Zwangsstörungen Zusammenfassung aus Diagnostik PDF

Title Zwangsstörungen Zusammenfassung aus Diagnostik
Course Psychologische Diagnostik
Institution Universität Bremen
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Zusammenfassung des Themas Zwangsstörungen aus dem Modul Diagnostik im Wintersemester 2017/2018...


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Zwangsstörungen & Testdiagnostik 19. Dezember 2017

1. Zwangsstörungen 1.1 Einordnung in das ICD-10, Formen der Zwangsstörungen ● Kapitel F4 der ICD-10: Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen ● F42.0 Zwangsstörungen ○ Wesentliche Kennzeichen: Zwangsgedanken und/oder -handlungen ○ Beginn in der Kindheit oder frühes Erwachsenenalter ○ Gleich häufig bei Männern und Frauen ○ Oft prämorbid vorliegende zwanghafte Persönlichkeitszüge ○ Verbindung besonders von Zwangsgedanken mit Depressionen ● F42.1 vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang ● F42.2 vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale) ● F42.3 Zwangsgedanken und -handlungen, gemischt → Häufigste Form (!)

1.2 Zwangsstörungen im Kindes- und Jugendalter ● ● ● ●

Prävalenz zwischen 0,1 und 4% Alter: 10,3 vs. 12,8 Jahre (Klinische vs. Epidemiologische Studien) Geschlechterverhältnis: 3:2 vs. 1:1 (Jungen : Mädchen) Hohe Komorbidität (am häufigsten Angststörungen u. Depressionen, mit zunehmenden Alter insbesondere anankastische Persönlichkeitsstörung)

1.3 Wesentliche Kennzeichen 1.3.1 Zwangsgedanken ● Ideen, Vorstellungen oder Impulse, die sich Betroffenen aufdrängen und ihn immer wieder beschäftigen ● Hoher Leidensdruck ● Widerstand ist erfolglos ● Erleben als eigene Gedanken, obwohl unwillkürlich und abstoßend ● Person versucht Gedanken zu ignorieren oder mit Hilfe anderer Gedanken oder Handlungen auszuschalten 1.3.2 Zwangshandlungen ● Ständig wiederholende Stereotypien bzw. Handlungsabläufe ● Unangenehm, keine nützliche Aufgabe ● Widerstand ist erfolglos ● Oft wirkungslose/symbolische Vorbeugung gegen ein objektiv unwahrscheinliches Ereignis

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1.3.3 Ausprä gunge n

1.4 Hauptkriterien ● Wenigstens 2 Wochen an den meisten Tagen Zwangsgedanken und/oder handlungen; sie müssen quälend sein oder normale Aktivitäten stören ● Zwangssymptome müssen folgende vier Merkmale aufweisen: 1. Zwangssymptome werden als eigene Gedanken/Impulse erkannt 2. Wenigstens einem Gedanken/einer Handlung muss noch Widerstand geleistet werden, wenn auch erfolglos 3. Gedanke/Handlungsausführung darf nicht angenehm sein; Leidensdruck besteht 4. Gedanken, Vorstellungen etc. müssen sich in unangenehmer Weise wiederholen

1.5 Was ist differenzialdiagnostisch zu beachten? ● Tritt häufig gemeinsam mit Depressionen auf ○ Diagnose, deren Symptome zuerst aufgetreten sind, hat Vorrang ○ Ist kein Syndrom stärker ausgeprägt, erhält Depression Vorrang ● Teil der Zwangsstörung: gelegentliche Panikattacken, leichte phobische Symptome ● Nicht Teil der Zwangsstörung: Zwangssymptome bei Schizophrenie, beim Tourette-Syndrom oder bei organisch psychischen Störungen ● Zwangsstörung + anankastische Persönlichkeitsstörung = ungünstiger Verlauf ● Trennung von Zwangsgedanken und -handlungen ist sinnvoll, da sie unterschiedlich behandelt werden

1.6 Erklärungsansätze 1.6.1 Verhaltenstheoretischer Erklärungsansatz

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Zwangsgedanken (infolge der Annahme katastrophaler Konsequenzen einer Handlung oder Situation) führen zu negativen Emotionen (Ekel, Angst, Scham) ● Zwangshandlungen können diese Emotionen reduzieren (negative Verstärkung der Zwangshandlung, da erleichterndes Gefühl nach Durchführung eintritt) ● Frequenz und Intensität werden dadurch im Laufe der Zeit erhöht ● Zwangshandlungen verhindern Konfrontation mit der fokussierten unangenehmen Situation, durch die Zwangshandlungen ausgelöst werden (fehlende Realitätstestung) → Fortbestehen der Zwangsgedanken ●

1.6.2 Kognitiver Erklärungsansatz ● aufdringliche Gedanken sind Bestandteil eines normalen Gedankenablaufs (handlungsbegleitend, fast automatisch) ● durchgängige Bewertung dieser Gedanken, um wichtige Informationen herauszufiltern ● im Fall von Zwangsstörung: aufdringliche Gedanken werden als negativ bewertet → Unruhe/ Erregung ● Versuch der Neutralisierung durch Rituale (kognitive oder verhaltensmäßige) → nur vorübergehend möglich, weil Neutralisierungsversuch wieder auf die Gedanken aufmerksam macht und erneut Unruhe/ Erregung auslöst → Zunahme der Intensität der Zwangsgedanken 1.6.3 Biopsychosozialer Erklärungsansatz ● Kombination aus biologischer Vulnerabilität, psychosozialer Belastung und prämorbider Auffälligkeiten → Zwangsgedanken (oft mit spezifischen Auslösern) ● negative Verstärkung durch Reduktion negativer Emotionen → Aufrechterhaltung ● Eltern werden häufig mit einbezogen ○ reagieren mit Zuwendung, entlastend (positive Verstärkung) ○ Verhalten der Eltern wird durch Zwänge ebenfalls kontrolliert ○ Auseinandersetzungen, wenn sich Eltern nicht in Zwang einbinden lassen wollen

1.7 MAS-ICD-10 Achsensystem ● mulitaxiales Klassifikationsschema für psychische Störungen im Kindesund Jugendalter ● Berücksichtigung von Kontextinformationen, die für die Ursache/ Entwicklung/ Aufrechterhaltung einer psychischen Störung relevant sind (oder sein können)

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Achse 1

Klinisch-psychiatrisches Syndrom

nach ICD-10: F0-F6 & F9

Achse 2

Umschriebene Entwicklungsstörungen

nach ICD-10: F8

Achse 3

Intelligenzniveau

Erweiterung des ICD-10: F7

Achse 4

Körperliche Symptomatik

Alle ICD-10- Kapitel, außer Kapitel V

Achse 5

Assoziierte aktuelle abnorme psychosoziale Umstände

Ähnlich zu DSM, Achse IV

Achse 6

Globalbeurteilung der psychosozialen Anpassung & Diagnoseergänzender Symptomkatalog (DSK)

Analog zu DSM, Achse V

1.8 SORKC-Modell ● Verhaltensmodell, das Verhalten und dessen Erwerb (Lernen) als Abfolge von: ○ Stimulus (Situation, Reiz) ○ Organismus (interne individuelle Bedingung) ○ Reaktion (Verhalten) ■ motorisch ■ physiologisch ■ emotional ■ kognitiv ○ Kontingenz (Regelmäßigkeit des Verhaltens) ○ Konsequenz (Consequence, Aufrechterhaltung eines erlernten Verhaltens) beschreibt ● Erweiterung des operanten Konditionierens

2. Testdiagnostik 2.1 Die Diagnostik, die mittels standardisierter Verfahren durchgeführt wird und reproduzierbare Aussagen zulassen soll. Unterschieden wird zwischen voll- und teilstandardisierten sowie projektiven Tests. unverzichtbare Ergänzung, bei Hinweis auf ● Entwicklungsverzögerung ● Leistungsprobleme ● Verhaltens-, emotionale Auffälligkeiten

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2.2 Ermittlung von Stärken und Ressourcen ● kognitiven Stärken ● Intelligenz- bzw. Leistungsminderung ⇨ ⇨ ⇨

differentialdiagnostische Beurteilung Förder- oder Therapiebedarf? Leistungsänderung/- verlauf

… 2.3 Anwendung ● Tests werden unter standardisierten Bedingungen (Fairness, Vermeidung von Testleitereffekten) durchgeführt. ● Sie sollten nicht älter als 10 Jahre sein und bieten Differenzierungsmöglichkeiten sowohl bei < 85 als auch > 115 IQ ●

sog. Testbatterien ermöglichen eine vereinfachte Diagnosefindung

und sollten ● abhängig von Fragestellung ● ● ● ● ●

individuellen Vorbefunden Alter und Reifegrad Aufmerksamkeitsspanne evtl. Störungen z.B. visuell Migrationshintergrund

ausgewählt werden. 2.4 Diagnostische Kategorien -

Störungsspezifische Diagnostik Entwicklungsdiagnostik Leistungsdiagnostik Intelligenzdiagnostik Leistungs- und Teilleistungsdiagnostik Screeningverfahren

3. Kategoriale und Dimensionale Diagnostik 3.1 Kategoriale (klassifikatorische) Diagnostik

• •

Ziel: Diagnosestellung nach ICD-10 Wichtig für: Kostenübernahme durch Krankenkasse zielgerichtete evidenzbasierte Psychotherapie

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zu beachten: 50% - 75% Patienten haben Komorbidität -> 2. Diagnose Wenn nicht erfasst, wird der Therapieerfolg behindert!

3.2 Dimensionale Diagnostik •



Ziel: Messung der Ausprägung von Symptomen, Beschwerden, Belastungen -> Bestimmung des Schweregrades der Störung Bei Therapiebeginn, während der Therapie und zum Abschluss Verlaufsmessung und Erfolgskontrolle (Qualitätskontrolle)

4. Gütekriterien in der Testdiagnostik Objektivität

Reliabilität

Validität

Normierung

4.1 Objektivität Unabhängigkeit von der Person der Testleitung und Umgebungsvariablen

Durchführungsobjektivität • Folgt Durchführung einer vorgeschriebenen Struktur? Instruktionen an Testleitung, Umgang mit Fragen, Reihenfolge... Auswertungsobjektivität ● Folgt die Auswertung einer vorgeschriebenen Struktur oder aus dem Bauch heraus? ● Auswertungsregeln, Auswertungsschablonen, Anweisung zum Umgang mit Beobachtungsergebnissen Interpretationsobjektivität • Wird das Testergebnis mit objektiven Daten abgeglichen? Eichstichprobe, Berücksichtigung von Testerfahrungen 4.2 Normierung • • • • •

Normen für diagnostische Ziele Repräsentativität der Eichstichprobe für Zielgruppen Angaben zur Datenerhebung Größe der Eichstichprobe Angemessenheit der Skala z.B. sind T-Werte vorhanden

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4.3 Relialibität Genauigkeit mit der ein Test ein Merkmal erfasst Retest-Reliabilität • Wiederholung des Tests nach festgelegter Zeit Wie stark ist die Abweichung zwischen den Ergebnissen? • Problem: Das Merkmal könnten sich zwischen den Testungen verändert haben Paralleltestreliabilität • Vergleich der Ergebnisse sehr ähnlicher Tests Da großer Aufwand, selten genutzt. Testhalbierungsreliabilität (Split-half-Reliabilität) • Vergleich zweier Testhälften miteinander Anzahl und Homogenität der Items müssen dies ermöglichen 4.4 Validität Misst der Test wirklich das gewünschte Merkmal?

Inhaltsvalidität • Sind die Items repräsentativ für das zu messende Merkmal? Bestmögliche Operationalisierung des Konstrukts durch die Items Kriteriumsvalidität • Übereinstimmung des gemessenen Konstruktes mit einem Außenkrieterium • z.B. Intelligenztest und Prüfungsleistung Verhalten außerhalb des Tests Konstruktvalidität • Empirischer Nachweis über die Messung des gewünschten Merkmals Konvergente V.: Zwei Test über das gleiche Merkmal korrelieren Diskriminante V.: Zwei Test über verschiedene Merkmale korrelieren nicht. Z.B. Intelligenz und Konzentration

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Literatur Dilling, H., Mombour, W. & Schmidt, M. H. (2015). Internationale Klassifikation psychischer Störungen: ICD-10, Kapitel V (F); Klinisch-diagnostische Leitlinien (10., überarbeitete Auflage, unter Berücksichtigung der Änderungen entsprechend ICD-10-GM 2015). Göttingen: Hogrefe. Goletz, H. & Döpfner, M. (2009). Zwangsstörungen. In F. Petermann (Hrsg.), Fallbuch der Klinischen Kinderpsychologie (3., vollständig überarbeitete Version e.d., S. 121-141). Göttingen: Hogrefe. Knölker, U. (2014). Fall 4: Der Junge, der nicht aufhören kann, sich zu waschen. In H. J. Freyberger & H. Dilling (Hrsg.), Fallbuch Psychiatrie (2., überarbeitete und erweiterte Auflage, S. 39-46). Bern: Huber. Neudeck, P. & Mühlig, S. (2013). Informationen zu Zwangsstörungen. In P. Neudeck & S. Mühlig, Therapie-Tools Verhaltenstherapie, Online-Material. Basel: Beltz. Schmidt-Atzert, L. & Amelang, M. (2012). Psychologische Diagnostik. Berlin: Springer

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