleunigten Verbesserungen nach dem Zweiten Weltkrieg.

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Die zweite Alternativerklärung – Public-Health-Programme – kann nur für die Tuberkulose gelten: o Die Pasteurisierung der Milch wurde in den Niederlanden 1940 eingeführt. Sie reduzierte die Inzidenz der (nicht die Atmungsorgane befallenden) Tuberkulose. o Reihen-Röntgen-Untersuchungen wurden 1949 eingeführt, und die kombinierte Wirkung von Früherkennung und effektiver Behandlung mag eine beträchtliche Beschleunigung des Rückgangs der Tuberkulose- Inzidenz bewirkt haben. o Gleichwohl ging die Tuberkulose-Mortalität in den Niederlanden in den späten 40er und frühen 50er Jahren sehr viel schneller zurück als die Inzidenz. o Dies legt den Schluss nahe, dass der Anteil der tödlich verlaufenden Fälle ebenfalls beträchtlich zurückging, möglicherweise im Gefolge der Einführung von Streptomycin und anderen Antibiotika. Es stellt sich auch die Frage, ob andere Verbesserungen (neben der Einführung von Antibiotika) in der medizinischen Versorgung zum Rückgang der TuberkuloseMortalität beigetragen haben können. Es fehlt aber an Evidenz über die Effektivität der Isolierung von Patienten in Sanatorien und über die Effektivität des Aufspürens von Kontaktpersonen und diätetischer Beratung. Man kann jedoch aus dem Evidenzmangel nicht schließen, dass all diese Maßnahmen keine Wirkung zeitigten. Vermutlich hatten die Interventionen positive Effekte, man weiß nur nicht, in welchem Umfang. Mackenbach schätzte auf der Basis bekannter Antibiotika-Effekte bei bestimmten Infektionskrankheiten, dass im Zeitraum 1875/79 bis 1970 zwischen 1,6 und 4,8% des gesamten Rückgangs der durch Infektionskrankheiten hervorgerufenen Mortalität in den Niederlanden der medizinischen Versorgung zugerechnet werden können Weitere Schätzungen zur Bedeutung der Individualmedizin für die Verbesserung der Bevölkerungsgesundheit o 1-2 Jahre des Zugewinns an Lebenserwartung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (23 Jahre), die Hälfte des Zugewinns seit 1950 o 5 von knall 30 im 20. Jahrhundert in den USA gewonnenen Jahren an Lebenserwartung Weitere (mögliche) Beiträge der medizinischen Versorgung zum Mortalitätsrückgang: o Interventionen, die bereits vor der Einführung von Antibiotika verfügbar waren (z.B. Isolierung), mögen zum Rückgang der Mortalität bei spezifischen Infektionskrankheiten vor 1946 beigetragen haben. o Zwei andere Gruppen von Todesursachen, bei denen die Medizin vermutlich einen Beitrag zum Mortalitätsrückgang geleistet hat, sind Erkrankungen des Verdauungssystems (chirurgische Fortschritte seit 1930) und perinatale Erkrankungen (Verbesserungen in der antenatalen und perinatalen Versorgung haben wahrscheinlich nach 1930 die Mortalitätsentwicklung beeinflusst).

Virulenz von Krankheitserregern - Es gibt einige Evidenz, dass eine abnehmende Streptokokken- Virulenz für den Rückgang der durch Scharlach verursachten Sterblichkeit bedeutsam war. - Bei wichtigen Erkrankungen kein Expertenkonsens, Mangel an konklusiver Evidenz

BHC 21b 05.12.17 Sanitärreformen McKeown: - Die sanitären Maßnahmen ab den 1870er Jahren (Verbesserung der Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung) haben durch Wasser übertragene Krankheiten (wie die Cholera) beeinflusst, werden sich aber auf durch Luft übertragenen Krankheiten (wie die Tuberkulose), die den größten Anteil am Mortalitätsrückgang hatten (40 gegenüber 21 %), kaum ausgewirkt haben. - Sanitärreformen und ähnliche Maßnahmen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge können den Beginn des Mortalitätsrückgangs nicht erklären können, weil sie erst nach etwa 1880 wirksam wurden, zu einer Zeit also, als der Sterblichkeitsrückgang bereits in vollem Gange war. - Kritik an McKeown: Die Versorgung mit sicherem Trinkwasser und die Abwasserbeseitigung waren nicht die einzigen hygienischen Maßnahmen der Reformer. Verbesserungen der Arbeits- und Wohnbedingungen waren weitere wichtige Punkte ihres Programms. Eine bessere Belüftung von Arbeitsplätzen und weniger volle Häuser mögen zum Rückgang der Sterblichkeit an Krankheiten beigetragen haben, die durch die Luft übertragen werden. Lebensstandard (Ernährungssituation) - Der Rückgang der Sterblichkeit verdankt sich McKeown zufolge vor allem (zu ca. 50 %) der Verbesserung des Lebensstandards und insbesondere der Ernährungssituation. - McKeown zieht seine Schlüsse über die herausragende Bedeutung der Steigerung des Lebensstandards bei der Erklärung des Mortalitätsrückgangs im Wege des Ausschlusses. - Nachdem er alle genannten Möglichkeiten – medizinische Versorgung, abnehmende Erreger-Virulenz, Sanitärreformen – diskutiert hatte, schloss McKeown, dass der Anstieg des Lebensstandards, vor allem die quantitative und qualitative Verbesserung der Ernährungssituation, der wichtigste Faktor des Sterblichkeitsrückgangs gewesen ist. Fazit -

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Der Rückgang der Sterblichkeit ist zunächst vor allem ein Rückgang der Sterblichkeit an Infektionskrankheiten. Besonders stark fällt der Rückgang bei der Säuglingssterblichkeit ins Gewicht (von zentraler Bedeutung für den Anstieg der Lebenserwartung). Der Rückgang der Sterblichkeit ist in erster Linie eine Folge der verbesserten Ernährung und der verbesserten öffentlichen Hygiene, nur zu einem geringen Teil Folge des medizinischen Fortschritts. Im Spektrum der Krankheiten und Todesursachen haben sich die Gewichte in den westlichen Ländern von den Infektionen hin zu chronischen, primär nicht-infektiösen Erkrankungen verlagert. Diese Veränderungen werden auch als epidemiologische Transition bezeichnet....


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