Probeklausur mit Lösung: Strafrecht I, SoSe18 PDF

Title Probeklausur mit Lösung: Strafrecht I, SoSe18
Course Strafrecht I
Institution Georg-August-Universität Göttingen
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Summary

Zweiter großer Besprechungsfall als Probeklausur aus dem Tutorium aus dem SoSe 18 bei PD Peter Rackow....


Description

BK Strafrecht I 2. Besprechungsfall Der 13jährige Schüler A lässt es sich gut gehen: Nahe am Waldesrand hat W ihr kleines und abgelegenes Häuschen ohne eigenen Telefonanschluss, dafür aber mit einem großen Obst- und Gemüsegarten. Aufgrund ihres hohen Alters sieht W nicht mehr so besonders gut und auch ihre Beine wollen nicht mehr so recht. Sie ist auf ihre Krücken angewiesen. Nichts desto trotz wachsen bei ihr die allerbesten Erdbeeren. A nutzt dies in unregelmäßigen Abständen aus: er schleicht sich in den Garten der W und lässt sich die Erdbeeren schmecken. Von den Drohungen der W lässt er sich nicht beeindrucken. Eines Tages, als sich A wieder einmal zum Erdbeerpflücken in den Garten geschlichen hat, wird er von W ertappt. Von dem wütenden Geschrei lässt sich A nicht sonderlich beeindrucken, da er genau weiß, dass W ihn nicht erwischen kann. W holt daher die Flinte ihres verstorbenen Mannes und gibt zwei Warnschüsse ab. Unbeeindruckt isst A weiter. Die W meint es aber todernst. Sie ist mit den Nerven fertig; ihre Hände zittern. Sie versucht auf die Beine des A zu zielen, wobei sie auch dessen Tod billigend in Kauf nimmt. Tatsächlich wird der Schuss nach oben verrissen und A tödlich getroffen. Danach begräbt W den A zwischen ihren Gemüsebeeten. Als A am späten Nachmittag immer noch nicht zu Hause angekommen ist, macht sich seine Mutter C auf die Suche nach ihm. Auf dem Weg zu W verläuft sie sich aber im Wald. Da plötzlich ein schweres Gewitter mit starkem Hagelschlag und orkanartigen Windböen ausbricht, weiß C keinen anderen Rat, als die Fensterscheibe der Hütte des Jägers J einzuschlagen, um dort Schutz vor Gewitter und Hagel zu suchen. In der Nacht kommt J zurück in seine Hütte. Als der jähzornige J die C auf seinem Bett liegen sieht, packt ihn die kalte Wut. Er schnappt sich ein Messer, versteckt es hinter seinem Rücken und schleicht in der Dunkelheit auf C zu. Die C wird aber durch ein Geräusch aufgeschreckt. Als sie den J vor sich sieht, bekommt sie wegen der zerschlagenen Fensterscheibe Angst. Obwohl sie die bedrohliche Situation nicht erkannt hat, schießt sie dennoch mit dem kurz vor dem Schlafengehen gefundenen, stets unter dem Kopfkissen bereitliegenden Revolver in Tötungsabsicht auf den J. Dieser sinkt tödlich getroffen nieder. Die Ereignisse haben der C stark zugesetzt, sodass sie sehr nach einer Ablenkung sucht. Das gerade stattfindende Schützenfest kommt der C dabei gerade recht. Um ihre aufgestauten Aggressionen abzureagieren, begibt sich die C ins „Teufelsrad“, wo sich Freiwillige zum Boxkampf mit übergroßen, gepolsterten Handschuhen auf einer Drehscheibe melden können. C bekommt Z als Gegner zugelost. Leider ist dieser der C überlegen, mit der Folge, dass Z der C mit einem gezielten Haken die vorderen Schneidezähne herausschlägt. Strafbarkeit von W, C und Z nach dem StGB?

Lösungsskizze 1. Tatkomplex „Die Erdbeeren“ Strafbarkeit der W A. Strafbarkeit der W wegen Totschlags gem. § 212 I StGB I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand •

Mit dem Tod des A ist der tatbestandsmäßige Erfolg des § 212 I StGB eingetreten.



Kausalität und objektive Zurechnung liegen vor.

2. Subjektiver Tatbestand W müsste auch vorsätzlich gehandelt haben. Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung des objektiven Tatbestandes in Kenntnis aller Tatumstände. W nahm den Tod des A billigend in Kauf und handelte somit mit bedingtem Vorsatz. II. Rechtswidrigkeit Fraglich ist, ob W auch rechtswidrig gehandelt hat. Grunds ä tzlich indiziert die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit. Das Vorliegen von Rechtfertigungsgründen ist besonders festzustellen. Die Tat der W könnte hier gem. § 32 I StGB durch Notwehr gerechtfertigt sein. 1. Dann müsste zunächs t eine Notwehrlage i n F o r m e i n e s gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriffs vorliegen, § 32 II StGB. Angriff = jede durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder Interessen hier: Angriff auf Eigentum und das Hausrecht der W rechtswidrig = jeder Angriff, der den Bewertungsnormen des Rechts (nicht nur des Strafrechts) objektiv zuwiderläuft und nicht durch einen Erlaubnissatz gedeckt ist, also nicht seinerseits gerechtfertigt ist ge ge nwärti g = unmittelbar bevorstehend, gerade begonnen oder noch unmittelbar andauernd hier: Der Angriff dauert noch an. ⇒ Eine Notwehrlage ist mithin gegeben. 2. Es müsste ferner eine zulässige Notwehrhandlung vorliegen. a) Notwehrhandlung muss gegen den Angreifer gerichtet sein. (Verteidigung) hier: Verteidigung (+), da mit dem Schuss nur Rechtsgüter des Angreifers A verletzt werden. b) Erforderlichkeit der Notwehrhandlung erforderlich = jedes Mittel, das geeignet ist, den Angriff unmittelbar zu beenden oder abzuschwächen. Der Angegriffene muss das mildeste Verteidigungsmittel wählen, d.h. dasjenige, das bei gleicher Wirksamkeit den geringsten Schaden anrichtet. hier: W gab zwei Warnschüsse ab, die A aber nicht beeindruckten. Darüber hinaus war sie gehbehindert, konnte A also nicht erwischen und einfangen. Zudem lag das Häuschen sehr abgelegen und verfügte über keinen Telefonanschluss, so dass auch anderweitig keine rechtzeitige Hilfe geholt werden konnte. Der Schuss auf die Beine war daher eine erforderlich Notwehrhandlung. Anmerkung: Maßgebend ist die Erforderlichkeit der Notwehrhandlung, nicht diejenige des Abwehrerfolgs. War daher die konkrete Notwehrhandlung trotz des Risikos eines weitergehenden Erfolgs erforderlich, so sind ihre ungewollten Folgen (bzgl. des Angreifers) auch dann durch Notwehr gedeckt, wenn sie im Ergebnis zur Abwehr nicht notwendig gewesen wären .

c) Gebotenheit der Notwehr(§32 I StGB) Problem: Einschränkung des Notwehrrechts aufgrund sozialethischer Erwägungen? I.d.R. wird die erforderliche Notwehrhandlung auch normativ geboten sein. In bestimmten Konstellationen können aber sozialethische Einschränkungen des Notwehrrechts angezeigt sein, die eine Gebotenheit der Notwehrhandlung evtl. ausschließen. Ein solcher Fall ist u.a. der Angriff schuldloser Personen, da gegenüber solchen Personen eine Rechtsbewährung eigentlich nicht geboten ist. Bei derartigen Angriffen muss der Angegriffene zunächst ausweichen oder sich gegen den Angriff zu schützen versuchen (Schutzwehr). Nur wenn das nicht möglich ist, darf er aktiv gegen den Angreifer vorgehen (Trutzwehr). Die Gebotenheit der Notwehrhandlung ist ferner dann ausgeschlossen, wenn zwischen den Folgen der Abwehr und dem drohenden Schaden ein krasses Missverh ältnis besteht (Rechtsmissbrauchsgedanke). Zwar braucht grundsätzlich das Recht dem Unrecht nicht zu weichen (also ist bei § 32 StGB gerade KEINE Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen!), doch darf das Recht nicht um jeden Preis verteidigt werden; vor allem nicht, wenn dies in keinem Verhältnis zur drohenden Rechtsverletzung steht. hier: Obwohl der gezielte Schuss der W gegen A das einzig mögliche Mittel war, um das Eigentum an den Erdbeeren zu verteidigen, scheidet eine Rechtfertigung nach § 32 StGB aus. Bei dem Bagatellcharakter des der W drohenden materiellen Schadens erscheint eine derart drastische Abwehrmaßnahme rechtsmissbräuchlich. Sie ist weder mit dem Schutzprinzip noch mit dem Rechtsbewährungsgedanken des Notwehrrechts zu vereinbaren.

→ Rechtswidrigkeit (+) III. Schuld (+) Ergebnis: W hat sich gem. § 212 I StGB strafbar gemacht. B. Strafbarkeit der W gem. §§ 223 I, 224 I Nr. 2 und 5 StGB (+) notwendiges Durchgangsstadium, ggü. § 212 I StGB aber subsidiär

2. Tatkomplex „Die Suche nach A“ Strafbarkeit der C A. Strafbarkeit der C gem. § 303 I StGB durch Zerschlagen der Fensterscheibe I Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand Die Fensterscheibe ist eine fremde Sache, da sie im Eigentum des J steht. Eine Zerstörung liegt vor, wenn die Gebrauchsfähigkeit der Sache völlig aufgehoben wird. Durch das Einschlagen der Scheibe kann diese nicht mehr als Schutz vor Kälte und Nässe dienen, sie wurde mithin zerstört. 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz (+), der C kam es gerade darauf an die Scheibe zu zerstören, um in das Haus gelangen zu können (dolus directus 1. Grades) II. Rechtswidrigkeit

1. Als Rechtfertigungsgrund kommt hier § 904 BGB (aggressiver Notstand) in Betracht. Eine Rechtfertigung nach § 228 BGB scheidet aus, da C keine Sache zerstört von der die Gefahr ausgeht. Voraussetzungen: a) Notstandslage = jede gegenwärtige Gefahr für ein Rechtsgut Gegenwärtige Gefahr = Zustand, dessen Weiterentwicklung den Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens ernstlich befürchten lässt, sofern nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden.

hier: Die Gesundheit der C ist durch das aufziehende Gewitter in Gefahr. Zumal der Ausbruch eines Gewitters unmittelbar bevorstand, war die Gefahr auch gegenwärtig. Eine Notstandslage nach § 904 BGB ist somit gegeben.

b) Notstandshandlung • Einwirkung auf eine Sache, von der die Gefahr nicht ausgeht (Abgrenzung zu § 228 BGB!) •

Die Einwirkung muss notwendig, d.h. zur Abwendung der Gefahr geeignet und zugleich das mildeste Mittel sein.



I m G e g e n s a t z z u r N o t w e h r m u s s d a s geschützte Interesse das beeinträchtigte Interesse wesentlich überwiegen, d.h. es muss u.a. berücksichtigt werden, welche Rechtsgüter bedroht sind und wie hoch der Grad der drohenden Gefahren ist. hier: Da keine andere Abwendungsmöglichkeit bestand, war das Einschlagen der Fensterscheibe das einzige und damit mildeste Mittel zur Abwendung der Gefahr. I m Rangverhältnis steht die Gesundheit bzw. die körperliche Integrität der C auch über dem Eigentum des J an der Fensterscheibe. Es bestand durch das aufziehende schwere Gewitter eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass C durch herunterfallende Äste und Hagel verletzt wird. Hinzukommt kommt die Gefahr einer Erkältung und Unterkühlung, wenn C bei Gewitter stundenlang im Wald umherirrt. Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass die Fensterscheibe leicht ersetzt werden kann und zudem das Schutzsuchen in der Hütte die einzige und damit höchste Rettungschance für die C darstellte. Die Abwägung fällt damit zugunsten der C aus. (a.A. bei entsprechender Argumentation vertretbar; diese muss dann aber konsequent auf die weitere Fallprüfung angewendet werden!).

c) C handelte auch in Kenntnis der rechtfertigenden Umst ände und zum Zweck der Gefahrenabwehr.

→ C war daher aus § 904 BGB gerechtfertigt Rechtfertigender Notstand, § 34 StGB (+); § 34 StGB ist ggü. der Sonderregelung in § 904 BGB subsidiär. Ergebnis: Mangels Rechtswidrigkeit scheidet eine Strafbarkeit der C wegen Sachbeschädigung aus.

B. Strafbarkeit gem. § 123 I StGB durch Eindringen in die Hütte des J I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand Wohnung: Wohnung ist der Inbegriff von Räumlichkeiten, deren Hauptzweck darin besteht, Menschen zur ständigen Benutzung zu dienen. Das ist bei der Jagdhütte der Fall, es ist nicht erforderlich, dass sich auch tatsächlich dauerhaft Menschen in dem Gebäude aufhalten. (+) Betreten der Hütte gegen bzw. ohne den Willen des Berechtigten J (+) 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz (+) II. Rechtswidrigkeit 1. § 904 BGB bezieht sich nur auf Einwirkungen auf eine Sache, nicht aber auf die vorliegend geprüfte Einwirkung auf das Hausrecht. → Rechtfertigung aus § 904 BGB (-) 2. Rechtfertigender Notstand,§ 34 StGB



Gegenwärtige Gefahr für Gesundheit der C (+)



Notwendigkeit des Eindringens zur Gefahrabwendung (+)

• •

Gesundheit der C überwiegt hier wesentlich dem Hausrecht des J (+) subjektiv:Rettungswille(+) → gerechtfertigt

C war gem. § 34 StGB wegen Notstands

Ergebnis: Mangels Rechtswidrigkeit entfällt eine Strafbarkeit der C wegen Hausfriedensbruchs.

3. Tatkomplex „ Der Tod des J“ A. Strafbarkeit gem. §§ 212 I, 211 StGB durch Erschießen des J C hat den J vorsätzlich durch die Abgabe des Schusses getötet. Der objektive und subjektive Tatbestand des § 212 StGB ist damit erfüllt. C könnte darüber hinaus auch ein Mordmerkmal verwirklicht haben. In Betracht kommt das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht, da C nicht wollte, dass die kaputte Fensterscheibe vom J entdeckt wird. Problem: Bloße „Angst wegen der zerschlagenen Fensterscheibe“ als Verdeckungsabsicht? Ja, denn C will gerade nicht, dass J die beschädigte Scheibe entdeckt; ein solcher ohne weitere Pl a nung a uf g rund e ine r unv or he rg e se he ne n Sit uat i on ent st a nd e ner s p ont ane r Tötungsentschluss ist erfasst (BGH 35, 116; NJW 99, 1039, 1041).1 Problem: Bzgl. der Zerstörung der Fensterscheibe handelte sie aber gerechtfertigt (s.o.); liegt trotzdem Verdeckungsabsicht vor? Ja, denn das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht ist ein täterbezogenes, subjektives Merkmal. Maßgeblich ist allein die Vorstellung des Täters. Wichtig ist, dass sich der Täter vorstellt, eine Straftat begangen zu haben.2 → Verdeckungsabsicht (+) → Tatbestand §§ 212 I, 211 StGB (+) II. Rechtswidrigkeit C könnte durch Notwehr gem. § 32 StGB gerechtfertigt sein. 1. Dann müsste eine Notwehrlage in Form eines gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriffs gem. § 32 II StGB vorgelegen haben. Hier: J schlich sich mit einem Messer bewaffnet auf C zu. Der Angriff des J auf das Leben der C hatte bereits das Versuchsstadium erreicht und stand daher unmittelbar bevor. Ein gegenwärtiger Angriff i.S.d. § 32 StGB lag somit vor. Der Angriff des J müsste auch rechtswidrig gewesen sein. Das ist der Fall, wenn das Verhalten des J nicht durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt ist. Vorliegend könnte jedoch auch der J gerechtfertigt sein, da die C immer noch unberechtigter Weise in seinem Haus verweilte. 3 Bzgl. des Hausfriedensbruchs war C jedoch gerechtfertigt (s.o.). Gegen Verhalten, das durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt ist, ist keine Notwehr bzw. eine Rechtfertigung zulässig. Der Angriff des J war daher auch rechtswidrig. Anmerkung: In Klausuren kann es an dieser Stelle zu sog. Inzidentprüfungen kommen, da untersucht werden muss, ob sich der Angreifer seinerseits auf Rechtfertigungsgründe berufen kann.

2. Der Schuss auf den J müsste ferner eine zulässige Notwehrhandlung gewesen sein. Durch den Schuss hat C ausschließlich in die Rechtsgüter des J eingegriffen. Der Schuss müsste auch erforderlich gewesen sein, d.h. es müsste sich dabei um ein geeignetes, den Angriff unmittelbar beendendes Mittel gehandelt haben, das zugleich auch noch das mildestes Mittel war. Die Erforderlichkeit ist objektiv ex ante aus der Sicht eines besonnenen Dritten zu beurteilen. Der Schuss auf den J war zweifellos geeignet, dessen Angriff unmittelbar zu beenden. Der J befand sich in unmittelbarer Nähe und war unmittelbar davor, auf die C 1 Vgl. auch Fischer, Strafgesetzbuch, Kommentar, 61. Auflage 2014, § 211 Rn. 68. 2 Murmann, Grundkurs Strafrecht, 2. Auflage 2013, § 21 Rn. 69. 3 Der Angriff seitens der C durch die Sachbeschädigung war hier bereits beendet.

einzustechen. Aus der Sicht eines Dritten wäre daher der Schuss auf den J das einzige Mittel gewesen, den Angriff sicher abzuwehren. Die Verteidigungshandlung war daher erforderlich. Anmerkung: Ein gezielter tödlicher Schuss ist als ultima ratio nur dann zulässig, wenn ein weniger gefährlicher Waffeneinsatz nicht ausreicht (wie etwa ein Warnschuss oder ein Schuss in die Beine). Entscheidend für die Beurteilung ist die konkrete Kampflage.

3. Subjektives Rechtfertigungselement Problem: C hatte den Angriff des J nicht erkannt. Es stellt sich daher die Frage, ob C trotzdem nach § 32 StGB gerechtfertigt ist. Eine Auffassung verneint das Erfordernis eines „Verteidigungswillens“; demnach wäre C hier gerechtfertigt. Die h.M. dagegen verlangt für eine Rechtfertigung, dass dem T äter zumindest die Rechtfertigungslage bewusst war (vgl. Graul, JuS 2000, L41). Die Rechtfertigungsgründe stehen „spiegelverkehrt“ der Tatbestandsverwirklichung gegenüber; der Tatbestand besteht aus einem Erfolgsunrecht (obj. TB) und einem Handlungsunrecht (subj. TB). Das Unrecht des Vorsatzdelikts kann daher nur dann ausgeglichen werden, wenn sowohl Erfolgs- wie Handlungsunrecht kompensiert wird, also wenn die objektive und die subjektive Komponente des Rechtfertigungsgrundes vorliegt. Daher ist C nicht gerechtfertigt. (Wiederum umstritten ist zudem innerhalb der h.M., ob es ausreicht, wenn der Täter in Kenntnis der Konfliktlage und im Bewusstsein der Rechtfertigung handelt oder ob zusätzlich eine Rechtfertigungsabsicht verlangt werden muss. Diese Frage kann hier aber letztlich dahinstehen, da C bereits keine Kenntnis vom Bestehen der Notwehrlage hatte, eine Rechtfertigungsabsicht daher schon denklogisch nicht gegeben sein kann.)

Str. ist nun aber die Rechtsfolge: Eine Ansicht will eine Strafbarkeit wegen vollendeter Tat annehmen. Eine andere Ansicht dagegen nimmt nur eine Versuchsstrafbarkeit an (vgl. Wessels/Beulke, Rn 279). Fehlt das subjektive Rechtfertigungselement, so kann durch die objektiv gegebene Rechtfertigungslage nur das Erfolgsunrecht ausgeglichen werden. Die Konstellation – volles Handlungsunrecht, fehlendes Erfolgsunrecht – entspricht aber der Versuchskonstellation.

⇒ Rechtfertigung nach § 32 StGB (-); aber eine Strafbarkeit wegen vollendetem Totschlag scheidet aus (a.A. bei entsprechender Argumentation vertretbar) B. Strafbarkeit gem. §§ 212, 211, 22, 23 StGB I. Vorprüfung Die Strafbarkeit des Versuchs ergibt sich aus §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB. Da das Erfolgsunrecht durch die objektiv gegebene Rechtfertigungslage kompensiert wurde (s.o.), sind die Versuchsregeln entsprechend anwendbar. II. Tatbestandsmäßigkeit C hatte den Tatentschluss, J zu töten. Sie handelte auch mit Verdeckungsabsicht. III. Rechtswidrigkeit und Schuld (+) Ergebnis: C ist wegen versuchten Mordes an J zu bestrafen gem. §§ 212 I, 211, 22, 23 StGB.

4. Tatkomplex „ Der Boxkampf“ A. Strafbarkeit des Z gem. § 223 I StGB durch den Schlag ins Gesicht der C Strafbarkeit des Z wegen Körperverletzung ggü. C gem. § 223 I StGB A. Tatbestand I. objektiver Tatbestand Tathandlung und -erfolg: Z müsste C körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt haben. Eine körperliche Misshandlung ist jede üble unangemessen Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden und/oder die körperliche Integrität nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern e i n e s k ran k haf t e n (p a t ho l og i s c he n) Z us t an d s . Hi e r k om m e n s ow oh l e i ne Gesundheitsbeschädigung, als auch eine körperliche Misshandlung in Betracht. Der Schlag mit

der Faust ins Gesicht der C stellt eine üble unangemessene Behandlung dar, die das körperliche Wohlbefinden der C mehr als nur unerheblich beeinträchtigt. Durch den Schlag hat Z der C auch an der Gesundheit geschädigt, da er den Körper der C in einen nachteilig vom Normalfall abweichenden behandlungsbedürftigen Zustand versetzt hat (pathologischer Zustand). Z hat somit beide Alternativen des § 223 I StGB erfüllt. → obj. TB (+) II. subjektiver Tatbestand Z hat vorsätzlich gehandelt, er nahm es wenigstens billigend in Kauf, dass er die C durch seinen gezielten Schlag die C verletzten könnte. B. Rechtswidrigkeit Fraglich ist, ob Z auch rechtswidrig gehandelt hat. Dies ist nicht der Fall, wenn sich Z auf Rechtfertigungsgründe berufen kann. Hier kommt der besondere Rechtfertigungsgrund der Einwilligung in Betracht: 1. Disponibilität des betroffenen Rechtsguts Das Rechtsgut „körperliche Unversehrtheit“ ist disponibel (arg. § 228 StGB). Exkurs: Anders verhält sich dies beim Rechtsgut Leben (arg. § 216 StGB). 2. Verfügungsberechtigung des Einwilligenden C war als alleiniger Rechtsgutsträger auch einwilligungsberechtigt. 3. Einwilligungsfähigkeit des Einwilligenden C wies natürliche Urteils- und Einsichtsfähigkeit auf und war damit einwilligungsfähig. 4. Keine einwilligungserheblichen Willensmängel Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einwilligung des C nicht frei von (rechtsgutsbezogenen) Willensmängeln war. Es lagen weder Zwang noch ein Irrtum über die zu erwartenden Folgen vor. C wusste genau, was ihn im Teufelsrad erwartete und er ließ sich darauf ein. 5. Einwilligung vor der Tat und Fortbestand während der Tat Hier: (+). Eine nachträgliche Genehmigung rechtfertigt nicht; eine Einwilligung ist bis zur Tat frei widerruflich...


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