Lateinische Sprache PDF

Title Lateinische Sprache
Author Tanja Weißofner
Course Latein I
Institution Universität Graz
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Die Geschichte der lateinischen Sprache...


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ERSTER TEIL: GRUNDLAGEN §1

ZUR GESCHICHTE DER LATEINISCHEN SPRACHE

Die lateinische Sprache stellt ein Glied der großen indogermanischen Sprachfamilie dar. Dazu werden alle europäischen Sprachen, außer Ungarisch, Finnisch, Estnisch und Baskisch gerechnet; ursprünglich wurzelten diese in einer gemeinsamen Ursprache (Indogermanisch), von der ausgehend sich die modernen europäischen Sprachen entwickelten. Zusammen mit den in Mittel- und Unteritalien lange Zeit gesprochenen Mundarten, wie z.B. dem Oskischen und Umbrischen, bildet das Latein den italischen Zweig des indogermanischen Sprachstammes. Sein Name leitet sich von der mittelitalischen Landschaft Latium (it. Lazio) her; von den verschiedenen Mundarten dieser Landschaft erlangte schon in früher Zeit mit der Zunahme der Macht Roms auch die Mundart der Stadt Rom eine führende Stellung. Als sich die Römer aber allmählich die ganze Appenninenhalbinsel unterwarfen (367 bis 270 v. Chr. [Eroberung der unteritalischen Stadt Tarent]), wurde das Latein zur herrschenden Sprache der italischen Halbinsel. Ihr Übergewicht über die anderen Sprachen und Mundarten wurde durch die Erteilung des römischen Bürgerrechts, die unter dem Diktator Sulla 88 v. Chr. erfolgte, und die Einführung einer gleichmäßigen römischen Gesetzgebeung für ganz Italien endgültig gesichert. Die verschiedenen Mundarten und Sprachen der übrigen italischen Völker begannen nunmehr abzusterben; am längsten erhielt sich das Oskische, das zwar amtlich nicht mehr verwendet wurde, dessen Gebrauch aber erst um Christi Geburt erlosch. Mit dem Entstehen des römischen Weltreiches (264 [Beginn der Punischen Kriege] bis 168 v. Chr. [Gewinn Makedoniens in der Schlacht von Pydna]) drang die Sprache der Stadt Rom weit über die Grenzen Italiens hinaus und vermochte sich in mehreren Ländern dauernd zu behaupten. Von Italien und den benachbarten Inseln verbreitete sie sich über Nordafrika, die pyrenäische Halbinsel, den größten Teil Britanniens, Gallien [Frankreich und Belgien], Süddeutschland, Rätien, Noricum [Alpengebiete], Pannonien [Westungarn] sowie Dakien [Rumänien]. Diese Ausbreitung fand erst zu Beginn des Mittelalters (6. Jh. n. Chr.) ihren Abschluss. In der Geschichte der lateinischen Sprache ist ein wesentlicher Unterschied zwischen der Entwicklung der Umgangssprache (Volkslatein; sermo vulgaris) und der Hochsprache (Schriftlatein; sermo urbanus) zu beobachten. Zwischen beiden entsteht frühzeitig eine sich verbreiternde Kluft, die schon im 1. Jh. v. Chr. sehr beträchtlich ist; so wurden die im sermo urbanus, gespickt mit griechischen Fremdwörtern, verfassten Gedichte des Dichters Horaz von kaum mehr als 5 % der Bevölkerung verstanden. Unsere Kenntnis des ältesten Schriftlateins (Altlatein) gründet sich auf einige in späteren Quellen aufbewahrte Bruchstücke alter gottesdienstlicher Gesänge, Gesetzesformeln [Zwölftafelgesetze, um 450 v. Chr.] und eine große Anzahl Inschriften. Wenngleich sich bereits in dieser Zeit Ansätze zu einer kunstgemäßen Sprachbehandlung erkennen lassen, so waren die Unterschiede zwischen dieser Schriftsprache und dem herrschenden Volkslatein noch wenig bedeutend (vorliterarische Periode bis 240 v. Chr. [erste lateinische Übersetzung der homerischen Odyssee durch den Dichter Livius Andronicus]). Doch wuchsen diese Unterschiede in der Folgezeit, da man mit griechischen Schriften näher vertraut wurde (besonders seit den Punischen Kriegen [264 – 241, 218 – 202, 149 – 146], den Auseinandersetzungen mit der Stadt Karthago), diese nachzuahmen versuchte und ein gelehrtes Studium der Sprache begann (archaische oder vorklassische Periode bis 79 v. Chr. [1. öffentlicher Auftritt des Redners Cicero]). Einer geraumen Zeit der Unbestimmtheit und des Schwankens der Schriftsteller, welche Wörter und Wendungen der Volkssprache zu gebrauchen und welche zu meiden seien, machte erst das Hochlatein (klassisches Latein, 79 v. Chr. bis 14 n. Chr. [Tod des Prinzeps

Augustus]) ein Ende, das eine strenge Unterscheidung zwischen sermo urbanus und sermo vulgaris zog. In dieser Richtung wirkten unter den Prosaschriftstellern vor allem Caesar [100 – 44 v. Chr.] und Cicero [106 – 43 v. Chr.], die als Hauptvertreter der klassischen Prosa gelten, sowie die Dichter Vergil [70 – 19 v. Chr.], Horaz [65 – 8 v. Chr.] und Ovid [43 v. – 18 n. Chr.] als Klassiker unter den lateinischen Dichtern. Dieses sogenannte „goldene Zeitalter“ (goldene Latinität) dauerte vom ersten öffentlichen Auftritt Ciceros [79 v. Chr.] bis zum Tode des Augustus [14 n. Chr.]. Da die Sprache der klassischen Schriftsteller als mustergültig und maßgebend betrachtet wurde, gaben vor allem Cicero und Vergil die Entwicklungslinien der klassischen Sprache vor. Doch schon im 1. Jh. n. Chr. begann man die strengen Vorschriften der klassischen Latinität als lästigen Zwang zu empfinden; so durchbrach man die Regeln des Hochlateins, durchsetzte den Prosastil mit Ausdrücken und Wendungen der Dichtung, zerbröckelte den wohlausgewogenen Satzbau der Klassiker in kurze, abgerissene Sätze und stattete Prosa und Dichtung mit allen Kunstmitteln der Rhetorik aus (nachklassisches Latein, „silbernes Zeitalter“). Die Hauptvertreter dieser Sprachperiode (14 n. Chr. – 138 n. Chr. [Tod Kaiser Hadrians]), sind der Philosoph Seneca [4. v. Chr. – 65 n. Chr.], der jüngere Plinius [62 – 113 n. Chr.] und der Geschichtsschreiber Tacitus [ca. 54 – 120 n. Chr.]. Diese Neigung nimmt im weiteren Verlauf noch zu: man greift auf die Schriftsteller der vorklassischen Zeit zurück und gebraucht viele nunmehr kaum verständliche altertümliche Wörter und Wendungen (archaisierende Periode). Starke neue Anregungen empfing die lateinische Sprache und Literatur durch die Gedankenwelt des Christentums (christliches Latein). Die christlichen Schriftsteller, besonders der Schöpfer der lateinischen Kirchensprache Tertullian [+ 222 n. Chr.] und deren Vollender Augustinus [+ 430 n. Chr.], holten sich die Waffen für den kampf gegen die heidnische Antike zum Teil aus dieser selbst. Da die neue Lehre zum Zwecke der leichteren Verbreitung eines volkstümlichen Gewandes bedurfte, gewährten die christlichen Autoren gerne dem Volkslatein Eingang in ihre Schriften, die infolge der Nachwirkung der Bibelsprachen Hebräisch und Griechisch häufig Elemente dieser Sprachen aufweisen. In der Folgezeit verfiel das Streben nach künstlerischem Stil; die Volkssprache drang immer mehr in das Schrifttum ein, mundartliche Wendungen wurden aufgenommen. Und als im Mittelalter das Latein, ausgehend vom Hof Karls des Großen (karolingische Renaissance), im ganzen Bereich der abendländischen Christenheit die Sprache der Wissenschaft und gelehrten Bildung wurde, bediente man sich dieses aus Volks- und Schriftsprache gemengten Lateins, das überdies nicht wenige Worte und Fügungen aus den betreffenden Landessprachen entlehnte (Mittelalterliches Latein oder Mittellatein). Erst mit der Wiedererweckung des Altertums zur Zeit des Humanismus (Petrarca, Bocaccio, Valla), die ein vertieftes Studium des klassischen Lateins herbeiführte, erfolgte eine Erneuerung des Hochlateins (Neulatein). Dadurch erstarrte die im lebendigen Fluss befindliche Sprache und starb in den folgenden Jahrhunderten aus. Die eifrige Beschäftigung mit den neu ans Licht gezogenen Werken der lateinischen Klassiker führte von selbst zu dem Bestreben, in deren Sprache zu schreiben und zu reden. In dieser Form, vermehrt durch notwendige Neubildungen von Fachbegriffen, blieb Latein bis ins 18. Jh. die Sprache der europäischen Wissenschaft (vor allem Medizin, Jus, Mathematik, Physik und Chemie). Während man in der Entwicklungsgeschichte der lateinischen Schriftsprache Vervollkommnung und Verfall deutlich feststellen kann, muss dieser Gesichtspunkt für die Geschichte der Volkssprache beiseite bleiben (wir wissen von ihr weit weniger als von der Literatursprache). Diese nahm einen Werdegang, dessen Besonderheiten vor allem durch die Art ihrer Ausbreitung verursacht sind. Wo das Volkslatein auf dem Boden Italiens andere Sprachen verdrängte, nahm es stets unter der Entwicklung der zuvor herrschenden Sprache eine besondere mundartliche Färbung an; daraus erklären sich im wesentlichen die heute noch bestehenden zahlreichen Unterschiede in den Mundarten des Italienischen: Venezianisch,

Lombardisch, Römisch, Neapolitanisch und Toskanisch, letztere durch die Divina Commedia Dantes Grundlage des neuzeitlichen Italienisch. Noch weit größer aber gestalteten sich nach und nach die mundartlichen Verschiedenheiten des Volkslateins in den außeritalischen Gebieten. Hier wurde das mundartliche Auseinandergehen durch die weite Entfernung der Provinzen von Rom und durch germanische Einwanderung beträchtlich verstärkt; aus diesen Mundarten entwickelten sich Sprachen, die trotz ihrer gemeinsamen Herkunft teilweise stark verschieden sind (romanische Sprachen; dazu zählen westromanisch: Portugiesisch, Spanisch, Katalanisch, Französisch, Rätoromanisch, Ladinisch, Friuli, Sardisch und – in weiterem Sinne – Italienisch; ostromanisch: Rumänisch und Aromunisch). An dieser Entwicklung zur Verschiedenartigkeit hatte im Lauf der Jahrhunderte auch der verschiedenartige Verlauf der Geschichte dieser Länder maßgeblichen Anteil....


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