Alt- und Mittelneolithikum in Mitteleuropa. Untersuchungen zur Verbreitung verschiedener Artefakt- und Materialgruppen und zu Hinweisen auf regionale Tradierungen. Bd. 1 PDF

Title Alt- und Mittelneolithikum in Mitteleuropa. Untersuchungen zur Verbreitung verschiedener Artefakt- und Materialgruppen und zu Hinweisen auf regionale Tradierungen. Bd. 1
Author E. Biermann (Rhei...
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Alt- und Mittelneolithikum in Mitteleuropa Untersuchungen zur Verbreitung verschiedener Artefakt- und Materialgruppen und zu Hinweisen auf regionale Tradierungen ERIC BIERMANN Köln 2001 (mit Überarbeitungen 2003) En arche en o logos Am Anfang war das Wort Gewidmet meinem Sohn CONNOR 2 Vorwort Die An...


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Alt- und Mittelneolithikum in Mitteleuropa Untersuchungen zur Verbreitung verschiedener Artefakt- und Materialgruppen und zu Hinweisen auf regionale Tradierungen

ERIC BIERMANN

Köln 2001 (mit Überarbeitungen 2003)

En arche en o logos Am Anfang war das Wort

Gewidmet meinem Sohn CONNOR

2

Vorwort Die Anregung zur Beschäftigung mit neolithischen Erscheinungen, hier insbesondere mit dem Mittelneolithikum, geht vor allem auf die Teilnahme an mehrmonatigen Ausgrabungskampagnen Ende der 1980er und zu Beginn der 1990er Jahre zurück, die von Dr. B. Dieckmann geleiteten wurden. Dies gilt insbesondere für eine Grabung in Singen am Hohentwiel („Singen-Nord“). Gerade der letztgenannte Fundplatz lieferte neben Material anderen Zeitstellungen auch ästhetisch sehr ansprechende Gefäße der Großgartacher Keramik. Die hier vorliegende, im Jahre 1997 begonnene Arbeit, sollte zunächst unter dem Titel „Mittelneolithikum in Mitteleuropa. Die Verbreitung der Großgartacher Keramik und ihre Beziehungen zu räumlichen und zeitlichen Nachbarn“1 einen erweiterten Anschluss an meine 1995 abgeschlossene, thematisch ähnlich gelagerte Magisterarbeit bilden (Biermann 1997a). Bei den Kartierungen, die diese Beziehungen näher beleuchten sollten, stellt sich jedoch heraus, dass die ‚räumlichen und zeitlichen Nachbarn‘ im Text und in den Abbildungen einem derartigen Umfang an Erläuterung und Beschreibung bedurften, dass eine wie im Titel vorgesehene Fokussierung auf die Großgartacher Keramik nicht mehr treffend erschien. Da sich in den Verteilungen der verschiedenen behandelten Artefaktgruppen zudem nicht nur Beziehungen zwischen den verschiedenen Stilen, sondern auch regionale Traditionen spiegelten, wurde der Titel der Arbeit in entsprechender Weise umgewandelt. Einige der zu großgartachspezifischen Abschnitte wurden ausgelassen oder verändert. Andere Abschnitte (etwa Abschnitt 6.0) betonen aber weiterhin deren oft zentrale Bedeutung bei chronologischen und räumlichen Aspekten. Die vorliegende Arbeit wurde zunächst als Dissertation geplant und im Jahr 2002 in Köln vorgelegt. Die Annahme in der bestehenden Konzeption wurde dort jedoch abgelehnt. Da ich wiederum nicht bereit war, wie gefordert einige thematische Abschnitte ganz oder teilweise zu streichen (betreffend vor allem die Abschnitte 8.0 bis 13.0), konnte das Dissertationsvorhaben nicht verwirklicht werden. Die Arbeit wurde dann Ende 2003 nochmals leicht überarbeitet, da z.B. bezüglich der Rössener Keramik nun neue zusammenfassende Ergebnisse für Niedersachsen vorlagen (Lönne 2003). Einige Kollegen, die meine Arbeit in Auszügen oder insgesamt kannten, bestätigten mich jedoch in der Absicht, die vorliegenden Ergebnisse allgemein zugänglich zu machen. Ich bin vielen Kolleginnen und Kollegen zu Dank verpflichtet, die mit unveröffentlichten Fundplatzdaten und Fundzeichnungen, thematischen Sonderdrucken und Literaturhinweisen, technischer Unterstützung, Informationen zu und kritischer Diskussion von Teilaspekten und anderen Hilfeleistungen dazu beigetragen haben, die Basis dieser Arbeit erweitern. Dies gilt auch für jene, die ich in Folge möglicherweise nicht namentlich erwähne. Den Herren Prof. Dr. Jürgen Richter, Köln, und Erich Claßen M.A., Köln, sei besonders für die Verfügbarmachung ihrer Funddatenbank zum Atlas der Rheinlande (Neolithikum) gedankt (Richter 1997a). Herrn Dr. Thomas Frank, Köln, danke ich für einen Datenabgleich mit der Kölner Funddatenbank zur Besiedlung der Aldenhovener Platte. Frau Dr. Barbara Dammers, Mainz, stellte mir freundlicherweise Zeichnungen und Daten zu mittelneolithischen Funden und Fundplätzen des Großraumes Mainz zur Verfügung. Frau Dr. Ursula Eisenhauer danke ich besonders für die Bereitstellung ihrer Funddatenbank zum Mittelneolithikum in der Wetterau. Dem inzwischen leider verstorbenen Kollegen Herrn PD. Dr. Helmut Spatz bin ich für seine kritischen Anmerkungen, sowie insbesondere für Daten und Informationen zum Gräberfeldfundplatz Trebur sehr zu Dank verpflichtet. Ihm und der leider ebenfalls verunfallten Frau Dr. Annemarie Häußer verdanke ich zudem einige anregende Diskussionen zu einzelnen Abschnitten der Arbeit. Herr Prof. Dr. Christian Jeunesse, Strasbourg, stellte mir freundlicherweise Zeichnungen der Keramik des Großgartacher Bestattungsplatzes Rosheim (Bas-Rhin) zur Verfügung. Herrn Dr. Bernd Engelhardt, Landshut, und Frau Karin Riedhammer M.A., Mainz, sei für die Möglichkeit der Einsichtnahme in das Fundmaterial von Geiselhöring gedankt. Herrn Dr. Bodo Dieckmann, Hemmenhofen, sei hier nochmals besonders für eine „ Vor-Ort-Einweisung“ in den mittelneolithischen Fundplatz Singen „ Offwiesen“ und für die Möglichkeit zur Einsichtnahme in das mittelneolithische Material von Singen und MühlhausenEhingen Dank gesagt. Den Herren Frank Goldschmidt M.A., Düren, und Carsten Mischka M.A., Köln, danke ich für ihre technische Hilfe bei den Kartierungen der Arbeit, Herrn Frank Goldschmidt M.A. 1

So z.B. noch bei Biermann 2000a; 2000b als in Vorb. angekündigt. 3

insbesondere für die Digitalisierung der verwendeten Grundkarte. Ihm verdanke ich zusätzlich Hilfe beim Layout des Kataloges. Herrn Dieter Hupka M.A., Neuss, sei für Hinweise zu technischen Aspekten der Keramikherstellung gedankt, Herrn Dr. Heiko Riemer, Köln, u.a. für Hinweise zu Funktionsüberlegungen bei Gefäßkeramik. Herr Lothar Giels M.A., Köln, stand immer wieder für Fragen zu Steingerätetechnik und Materialvorkommen und -auswahl zur Verfügung. Frau Dr. Majorie E.M. de Grooth, Maastricht, danke ich ebenfalls für Hinweise zu Materialeigenschaften und Steingerätetechnik, sowie für ein Exemplar ihrer Dissertation (Grooth, de 1994b). Für Hinweise und Literatur in verschiedenen Teilbereichen sei auch Herrn Dr. Dieter Kaufmann, Halle (besonders kultische Aspekte), Frau Dr. Erika Riedmeier-Fischer, Weilerswist (Tonlöffel), Herrn Dr. Wolfgang Neubauer, Wien (Kreisgrabenanlagen, Geomagnetik) und Herrn PD. Dr. Detlef Gronenborn, Mainz (besonders Sklaverei), gedankt. Herrn Jürgen Weiner M.A., Pulheim, sei für Hinweise zu neolithischen Fernwaffen, Herrn Dr. Jörg Orschiedt für Informationen zu Schädel- und Kopfbestattungen Dank gesagt. Herrn Dr. Ingo Gabriel, Schleswig, verdanke ich eine interessante Diskussion, u.a. zum Themenkreis Artefaktfunktion und -tradition. Herrn Dr. Pieter van de Velde, Leiden, möchte ich für Hinweise zur LBK und zum Mittelneolithikum in den Niederlanden und Bayern danken. Ein herzlicher Dank gilt auch Herrn Dr. Bernhardt Weninger, Köln, für seine Hilfe bei naturwissenschaftlichen Datierungsproblemen und der Datenkalibration. Frau Dr. Jutta Lehmann, Köln, Frau Sonja Ickler M.A., Köln, Herrn Heiko Hesse M.A., Köln, Herrn Dirk Schimmelpfennig, Köln, Frau Constanze Wilkens, Heidelberg, Frau Doris Winter M.A., Arnstadt, Herrn Dr. Peter Wendt, Köln, Herrn Dr. Andreas Tillmann, Landshut, Herrn Dr. Harald Stäuble, Dresden und Frau Dr. Andrea Zeeb-Lanz, Speyer, sei ebenfalls für wertvolle Gedankenanstöße, bzw. Literatur und Literaturhinweise gedankt. Frau Dania Braun, Frau Tanja Baumgart, Frau. Ines Jöns, Frau Alexandra Richter und Herrn Tobias Schubert, alle Köln, sowie Herrn Hans A. Glasmacher M.A., Düren, sei Dank für das Korrekturlesen ausgesprochen. Herrn Glasmacher verdanke ich zudem weitere wertvolle Gedankenanstöße. Meiner Ehefrau, Claudia Felten-Biermann, verdanke ich wertvolle Hinweise zu Parallelen aus der Ethnologie, der Soziologie und der Religionswissenschaft, sowie umfangreiche Korrekturlesearbeiten. Meiner Familie sei außerdem für ihre oft unendlich scheinende Geduld und Unterstützung gedankt. Dieses gilt insbesondere auch für meine Eltern, ohne deren zusätzliche materielle Hilfe und oft spontane Einsatzbereitschaft bei der Betreuung meines Sohnes, diese Arbeit sicher nicht möglich gewesen wäre.

Köln, Dezember 2003

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Einleitung Die Zielsetzung der vorgelegten Arbeit ist eine mehrfache. Zunächst soll ein allgemeiner Überblick über die Forschung in vielen Teilbereichen der alt- und mittelneolithischen Lebenswelt vermittelt werden. Dem Leser wird dabei eine Vertiefung des Stoffes, teilweise auch unter forschungsgeschichtlichen Aspekten, über möglichst vielfältige Literaturangaben zugänglich gemacht (Abschnitt 16.0). Dabei wird Wert darauf gelegt, durch Zitate ein möglichst weites Spektrum von oft unterschiedlichen Meinungen wiederzugeben. Ein umfangreicher Fundortkatalog bildet darüber hinaus eine Basis für weitere Forschungen (Abschnitt 19.0)2. Eine wesentliche Grundlage dieser Arbeit (vgl. Abschnitt 2.0) ist die räumliche Wiedergabe von katalogisierten Einzelaspekten. Die Kartierung verschiedener Artefaktgruppen in ihrer geographischen Verbreitung birgt dabei mehrere Möglichkeiten der Auswertung. So lässt sich zunächst feststellen wo und wie häufig das kartierte Material in Assoziation mit welchem keramischen Stil überhaupt auftritt. Zudem werden in mehr oder minder eingeschränkter Form chronologische Aussagen im Sinne einer regionalen und überregionalen horizontalstratigraphischen Interpretation möglich3. Darüber hinaus werden auch regionale Artefakttraditionen über keramische Stilgrenzen hinweg sichtbar. Auch Traditionsabbrüche und räumliche Verlagerungen (Ausdehnung oder geographische Verbreitungsreduzierung) werden durch solche Übersichten feststellbar. Damit wird es möglich dem Phänomen von Kontinuität und Diskontinuität kultureller Inventarbestandteile auch jenseits des sonst üblichen, auf die Keramikentwicklung ausgerichteten Blickwinkels, näher zu kommen. Ein Hinweis auf Kontinuität zwischen zwei (keramischen) Stilen (siehe dazu auch Abschnitt 1.0) ist durch Funde und Befunde gegeben, die derartige Verbindungen aufzeigen. Diskontinuität wird indirekt durch das Fehlen solcher Funde oder Befunde nahe gelegt. Überlieferungslücken oder ein schneller Wandel können jedoch durch das Fehlen solcher Verbindungen Diskontinuität vortäuschen (vgl. z.B. Waals, van der 1976). Desto mehr Artefakt- und Materialgruppen neben der Keramikverzierung bei der Kontinuitätsüberlegung einbezogen und untersucht werden, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit einer solchen vorgetäuschten Diskontinuität. Die Kontinuität der einzelnen Siedlungen (z.B. Grimm 1957; Kunow 1994; Schlette 1969) rückt hierbei zunächst in den Hintergrund (siehe auch Abschnitt 3.0). Sie ist ein Teilelement, bzw. eine Bedingung der hier im Vordergrund stehenden regionalen und überregionalen Artefakt- und Materialkontinuität oder Diskontinuität4. Das Aufzeigen regionaler Traditionslinien ist damit ein weiteres Anliegen der vorgelegten Arbeit. Werden derartige Traditionen festgestellt, bietet sich erneut eine chronologische Interpretationsebene, die zu den archäologischen Grundfragen des „ Was?, Wo?, Womit? und Wann?“ zurückführt. In der Arbeit werden verschiedene vorgeschichtliche Lebensbereiche auf diese Weise vorgestellt und untersucht. Einzelne Entwicklungen werden aufgezeigt und verglichen, anschließend mit anderen Teilbereichen in Beziehung gesetzt, in einen Zeitrahmen gestellt und wenn möglich zu einem Gesamtbild zusammengefasst und interpretiert. Den Kern der Arbeit bilden dabei erneut die auf der Kataloggrundlage erstellten Einzelkartierungen. Dabei wurde die Katalogversion der Jahre 2000/2001 verwendet. Den weiteren Rahmen bilden einführende Übersichtsabschnitte zu verschiedenen Lebensbereichen. Diese wurden teilweise nochmals überarbeitet und mit Ergänzungen jüngeren Datums versehen. Den Abschluss der Überlegungen bildet ein chronologisches Modell zum behandelten Zeitraum, in dem die Ergebnisse der einzelnen Kartierungen berücksichtigt sind (Abschnitt 14.0, 15.0).

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Der Katalog ist auf CD-ROM beigelegt. Ähnlich einem vor allem bei Ausgrabungen auf paläolithischen Fundplätzen eingerichteten Verteilungsraster, welches eine Interpretation von Aktivitätszonen und chronologischen Entwicklungen ermöglicht (z.B. Verschiebungen der Siedlungs- und Nutzungsflächen). 4 Zu einem ähnlichen Ansatz bereits: Jankuhn 1955; Wachter 1963. 3

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Zusammenfassung „ Probleme kann man niemals mit der gleichen Denkweise lösen durch die sie entstanden sind.“ (Albert Einstein) Die Arbeit gliedert sich in neunzehn übergeordnete Abschnitte. In Abschnitt 1.0 wird auf die in der weiteren Folge verwendete Terminologie eingegangen. Insbesondere die Verwendung des Kulturbegriffes wird erläutert und eine Differenzierung von Termini wie ‚Stil‘, ‚Gruppe‘ oder ‚Fazies‘ wird vorgenommen. Des Weiteren wird die angewendete Systematik für den Gebrauch der Begriffe ‚Altneolithikum‘ und ‚Mittelneolithikum‘ erläutert. Zu guter Letzt ist eine Liste der im weiteren Verlauf der Arbeit benutzten Abkürzungen für stilistische Erscheinungen angefügt. In Abschnitt 2.0 steht bei der Vorstellung der Grundlagen, Konzeption und Vorgehensweise im Rahmen der Erstellung der Arbeit vor allem der Fundortkatalog und die darauf basierende Rasterkartierung verschiedenster Artefakt-, Material- und Stilelemente im Vordergrund. Abschnitt 3.0 befasst sich mit verschiedenen quellenkritischen Gedanken. Hierbei spielen vor allem die Unterschiedlichkeit der landschaftlichen, forschungsgeschichtlichen und anderer Gegebenheiten, bzw. ihr Einfluss bei der Erstellung eines Fundortkataloges eine bedeutende Rolle, da diese sich auch auf die Kartenbilder auswirken. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Frage nach der Definition und Bedeutung von Kontinuität und Diskontinuität im Rahmen vorgeschichtlicher Entwicklungsabläufe und ihr Niederschlag im archäologischen Material. Die Forschungsgeschichte zu Alt- und Mittelneolithikum wird in Abschnitt 4.0 behandelt, wobei nach einem allgemeinen Abschnitt (4.1) auf die Forschungsentwicklung im Bereich einzelner Stile (4.2-4.4) eingegangen wird. Unter dem in Abschnitt 5.0 behandelten Aspekt der Verbreitung der Stile wird zunächst eine Einteilung des Arbeitsgebietes in vierzehn verschiedene Räume vorgenommen. Die Abschnitte 5.2 bis 5.7 behandeln dann das Vorkommen und die Häufigkeit der behandelten Stile in den einzelnen Räumen. Außerdem wird auch die chronologische Tiefe innerhalb der Keramikstile (Phasen) im Bezug auf regionale Entwicklungen untersucht. Im Ergebnis lassen sich hier sowohl grobe Verbreitungsschritte der Linearbandkeramik als auch der mittelneolithischen Nachfolgestile (z.B. Hinkelstein) erkennen. Ebenso lassen sich wahrscheinliche Genesegebiete postulieren. Abschnitt 6.0 geht dann explizit auf die Entwicklung eines einzelnen mittelneolithischen Stiles (Großgartach) im Verlauf seiner keramisch definierten Phasen ein (Abschnitt 6.2 – 6.6). Dabei werden auch Beziehungen zu vorangehenden und folgenden keramischen Stilausprägungen (Hinkelstein, Rössen) in Augenschein genommen. Die GG-Keramik ist wahrscheinlich im Neckarraum (= Raum 10) entstanden (GG I). Die Expansion des Stiles erfolgte in Phase GG II a. Ab dieser Phase sind verstärkt interregionale Kontakte (Mitteldeutschland, Bayern) nachweisbar. Die Phase II a löste zudem den HS-Stil endgültig ab. Mit Phase GG II b wird eine Umorientierung der Verbreitungsrichtung von Südwest- nach Nordost feststellbar. Mit der Phase GG II c hat die Besiedlung des nördlichen Rheinlandes und des Ruhrgebietes eingesetzt. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt immer noch im Neckarland. Phase GG III findet sich dagegen verstärkt in der Wetterau, im Göttinger Raum und im Nördlinger Ries. Unterschiedliche Schwerpunkte der Fundplätze und im Verteilungsbild verschiedene Beziehungen zu zeitlich benachbarten Phasen lassen eine partielle zeitliche Überschneidung der Phasen GG II c und III, vielleicht auch der RÖ-Keramik, möglich erscheinen. Die Fundplatzverteilung der GG-Phasen spricht für eine regional differenzierte Entwicklung mit zeitlichen Phasenüberschneidungen und unterschiedlich starker Phasenrepräsentanz. Es ergeben sich Zweifel an einer monolinearen bzw. monokausalen Abfolge GG – RÖ in Südwestdeutschland aufgrund dieser unterschiedlichen Verbreitungsräume. Die materielle Ausstattung in Verbindung mit den behandelten Keramikstilen des Arbeitsgebietes steht im Vordergrund von Abschnitt 7.0. Ein besonderes Augenmerk wird dabei zunächst auf die stilbenennende Tonware, d.h. vor allem auf Verzierungen und Formen, gerichtet (Abschnitt 7.1.1). 6

Es schließen sich technische Aspekte an. Die Keramikmagerung (Abschnitt 7.1.2) in der LBK zeigt bereits lokale Bevorzugungen von Magerungsbestandteilen, wie es z.B. bei der Glimmermagerung der jüngeren / jüngsten LBK Hessens sichtbar wird. Die Funde von glimmerhaltiger GG-, OL- und SBKKeramik im Neckarraum belegen einen Kontakt von GG zum bayerischen Mittelneolithikum. Für den Oberrhein zeichnet sich eine lokale Tradition von Magerungsbestandteilen ab, die von der LBK über GG zu RÖ reicht. Im Kerngebiet der GG-Keramik, dem Neckarland, ist Keramikmagerung dagegen insgesamt selten, was in der Tradition der HS-Keramik des Raumes steht. RÖ schließt hier an die GGTradition an. Anders ist dies in den Regionen, in denen GG spärlicher vertreten ist. Dort kommen in RÖ Magerungsbestandteile vor, die sich teilweise von regionalen Vorgängern ableiten lassen. Insgesamt werden damit einige regionale Charakteristika fassbar. Farbgebende Elemente der Keramik (Abschnitt 7.1.3), so Inkrustation (Abschnitt 7.1.3.1), Brand (Abschnitt 7.1.3.3) und Bemalung (Abschnitt 7.1.3.2) werden ebenfalls behandelt. Die Verteilung der Fundstellen mit Gefäßbemalung von LBK und SBK zeigen, dass es sich um ein östliches Phänomen handelt. Die LBK-Fundstellen sind dabei mehr nach Südosten orientiert, wobei die Saale eine Art Grenze markiert. Dagegen dominieren im Thüringer Becken SBK-Fundplätze. Den anderen mittelneolithischen Gruppen, sowohl West-, Südwest- und Südostdeutschlands ist die Bemalungstradition insgesamt fremd. Die wenigen unsicheren RÖ-Beispiele dürften somit ebenfalls auf östliche Anregungen, vermutlich aus der SBK, zurückgehen. Die Unterabschnitte von Abschnitt 7.1.4 befassen sich mit verschiedenen im Arbeitsgebiet vorkommenden keramischen Sonderformen (Abschnitt 7.1.4.1 – 7.1.4.9). Tonlöffel waren seit dem ältesten Abschnitt der LBK vertreten. Die GG-Tonlöffel mit massivem Griff stehen wahrscheinlich in dieser lokalen LBK-Tradition, da bislang keine HS-Beispiele als potentielle GG-Vorgänger bekannt geworden sind. Bemerkenswert sind dabei aber die unterschiedlichen Vorkommensschwerpunkte. Die SBK des Arbeitsgebietes übernahm diese Form nicht aus der LBK. RÖ ist anscheinend der jeweiligen lokalen Tradition gefolgt. Miniaturgefäße sind hauptsächlich in der LBK, der SBK und der RÖ-Keramik feststellbar. GG kennt die Form eher als Ausnahme, was der Tradition der HS-Keramik entspricht. Die klassische Ausprägung der Gefäßform Wanne findet sich im westlichen und südwestlichen Bereich der RÖ-Keramik. Trotz der geringeren Zahl von Funden in der späten SBK und der RÖKeramik Mitteldeutschlands wirkt ihr Erscheinungsbild dort archaischer. Die Form trennt südwestdeutsches und mitteldeutsches RÖ voneinander. Steilwandige Becher kommen als Form in allen behandelten Stilen vor. Verbindungen zwischen den mittelneolithischen Stilen, aber auch zwischen LBK und dem Mittelneolithikum, sind anhand der Formen und der Musterauswahl feststellbar. Die Kreuzzier ist ein verschiedene Stile, namentlich LBK – GG – SBK, verbindendes Element. Trendschwerpunkte lassen sich bei der Formgebung ausmachen. Steilwandige Becher mit Standringen finden sich im Nordosten, solche mit Flachböden im Südosten. „ Blumentopfartige“ und Exemplare mit leicht einziehenden Böden kommen vor allem im Südwesten vor. Der LBK-Verbreitungsschwerpunkt liegt im nördlichen und nordöstlichen Bereich des Arbeitsgebietes, im MN vor allem in Südostbayern. Die Form ist anscheinend in einen einzelnen, wenn auch zeitlich breiten, Horizont zu stellen. Die mittelneolithischen Fundplätze mit steilwandigen Bechern finden sich vor allem in Regionen, die aus der LBK keine entsprechenden Fundplätze lieferte. Tüllengefäße sind ein auf die LBK und die SBK beschränktes Phänomen, das mit hoher Wahrscheinlichkeit eine mitteldeutsche Traditionslinie wiedergibt und in einen kultisch religiösen Zusammenhang gehört. Taschengefäße und Tönnchen sind Formen, die eine weitere Tradition von Alt- zu Mittelneolithikum (besonders LBK – GG) nahe legen. Die Füßchengefäße bilden einen Keramiktyp, der nur in regionalen Schwerpunkten verbreitet war. Die Verteilungssch...


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