Zusammenfassung: wissenschaftliche Gruppendiskussion PDF

Title Zusammenfassung: wissenschaftliche Gruppendiskussion
Course Gruppendiskussion
Institution Technische Hochschule Köln
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Zusammenfassung: wissenschaftliche Gruppendiskussion...


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Prolog „Qualitative Forschung am Beispiel der Gruppendiskussion“, dieser Eintrag im Sommersemester 2010 des Vorlesungsverzeichnis weckte mein Interesse. Ich hatte ehrlich gesagt zuvor noch nie von einer solchen „Gruppendiskussion“ gehört oder gar gelesen. In Deutschland heutzutage noch weitgehend unbekannt, wurde in den USA und

Großbritannien

bereits

1996

etwa

150.000

Gruppendiskussionen

zur

kommerziellen Forschung durchgeführt. Die Gesamtkosten beliefen sich damals schon auf über 340 Millionen Dollar 1, pro Jahr wohlgemerkt; keine vier Jahre später überstiegen die Ausgaben für realisierte Gruppendiskussionen die magische Milliarden-Dollargrenze. Jedoch nicht nur in der Werbe- und Konsumbranche findet die Gruppendiskussion ihre Anwendung. Als wissenschaftliche Methode ist sie in zahlreichen Disziplinen, wie bspw. der Soziologie, Psychologie, Pädagogik oder Politikwissenschaft vertreten und auch im deutschen Sprachraum wenden mehr und mehr Wissenschaftler dieses Verfahren als ein Instrument der Daten- und Informationsgewinnung an. So wurden unter anderem Gruppendiskussionen mit Jugendlichen hinsichtlich ihrer Europäischen Identität2, Jugendkulturen und ihrem Verhältnis zu Ausländern3, sowie mit Lehrern über Orientierungen und Meinungen an evangelischen Schulen4 durchgeführt. Auf Basis solcher Veröffentlichungen beschäftigt sich die vorliegende Hausarbeit mit dem Vorstellen der Gruppendiskussion als eine qualitative Erhebungsmethode, grenzt diese gegenüber weiteren Verfahren ab, gibt mögliche Anwendungs- und Einsatzfelder an und zeigt mögliche Chancen und Schwierigkeiten im allgemeinen und

speziell

an

einer

2011

effektuierten

Gruppendiskussion

„Gelb“

Forschungsleiters Schieferdecker.

1 Lamnek, 2005, S.12 2 Conrad, Fuss, 2004, Gruppendiskussionen Chemnitz: „Europäische Identität – was steckt dahinter?“ 3 Kohlstruck, 2002, Gruppendiskussionen zur Freizeitsituation, zu Jugendkulturen und dem Verhältnis zu Ausländern 4 Holl, 2010, Orientierungen von Lehrerinnen und Lehrern an Schulen in evangelischer Trägerschaf

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des

Zur Geschichte der Gruppendiskussion Zum ersten Mal tauchte die Gruppendiskussion, unter dem englischen Begriff „Focus Group“, Mitte der 30er Jahre in den Vereinigten Staaten auf. Dort wurde sie erstmalig von dem Sozialpsychologen Kurt Lewin und seinen beiden Schülern Lippitt und Cartwright als ein entdeckendes Verfahren innerhalb der Umfrageforschung eingesetzt. Von der Annahme, dass „Gefühle und Verhaltensweisen entscheidend durch soziale Gruppen beeinflusst werden“ (Krüger, 1983, S.92 zitiert nach Lamnek, 1998, S.18), wurden mit ihr hauptsächlich gruppenprozessuale Beobachtungen durchgeführt. Kurt Lewin kam es also weniger auf Äußerungen und Aussagen einzelner Gruppenmitglieder an, sondern im Vordergrund des Interesses lagen Gruppendynamik und Gruppenprozesse wie beispielweise Führungsstile oder Reaktionen der Teilnehmer zu bestimmte Themen. So kam es, dass neben der Markt-

und

Meinungsforschung

als

Anwendungsgebiet

(beispielsweise

zu

Motivationsstrukturen der Konsumenten zum Kauf eines bestimmten Produktes) die Gruppendiskussion während des 2. Weltkrieges auch zur „Exploration der Wirkung von Propagandafilmen (…) oder Rundfunksendungen“ (Mangold, 1973, S.229 zitiert nach Lamnek, 1998, S.19) benutzt wurde. In Deutschland kam die Methode Mitte der 50er Jahre am Frankfurter Institut für Sozialforschung zur Anwendung. Häufig wird die Gruppendiskussion synonym auch als „Fokusgruppe“ bezeichnet (vgl. Lamnek, 2005, S. 73). Friedrich Pollock führte dort eine Gruppendiskussion „zur Untersuchung von Phänomenen des politischen Bewusstseins der deutschen Bevölkerung“ (Lamnek, 2005, S.409) mit insgesamt 1635 Personen in 151 Gruppen durch. Die Teilnehmer sollten freimütig über heikle Themen wie Judenverfolgung, deutsche Schuld am 2.Weltkrieg und die junge demokratische Staatsform diskutieren. Ziel war die Erforschung der politischen Meinungen

und

Einstellungen

verschiedenster

Bevölkerungsgruppen

Westdeutschland. Nun rückten also inhaltliche Aspekte in den Vordergrund: „es sollten Informationen substanzieller Art erhoben und erfasst werden, wobei es weniger auf die gruppendynamischen Effekte als vielmehr auf die Information selbst ankam“ (Lamnek, 2005, S.19).

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Für die Veröffentlichung der Ergebnisse in dem Buch „Gruppenexperiment“ wurde Pollock scharf kritisiert und löste in Deutschland damit eine breite Diskussion über die Methode der Gruppendiskussion aus. Einen Abschluss dieser Diskussion und gleichzeitig auch eine Weiterentwicklung stellt Werner Mangolds Dissertation 1960 über „Gegenstand und Methode des Gruppendiskussionsverfahren“. Mangold widmete weniger der Einzelmeinung als vielmehr der Gruppenmeinung, dem Kollektiv, mehr Beachtung, da diese der Realität am nächsten käme. Die Gruppendiskussion wird in den folgenden Jahren stetig weiterentwickelt und in ihrer Ausführung und Methode verfeinert. Zu nennen sind hier Pross, Herkommer und die Bielefelder Soziologen Mucciellies und Nießen. Trotz dieser konsequenten Fortführungen und Verbesserungen der Methode wird sie relativ selten benutzt und nur von wenigen „Insider“ auch wirklich angewendet. Erst gegen Ende der 90 Jahre wird die Gruppendiskussion von der Jugendforschung durch Ralf Bohnsack, Peter Loos und Burkhard Schäffer wieder verstärkt aufgenommen und erfährt eine Art „Rennaisannce“. Heutzutage ist das Gruppendiskussionsverfahren auf dem besten Wege, neben den etablierten Einzelinterviewverfahren zu einem der Standarderhebungsverfahren qualitativer Forschung zu avancieren (vgl. Loos, Schäfer, 2001, S.76). Vor allem bei kleineren Instituten und bei kommerziellen Mark- sowie Meinungsforschern wird die Methode der Gruppendiskussion mit zunehmender Häufigkeit eingesetzt.

I. Gruppendiskussion – Was ist das? Bevor wir uns den recht unterschiedlichen Definitionen der Gruppendiskussion widmen, soll vorab geklärt werden, was die Gruppendiskussion als qualitative Datenerhebungsmethode kennzeichnet. Beschäftigt man sich näher mit dem Begriff Qualitative Forschung, trifft man unweigerlich auf einen weiteren: Quantitative Forschung . Als Student ist es oftmals ermüdend, unverständlich aber auch recht amüsant, wie Sportwissenschaftler, Soziologen, Psychologen und Erziehungswissenschaftler sich teilweise einen erbitterten Kampf liefern, welche dieser beiden Richtungen die Welt und die auf ihr lebenden Menschen besser erfassen kann, um so aussagekräftige und „wahre“ [Text eingeben]

Ergebnisse zu liefern. „Sobald Zahlbegriffe und deren In-Beziehung-Setzen durch mathematische Operationen bei der Erhebung oder Auswertung verwendet werden, sei von quantitativer Analyse zu sprechen, in allen anderen Fällen von qualitativer Analyse“ (Mayring, 2003, S.16). Diese Unterscheidung ist zu kurz gedacht, auch wenn in einschlägigen Lehrbüchern immer wieder strikt zwischen quantitativ und qualitativ unterschieden wird, entspricht dies nicht unbedingt der Realität. Denn auch qualitative Forschung kommt manchmal nicht umhin, zu zählen (vgl. Oswald, 2003, zitiert nach Reinders, 2005, S.18). Fakt ist aber auch, dass es grundlegende Unterschiede zwischen qualitativen und quantitativen Erkenntnisgewinnung gibt. Diese Unterschiede weiter auszuführen würde zu weit gehen, deshalb wird sich an dieser Stelle nur den wesentlichen Merkmalen qualitativer Forschung gewidmet. König und Bentler nennen hierzu folgende

Grundsätze

qualitativer

Forschung,

welche

der

Autor

auf

die

Gruppendiskussion überträgt: -

Qualitative Forschung eignet sich besonders gut zur Erforschung wenig bekannter Bereiche

Gruppendiskussionen beginnen häufig mit einer Fragestellung mit der weder eine Theorie oder eine Hypothese bestätigt werden soll, vielmehr ergeben sich aus der Diskussion völlig neue Ansichten und Forschungsthemen. -

Qualitative Forschung versucht das Handeln und Denken Einzelner zu verstehen, folglich ist die subjektive Sichtweise des Einzelnen wichtig.

Gerade durch Kommunikation und Dialog wird bei der Gruppendiskussion versucht die Meinungen und Sichtweisen einzelner Personen nachzuvollziehen. -

Damit die Subjektivität erhalten bleibt, müssen auch die gegebenen Informationen in ihrer inhaltlichen Ganzheit erhalten bleiben

Durch Audio-Aufzeichnung, Video-Aufzeichnung und etwaigen Mitschrieb, wird alles Gesagte während einer Gruppendiskussion festgehalten und im Anschluss in eine schriftlich-digitale Form übertragen (Transkription). (vgl. Reinders, 2005, S.20)

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Auch Gabriele Rosenthal ordnet die Fokusgruppe aufgrund der Orientierung an den jeweiligen Besonderheiten der interviewten Personen und deren großzügigen Gestaltungs- und Meinungsspielraum der qualitativen Sozialforschung zu (vgl. Rosenthal, 2008, S.13). Angesichts dieser Grundsätze lässt sich die Methode vorbehaltlich der qualitativen Forschung zuordnen, was allerdings nicht heißen soll, dass mit Hilfe der Gruppendiskussion keinerlei quantitative Forschung betrieben werden kann. Definition Eine allgemein gültige und einheitliche Definition für den Begriff Gruppendiskussion zu finden erweist sich als schwierig. So beschreibt Siegfried Lamnek die Gruppendiskussion als „ein Gespräch mehrerer Teilnehmer zu einem Thema, das der Diskussionsleiter benennt (..) und das dazu dient, Informationen zu sammeln.“ (Lamnek, 1998, S.11). Für ihn ist die Gruppendiskussion ein Gruppengespräch zu einem bestimmten Thema unter Laborbedingungen. Mit „Laborbedingungen“ wird lediglich klargestellt, dass für die Teilnehmer im Normalfall keine gewohnte und natürliche Umgebung vorliegt. Hingegen Morgan charakterisiert die Fokusgruppe als „eine Erhebungsmethode, die Daten durch die Interaktionen der Gruppenmitglieder gewinnt, wobei die Thematik durch das Interesse des Forschers bestimmt wird“ (Lamnek, 1998, S.27). Er macht damit deutlich, dass das Gespräch in eine klare Richtung geht und dieses durch das Interesse bzw. das Ziel des Forschenden relativ klar vorgegeben wird. Noch bestimmter wird Ralf Bohnsack: „Bei einer Gruppendiskussion haben wir es – genauer betrachtet – mit zwei ineinander verschränkten Diskursen zu tun: demjenigen zwischen Forschenden und Erforschten einerseits und demjenigen der Erforschten untereinander andererseits.“ (Bohnsack, 2007, S.207). Dem Wort „Diskurs“ ist hier besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Hierunter ist ein hin und her gehendes Gespräch“ bzw. eine öffentliche Diskussion zu verstehen. „Unter dem Stichwort ‚Diskurs‘ führe ich die durch Argumentation gekennzeichnete Form der Kommunikation ein, in der problematisch gewordene Geltungsansprüche zum Thema gemacht und auf ihre Berechtigung hin untersucht werden.“ (Habermas, 1972, S.131)

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In der Literatur gibt es noch weitere Versuche einer eindeutigen Begriffsbestimmung, auf deren weitere Nennung und Aufzählung an dieser Stelle jedoch bewusst verzichtet wird. Es bleibt festzuhalten, dass eine Vielzahl an Definitionen dieses Begriffes existieren, eine Einheitlichkeit und Einigkeit bis zum heutigen Tag allerdings nicht vorhanden ist. Dies stellt indes keinesfalls einen Missstand oder gar ein Problem dar, sondern zeigt vielmehr offenkundig die Komplexität und den Facettenreichtum dieser Methode (vgl. Morgan, 1997, S.6). Anwendungen/Einsatzgebiete Gerade dieser Facettenreichtum bietet der Fokusgruppe die Möglichkeit und Chance bei einer Vielzahl verschiedenster und unterschiedlichsten Forschungsthemen zur Anwendungen zu gelangen. Zu den wichtigsten Einsatzgebieten zählt Lamnek folgende: -

Ermittlung der individuelle nicht-öffentliche Meinung (nach Pollock)

-

Feststellung der informellen Gruppenmeinung (nach Mangold)

-

Ermittlung der situationsabhängigen Gruppenmeinung (nach Nießen)

-

Ermittlung eines kollektiven Orientierungsmusters (nach Bohnsack)

-

Informationsgewinnung in der Marktforschung

-

Untersuchung gruppeninterner Prozesse

-

Pretest-Methode und Instrumentenentwicklung

-

Plausibilisierung und Illustration

-

Als therapeutisches Instrument

(vgl. Lamnek, 2005, S.55 - 77) Vereinfacht ausgedrückt kann man sagen, dass das Haupterkenntnissinteresse einer Gruppendiskussion grundlegend in vier Gebieten liegt: den Gruppenprozessen (Verhalten), der Gruppenmeinung (Inhalt), dem Meinungsspektrum und/oder der Unterstützung von standardisierten Forschungsmethoden. Liegt das Interesse einer Fokusgruppe bei der Beobachtung von Gruppenprozessen, ist das gesetzte Thema eher zweitrangig. Vielmehr geht es um Gruppenbildungsprozesse, Herausbildung von Funktions- und

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Kommunikationsstrukturen sowie Kooperation und Interaktion der Gruppenmitglieder mit- und untereinander (vgl. Lamnek, 2005, S.69) Besteht als Erkenntnisziel die Erfassung der Gruppenmeinung, wird die Gruppe durch den Diskussionsleiter dazu aufgefordert über ein bestimmtes Thema zu diskutieren. Nun steht also der Inhalt, die getätigten Aussagen in der Diskussion, im Vordergrund. Am Ende kann sich eventuell eine dominante Gruppenmeinung herausbilden, die Abweichler hat oder eben nicht (vgl. Kelman, 1961, S.57 - 78). Moralvorstellungen, Werte und Konflikte der Gruppe können dabei sehr deutlich sichtbar werden. Gerade in der kommerziellen Markt- und Meinungsforschung werden Gruppendiskussionen zur Ermittlung von einem Spektrum an Meinungen, Einstellungen sowie Verhaltensweisen eingesetzt. Reaktionen von (potentiellen) Konsumenten auf Werbung und Motive zum Kauf eines Produktes können Forschungsgegenstand sein. Es werden zwar Erkenntnisse über das Konsumverhalten geliefert, welche keinen statistischen Repräsentationsschluss zulassen, dafür können aber durchaus Entwicklungen im Konsumverhalten ersichtlich werden (vgl. Lamnek, 2005, S.70). Desweitern bei standardisierten Forschungsmethoden wie z.B. Fragebögen, ist die Gruppendiskussion bei der Entwicklung und Verbesserung von Forschungsinstrumenten sehr hilfreich. So bieten Gruppendiskussionen „[…] zusätzlich die Möglichkeit, Schwierigkeiten und Probleme, Mängel und Unverständlichkeiten in der Gruppe zu diskutieren, um eventuell auch Vorschläge für eine bessere Gestaltung des Erhebungsinstruments […] zu erzielen.“ (Lamnek, 2005, S.72). Sachverhalte, Fehler und Probleme mit Fragestellungen können so vorab geklärt und gegebenenfalls verbessert werden. Abgrenzung zu anderen Verfahren Abgrenzung zum qualitativen Experiment Bereits Pollock traf mit der Veröffentlichung seines Studienberichts 1955 unter dem Namen „Gruppenexperiment“ auf scharfe Kritik. Nicht allein wegen des brisanten Inhalts, sondern auch aufgrund des Titels, da viele Kritiker die Voraussetzungen für ein Experiment als nicht gegeben ansahen. Wo liegt nun der Unterschied zwischen Experiment und Gruppendiskussion? Ein Experiment untersucht die Ursache[Text eingeben]

Wirkung-Beziehung zwischen Variablen, welches ein grundlegender Unterschied zu Beobachtungen und Befragungen darstellt. Diese beiden Erhebungsformen erlauben nur die Vermutung von Zusammenhängen, nicht aber deren Nachweis (vgl. Benesch, 1994, S.59). Ferner müssen bei einem Experiment Erkenntnisse reproduzierbar, wiederholbar, Randbedingungen konstant - somit immer gleich - sowie Variablenveränderungen durch eindeutige Größen messbar sein (vgl. Mollenhauer, Rittelmeyer, 1977, S.177 - 178). „Das Gruppendiskussionsverfahren tut sich schwer, diese Bedingungen zu erfüllen“ (Vollmerg, 1977). Jede Gruppendiskussion müsste im selben Raum, zur selben Tageszeit, mit demselben Diskussionsleiter durchgeführt werden. Sind diese Bedingungen noch erfüllbar, reagieren die unterschiedlichen Teilnehmer doch häufig unterschiedlich auf getätigte Aussagen und auch die Zusammensetzung der Gruppe ist bei jeder Durchführung stets eine andere (unterschiedliche Lebenserfahrung, Lebensumstände, Alter uvm.). „Selbst wenn sämtliche Randbedingungen standardisierbar wären - …, bereitete die methodische Trennung von Bedingungen und Effekten im Verlauf des Gruppenprozesses Schwierigkeiten. Denn die Diskussionsteilnehmer reagieren nicht nur auf den Grundreiz, sondern auch auf die jeweiligen Äußerungen der anderen Teilnehmer der Diskussion“ (Vollmerg, 1977). Abgrenzung zum Einzelinterview Die Gruppendiskussion ist also faktisch kein Experiment. Genauso wenig kann sie als ein Einzelinterview bezeichnet werden. Beim Einzelinterview hat der „Interviewer“ die zentrale Aufgabe, aktiv Aussagen, Ergebnisse und Wissen von dem Befragten zu erhalten. Es werden dabei möglichst gezielt Fragen gestellt, um so die Antwort auf das zu erforschende Thema zu erhalten (vgl. Bohnsack, Marotzki, Meuser, 2011, S.95). Es wird von festliegenden, jederzeit reproduzier- und abrufbaren Meinungen oder Einstellungen der Untersuchungspersonen ausgegangen. Hierbei wird nach Lamnek „die öffentliche Meinung als aggregierte Durchschnittsmeinung“ erstellt (Lamnek, 1993). Die Fokusgruppe soll aber kein Gespräch zwischen Teilnehmer und Diskussionsleiter, sondern vielmehr ein Gespräch unter den Teilnehmern sein, so dass sich auch völlig neue Themen- und Forschungsfelder in der Diskussion selbst ergeben können. Lamnek ist auch der Meinung, dass die öffentliche Meinung nur dann zum Vorschein kommt, wenn die einzelnen individuellen Meinungen in einem Gruppenprozess diskutiert werden: „Die Gruppendiskussion dagegen geht von der [Text eingeben]

kontextuellen Bedingtheit der Einzelmeinungen aus“ (Lamnek, 1993). In einem Einzelinterview kann eine solche Diskussion höchstens zwischen Interviewer und Proband stattfinden und wird somit den Bedingungen und Anforderungen einer Gruppendiskussion nicht gerecht. Bereits 1995 grenzt Lamnek mit der Aussage die Gruppendiskussion sei „eine spezifische Form des Gruppeninterviews“ (vgl. Lamnek, 1995, S.125) eindeutig die Gruppendiskussion gegenüber dem Einzelinterviews ab.

Chancen und Schwierigkeiten der Gruppendiskussion Vorab muss an dieser Stelle klar gesagt werden, dass es schwer fällt die Vorteile oder die Nachteile zu nennen, da es - wie bereits gezeigt - die Methode der Gruppendiskussion einfach nicht gibt. Man muss sich bewusst sein, dass jede Gruppendiskussion an sich anders und unterschiedlich ist (vgl. Kromrey, 1986, S.112). Was in der einen Diskussion noch als Vorzug erscheint, kann bei einer anderen Diskussion bereits als Nachteil angesehen werden. Und dennoch gibt es nach Lamnek (2005, S. 84 - 88) charakteristische und zentrale Vorteile als auch Nachteile der Gruppendiskussion, die zusammengefasst vorgestellt werden: Vorteile Gruppendiskussionen lenken die Aufmerksamkeit der Teilnehmer und des Forschers auf Themen, welche eventuell gar nicht vorgesehen waren. Dementsprechend ergeben sich im weiteren völlig neue Ansichten, Hypothesen und Forschungsfelder. Auch lassen sich mit Hilfe der Gruppendiskussion gruppendynamische Prozesse beobachten und ermöglicht das Aufdecken emotionale Hintergründe einzelner Probanden. Durch die exakte Aufzeichnung bietet sich zusätzlich die Chance einer späteren genaueren Untersuchung. Oft werden Gruppendiskussionen dabei auch zum Zwecke der Exploration und als sogenannte „Pretest-Methode“ eingesetzt. Fehler und auftretende Missverständnisse bei Fragebögen können vorab geklärt werden (vgl. Lamnek, 2005, S.72). Ferner werden nach Kromrey insgesamt weniger Fokusgruppen als standardisierter Interviews benötigt, um eine entsprechende Anzahl an Aspekten aufbringen zu können (Kromrey, 1986, S.110).Sie liefern relativ viel Material und Informationen bei vergleichsweise geringem Aufwand. Nach Fern (1983) sind zwei Gruppendiskussionen mit je acht Diskussionsteilnehmer insgesamt weitaus [Text eingeben...


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