Hausarbeit Märchen im Unterricht PDF

Title Hausarbeit Märchen im Unterricht
Course Erziehungswissenschaft
Institution Justus-Liebig-Universität Gießen
Pages 27
File Size 624.7 KB
File Type PDF
Total Downloads 93
Total Views 139

Summary

Download Hausarbeit Märchen im Unterricht PDF


Description

1. Einleitung „Es war einmal…“ - wohl jedes Kind kennt diesen klassischen Märchenanfang und freut sich auf die Geschichte, die dann folgt. Kinder lieben Märchen und sind fasziniert von deren Zauberwelt. Märchen spielen auch im Schulwesen eine bedeutende Rolle und nehmen daher einen festen Platz im Unterricht ein. Doch mit dem Wandel des Lernverständnisses in der heutigen Pluralgesellschaft und dem, steigen aber auch die Anforderungen an die Schulen und insbesondere an Lehrkräfte. Um die Schülerinnen und Schüler mit den notwendigen Kompetenzen auszustatten, ist es wichtig,

unterschiedliche

Lernangebote

zu

schaffen

und

die

verschiedenen

Lernvoraussetzungen zu fördern. Um den Schülerinnen und Schülern einen diversitätsbewussten, kritischen und autonomen Zugang zu ihrer Umwelt zu ermöglichen, gibt es in der Schulpädagogik bereits verschiedene didaktische Lerntheorien. Ein didaktischer Ansatz, der sich in den letzten Jahren zunehmend mehr in der Unterrichtspraxis etabliert hat, ist die konstruktivistische Didaktik. Doch was genau ist unter dieser Lerntheorie zu verstehen? Welche Rolle übernehmen die Lehrenden in diesem Ansatz und wie lässt sich dieser in der Praxis realisieren? In diesem Zusammenhang beschäftigt sich die vorliegende Arbeit daher mit der Fragestellung:

Welche

Möglichkeiten

bietet

konstruktivistische

Didaktik

für das

Unterrichtsgeschehen und wie lässt sich diese Lerntheorie am Beispiel von Märchen im Unterricht gestalten? Um zunächst einen besseren Überblick zu verschaffen, widmet sich Kapitel 2 der terminologischen Klärung und Funktion von Märchen für Kinder. Kapitel 3 setzt sich mit der konstruktivistischen Lerntheorie auseinander und zeigt die Auswirkungen auf Lernende und Lehrende auf. Letztendlich soll in Kapitel 3 herausgearbeitet werden, welche Chancen konstruktivistische Leitideen in der Schulwelt haben. Hierzu folgt in Kapitel 4 eine Unterrichtsplanung am Beispiel des Märchens „Die Bienenkönigin“ der Gebrüder Grimm. Abschließend werden im letzten Kapitel die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst und im Hinblick auf die Fragestellung der Arbeit kritisch reflektiert.

2. Märchen im Unterricht 2.1 Einführende Bemerkungen zum Begriff Märchen Der Begriff des Märchens ist in der Regel jedem bekannt, aber „je selbstverständlicher uns heute ein Begriff vorkommt, umso wichtiger ist es, ihn zu klären“ (Neuhaus 2005:1). Max Lüthi sagt über die Charakteristika der Textgattung Märchen, dass ihre Geschichten erfunden 1

und unwahr sind (Lüthi 2004:1). Daraus resultiert, dass es sich bei ihnen um ausgedachte Geschichten handelt, obwohl stets versucht wird, die Wirklichkeit abzubilden (Neuhaus 2005:1). Im 18. Jahrhundert nahm die Popularität der Märchen beachtlich zu, was unter anderem den französischen Feenmärchen zu Schulden ist. Besonders hat jedoch die „Gattung Grimm“, mit dem Erscheinen der Sammlung „Kinder- und Hausmärchen" der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm im Jahre 1921, Karriere gemacht, welche bis heute als „Maßstab des Märchens“ gesehen werden (2005:2). Märchen lassen sich in mehrere Kategorien unterteilen. Das „ursprüngliche Märchen“, auch benannt als Volksmärchen, lässt sich durch eine mündliche Tradition definieren, welche das Märchen über einen längeren Zeitraum geformt haben sollen. Neuhaus sagt hierzu, dass dieses Definitionsmerkmal der mündlichen Tradierung heute nicht mehr haltbar ist, da alle Märchen einen Autor haben, „selbst wenn sich dieser heute nicht mehr feststellen lässt“ (2005:3). „Das Besondere der mündlichen Tradierung soll nicht geleugnet werden, es gilt nur, seine Bedeutung zu relativieren“ (ebd.). „Es ist charakteristisch für das Märchen, dass es ein existentielles Dilemma kurz und pointiert feststellt“ (Bettelheim 2017:15). Demzufolge befasst sich der Rezipient, i.d.R. das Kind, mit einem Problem. Eine allzu komplizierte Handlung wäre möglicherweise zu verwirrend, weswegen das Märchen Situationen vereinfacht und Details lediglich dann erzählt, wenn das Wissen um sie wichtig ist. „Die Charaktere sind nicht einmalig, sondern typisch“ (ebd.). Im Märchen ist das Böse gleichermaßen vertreten wie das Gute, was oft von bestimmten Figuren und ihren Handlungen verkörpert wird (ebd.). Das Böse im Märchen wird jedoch oft als etwas Faszinierendes dargestellt. Beispiele hierfür sind majestätische Drachen oder die Zauberkunst einer Hexe. In vielen Märchen wird das Böse gegen Ende jedoch vom Guten bestraft, weswegen Märchen auch zur moralischen Erziehung beitragen. „Die Überzeugung, dass sich das Verbrechen nicht auszahlt, ist ein wirksameres Abschreckungsmittel, und aus diesem Grund unterliegt der Böse im Märchen am Ende immer. Nicht die Tatsache, dass die Tugend am Ende siegt, fördert die Moral, sondern dass der Held für das Kind am attraktivsten ist“ (ebd., S15). Durch das Märchen wird das Kind unterhalten und über sein Inneres aufgeklärt, was somit zur Persönlichkeitsentwicklung beiträgt. Besonders im Wachstumsprozess der Kinder, der oft mit dem Widerstand gegen die Eltern beginnt und mit dem Sich-Selbst-Finden und dem Erreichen von moralischer Reife endet, können Märchen einen positiven Beitrag zum inneren Wachstum des Kindes leisten (ebd.,S.19). Gleichwohl ist es die konstruierte Moral der Geschichten, die die Kinder in bestehende Strukturen sozialisiert und ihnen eine Art Anleitung für ein gelingendes Leben im Miteinander gibt. 2

2.2 Märchen als Unterrichtsgegenstand in der Grundschule Märchen waren als Unterrichtsgegenstand nicht immer selbstverständlich. In den sechziger Jahren erlebte das Märchen den Höhepunkt in der Diskussion um seinen Wert für die Grundschule. Es wurden viele Argumente wider das Märchen laut. Unter anderem wurde bemängelt, dass das Märchen keinen Wirklichkeitsgehalt haben, es ihm an historischer Wahrheit fehle und dass das Weltbild, welches dem Kind im Märchen vermittelt wird, falsch sei und zu Verwirrungen führen könnte. Die Stereotypen, die im Märchen beschrieben werden, wirkten sich ungünstig auf die kindliche Sozialisation aus (Vgl. Ellwanger/ Grömminger 1977:17f). Heute hat das Märchen jedoch erneut einen „Platz in der Schule gefunden, wo es erzählt, gelesen und gespielt werden darf, ohne sich dem Vorwurf der Rückständigkeit ausgesetzt zu sehen" (Sahr 1988:3). Demnach wurde nicht mehr behauptet, Märchen seien veraltet und völlig losgelöst von einem gesellschaftlich aktuellem Bezug, sondern sie seien hinsichtlich der implizierten „gültigen Lebenserfahrungen" und „Modelle zur Lebensbewältigung" von großer, traditioneller und kreativer Bedeutung für die heutige und die der zukünftigen Generationen (Röhrich 1993:9). Laut dem Hessischen Kerncurriculum für die Primarstufe sollen Kinder verstehend zuhören, Gehörtes verstehen und Empathiefähigkeit entwickeln. Sie sollen in der Lage sein andere Perspektiven einzunehmen, Sachverhalte zu beschreiben, eigene Gedanken zu Texten zu entwickeln und Texte sinnverstehend selbstständig lesen zu können. Auch sollen sie einen kreativen Umgang mit Texten lernen, beispielsweise zu Bildern und Bilderfolgen erzählen oder sich Geschichten ausdenken und den Erzählungen anderer zuhören (vgl. Hessisches Kultusministerium 2001: 10) Weiterhin ist das Märchen in der Grundschule nicht nur didaktisch, sondern auch pädagogisch wertvoll, weil es verschiedene Erzähl- und Schreibanlässe bietet, die wiederum die Kreativität und Phantasie der Kinder fördern, wie auch die Fähigkeit, Gedanken zu äußern oder sie zu Papier zu bringen. Denn dies wird eine Aufgabenstellung sein, mit denen Schüler im weiteren Verlauf ihrer Schullaufbahn immer wieder konfrontiert werden. Trotz der altertümlichen Herkunft sind in dieser Gattung innere Konflikte der Menschen zu finden, wie auch die dazu passenden Lösungswege, welche die Menschen auch in der heutigen Zeit beschäftigen. Dieses resultiert daraus, dass in den Volksmärchen die Lebenserfahrungen unterschiedlicher Kulturen gesammelt sind. Diese positive Eigenschaft der Märchen trifft laut Bettelheim auf keine andere an Kinder adressierte Textgattung so stark zu (vgl. Paukner 1992:41). „Ziel des Märchenerzählens, Märchenlesens und der kreativen Beschäftigung mit dem Märchen ist also vor allem zur Problem- Erfahrung und Problemlösung zu nutzen. Märchen regen an zur Auseinandersetzung mit Gut und Böse, mit Leid und Glück, mit Leben 3

und Tod“ (ebd., S.41). Märchen sind Teilelemente, die auch heute noch, ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt, die Vorstellungen der Welt prägen und für die Überzeugung, dass das Gute über das Böse siegt, einstehen. Außerdem unterstützt dieses lebendige und spannende Genre, das zumeist fesselnd auf die Schüler Leser wirkt, die Sinnsuche. Es erweckt den Geist, die Fantasie, es kann sich tröstend auswirken, trägt zur Ordnung der persönlichen Emotionen und zur Kompensation von

Schwächen

bei

(vgl.

Schulz

2000:61).

Reime,

Verse,

Sprüche

und

die

Parallelhandlungen erhöhen den Spaß am Zuhören. Ferner kann die Beschäftigung mit Märchen eine enorme Hilfe sein, einerseits das Symbolverständnis der jungen Leser zu trainieren und andererseits einen Instinkt für eine simple und anschauliche Sprachgestaltung zu entwickeln. Zusammengefasst können folgende didaktisch-pädagogische Begründungen festgehalten werden: 1. Märchen können die Freude am Lesen und Erzählen wecken. 2. Sie fördern die Kreativität und Phantasietätigkeit des Kindes. 3. Märchen bieten vielfältige Schreib- und Erzählanlässe. 4. Das Thema Märchen lässt sich fächerübergreifend unterrichten. 5. Sie können zur Selbstfindung beitragen. Sie enthalten Lebensweisheiten, die in persönliches Wissen umgewandelt werden können. 6. Märchen erleichtern den Zugang zu anderer, schwierigerer Literatur und vermitteln dem Kind einfache Einblicke in verschiedene Textstrukturen. 7. Der aufklärerische Stil der Märchen kann zur Vorbereitung auf das spätere Leben dienen. 8. Das Märchen vermittelt Grundlagen, Fähigkeiten und Einsichten, auf die das Kind in seinem weiteren Bildungsprozess immer wieder angewiesen sein wird und die ihm für seine spätere Aufgabenbewältigung eine große Hilfe sein können.

Hinsichtlich dieser vielfältigen, didaktisch-pädagogischen Begründungen erschließt sich, dass Märchen als Unterrichtsgegenstand für die Grundschule hervorragend geeignet sind. Doch welche Einsatzmöglichkeiten bieten Märchen im Hinblick eines konstruktivistischen Unterrichts? Hierzu ist zunächst wichtig, was unter dem Begriff der konstruktivistischen Didaktik zu verstehen ist und welche didaktisch-methodischen Anwendungsmöglichkeiten sie für den Grundschulunterricht bieten. Diese Aspekte werden nun im folgenden Kapitel näher beleuchtet.

4

3. Konstruktivistische Didaktik 3.1 Konstruktivistische Didaktik im Schulwesen Wenn spezifischer erklärt werden soll, wie unter konstruktivistischer Sicht Lernen von statten gehen

kann,

empfiehlt

sich

eine

Auseinandersetzung

mit

dem

pädagogischen

Konstruktivismus Kersten Reichs (Harrich 2013:245). Mit seinem interaktionistischen Konstruktivismus

erweitert

er,

entgegen

dem

radikalen

Konstruktivismus,

den

konstruktivistischen Blick auf „gesellschaftliche, soziale, kulturelle, ökonomische und politische Zusammenhänge“ (Neubert 2011:388). Lernprozesse werden bei ihm durch die drei Beobachterperspektiven des Konstruierens, Rekonstruierens und Dekonstruierens ausgelöst. Die Konstruktion „als Erfindung der Wirklichkeit“ (Arnold/Gómez 2007:75) beschreibt eine experimentelle, selbstorganisierte und selbstreferentielle Arbeitsweise. Hierbei kann der Schüler/die Schülerin Bedeutung und Sinnhaftigkeit des Erfahrenen konstruieren (Harrich 2013: 249). Bei der Rekonstruktion werden andere bereits vorhandene Konstruktionen hinterfragt und geprüft. Hier geht es um die Frage, wie und warum eine gewisse Konstruktion entstanden ist (ebd., S.249). Dementsprechend können im Unterricht bestimmte Inhalte und auch vermeintliche Fakten und bereits Entdecktes hinterfragt werden, indem man ihre Motive prüft.1 Die Rekonstruktion sollte besonders für die Lehrkraft eine wichtige Rolle spielen, indem sie ihre Äußerungen und Symbolvorräte daraufhin selber überprüft. „Die Lehrer finden ihre fachliche Stärke in der Rekonstruktion von Fachinhalten. (…) Aber ihre Schwäche besteht schon in der Umsetzung in die Konstruktion für die Schüler/innen, weil sie selbst im Lehrerstudium viel zu wenig die eigene Konstruktion an den Rekonstruktionen erproben durften“ (Arnold/Gómez 2007:76).

Durch ihre autoritäre Stellung in der Schulklasse kann die Lehrperson sonst Gefahr laufen Entitäten den Schüler/innen aufzudrängen (Wyrwa 1995:31). „Auch wir Pädagog/innen müssen uns ständig bewußt machen, daß unser Wissen keine Wahrheit, sondern ebenfalls eine Konstruktion von Wirklichkeit ist“ (Höbarth 2013:83). Die Auseinandersetzung mit den Motiven, die hinter bestimmten Inhalten liegen, eröffnet die Möglichkeit sich in seiner Sozialisation kritisch mit ‘vermeintlich richtigem Wissen’ auseinanderzusetzen. Ein kritisches Dekonstruieren macht abschließend deutlich, dass es keine vermeintlich „letzte Wahrheit“ (Reich 2002:87) gibt. Sobald eine Konstruktion entsteht, entscheidet man sich gegen andere mögliche Konstruktionen. Hierbei geht es um die Frage: Was kann es noch 1 „Wenn ein Weltbild sich als nicht mehr viabel erweist, kann eine Rekonstruktion, eine Umdeutung, ein „reframing“ erforderlich sein (…) Meist neigen wir dazu, „mehr desselben“ zur Lösung eines Problems zu verwenden, anstatt die gesamte Situation neu zu bewerten (Siebert 1994 :52-53).

5

bedeuten? Dies ist wichtig, um einen offenen Blick auf seine Lebenswelt zu erhalten. Indem wir unsere Beobachtungen noch einmal beobachten und auch die Beobachtungen anderer beobachten, laufen wir weniger Gefahr, monozentrierte Gewissheiten in uns zu festigen (Siebert 1994:57). Weiterhin schafft es Akzeptanz für die anderen Denkweisen: Wenn ich mich für einen bestimmten Weg entscheide, heißt das nicht, dass es nicht noch andere gibt. Unter diesen Aspekten bedeutet ‘Lernen‘, nicht die „wechselseitige Bestätigung des Bestehenden, sondern Interesse an der Differenz, an der Sicht des Andersdenkenden, an der reflexiven Vergewisserung, warum wir so und nicht anders denken und beobachten“ (Siebert 1994:58). Ein Aspekt auf den leider auch in der theoretischen konstruktivistischen Literatur weniger eingegangen wird, sind geschlechtsspezifische Unterschiede in Unterrichtsgeschehen. Auch hier könnten Dekonstruktionsprozesse im Plenum „auf die Auslassungen von bestimmten Sichtweisen und die möglichen anderen Blickwinkel“ (Arnold/Gómez 2007:83) aufmerksam machen. Wichtig ist hierbei wieder die Erfahrung durch eigene Beobachtungen, besonders auch für Lehrpersonen. So können Vorurteile, ob bewusst oder unbewusst, bestenfalls entdeckt und modifiziert werden. 3.2 Konstruktivistische Lehr-und Lernprozesse im Unterricht 3.2.1 Konstruktivistische Leitprinzipien Wolff (1994) und Dubs (1995) postulieren einige konstruktivistische Leitprinzipien für die Schule: Lerninhalte sind nur im Kern eines Curriculums zu fixieren. Eine zu starre Fixierung und Systematisierung widerspricht dem „subjektiven Erfahrungswissen“ (Terhart 1999:417) der einzelnen SchülerInnen. Lehrbücher sind somit auch nicht ratsam, da sie gegen eine Auseinandersetzung mit authentischen Problemen und Vorstellungen sprechen. Wichtig hierbei ist, dass Unterrichtsinhalte ganzheitlich und komplex beleuchtet werden können, sodass Lernende ihre eigenen Erfahrungen zur Wissenskonstruktion anwenden können. Diese Lerninhalte schließen optimaler Weise an die „Vorerfahrungen und (…) die Interessen der Lernenden“ (ebd., S.639) an und stellen einen hohen Gebrauchsbezug her. Wenn die Schule versucht Konstruktionsprozesse zu unterstützen, ist es ratsam ihre ganze Umgebung authentisch und an den Vorerfahrungen und Interessen der Schüler/innen auszurichten. So sind Unterrichtsmaterialen so auszuwählen, dass diese der realen Lebenswelt der Schüler/innen entsprechen und das hieraus Gelernte in ihre außerschulische Welt eingebettet werden kann (ebd., S.638). Die Beschäftigung mit authentischen und lebensnahen Problemen in Unterrichtsgeschehen lässt Lernende erfahren, ob eigene Konzepte, oder neue Modelle am besten zu bestehenden Denkstrukturen und Handlungen passen (Kösel/Scherer 1997:108). 6

3.2.2 Unterricht als Motivation Luhmann (1981:43) erweitert die monozentrierte Erziehungsvorstellung im Unterricht, indem er postuliert, dass nicht die Lehrperson für die Erziehung der SchülerInnen alleine sorgt, sondern vielmehr „das Interaktionssystem Unterricht.“ Die Situation in der sich Lernende befinden entscheidet ob und in welcher Qualität sich Lernen vollziehen kann. Daher ist es eine besonders wichtige Eigenschaft der Lehrkraft, sich konstruktiv mit der gesamten Lernumgebung auseinanderzusetzen, um evaluieren zu können, ob sie förderlich ist. Außerdem wird hiermit deutlich, dass Unterrichterfolg von vielen unkontrollierbaren Variablen abhängt. Durch die Auffassung Deweys, dass Lernen auch immer ein sozialer Prozess ist, bietet sich besonders die Form des kooperativen Lernens an. Durch eine Auseinandersetzung mit anderen Konstruktionen ist es den Schüler/innen möglich, ein Bild darüber aufzubauen, wie seine eigenen

Konstruktionen einzuordnen

sind. Durch

die Kommunikation über

verschiedene Hypothesen und Lösungsstrategien werden neue Sichtweisen deutlich (Terhart 1999:639). So perturbiert das Interaktionssystem und lässt neue Wirklichkeitskonstruktionen entstehen. Perturbationen können Veränderungen zwar auslösen, wie genau sich diese Veränderung jedoch vollzieht, ist nicht vorhersehbar. Individuelle Differenzen, Emotionen, Wünsche und Perspektiven führen zu jeweils anderen Konstruktionen (ebd., S.96). Wenn die Lehrperson es schafft dies zu akzeptieren, wird ein enormer Druck von ihr genommen. Im Endeffekt darf sie sich von der Vorstellung lösen, dass Lerninhalte für alle SchülerInnen gleichsam interessant sein müssen und zum selben Ergebnis führen sollen (Siebert 1994:43). Wie bereits aufgeführt sollte diese Erweiterung und reflexive Auseinandersetzung ein Hauptmerkmal konstruktivistischen Unterrichts sein. Fehler stellen auch hier wieder die Möglichkeit dar, über diese zu sprechen und sie zu systematisieren. Hierdurch werden selbstgesteuerte Lernprozesse, ob sie im Team oder alleine stattfinden, Teil einer Identitätsarbeit, welche insbesondere soziale Kompetenzen steigert. Diese wiederum wirken sich positiv auf weitere Lernvorgänge aus (Arnold/Gómez 2007:26). 3.2.3 Lehrer-Schüler Interaktion Das Lehrer-Schüler Verhältnis basiert unter konstruktivistischen Gesichtspunkten auf Kooperation und Gleichberechtigung. Die Aufhebung der autoritären Stellung der Lehrkraft ist wichtig, um ihre neue Rolle als Coach und Berater zu unterstreichen (Höbarth 2013:21). Das Verhältnis von Instruktion und Konstruktion sollte sich dementsprechend so gestalten, dass Instruktionen nur so oft genutzt werden, wie sie notwendig sind. Dies ermöglicht eine aktive Rolle des Lerners, welche Interesse und Motivation schaffen kann (ebd., S.32). 7

Trotzdem ist es wichtig, dass auch die Lehrperson aktiv bleibt. Eine gänzlich offene Struktur des Unterrichts kann den Lernenden überfordern und wie bereits erwähnt müssen sich Lerninhalte auch immer an bestimmten Vorgaben orientieren und können nicht profund willkürlich sein.2 Ein konstruktives Klima kann entstehen, wenn Echtheit, Akzeptanz und Empathie zwischen allen Parteien im Unterricht herrscht. Da der Lernprozess zu einem selbsttätigen und autonomen Prozess werden soll, müssen „konsensuelle Bereiche zwischen (…) Lehrer und Schüler“ (Wyrwa 1995:28) gestaltet werden, sodass beide Seiten in ihren Rollen zufrieden sind.

3.3 Kritische Betrachtung im Hinblick auf die Umsetzbarkeit Konstruktivistisches Lernen ist ...


Similar Free PDFs