VL Heinrich von Kleist - Vorlesungsnotizen alle PDF

Title VL Heinrich von Kleist - Vorlesungsnotizen alle
Course Heinrich von Kleist
Institution Universität Regensburg
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Summary

Wintersemester Prof Dr Daiber...


Description

Kleist, 16.10.14: Familie Schroffenstein Biografisches - Geboren wahrschl. am 27.10.1777 - Schwieriger Charakter; lebenslang Geldsorgen; stottert; errötet leicht; freundlich aggressiv; ambivalenter Charakter; Schnittstelle Klassik/Sturm und Drang/Romantik - Familie pommersches Adelsgeschlecht, slawisch-stämmig; Soldatentradition - Aber auch Dichter: Ewald Christian v. Kleist: "Der Frühling", Hexameter-Dichtung - Vater heiratet 2mal: 1. Heirat, 2 Kinder (Bezugsperson Kleists, Ulrike v. Kleist); 2. Heirat 1775, 5 Kinder (Kleist 3.Kind, 1.Sohn -> Stammhalter) - Früher Tod des Vaters (1788); wird in keiner Schrift erwähnt - Mutter stirbt 1793 -> Kleist früh Vollwaise - 1792: Preußische Armee in Potsdam, in Schlachten bei Mainz, Kaiserslautern,... -> Hass auf Milität (Zeitverschwendung) -> 1799 Uni Frankfurt (Oder): Physik, Philosophie, Naturwissenschaften, Kultur,.. -> Will beruflicher Schriftsteller werden - Schon mit 14 hohes Maß an Anschauungskraft und Rhythmus (Briefe) - Leitmotive - Idee der Täuschung - Vorurteile - Kleine Ursache, große Wirkung;.. Familie Schroffenstein - 1. Werk Kleists - Entstehungskontext: 1. Vorstufe: Familie Thierez (-1802): Grobe Handlungsskizze, wirr 2. Vorstufe: Familie Ghonorez (-1803): Handlung in Spanien - 1803 Endfassung, Uraufführung 1804; erst positiv aufgenommen, aber kein großer Erfolg Forschungslinien 1) Intertextueller Bezug zu Shakespeare: 2 Liebende aus feindlichen Häusern; Wahnsinniger; Hexen (werden verspottet);... 2) Schicksalsdrama: Zufall, Vorurteil, Irrtum als Textmotive, die Handlung eskalieren lassen; "Das Schicksal ist ein Taschenspieler" 3) Nicht nur Motive, sondern: Kombination von Themen: Thema der "verlorenen Identität" aus religiöser (Sündenfall, sexuelle Komponente, Inzestandeutung), sprachlicher und juristischer (Erbvertrag) Sicht 4) Aufsatz "Der Sündenfall des Verdachts" (Hinrich C. Weber): Vor Erbvertrag: Idylle; Bezug auf Rousseau: Natürliche Umgebung ist gut für den Menschen; Technik und Fortschritt sind Ursache für den Sündenfall 5) Kant-Krise: Auge ist krank; Metapher für Unzulänglichkeit menschlicher Erkenntnisse; Alles, was geschieht, muss interpretiert werden -> Raum für Fehleinschätzungen Appell an Gott: "Sprich deutlich mit dem Menschen" -> Sprache gerät in Verdacht, nicht vertrauenswürdig zu sein

6) Liebe als Möglichkeit, Streit beizulegen: Agnes & Ottokar als Paar; Handlung beginnt Mitte von Akt III (Höhepunkt); Aber: Letztendlich nicht möglich aufgrund der sozialen Konstellation; Später auch Misstrauen zwischen den Liebenden 7) Koppelung der Liebesbeziehung an die Heilsthematik: Möglichkeit der Erlösung; Biblische Anspielungen (Erbvertrag -> Sündenfall; Racheschwur aus AT; Sterbeszene erinnert an Leid und Auferstehung Christi) Andeutung der Möglichkeit einer Hoffnung, positive Deutung? vs. Trostloser Schlusspunkt, Auslöschung einer der Familienlinien? 8) Unmögliches Trauerspiel: Bereits früh Dekonstruktion der Gattung Schicksalsdrama; "Erkennen" (Anagnorisis) wird von Kleist verweigert; Lösung Scheitern? -> Keine klare Gattungszuordnung -> Nichts ist deutlich

Kleist, 23.10.14: Robert Guiskard Biografisches - Rückkehr nach Militär-Austritt; Eltern tot -> Unabhängigkeit - Briefe zeigen erste ungewöhnliche literarische Begabung -> Aufsatz, den sichern Weg des Glücks zu finden..; Konzept des individuellen Glücks - Studium in Frankfurt a.d.Oder -> Physik/Mathe + zusätzlich Recht, Kultur, Latein, Philosophie,.. -> Eher unbedeutende Uni/Professoren; Prof. Christian Ernst Wünsch (Autor: Kosmologische Unterhaltung -> Erste Beschäftigung mit Sexualität/Aufklärung) nimmt Einfluss auf Kleist; z.B. Physikalische Experimente - Nach 2 Semestern Studienzweifel trotz mathematischen Interesses und eigener Experimente - Verlobung mit Wilhelmine von Zengen (nach langer Überzeugsdauer) -> Eltern stimmen Heirat zu, sobald Kleist Amt/Verdienst habe -> Dilemma, Kleist muss sich für einen festen Lebensplan entscheiden; hadert mit sich selbst - Kleist glaubt an Überlegenheit des Mannes (-> damaliger zeitlicher Diskurs) (Denkaufgaben und Pyschotests an seine Verlobte) -> Kritik in der modernen Genderforschung (Sexismus,...) -> Ahistorische Sichtweise - Zur damaligen Zeit: Viele Kinder (-> Kindersterblichkeit; Christliche sexuelle Moral; Mangelnde Verhütungskenntnis) - Viele Widersprüche, Zerrissenheit, Entscheidungsunfähigkeit, keine gesellschaftl. Stabilität Kleists - 14.08.1800: Kleist reist nach Berlin und von dort aus weiter nach Würzburg (Gründe?) Robert Guiskard - Fragment; Kleist vernicht in Anfall von Selbstzweifel Großteil des Werkes - 1808 in Zeitschrift veröffentlicht Entstehungsgeschichte - Großer Ehrgeiz; Kleist will Gattung revolutionieren - Historischer Stoff aus dem 11.Jh.; Guiskard sollte bei Belagerung Konstantinopels an Pest sterben - Kleist legt Wieland Proben von Guiskard vor -> Helle Begeisterung - Oktobert 1803: Verbrennt in Paris sämtliche Guiskard-Manuskripte; will gegen Napoleon ins Feld ziehen und dort sterben - Veröffentlichtes Fragment gibt keinen Aufschluss über dessen Genialität Was ist das Fragment? -> Verdichtung vs. Zeitlich richtige Reihenfolge und Spannungsaufbau? -> Ungeklärt Quellen - Denkwürdigkeiten aus dem Leben des griechischen Kaisers Alexius Komnenes von Anna Komnena. (1709 veröffentlicht in Schillers historischer "Memoires") - Robert Guiscard Herzog von Apulien und Calabrien. (Aufsatz von Karl Ferdinand Funck, 1797 erschienen in Schillers "Die Horen") - König Ödipus (Sophokles; dt. Übersetzung von Johann Jakob Steinbrüchel, Zürich 1763) -> Abweichung der Familienkonstellation (Vereinfachung)

Forschungslinien 1) Analogie Robert Guiskard Ödipus: -> Mensch unterliegt Fluch; Ablauf mit Fatalismus 2) Analogie zu Napoleon: - 1799: Belagerung von Akkon -> Napoleon soll durch pestverseuchtes Lager gegangen sein -> Hybris (Vermessenheiten ggüber. Göttern) vs. Psyche, die Körper immunisieren kann? 3) Analogie 1. Auftritt zum "Antiken Chor": -> Aber: Chor (anders als in Antike) keine kommentierende Funktion, weniger weise -> Turbulente Funktion -> Signifikante Abweichung 4) Analogie des Chors mit Pariser Mob (Revolution): - Verbreitung von Chaos und Unruhe -> Aber: Greis an Spitze des Chors; demütiges Auftreten 5) Leitmotiv Pest: - Potentielle Vernichtung des Volkes droht - Legitimation und Charisma als Immunitätsfaktoren (Guiskard) -> Gleichzeitig aber Gefahr der Ignoranz/Hybris 6) Metaphorik: - Extreme Pathosgebärde; affektiert - "Furor"; Dynamik der Körper/Gesten 7) Zusammenhang Schuld Seuche: - Krankheit = Schuld? - Werden gut lebende Menschen seltener krank? - Krankheit als psychisches Versagen?

Kleist, 30.10.14: Der zerbrochne Krug Biografisches - Reise von Frankfurt nach Berlin (14.08.1800) -> Keine Bildungsreise; Kleist mit kryptischen Andeutungen über den Grund -> Bis heute keine Hinweise auf Zweck der Reise -> Nur Hypothesen möglich Fakten der Reise - Kleist reist mit Freund Ludwig von Brocke - Reisen mit Pseudonymen (Immatrikulation an der Uni Leipzig wegen der Studentenausweise) - Besprechung mit Zollminister; Rückreise laut Absprache spätestens 30.11. - Reisen nicht nach Wien wegen Scheu vor Krieg (Napoleonische Kriege) -> Würzburg Wissenschaftliche Spekulationen 1) Kleist leidet an Vorhautverengung (Phimose): - Kleist will "heiligste Ansprüche" Wilhelmines von Zengen erfüllen (?) - In Würzburg keine Spezialisten anwesend; aber: Kein großer Eingriff - Für diesen Grund zu übertriebene Formulierungen in Briefen 2) Kleist besucht Magnetiseur: - Kleist will sich mit Heilmagnetismus kurieren? - In Würzburg damals Magnetiseur "de Neufville" anwesend -> Aber: Keine Belege für eine Begegnung 3) Kleist tritt Freimaurern bei: - Viele bekannte Autoren dieser Zeit gehören Logen an (Goethe, Wieland, ...) - Kirche verbietet die Logen - Will Kleist beitreten, muss dies im Geheimen geschehen -> Pseudonyme 4) Kleist als preußischer Spion: - Schwester Ulrike sagt nach Tod Kleists, Reise sei politischer Natur gewesen - Pässe/Pseudonyme würden für diese These sprechen - Spionage der Farbenwerke nach Insiderwissen (Maschinenbaupläne; chem. Formeln,..) 5) Kleist will sich habilitieren: - Abbruch des Studiums in Frankfurt; Kleist will Studium aber beenden und Arbeit einreichen - Aber: Warum Geheimniskrämerei? -> Scham für Studienabbruch? - Uni in Würzburg auch nicht im besten Ruf -> Keine der Thesen kann als gesichert gelten -> Kleist mit Angewohnheit, aus allem ein Mysterium zu machen -> Nach 5 Monaten: Rückkehr nach Berlin mit leeren Händen -> Kleist'sches Paradoxon: „Da gieng ich,in mich gekehrt, durch das gewölbte Thor, sinnend zurück in die Stadt. Warum, dachte ich,sinkt wohl das Gewölbe nicht ein, da es doch keine Stütze hat?Es steht, antwortete ich, weil alle Steine auf einmal einstürzen wollen – und ich zog aus diesem Gedanken einen unbeschreiblich erquickenden Trost, der mir […] immer mit der Hoffnung zur Seite stand, daß auch ich mich halten würde, wenn Alles mich sinken läßt.“

Der zerbrochne Krug - Komödie (Aussicht auf Heirat; Liebendes Paar; Irrungen, Wirrungen;..) -> Krug startet mit "Katzenjammer" -> Unterwandert Gattungsmerkmale Entstehungsgeschichte - Wahrscheinlich Beginn während Schweizer Aufenthalt 1802 - Abschluss 1. Fassung 1806 - 1808: Uraufführung in Weimar unter Goethe -> Scheitern -> Grund: Inszenierung Goethes? -> 1811 auch Scheitern im Druck Quellen 1) Kunsthistorisch: - Bild als Inspiration (Le Veau) - Art der künstlerischen Darstellung nach Vorbild niederl. Landschaftsmalerei (Ternier) - Winkelmann: Umsetzung der Antike in Malerei (idealistisch, erhaben,..) -> Kleist will genau das nicht! 2) Literarisch: - König Ödipus (Sophokles) - Parodistischer Bruch mit Tradition der griechischen Tragödie - Entnahme des Grundschemas - Art analytisches Drama (Krug von Beginn an zerbrochen) Forschungslinien 1) Analogie zu Ödipus: - Parodie der Handlung; Täter muss ausfindig gemacht werden - Nicht "Wer ist der Täter?", sondern "Wie kommt man dem Täter auf die Spur?" - Gerichtsdrama: Zeugenaussagen, Indizienaufnahme - Hauptindizien: - Klumpfuß (Ödipus = "Schwellfuß") - Verlorene Perücke - Löcher auf Kahlkopf - Personenkonstellation ähnlich Sophokles (Richter = Täter; Unterschied: Ödipus weiß nichts davon) -> Lösung: Gerichtsrat Walther 2) Depotentierung: - Pathos bei Ödipus bei Kleist auf kleines Dorf heruntergebrochen - Blutschuld auf zerbrochenen Krug und Nachstellen eines Mädchens reduziert - Ödipus tragischer Held -> Dorfrichter Adam komischer Held - Kein unentrinnbares göttliches Schicksal -> Gerichtsrat Walther - Nichts Göttliches, nur Menschliches, Allzumenschliches 3) Verkehrte Welt: - Richter ist selbst Übeltäter - Hauptzeugin kennt Täter, schweigt aber (wegen Erpressung) - Sprecher (Mathe) vergrößern die Verwirrung nur - Motiv des Irrtums (Brigitte -> Teufel als Täter) (-> Bsp. einer aufgeklärten Religionskritik?) - Darstellung erzeugt Komik

4) Komik erzeugende Elemente: - Aristophanische Vitalkomik (Werk von Aristophanes: z.B. "Die Wolken") (-> auch hier: Szene: komischer Katzenjammer; Personen frivol/derb/animalisch,..) - Rolle von Tieren in Adams Reden (Ziegenbock symbolisch für sexuelle Gier) - Enthüllung in verzweifelter Anstrengung des Verbergenwollens - Wortungeheuer und Wortspiele - Satire auf Heroenwelt der Ilias (in Marthes Krugbeschreibung) -> Dekonstruktion der Klassik - Typenkomödie (Typus = Verkörperung einer einzigen Eigenschaft) -> Durchaus philosophische Dimensionen (Kultur, Anthropologie, Religion,..) -> Zeigt Gespaltenheit der Menschheit (antiklassisch) -> Dimension des Niederen -> Moderne Körperkomik, Wortspiele, etc. -> Vorausweisend

Kleist, 06.11.14: Amphitryon Biografisches - 01.11.1800: Rückkehr der Würzburg-Reise nach Berlin - Entscheidung für Karriere als Schriftsteller -> Antrag an Zollminister, um an Sitzungen d. techn. Rats teilzunehmen -> Kann doch "kein Amt nehmen", will "kein Werkzeug sein" -> Kleist will mit Verlobter nach Frankreich, in Paris Sprachenunterricht geben; Wilhelmine will aber Stabilität - Kleist setzt philosophische Studien fort -> Kant-Krise ! - Kleist will in Paris Mathematik und Naturwissenschaften studieren - 15.04.1801: Reise ohne Verlobte, aber mit Schwester Ulrike - Zwischenstopp in Dresden -> Kunstgalerie -> Sixtinische Madonna (Raffael) - Paris: Damals "Hauptstadt" der Welt (700.000 Einwohner); viele berühmte Wissenschaftler der Zeit dort (z.B. Alessandro Volta) - Kleist enttäuscht von Paris -> Gestank, Dreck, "Sündenort", Moralischer Verfall -> Scheitern des Paris-Experiments Kant-Krise - Wissenschaft nicht sicher, ob Kleist Kant selbst gelesen hat oder über 2. Hand -> Cassirer: Kritik der reinen Vernunft -> Muth: Kritik der Urteilskraft -> Gall: Kant-Schüler Reinhold - "Wenn alle Menschen statt der Augen grüne Gläser hätten,...." (-> Idee aus anderen Texten? -> Klinger: "Der Kettenträger"?) - Kleist leitet aus Relativität/Subjektivität der Erkenntnisse das Scheitern aller menschlichen Erkenntnisse ab -> Kleist interpretiert Kant nicht im Kant'schen Sinne: -> Kant: Subjektive Erkenntniswahrnehmung funktioniert -> Kleist: Keine absolute Erkenntnis = Gar keine Erkenntnis/Wahrheit -> Völlige Sinnkrise Kleists; sieht sich seines Lebenszieles beraubt Amphitryon - Wenig über Entstehung bekannt - Ungesichert, wann Kleist auf Stoff stieß und wann er mit dem Schreiben begann - Bekannt: 1807 Erstausgabe in Dresden - These Sembdner: Aufgrund sprachl. Ähnlichkeiten mit dem "Krug": Zeit vielleicht um 1803? -> Begegnung mit Falk (Amphitruon 1804) als Stoffanstoß? -> Aber: Brief an Wieland: Möglicherweise Schaffensbeginn schon vor dem Krug? Stoffgeschichte - Sophokles, Euripides, Plautus (röm. Komödiendichter: 1.antikes überliefertes Amphitryon-Drama) - Moliére: Amphitryon (1668) Handlung - Leitmotiv des Doppelgängers - Fabelstoff - Fragiler, unsicherer Status von Intuition - Innerstes Gefühl gibt nicht mehr die Wahrheit preis

Forschungslinien 1) Vergleich Moliére - Kleist: - Große Partien fast wörtlich übernommen; Gleiche Personenkonstellation und Konflikte - Unterschiede: - 2. Akt: Eigene Szenensequenz (4.-6.), II.5 als Schlüsselszene - Schlussszene neu (Verkündigung der Geburt des Herakles) - Alkmene als Hauptgestalt (-> Bei Moliére Nebenfigur) 2) Tragikomödie: - Kein reines Lustspiel: Schatten der Tragödie -> Tragikomödie - Traditionell: Ständeklausel (Tragödie: Helden; Komödie: Niederes Volk) -> Aufgehoben seit dem bürgerlichen Trauerspiel 3) Doppelgänger- und Identitätsproblematik: - 3 Akte, Schauplatz: Haus des Amphitryon - Göttlicher Identitätskonflikt Jupiters: - Vertauschung der Initialen auf dem Diadem - Identität der Frau wird attackiert - Fragiler Zustand menschlicher Liebe - Alkmene wünscht sich lieber Stabilität/Liebe Amphitryons als Kraft eines Gottes -> Identität immer etwas im Fluss befindliches -> Permanente Wandlung 4) Mythos und Religion: - Vor allem am Ende des 3. Aktes vollzogen - Alkmenes Glaube an Wahrhaftigkeit des Geliebten -> Vergleich mit Mariä Verkündigung -> Vertrauen auf innere Stimme bar jeder Logik -> Maria: Vertrauen auf Gott Alkmene: Vertrauen "gegen" Gott, auf die Liebe - Absage an das Metaphysische zu Gunsten des Herzens - Jupiter als unsicherer Gott, verliert am Ende

Kleist, 13.11.14: Das Erdbeben in Chili Biografisches - Kleist will Bauer in der Schweiz werden -> Nur 4 Monate - Reifung zum Dichter in der Schweiz (1. Drama,..) -> Will weg von reinem Informationswissen, hin zu Erfahrungswissen - Napoleon beeinflusst Schweiz (politische Unruhen) - Während Schweizaufenthalt Siedlungstraum von Amerika -> Pläne schnell verworfen - Kleists Freunde dieser Zeit: Heinrich Zschokke (Theologe; lit. Ruhm); Heinrich Geßner (Verlagsführer!) - Zieht 1802 auf Aare-Insel in Thun, entlegenes Häuschen - In dieser Phase: Robert Guiskard, wahrschl. Familie Schroffenstein - Idee der eigenen Minderwertigkeit -> Immer wieder Briefkommentare über Freitod - Auflösung der Beziehung zu Wilhelmine (20.05.1802 letzter Brief) - Abreise aus Schweiz wegen polit. Unruhen -> Wielandgut Oßmannstedt (Nähe Weimar), 1802 -> Weimar: Kulturzentrum (trotz nur 6000 Einwohnern) - KEINE Besuche bei Schiller oder Goethe, aber bei Wieland -> Wieland: Autor d. 1. Bildungsromans: Die Geschichte des Agathon; Publizist ("Teutscher Merkur); "Wissenskompilator" in Sachen Literatur -> Empfängt Kleist mit offenen Armen, ermutigt ihn, lobt Robert Guiskard in den Himmel - Kleist verliebt sich in Wielands 13jährige Tochter Louise -> Verlässt Herzogtum Sachsen Ende Februar 1803 -> Weiterreise nach Leipzig Eigenheiten des "Erzählers Kleist" - Forciertes Erzähltempo (Viel Handlung auf engem Raum; Hohe Spannung; Fülle am dramatischen Situationen) - Abfolge von krisenhaften Konflikten - Extremsituationen und Grenzerfahrungen -> Chaos - Alle (bis auf Marquise) zielen auf Hinrichtung und Tod - Form/Syntax/Dramatischer Stil: -> Bildhafte Vorstellungen -> "Kleist'sche Schachtelsätze"; -> Kommasetzung nach rhythmisch-expressiven Kriterien -> "Berüchtigte" Konjunktive (Harmlose Textsignale -> Verdacht erregend) --> Unzuverlässiger Erzähler Das Erdbeben in Chili - Untertitel "Eine Novelle" - Entstehung in Königsberg - Veröffentlicht 1807 in Cottas "Das Morgenblatt für die gebildeten Stände) -> Erst 1810 unter heute gebräuchlichem Namen Historischer Hintergrund - 1647: Erdbeben in Santiago de Chile: Göttliche Strafe? - 1755: Erdbeben in Lissabon -> Theodizée-Debatte -> Zusammenhang: Rechtfertigung eines allmächtigen/gütigen Gottes bei so viel Leid? - Leibniz 1710: "Wir leben in der besten aller möglichen Welten:" - Pope: "Whatever is, is right" - Voltaire (in Candide): Satire auf Pope/Leibniz; Angriff auf optimistische Weltsicht - Rousseau: Gott als Weltschöpfer (!), der sich danach aber zurückzog - Kant: Wir können (!) Gottes Willen nicht erkennen

-> Kleist: - Erdbeben trifft Gut&Böse -> Widerspricht Glaube an moralisches Urteil - Katastrophen kommen mit extremer Frequenz auf Beteiligte nieder - Sinn d. Erzählung: Letzte Sinnzuschreibung wird durch Perspektivwechsel verweigert -> Permanente Dekonstruktion -> Briefzitat: "Es kann kein böser Geist sein, der an der Spitze der Welt steht; es ist ein bloß unbegriffener! Lächeln wir nicht auch, wenn die Kinder weinen?" Forschungslinien: Interpretationen -> Garten, in den die Liebenden flüchten 1) Triadische Konzeption/Arkadien/Geschichtsphilosophie 2) Garten Eden: Granatapfelbaum -> Verweis auf Maria, auch auf Persephone: Segen vs. Fluch? 3) Bibelanspielungen ("O Mutter Gottes, du Heilige"; Erdbeben als Zeichen? 4) Novellenkennzeichen: Unerhörte Begebenheit (Erdbeben oder Textende?) 5) Metapher auf franz. Revolution (Garten: liberté, egalité, fraternité?) 6) Erdbeben: Apokalypse des Johannes (Offenbarung) 7) Textende (Adoption des Kindes nach Tod des eigenen) -> Freude des Adoptivvaters -> Warum? - I) Keine Hoffnung zur klaren Deutung; vielleicht höhere Vernunft? -> Demut - II) Widerspruch: .."sich freuen müssen" - III) Hiobsgeschichte: Nebencharakter Fernando nimmt Schicksal an (positive Deutung) - IV) Unzuverlässiger Erzähler: Erneuter Perspektivwechsel -> Höhepunkt d. Rätselhaftigkeit - V) Schlag gegen institutionelle Religion (Prediger feuert Mob an!)

Kleist, 20.11.14: Die Marquise von O..; Michael Kohlhaas Biografisches - Leipzig: Sitz des Buchgewerbes/der Gelehrsamkeit - Kleist (wie so oft) mit leeren Händen -> Krise - Nimmt Unterricht im "Declamieren"/Vortragen (bei Kerndorfer) -> Neuer Plan: Reise mit Ernst von Pfuel (Freund aus Potsdamer Tagen) nach Schweiz, Weg über Alpen zu Fuß -> Jan. 1805: Freundschaftl. Brief an Ernst v. Pfuel ("Geliebter Freund" -> Wissenschaft: War Kleist schwul/bisexuell? -> Homosexualität damals unter hoher Strafe -> 1) Wirklich homosexuelle Beziehung -> 2) Romantisches Freundschaftsbild mit Zärtlichkeiten - Krise: Vernichtung des Dramas "Guiskard" in Paris (Oktober 1803) - Will in Kampf mit (!) Napoleon sterben -> Es kommt nicht zur napoleonischen Invasion - Wird schwer krank, 5 Monate kein Lebenszeichen -> Kuriert sich in Mainz (beim Arzt Wedekind)? -> Theorien: -> 1) Wedekind schmiedet mit Kleist revolutionäre Pläne (gegen! Napoleon) -> 2) Kleist krank, aber nicht SO krank -> In Paris bei Schlabrendorf: Bringt dessen Manuskripte von Buch über Napoleon nach Deutschland? Die Marquise von O... - Wenig bekannt; keine Handschrift erhalten - 1807 aus Pariser Gefangenschaft nach Dresden mitgebracht - Februar 1808: Erscheinung in Kleists Zeitschrift "Phöbus" - ...


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