Prüfungsschema Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen PDF

Title Prüfungsschema Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen
Author Dennis Bonev
Course Kolloquium ÖffR I - StaatsorganisationsR
Institution Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
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Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und internationales Wirtschaftsrecht, wiss. Mit. Dustin Heße

Prüfungsschema - Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes Die Übersicht soll einen Einstieg in die Prüfungspunkte und die Prüfungsreihenfolge der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen geben. Es werden sowohl die formelle, wie auch die matereille Verfassungsmäßigkeitsprüfung dargestellt. Zusammen bilden beide Aspekte die Begründetheitsprüfung vieler staatsorganisationsrechtlicher Klausuren, insbesondere der abstrakten Normenkontrolle gem. Art. 93 I Nr. 2 GG, §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG, und soweit es auf die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes ankommt, auch für die Organstreit und die Verfassungsbeschwerde. Trotz der allgemein gehaltenen Formulierungen sind gerade im Bereich der materiellen Verfassungsmäßigkeit die für jedes Gesetz individuell geltenden Maßstäbe zu beachten.

A. Formelle Verfassungsmäßigkeit Die formelle Verfassungsmäßigkeit umfasst alle Apsekte der Entstehung eines Gesetzes. Im Kern geht es um die Gesetzgebungskompetenzen und das Gesetzgebungsverfahren. Allgemein gilt für Klausuren, dass nur solche Punkte ausführlich zu prüfen sind, die ein Problem aufweisen. Alle anderen Voraussetzungen sind durch kurze Subsumtionen (bitte immer die Gutachtentechnik einhalten) abzuarbeiten, um keine Zeit zu verlieren. Somit setzt sich die Prüfung aus drei Schritten zusammen, die auch die Tatbestandsseite des Obersatzes bilden:    I.

Zuständigkeit Verfahren Form Zuständigkeit

Die Zuständigkeit betrifft die Frage nach der Gesetzgebungskompetenz. War also der Gesetzgeber, welcher das zu prüfende Gesetz erlassen hat, überhaupt dafür zuständig? Die entscheidenen Normen des Grundgesetzes dafür sind Art. 30, 70 ff. GG. Dabei ist auf Grund des Rechtsträgerprinzips ausschließlich die Verbandskompetenz zu überprüfen. War also der Bund oder waren die Länder zuständig? Welches konkrete Organ am Gesetz mitgewirkt hat, ist unerheblich und eine Frage des Gesetzgebungsverfahrens.1 Zuerst ist also von der Zuständigkeit der Länder auszugehen, Art. 70 I GG. Handelt es sich jedoch um ein Bundesgesetz, muss nach einer Bundeskompetenz gesucht werden.  Dann werden die geschriebenen Gesetzgebungskompetenzen, ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebung, gem. Art. 71,73 GG und Art. 72, 74 GG überprüft.2 

Detterbeck, Öffentliches Recht, 10. Auflage (2015), Rn. 131f. Otto, Klausuren aus dem Staatsorganisationsrecht, S. 334ff. Erhältlich im Internet (über das Uni-W-Lan) . 1

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Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und internationales Wirtschaftsrecht, wiss. Mit. Dustin Heße Dabei ist immer mit der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes gem. Art. 71, 73 GG zu beginnen. Zusätzlich können sich einige Kompetenztitel außerhalb des Katalogs von Art. 73 GG befinden, i.d.R. durch die Formulierung „das Nähere regelt ein Bundesgesetz“ gekennzeichnet (Bsp.: Art. 21 V, 22 I 3, 38 III, 48 III 3, 59 II 1, 93 III, 94 II GG).3  Danach wird die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes gem. Art. 72, 74 GG geprüft. Achtung!  Hier ist besonders auf die Erforderlichkeitsklausel gem. Art. 72 II GG zu achten.  Finden sich keine geschriebenen Kompetenzen  ungeschriebene Kompetenzne; kraft Natur der Sache, kraft Sachzusammenhang, Annexkompetenz. Diese sind äußerst selten und restriktiv anzuwenden4 

1. Kompetenzen aus der Natur der Sache Eine Bundeskompetenz aus der Natur der Sache liegt vor, wenn die Materie begriffsnotwendig nur vom Bundesgesetzgeber geregelt werden kann.5 Als Maßstab für die „begriffsnotwendige“ Regelung durch den Bundesgesetzgeber können die Kompetenzen der ausschließlichen Gesetzgebung gem. Art. 71, 73 GG vergleichend herangezogen werden.6 So müssen zum Beispiel Staatssymbole oder der Sitz von Bundesbehörden ebenso wie die Staatangehörigkeit im Bund (Art. 73 I Nr. 2 GG) „denknotwendig“ durch den Bund geregelt werden. 2. Kompetenzen kraft Sachzusammenhang7 Von einer Kompetenz kraft Sachzusammenhang spricht man, wenn eine dem Bundesgesetzgeber bereits zugewiesene Materie nicht sinnvoll geregelt werden kann, ohne dass er auch auf eine andere Materie ausschweift.8 ACHTUNG!: Die Kompetenzen kraft Sachzusammenhang sind äußert selten und nur sehr restriktiv anzuwenden, da sie eigentlich eine Abweichung von Art. 70 I GG darstellen und somit das Kompetenzgefüge de lege lata verändern. 3. Annexkompetenzen9 Eine Annexkompetenz liegt vor, wenn die ungeschriebene Kompetenz (die Annexmaterie; nicht zugewiesene Materie) inhaltlich derart eng mit einer geschriebenen Kompetenz zusammenhängt, dass eine Regelung der geschriebenen Materie nicht sinnvoll möglich ist, da die Annexmaterie zur Verwirklichung oder Durchführung der geschriebenen Kompetenz ebenfalls durch den Bundesgesetzgeber geregelt werden muss.10 Anmerkung: Der Unterschied zwischen den Kompetenzen kraft Sachzusammenhang und den Annexkompetenzen ist nicht ganz eindeutig, und zum Teil wird vertreten, dass die Annexkompetenz nur ein Unterfall der Kompetenz kraft Maurer, Staatsrecht I, § 17, 6. Auflage (2010), Rn. 27ff. Otto, Klausuren aus dem Staatsorganisationsrecht, 335ff; Detterbeck, Öffentliches Recht, Rn. 151ff. 5 BVerfGE 12, 205 (251ff.). 6 Degenhart, Staatsrecht I – Staatsorganisationsrecht, 32. Aufl. 2016, Rn. 182. 7 Beispiel: 1 Rundfunkurteil, BVerfGE 12, 205 (241). 8 Degenhart, Staatsrecht I – Staatsorganisationsrecht, 32. Aufl. 2016, Rn. 183; BVerfGE 134, 33 (159).. 9 Beispiel: Regelung über den Straßenverkehr behindernde Werbeanalgen als Annex zum Straßenverkehr gem. Art. 74 I Nr. 22 GG; BVerfGE 32, 319 (326). 10 Degenhart, in Sachs (Hrsg.), GG-Kommentar, Art. 70, Rn. 37 ff. 3

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Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und internationales Wirtschaftsrecht, wiss. Mit. Dustin Heße Sachzusammenhang sei. 11 Allerdings liegt der Unterschied darin, dass die Annexkompetenz der bereits geschriebenen Kompetenz zur Durchsetzung verhilft. Sie geht also in die Tiefe. Die Kompetenzen kraft Sachzusammenhang hingegen erweitern die geschriebenen Kompetenzen und gehen also eher in die Breite.12 II.

Verfahren

Im Prüfungspunkt Verfahren muss die konkrete Entstehung des Gesetzes nachvollzogen werden. Entschiedende Vorschriften hierfür sind die Art. 76 ff. GG. Zu beachten sind:  

   

III.

Einbringung des Gesetzes (Gesetzgebungsinitiative)  Art. 76 I GG Beteiligung des Bundesrats an der Initiative der Bundesregierung  Art. 76 II 1 GG (Streit um Verstoß gegen Beteiligung im Beschlussverfahren. Nach einer Ansicht heilbar, führt also nicht automatisch zur formellen Verfassungswidrigkeit; a.A. Beteiligung zwingend und somit nicht heilbar, somit formelle Verfassungswidirgkeit)13 Beratung(en) (Lesung(en)) im Bundestag  § 78 GOBT (Problem zum (nicht) Verfassungsverstoß bei Verletzung des § 78 GOBT  Art. 77 I GG)14 Beschluss bzw. Abstimmung  Art. 77 I 1, 42 II GG, Problem von Mehrheiten bzw. Beschlussfähigkeit des Bundestages und der Wertung von Enthaltungen15 Beteiligung des Bundesrates  Art. 77 I 2, II – IV GG, hier Fall zur einheitlichen Stimmabgabe Bundesrat beachten, Art. 53 III 2 GG16 Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes  Art. 82 I 1 GG17, Verweigerung der Ausfertigung, Fall zum Bundespräsidenten beachten Form

Die Form eines Gesetzes bereitet in der Regel keine Schwierigkeiten und sollte in gebotener Kürze abgehandelt werden. Besonderheiten sind bei Verfassungsänderungen zu beachten, Art. 79 I 1 GG. Dieser Prüfungspunkt sollte nur ausführlicher behandelt werden, wenn der Sachverhalt dazu Anhaltspunkte gibt.

Pieroth, in Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG-Kommentar, Art70, Rn. 12. Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 184. 13 Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 218, 239; Fall 05 aus der AG. 14 Kersten, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 80. EL Juni 2017, Art. 77, Rn. 14. 15 Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 223; Klein, in Maunz/Dürig (Hrsg.), Art. 42, Rn. 76, 77, 79, 83 ff., 87 f. 16 Maunz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Art. 51, Rn. 26 ff. 17 Siehe knappe Darstellung Detterbeck, Öffentliches Recht, Rn. 164ff., insbesondere Übersicht Rn. 177. 11

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Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht und internationales Wirtschaftsrecht, wiss. Mit. Dustin Heße

B. Materielle Verfassungsmäßigkeit18 In der materiellen Verfassungsmäßigkeitsprüfung muss die Vereinbarkeit des Gesetzes mit den Vorschirften des Grundgesetzes überprüft werden. I.

Festlegung des Prüfungsmaßstabs

Deshalb ist der erste und entscheidende Schritt, sich einen Maßstab für die Prüfung, für jedes Gesetz individuell, festzulegen. Dass ein Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar sein muss, ist Ausfluss des Rechtsstaatspirnzips gem. Art. 20 III GG und rührt von der Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung. Als Prüfungsmaßstab müssen dann die Verfassungsnormen identifiziert werden, welche einschlägig sind, also mit dem Gesetz kollidieren könnten. Hierzu sind besonders die Hinweise aus dem Sachverhalt zu berücksichtigen. In einer ersten kleinen Auslegung sollte dann festgestellt werden, gegen welche Grundsätze der Verfassung das Gesetz verstoßen könnte. Dabei können ruhig mehrere Normen und/oder Grundsätze der Verfassung idetifiziert und somit in das Prüfungsporgramm aufgenommen werden. II. Vereinbarkeit mit der Verfassung Nach der Feststellung, welche Normen und Grundsätze entscheidend sind, beginnt die eigentliche Vereinbarkeitsprüfung. Hier muss begutachtet werden, ob das Gesetz mit der einschlägigen Vorschirft des Grundgesetzes vereinbar ist. Zuerst muss das Verfassungsprinzip, auf dessen Verletzung hin untersucht wird, durch Auslegung definiert werden. (Auslegung, Wortlaut, Systematik, Teleologie und Historie)19  Wenn dessen Inhalt bestimmt ist, kann man das Gesetz aus dem Sachverhalt mit dieser Definition auf seine Vereinbarkeit überprüfen (Subsumtion)  hier müssen die widerstreitenden Rechtsgüter (Zweck bzw Schutzgut des Gesetzes aus dem Sachverhalt mit dem Zweck bzw. dem Schutzgut des Verfassungsgutes abgewogen werden). 

Wichtig! Nicht jede Reibung mit der Verfassung führt zu einer Unvereinbarkeit. Sollte das Gesetz einen Entscheidungs- bzw. Ermessenspielraum haben, kann es auch genügen, das Gesetz durch eine verfassungskonforme Auslegung mit dem GG in Einklang zu bringen. Nur wenn das Gesetz nicht mit der Verfassung in Einklang zu bringen ist, ist es verfassungswidirg.

Hier sind insbesondere durch die Einhaltung der Gutachtentechnik die Probleme herauszuarbeiten. Für ein Beispiel für die Anwendung mit Auslegung siehe Otto, Klausuren aus dem Staatsorganisationsrecht, S. 15ff. 19 Otto, Klausuren aus dem Staatsorganisationsrecht, S. 16.

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