Hausarbeit Mobbing im virtuellen Raum PDF

Title Hausarbeit Mobbing im virtuellen Raum
Author Carolin Weichel
Course Die digitale Revolution in Theorie und Literatur
Institution Universität Trier
Pages 12
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Summary

Hausarbeit:
Cybermobbing im Jugenroman "Ich blogg dich weg"
- Judith Butler (verletztende Worte)...


Description

1. Einleitung

Im Seminar „Die Digitale Revolution in Theorie und Literatur“ haben wir uns zum einen mit der Entwicklung und den Möglichkeiten der digitalen Welt beschäftigt, zum anderen haben wir im Zuge dessen auch stets über Risiken und Gefahren, die mit diesem Fortschritt zusammenhängen könnten, gesprochen und kritisch reflektiert. Auch das Internet und die sozialen Medien stellen solch einen Fortschritt dar. Wir können blitzschnell Informationen erwerben und austauschen und mit Bekannten und Fremden aus aller Welt in Kontakt treten, wodurch Freundschaften oder vielleicht sogar Liebesbeziehungen entstehen. Jedoch wissen wir auch, dass davon erhebliche Gefahren ausgehen können. Eine davon ist das Cyberbullying beziehungsweise Cybermobbing, also das Ausüben von Gewalt über das Internet, über soziale Netzwerke und Chatforen. Über diese sprachliche Gewalt und wie Worte Menschen verletzen können, möchte ich in dieser Hausarbeit schreiben. Die theoretischen Erkenntnisse sollen als Werkzeug dienen, das Buch „Ich blogg dich weg“ von Agnes Hammer zu analysieren. In diesem Roman wird Julie, eine Jugendliche, die eigentlich hübsch, erfolgreich und beliebt ist, im Internet und per Mail beleidigt und terrorisiert, wobei diese Angriffe im Laufe der Zeit immer bösartiger werden. Für die Analyse des Romans ist es zunächst wichtig, den Begriff „Cybermobbing“ genauer zu definieren. Außerdem soll kurz untersucht werden, wie sich das Mobbing im Internet vom Mobbing in der realen Welt abgrenzen lässt. Des Weiteren möchte ich den Verlauf von Cybermobbing anhand der Mobbingattacke im Roman beschreiben und auf mögliche Ursachen und Täterprofile eingehen. Darüber hinaus spielt die Macht der Sprache, Menschen verletzen zu können, eine zentrale Rolle bei der Analyse des Romans. Im Zuge dessen werde ich mir die verschiedenen Arten und Weisen, wie die Hauptfigur des Romans angegriffen wird, genau

anschauen

und

mit

Hilfe

der

Forschungsliteratur

analysieren.

Die

Sprechakttheorie von John Langshaw Austin und die Betrachtung des Sprechens als performativer Akt sowie Judith Butlers Konzept verletzender sprachlicher Akte bieten sich hier zum Beispiel als vielversprechende Grundlagen an. Es sollen die verschiedenen Formen der sprachlichen Verletzung untersucht werden und wie sie im Roman zum Tragen kommen. Außerdem möchte ich aufzeigen, welche Auswirkungen Drohungen und Demütigungen auf den Adressaten, in diesem Fall auf 1

die Protagonistin des Romans, haben. Denn auch wenn sprachliche Gewalt nicht unbedingt physische Schmerzen hervorruft, ist sie doch alles andere als harmlos.

2. Mobbing im virtuellen Raum René Veenstra (et al. 2005; zitiert durch Katzer, 2014, S.58) beschreibt Mobbing allgemein im Schulkontext als „Handlungen oder Verhaltensweisen eines oder mehrerer Schüler gegenüber einem anderen Schüler, die das konkrete Ziel haben, diesen Schüler zu schädigen oder zu verletzen, und die über einen längeren Zeitraum ausgeübt werden“. Wenn man sich nun, eine mögliche Definition von Cybermobbing

anschaut,

werden

Gemeinsamkeiten

schnell

deutlich.

Unter

Cybermobbing beziehungsweise Cyberbullying, wobei diese beiden Begriffe im Folgenden synonym verwendet werden, versteht man „jedes Verhalten, das von Individuen oder Gruppen mittels elektronischer oder digitaler Medien ausgeführt wird und wiederholt feindselige oder aggressive Botschaften vermittelt, die die Absicht verfolgen, anderen Schaden oder Unbehagen zu bereiten“ (Tokunaga, 2010; zitiert durch Katzer, 2014, S. 2). Eine Mobbingattacke zeichnet sich also dadurch aus, dass sie nicht mit einem Mal beendet ist, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg dauert. Außerdem besteht in fast allen Fällen ein deutliches Machtungleichgewicht zwischen Opfer und Täter, was allerdings nicht immer mit Größen- oder Stärkeunterschieden verbunden ist. Viel häufiger sind es subjektiv wahrgenommene Merkmale, die

zu einem

Machtungleichgewicht führen,

wie beispielsweise

Äußerlichkeiten, fehlende Statussymbole oder bestimmte Verhaltensweisen (Katzer, 2014, S.58). Die oben genannte Definition von Cyberbullying trifft die Situation, in der sich Julie, die Hauptfigur des Romans „Ich blogg dich weg“, befindet, sehr gut. Julie ist beliebt bei ihren Freunden, ist hübsch und kann toll singen, was sie in ihrer eigenen Band unter Beweis stellt. Doch eines Tages erhält sie plötzlich beleidigende und bedrohliche E-Mails von einem anonymen User namens „Stüpp7“. In der Anonymität besteht wohl einer der größten Unterschiede zwischen gewöhnlichem Mobbing und Mobbing im Netz. Im Internet und insbesondere in Chatforen ist niemand gezwungen seine wahre Identität, also seinen Name oder sein Alter, 2

preiszugeben. Außerdem ist es jedem frei, wie viele Profile er zum Beispiel bei Facebook erstellt. Deshalb wissen die Menschen, die im Internet angegriffen werden, meist nicht, wer sich dahinter verbirgt, vielleicht ein Fremder oder vielleicht sogar ein guter Schulfreund. Des Weiteren ist natürlich die Hemmschwelle im Internet viel geringer. Man gibt leichtfertig Informationen preis oder unterhält sich im Chat mit Fremden über Probleme mit Eltern oder Lehrpersonen. Catarina Katzer (2014, S. 4) betont, dass die Anonymität im Netz einen hohen Kontrollverlust für alle User zur Folge hat. Auch die Hemmschwelle der Täter ist im Netz geringer als in der Realität, da die Wahrscheinlichkeit und somit die Befürchtung erwischt zu werden, niedriger ist (Katzer, 2014, S. 6). Aus diesem Grund und auch weil Täter im Internet oft nicht bemerken, wann ihr Opfer „genug hat“, kann Cybermobbing besonders brutal sein und schlimme psychische Schäden verursachen (Riebel, 2008, S.59). Ein weiterer tiefgreifender Unterschied ist, dass Angriffe im Internet eine sehr hohe Reichweite haben und von vielen Menschen verfolgt werden. Auch wenn das Opfer den Computer oder das Smartphone abschaltet, sind die Beleidigungen für jeden immer noch offen sichtbar (Riebel, 2008, S.59).

2. 1. Verlauf einer Cybermobbingattacke

Wenn man sich nun den Fall der Protagonistin des Roman „Ich blogg dich weg“ genauer ansieht, kann man einen deutlichen Verlauf des Cybermobbingangriffs erkennen, der sich in mehrere Phasen unterteilen lässt. Die erste Phase besteht darin, dass Julie plötzlich anonyme E-Mails erhält, welche zu Beginn noch relativ kurz ausfallen. Die erste Nachricht degradiert sie als „arrogante Kuh“, die zweite als „eingebildete Sumpfkuh“ (Hammer, 2014, S. 38). Am Anfang macht sich Julie kaum Gedanken über diese Nachrichten, denn sie ist sich sicher, dass niemand ihrer Freunde oder Mitschüler sie wirklich für arrogant hält. Doch je schlimmer die Ausdrücke werden, desto unsicherer wird sie und fürchtet, dass „Stüpp7“ mit seinen Beschimpfungen sogar recht haben könnte (Hammer, 2014, S. 43). Währenddessen überlegt sie natürlich, wer ihr so etwas antun könnte, aber was nur der Leser des Buches von Anfang an wahrnimmt, ist, dass einige ihrer Mitschülerinnen, auch 3

Freundinnen, einen gewissen Groll gegen Julie hegen. Zunächst verdächtigt Julie ihre Nachbarin, Lisa, die sie zuvor aus ihrer Band geworfen hatte und die somit ein Motiv hätte. Doch der Leser erfährt ziemlich schnell, dass dieser Verdacht falsch ist. Die nächste Phase beginnt als Julie eines Morgens zur Schule kommt und an der Toilettenwand eine Art „Mind-Map“ mit ihrem Namen als Kernwort und den Attributen „arrogant“, „kann nicht singen“ und „hässlich“ findet (Hammer, 2014, S. 64). Doch es wird noch schlimmer als ein falsches Profil mit Bikinifotos von Julie im Netz kursiert. Spätestens ab diesem Zeitpunkt gibt es für Julie eine neue Verdächtigte, nämlich Ela. Der Leser erfährt, dass Ela dieses falsche Profil zwar nicht selbst erstellt hat, jedoch wird schnell klar, dass Ela und auch viele andere, diese Situation als Anlass nehmen, um selbst bei der Mobbingattacke mitzumachen. Dieses Phänomen kommt häufig vor und Catarina Katzer (2014, S. 15) beschreibt dies als „Reiz, bei etwas Verbotenem“ mitzumachen, wobei stille Beobachter dadurch häufig selbst zu Mittätern werden. Aus Outstandern werden Assistants (Salmivalli et al., 1996, S.15). Auch Ela nutzt dieses sogenannte „Fakeprofil“, um in beleidigenden Kommentaren ihren Ärger gegenüber Julie zu zeigen. Anfangs werden Kommentare noch unter Pseudonymen veröffentlicht, doch mit der Zeit kommen immer mehr Nachrichten von Mitschülern, die Julie kennt, hinzu. Die Mobbingattacke gipfelt als Julie eines Abends von Ela und zwei ihrer Freundinnen festgehalten und verprügelt wird, was bedeutet, dass die Gewalt über das Internet nun in reale, körperliche Gewalt umgeschlagen ist. Auch diese Entwicklung kommt nicht selten vor, wie Catarina Katzer (2014, S.63) hinzufügt. Nach Olweus (1996, S.42) gibt es zwei zentrale Arten von Opfern, nämlich die provozierenden Opfer und die passiven Opfer, wobei letztere deutlich häufiger vorkommen.

Der

passive

Opfertyp

wird

gekennzeichnet

durch

besondere

Ängstlichkeit und Zurückhaltung, häufig hat er ein geringes Selbstwertgefühl. Der provozierende Opfertyp ist auch gekennzeichnet durch ein gewisses Maß an Ängstlichkeit, die jedoch mit Aggression verbunden ist. Provozierende Opfer setzen sich eher zur Wehr (Olweus, 1996, S. 42). Hier findet man auch die Protagonistin des Romans wieder. Am Anfang entspricht Julie eher dem provozierenden Opfertyp. Sie wehrt sich, antwortet auf die anonymen E-Mails mit Gegenbeleidigungen und versichert sich selbst, dass derjenige, der sie im Netz beschimpft, Unrecht hat mit seinen Anschuldigungen. Doch je weiter der Prozess fortschreitet, desto mehr verwandelt sich Julie in die Rolle des passiven Opfertyps. Ihr Selbstbewusstsein 4

nimmt immer mehr ab, sie bekommt Angst, geht nicht mehr zur Schule und vernachlässigt ihre liebsten Hobbies. Aber auch die Erscheinungsformen der Mobbingattacke im Roman entwickeln sich. So handelt es sich zu Beginn noch um verbales Mobbing, wozu Beschimpfungen und Beleidigungen via E-Mail, Chatforen oder Webseiten zählen. Als jedoch ein falsches Profil in Julies Namen erstellt wird, wo Gerüchte über sie verbreitet werden und ihr gewisse Verhaltens- und Persönlichkeitseigenschaften angehängt werden, indem zum Beispiel Fotos und Video veröffentlich werden, wird aus verbalem Cybermobbing psychisches Cybermobbing, was letztendlich in körperlicher Gewalt endet (Katzer, 2014, S. 62). Die Mobbingattacke im Roman verläuft also von anonymen E-Mails, die von einer Person verschickt werden bis hin zu öffentlichem Mobbing im Internet, an dem sich viele Mitschüler der Protagonistin beteiligen. Experten wie Riebel (2008, S.23) oder Olweus (1996, S. 45) beschreiben Täter allgemein als impulsiv und nennen als Auslöser vor allem den familiären Hintergrund und das soziale Umfeld. Typische Merkmale von Tätern sind zum Beispiel schlechte Noten, schlechtes Benehmen und häufiger Ärger in der Schule (Riebel, 2008, S.24). Sie attackieren ihre Opfer aufgrund auffälliger Unterschiede, wie extrem große oder kleine Körpergröße, Schulnoten oder den Status der Eltern (Riebel, 2008, S. 25), und auch die Protagonistin im Roman hebt sich von ihren Mitschülern ab. Sie ist hübsch, talentiert, erfolgreich und trotzdem beziehungsweise gerade deswegen sehr beliebt. Am Ende des Buches erfährt Julie, dass sich ihre beste Freundin Jasmina hinter „Stüpp7“ verbirgt und dass ebendiese auch das falsche Profil erstellt hat. Andere Schüler und Schülerinnen haben dies als Anlass genutzt, bei der Mobbingattacke mitzuwirken (Hammer, 2014, S. 154). Im gesamten Verlauf des Romans lässt sich ein einziges Motiv, das alle einflussreichen Täter, wie Jasmina oder Ela, antreibt, sehr deutlich erkennen, nämlich Neid und Eifersucht.

3. Sprachliche Gewalt

Denken wir an Gewalt, haben wir zunächst körperliche Gewalt im Sinn, doch auch Sprache kann verletzen, denn mit Worten können wir einen Menschen psychisch 5

angreifen und ihn verwunden. Das bedeutet, sprachliche Gewalt ist eine Form des Handelns mit der Sprache. Wir tun also etwas mit Worten und üben dadurch unter Umständen Gewalt aus (Herrmann & Kuch, 2007, S. 17). Judith Butler greift in ihrem Buch „Haß spricht“ auf Austins Begriff des performativen Sprechakts zurück. Eine performative Äußerung beschreibt nicht nur eine Handlung, sondern vollzieht das in der Welt, was in ihr beschrieben wird. Austin nennt als Beispiel die Eheschließung oder die Taufe (Herrmann & Kuch, 2007, S.11). Judith Butler (2016, S. 12) sieht als Voraussetzung einer performativen Äußerung den konventionellen Charakter, was bedeutet, dass die Äußerungen wiederholbar sein sollen und nicht nur im Moment des Sprechens gültig sein dürfen, sondern ihre Wirkung über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten müssen. Diesen konventionellen Charakter findet man auch beim Cyberbullying im Netz, da die Angriffe auch immer über einen längeren Zeitraum andauern und der Adressat nicht nur im Moment der Äußerung verletzt wird. Da Beschimpfungen, die online stattfinden, häufig viel mehr Publikum haben und in den meisten Fällen nicht mehr zurückzunehmen sind, ist die Wirkung dieser Äußerungen langanhaltend und schadet dem Opfer immer wieder aufs Neue. Auch im Roman „Ich blogg dich weg“ wird diese wiederholende Kraft der Äußerungen deutlich. Die Hauptfigur wird im Laufe der Mobbingattacke von immer mehr Leuten beschimpft und beleidigt, und all diese verletzenden Äußerungen beziehen sich aufeinander. Das bedeutet, Äußerungen die vorher schon von jemandem gemacht wurden, werden von einem weiteren Täter erneut aufgegriffen. Laut Butler (2016, S. 12) ist genau diese Zitathaftigkeit das, was die Kraft des verletzenden Sprechens ausmacht. Ein weiteres Merkmal solcher performativer Sprechakte, ist der Einfluss auf die Menschen und ihre Welt. Bleibt man bei Austins Beispiel der Eheschließung, so ändert das Aussprechen dieses performativen Akts die Welt der zwei Menschen, die die Ehe miteinander eingehen dahingehend, dass zum Beispiel neue zwischenmenschliche Pflichten oder steuerliche Rechte entstehen. Durch performative Sprechakte kann sich aber auch die Selbstwahrnehmung des Sprechers und die des Adressaten ändern (Bourdieu, 2007, S. 12), so wie es auch der Hauptfigur des Romans von Agnes Hammer passiert. Durch die Mobbingattacke ändert sich Julies Bild von sich selbst drastisch und sie beginnt, alle Beschimpfungen und Anschuldigungen zu glauben und sich für all das, was ihr im Netz nachgesagt wird, zu schämen. Während Julies 6

Selbstwertgefühl sinkt, steigt das ihrer Widersacher, deren Taten und Äußerungen im Verlauf der Geschichte immer gewagter und bösartiger werden. Ein weiterer interessanter Aspekt, den Judith Butler hervorbringt und wodurch erklärt werden kann, dass Sprache überhaupt verletzen kann, ist, dass der Mensch abhängig davon ist, von anderen Menschen angesprochen zu werden, um so an einer sprachlichen Gemeinschaft teilhaben zu können und als Subjekt konstituiert zu werden. Wir sind also von der Sprache und von anderen Menschen, die uns mit der Sprache konfrontieren, abhängig, um überhaupt zu existieren. Jede sprachliche Anrede, beziehungsweise Anrufung, wie Butler es nennt, prägt also unsere Existenz, egal wie beleidigend und verletzend sie ist (Butler, 2016, S. 10). Das bedeutet auch, dass es wichtig ist, von anderen angesprochen zu werden, um nicht aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Butlers (2016, S.50) Ansicht nach werden wir deshalb sogar lieber beleidigt und mit Worten verletzt, anstatt überhaupt nicht angesprochen und somit ausgeschlossen zu werden. Beim Cybermobbing ist es jedoch oft so, dass die Opfer von ihren Peinigern absichtlich ausgeschlossen werden und erstere zunächst gar nicht wissen, dass und was über sie geredet wird. Was die Isolierung der betroffenen Personen betrifft, betont auch Thomas Markert (zitiert durch Herrmann & Kuch, 2007, S. 26), dass sprachliche Gewalt mit Ausgrenzungsprozessen zusammenhängt und das Gefühl von Zusammenhalt und Ausgrenzung festigen kann. Er ist der Annahme, „dass verbale Gewalt nicht nur dazu dient, Unterlegenheit zu schaffen, zu betonen und darzustellen, sondern auch vergemeinschaftend wirkt, indem sie Gruppen [und Personen] voneinander trennt“ (Herrmann & Kuch, 2007, S. 26). Im Fall der Romanfigur trifft meines Erachtens eher Thomas Markerts These zu, denn auch hier führt die Mobbingattacke zu Zusammengehörigkeitsgefühlen auf Seiten der Mobber, nämlich vor allem Ela und den anderen Mädchen, aber auch zu Entzweiung von Gruppen, wie der Band, in der Julie singt. Als sich der der Mobbingangriff zuspitzt, verlässt Julie die Musikgruppe, zum einen weil sie sich schämt, vor Publikum zu stehen, zum anderen weil einige ihrer Bandmitglieder befürchten, die Äußerungen im Internet und Julies falsches Profil könnten der Reputation der Band schaden.

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3. 1. Sprachliche Gewalt in „Ich Blogg Dich Weg“

Im folgenden Abschnitt möchte ich mir die verschiedenen Formen von verletzenden Äußerungen in „Ich blogg dich weg“ von Agnes Hammer genauer ansehen und untersuchen. Wie oben erwähnt, prägt und formt jegliche Anrede eines Menschen seine Existenz. Für Butler (2016, S. 10) gehört dazu auch die Namensgebung, in diesem Fall also die Verwendung von verletzenden Namen. Der Name, den man einer anderen Person gibt, ist nicht irgendein willkürlich gewählter, sondern wird von dem Sprecher als passend erkannt, um den Adressaten zu bezeichnen (Butler, 2016, S. 52). Jedoch ist der Benennende in der Regel nicht der Urheber eines Namens, denn meist werden Bezeichnungen gewählt, die bereits gesellschaftlich konstituiert sind und Teil unseres Weltbilds sind (Butler, 2016, S. 60). Das bedeutet, dass sich Schimpfnamen meist auf Dinge in der außersprachlichen Welt beziehen, mit denen man zum Beispiel bestimmte Verhaltensweisen oder Merkmale assoziiert. Im Roman „Ich blogg dich weg“ von Agnes Hammer lassen sich einige solcher Namen finden. Ganz oft wird die Protagonistin als „Schlampe“ oder als „Kuh“ bezeichnet (Hammer, 2014, S. 38, S. 43) Betrachtet man zum Beispiel die Bedeutung von „Schlampe“, kann man direkt erkennen, welchen Sinn Julies Peiniger in der Verwendung dieses Schimpfwortes sehen. Bereits im frühen 17. Jahrhundert bezeichnete man als Schlampe eine „unordentliche, in ihrem Äußeren nachlässige und ungepflegte weibliche Person“ (Duden, online abgerufen am 04.04.17), während sich die moderne Bedeutung eher auf die sexuelle Konnotation, einer promiskuitiven Frau mit unmoralischem Liebeslieben, fokussiert (Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache, online abgerufen am

04.04.17). Diese negative Konnotation ist

gesellschaftlich konstituiert und jedem geläufig, weshalb das Wort gerne als beleidigende Anrede verwendet wird. So auch im Fall von Ela, die ihr Opfer als „Schlampe“ charakterisiert, um deutlich zu machen, dass Julie ein Auge auf ihren Freund Sebastian geworfen hat. Um nach Butlers Konzept zu gehen, kann man also sagen, dass Ela dieses Wort benutzt, da es ihrer Ansicht nach zu Julie und ihrem Verhalten passt und dass dieses Wort für jeden der es hört, die gleiche Bedeutung 8

hat. Man könnte also sagen, dadurch, dass sie Julie öffentlich im Netz als „Schlampe“ bezeichnet, hat sie nicht nur die Intention Julie zu verletzen, sondern auch, andere Leute davon zu überzeugen, dass Julie wirklich so ist, wie sie dargestellt wird. Des Weiteren ist die verletzende Wirkung für Julie so groß, weil es sich für sie so anfühlt, als würden durch die Schimpfnamen alle ihre anderen Charaktereigenschaften und Fähigkeiten, wie zum Beispiel ihre Hilfsbereitschaft oder ihr Gesangstalent im Hintergrund verschwinden. Eine weitere Form von sprachlicher Gewalt ist die Drohung, also „Gesten oder emphatische, nachdrückliche Worte [die jemanden einschüchtern], damit er etwas nicht zu tun wagt oder [die] darauf hinweisen, dass etwas [Unangenehmes] für jemanden geschehen wird, falls er sich nicht den Forderungen entsprechend verhält“ (Duden, online abgerufen am 06.04.17). Nach Nancy Willard (2007, S. 11)...


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