Fall 1 Fahrlässigkeit Übung Morgenstern GK III WS 17-18 PDF

Title Fall 1 Fahrlässigkeit Übung Morgenstern GK III WS 17-18
Course Vermögensdelikte und weitere ausgewählte Delikte
Institution Freie Universität Berlin
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Summary

Aktueller Fall mit Lösung von der Professorin für Fahrlässigkeitsdelikte ...


Description

Prof. Dr. Christine Morgenstern

WS 2017/18

Übung zum Grundkurs Strafrecht III (Vermögensdelikte und weitere ausgewählte Delikte) Fall 1 - Fahrlässigkeit T ist ein begeisterter Autofahrer und ein liebevoller Vater. An einem Monatmorgen bringt er seine 8-jährige Tochter zur Schule. Auf der innerstädtischen Straße zur Schule besteht keine Geschwindigkeitsbegrenzung, allerdings ist sie recht eng; ein Schild weist darauf hin, dass hier ein Schulweg kreuzt. T fährt daher grundsätzlich vorsichtig und will gerade zwei parkende Autos mit ca. 30 km/h passieren, als der Fünftklässler O, der mit einem Mitschüler gerangelt hat, zwischen den Autos zum Vorschein kommt und ihm vors Auto fällt. Obwohl T scharf bremst, fährt er auf den am Boden liegenden O, dieser zieht sich dadurch einen Beinbruch und schwere Abschürfungen zu. Obwohl der T den Unfall und vor allem die Verletzung des O bedauert, ist er sich keiner Schuld bewusst und sieht auch keine Veranlssung, von seinem heimlichen Hobby Abstand zu nehmen: Er verabredet sich oft mit X, Y und Z zu Wettfahrten mit ihren stark motorisierten Autos. Dieses Mal wollen sie sich auf einer vierspurig ausgebauten Bundesstraße ein Rennen liefern. T soll dabei mit dem Beifahrer X in seinem frisierten Golf gegen Y mit dem Beifahrer Z in einem Porsche antreten. Hierzu sollen X und Z das Startzeichen geben und die Fahrzeuge bei dem Rennen wechselseitig filmen. Während des Rennens beschleunigen beide Fahrzeuge auf eine Geschwindigkeit von über 200 km/h, ungeachtet einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 120 km/h. Auch als vor ihnen auf der rechten Fahrspur ein anderes Fahrzeug auftaucht, setzten sie das Wettrennen unbekümmert fort. Der andere Fahrzeugführer (F) kann einen Unfall nur dadurch vermeiden, dass er sein Fahrzeug auf die äußerste rechte Seite steuert. Beim Überholvorgang befinden sich alle drei Fahrzeuge für kurze Zeit auf der zweispurigen Fahrbahn nebeneinander. Dabei gerät der Golf des T mit dem linken Reifen auf den Grünstreifen. Bei dem Versuch, gegenzusteuern, verreißt T das Fahrzeug; es kommt ins Schleudern und überschlägt sich. Die nicht angeschnallten T und X werden aus dem Wagen geschleudert, wobei X tödlich verletzt wird. Auch T wird schwer verletzt; Y und Z passiert nichts. Strafbarkeit des T nach § 229 und § 222?

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A. Erster Tatkomplex: Der Schulweg Strafbarkeit des T nach § 2291 z. L. des O T könnte sich dadurch, dass er an vor der Schule einen Schüler anfuhr und diesen dadurch verletzte, wegen fahrlässiger Körperverletzung (§ 229 StGB) strafbar gemacht haben. 1. Tatbestand a) Erfolg/Handlung/Kausalität Dann müsste bei O eine körperliche Misshandlung oder eine Gesundheitsbeschädigung vorliegen. Eine körperliche Misshandlung ist eine üble, unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Eine Gesundheitsbeschädigung liegt vor, wenn ein pathologischer (krankhafter) Zustand hervorgerufen oder gesteigert wird. Hier erleidet O einen Beinbruch und Abschürfungen. Beides sind sowohl Behandlungen, die Schmerzen hervorrufen, damit körperliche Misshnadlungen, als auch pathologische, von der gesunden Norm abweichende Zustände, mithin Gesundheitsschädigungen. Der tatbestandsmäßige Erfolg ist damit eingetreten. Ohne die Autofahrt des T wäre es auch nicht zum Unfall mit den Folgen für O gekommen. Damit kann die Fahrt des T nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele – das Verhalten des T war für die Verletzung des O kausal.

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§§ 212, 22, 23 I StGB z. L. des abgedrängten Fahrers war hier nicht zu prüfen, ist mangels Vorsatzes auch letztlich abzulehnen. Es ist bemerkenswert, dass in den didaktischen und wissenschaftlichen Beiträgen zum BGH-Urteil die Vorsatzprüfung keine Rolle spielte. Während der Besprechung des Falles am 28.6. 2017 wurde von den Teilnehmerinnen/Teilnehmern eingewandt, dass angesichts des Falles, in dem bei einem illegalen, offenbar spontan verabredeten Autorennen auf dem Berliner Kurfürstendamm ein Mensch zu Tode gekommen und bei den Fahrern bedinger Tötungsvorsatz angenommen worden war, wohl stets auch eine bedingte Tötung geprüft werden muss Die 35. Große Strafkammer des Landgericht (LG) Berlin hat den 28-Jährigen und einen weiteren 25-jährigen Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt (LG Berlin, Urt. v. 27.02.2017, Az. 535 Ks 8/16; vgl. z. B. Anmerkung von Kubiciel, http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/kudamm-raser-berlin-urteil-mord-211-stgb-315-stgb-kommentar/. Auszüge des Urteils finden sich hier: http://www.burhoff.de/asp_weitere_beschluesse/inhalte/4001.htm). Das ist richtig, an dieser Stelle muss eine klassische dolus eventualis-Prüfung vorgenommen werden; die bei geringen Anforderungen an das voluntative Element (Möglichkeit- oder Gleichgültigkeitstheorie) und Annahme eine ausreichenden Bewusstseins der konkreten Todesmöglichkeit für andere Verkehrsteilnehmer auch zu Annahme von Vorsatz führen kann (die relevante Passage des Urteils la utet: „Spätestens jetzt war beiden Angeklagten bewusst, dass ein die Nürnberger Straße befahrender, bei grüner Ampelphase berechtigt in die Kreuzung einfahrender Fahrzeugführer und etwaige Mitinsassen bei einer Kollision mit den von ihnen gelenkten Pkw nicht nur verletzt, sondern aufgrund der von ihnen im Rahmen des vereinbarten Rennens gefahrenen sehr hohen Geschwindigkeiten mit großer Wahrscheinlichkeit zu Tode kommen würden. Die körperliche Schädigung anderer – auch der Beifahrerin des Angeklagten Nxxxx, der Zeugin Kxxxx– durch ein von ihnen verursachtes Unfallgeschehen war ihnen gleichgültig und sie überließen es dem Zufall, ob es zu einem Zusammenstoß mit einem oder mehreren Fahrzeugen im Kreuzungsbereich kommen würde. Die Schädigung bzw. den Tod anderer Verkehrsteilnehmer sowie im Nahbereich der Kreuzung aufhältlicher Personen durch herumfliegende Trümmerteile der beteiligten Fahrzeuge nahmen sie billigend in Kauf.“). Dennoch dürfte das Berliner Urteil noch nicht ohne Weiteres verallgemeinerbar sein, denn das Billigungselement, das den Fahrern unterstellt wurde, sehe ich Morgenstern +++GK III Übung+++Fahrlässigkeit

3 b) Sorgfaltswidrigkeit2 Fraglich aber, ob T hier eine Sorgfaltspflicht verletzt hat. Laut Sachverhalt hat er beim Befahren der Straße vor der Schule die Grenzen der höchstzulässigen Geschwindigkeit eingehalten (vgl § 3 III Nr 1 StVO). Daraus folgt aber noch nicht, dass sein Verhalten verkehrsgerecht war. Ebenso wie die Nichtbeachtung einer generellen Sorgfaltsregel kein zwingender Beweis, sondern nur ein Indiz für fehlerhaftes Verhalten ist, bildet die Befolgung bestimmter Schutzvorschriften auch nur ein Anzeichen für die Verkehrsrichtigkeit des Handlungsvollzugs. Es bedarf daher noch der Prüfung, ob ein besonnener und gewissenhafter Kraftfahrer in der konkreten Verkehrssituation und mit den Fähigkeiten des T die dem O drohende Gefahr rechtzeitig hätte erkennen können. Hier ist zu berücksichtigen, dass T wusste, dass es sich um einen Shculweg handelte, und dass am Montagmorgen Schüler ggf. auch unvorsichtig auf die Straße laufen könnten. Andererseits fuhr er mit 30 km/h schon relativ langsam, der O war außerdem seinem Blick durch die parkenden Autos entzogen und ein Kraftfahrer muss auch vor der Schule nicht damit rechnen, dass ihm jemand unvermittelt vor den Wagen springt bzw. dass er vor den Wagen geschubst wird. T hat somit die ihm obliegende Sorgfaltspflicht nicht verletzt. 2. Ergebnis: Er ist nicht strafbar gem. § 229 (a.A unter Hinweis auf die spezifische Schulwegsituation, die T kannte, vertretbar, es muss dann aber der Hinweis erfolgen, wie T hätte fahren müssen – Schrittgeschwindigkeit? Oder gar nicht?).

nicht (vgl. hierzu auch Neumann, JURA 2017, S. 167); m. E. haben sie Vorsatz in Bezug auf ein sehr gefährliches Vorgehen, aber gerade nicht in Bezug auf einen Tötungserfolg. 2 Zum den unterschiedlichen Aufbaumethoden vgl. Vorlesung GK III vom 16.10.2017; hier wird der „modernen“ Aufbaumethode gefolgt, vgl. Joecks § 15, Rn. 53 ff. und die subjektive Kompentente der Fahrlässigkeit, d. h. die persönliche Vorwerfbarkeit, bereits im Tatbestand geprüft. Morgenstern +++GK III Übung+++Fahrlässigkeit

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B. Zweiter Tatkomplex: Das Autorennen3 Strafbarkeit des T nach § 2224 z. L. des X T könnte sich dadurch, dass er an einem illegalen Autorennen teilgenommen hat, bei dem der X wegen eines Fahrfehlers des T zu Tode kam, wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) strafbar gemacht haben. 1. Tatbestand a) Erfolg/Handlung/Kausalität Der tatbestandsmäßige Erfolg ist eingetreten; der X ist tot. Ohne die Teilnahme an dem privaten Autorennen und ohne den dem T beim Überholen des Z unterlaufenen Fahrfehler wäre es nicht zum Unfall mit den tödlichen Folgen für X gekommen. Damit kann die Teilnahme des T am Rennen nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele – das Verhalten des T war für den Tod des X kausal. b) Sorgfaltswidrigkeit5

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Dieser Tatbestandsabschnitt ist einem vom BGH entschiedenen Fall nachgebildet, BGH NJW 2009, 1155 (= BGH St 53, 55); hierzu instruktiv z. B. Renzikowski HRRS 2009, S. 347 ff. (https://www.hrrstrafrecht.de/hrr/archiv/09-08/index.php?sz=8). Eine aktuelle Zusammenfassung der Probleme zur Examensvorbereitung gibt es von Neumann , JURA 2017, S. 160 ff.; zur objektiven Zurechnung in Selbstgefährdungsfä llen vgl. Satzger, JURA 2014, 695, 699 f.; Wessels/Beulke/ Satzger , Strafrecht Allgemeiner Teil, 46. Aufl. 2016, Rn. 259 ff. 4 §§ 212, 22, 23 I StGB z. L. des abgedrängten Fahrers war hier nicht zu prüfen, ist mangels Vorsatzes auch letztlich abzulehnen. Es ist bemerkenswert, dass in den didaktischen und wissenschaftlichen Beiträgen zum BGH-Urteil die Vorsatzprüfung keine Rolle spielte. Während der Besprechung des Falles am 28.6. 2017 wurde von den Teilnehmerinnen/Teilnehmern eingewandt, dass angesichts des Falles, in dem bei einem illegalen, offenbar spontan verabredeten Autorennen auf dem Berliner Kurfürstendamm ein Mensch zu Tode gekommen und bei den Fahrern bedinger Tötungsvorsatz angenommen worden war, wohl stets auch eine bedingte Tötung geprüft werden muss Die 35. Große Strafkammer des Landgericht (LG) Berlin hat den 28-Jährigen und einen weiteren 25-jährigen Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt (LG Berlin, Urt. v. 27.02.2017, Az. 535 Ks 8/16; vgl. z. B. Anmerkung von Kubiciel, http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/kudamm-raser-berlin-urteil-mord-211-stgb-315-stgb-kommentar/. Auszüge des Urteils finden sich hier: http://www.burhoff.de/asp_weitere_beschluesse/inhalte/4001.htm). Das ist richtig, an dieser Stelle muss eine klassische dolus eventualis-Prüfung vorgenommen werden; die bei geringen Anforderungen an das voluntative Element (Möglichkeit- oder Gleichgültigkeitstheorie) und Annahme eine ausreichenden Bewusstseins der konkreten Todesmöglichkeit für andere Verkehrsteilnehmer auch zu Annahme von Vorsatz führen kann (die relevante Passage des Urteils lautet: „Spätestens jetzt war beiden Angeklagten bewusst, dass ein die Nürnberger Straße befahrender, bei grüner Ampelphase berechtigt in die Kreuzung einfahrender Fahrzeugführer und etwaige Mitinsassen bei einer Kollision mit den von ihnen gelenkten Pkw nicht nur verletzt, sondern aufgrund der von ihnen im Rahmen des vereinbarten Rennens gefahrenen sehr hohen Geschwindigkeiten mit großer Wahrscheinlichkeit zu Tode kommen würden. Die körperliche Schädigung anderer – auch der Beifahrerin des Angeklagten Nxxxx, der Zeugin Kxxxx– durch ein von ihnen verursachtes Unfallgeschehen war ihnen gleichgültig und sie überließen es dem Zufall, ob es zu einem Zusammenstoß mit einem oder mehreren Fahrzeugen im Kreuzungsbereich kommen würde. Die Schädigung bzw. den Tod anderer Verkehrsteilnehmer sowie im Nahbereich der Kreuzung aufhältlicher Personen durch herumfliegende Trümmerteile der beteiligten Fahrzeuge nahmen sie billigend in Kauf.“). Dennoch dürfte das Berliner Urteil noch nicht ohne Weiteres verallgemeinerbar sein, denn das Billigungselement, das den Fahrern unterstellt wurde, sehe ich nicht (vgl. hierzu auch Neumann, JURA 2017, S. 167); m. E. haben sie Vorsatz in Bezug auf ein sehr gefährliches Vorgehen, aber gerade nicht in Bezug auf einen Tötungserfolg. Morgenstern +++GK III Übung+++Fahrlässigkeit

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T müsste den Tod des X auch objektiv fahrlässig, also unter Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt herbeigeführt haben. Erforderlich ist dafür einmal, dass T durch sein Handeln eine rechtlich missbilligte Gefahr für den Tod des X geschaffen hat, und zum anderen, dass ihm der Tod des Y als Folge seines Handelns auch subjektiv vorhersehbar und vermeidbar war. Zunächst hat T mit seinem Verhalten eine Reihe von Verkehrsregeln missachtet,6 u. a. hat er die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich überschritten. Da diese Regeln dazu vorgesehen sind, andere Verkehrsteilnehmer zu schützen, hat er eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen. Die Gefahr, dass es zu einem tödlichen Unfall kommen kann, ist angesichts der hohen Geschwindigkeit, mit der ja gerade absichtlich gefahren wurde und der Tatsache, dass andere Verkehrsteilnehmer auf der öffentlichen Straße unterwegs waren (hier das andere Fahrzeug, das abgedrängt wird) groß, der Taterfolg daher objektiv wie subjektiv vorhersehbar. c) Objektive Zurechnung: eigenverantwortliche Selbstgefährdung oder einverständliche Fremdgefährdung? Wem ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen werden soll, der muss sich den Taterfolg als „sein Werk“ zurechnen lassen – der Taterfolg muss ihm „objektiv zurechenbar sein“. D. h. über die Vermeidbarkeit des Erfolgs hinaus wird verlangt, dass sich gerade die Gefahr im Taterfolg realisiert, deren Vermeidung Aufgabe des (potenziellen) Täters ist, bzw. deren Verhinderung die von ihm verletzte Sorgfaltspflicht bezweckt (Schutzzweckzusammenhang). Hier ist die Frage, ob es tatsächlich T war, der die Gefahr gesetzt hat, die sich im Taterfolg realisiert hat, oder ob es nicht vielmehr X selbst war, der das Autorennen gestartet und gefilmt hatte. Abzugrenzen ist daher an dieser Stelle zwischen einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung des X oder an einer einverständlichen Fremdgefährdung durch T. Nur letztere kann nach allgemeiner Meinung7 überhaupt von §§ 222, 229 erfasst sein, denn eine Selbstgefährdung oder Verletzung falle gerade nicht unter den Tatbestand, wer daran teilnehme, könne

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Zum den unterschiedlichen Aufbaumethoden vgl. Vorlesung GK III vom 16.10.2017; hier wird der „modernen“ Aufbaumethode gefolgt, vgl. Joecks § 15, Rn. 53 ff. und die subjektive Kompentente der Fahrlässigkeit, d. h. die persönliche Vorwerfbarkeit, bereits im Tatbestand geprüft. 6 Zumindest eine oder zwei Vorschriften sollten in einer solchen Klausur genannt werden (d.h. aus der StVO herausgesucht), zumindest der Vertoß gegen die Geschwindigkeitsvorgaben lässt sich ja auch aus dem Sachverhalt entnehmen. Hier waren es außerdem § 5 IV 2 StVO (Überholen mit ausreichendem Abstand); § 29 I StVO (Rennen sind verboten) und in Zukunft § 315d StGB (der neue Straftatbestand zum illegalen Autorennen) sowie als stets zu achtende Grundregel § 1 II StVO, nachdem die Teilnahme am Verkehr erfordert, sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. 7 Vgl. vor allem Roxin Strafrecht AT § 11 Rn. 106 ff. Morgenstern +++GK III Übung+++Fahrlässigkeit

6 mangels Strafbarkeit des erfolgsverursachenden Verhaltens auch nicht strafbar sein. 8 Bei der „einverständlichen Fremdgefährdung“ hingegen hängt es davon ab, wer worin einwilligen kann, denn hier ist der Akteur nicht der Verletzte, sondern der ein anderer, der potenzielle Täter. Es kommt daher zunächst darauf an, wie die Konstellation zu werten ist: Ist die Gefährdung des X eine Selbstgefährdung oder eine Fremdgefährdung? Hierfür kann die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme als Modell herangezogen werden, jedenfalls betrachtet der BGH diese Trennlinie als „maßgebliches Abgrenzungskriterium“.9 Eine solches Vorgehen berücksichtigt, dass sich Selbstgefährdung und Fremdgefährdung wesentlich unterscheiden: Wer sich selbst gefährdet, hat bestimmenden Einfluss auf das Geschehen. Wer sich hingegen hingegen von einem anderen gefährden lässt, liefert sich ohne maßgebliche eigene Einflussmöglichkeiten einer für ihn nicht überblickbaren Entwicklung aus. Dabei stellt der BGH in dem Ausgangsfall entgegen seiner sonst rein subjektiven Betrachtungsweise auch auf die Tatherrschaft über die Gefährdungs- bzw. Schädigungslage ab. Der Rückgriff auf die Tatherrschaft entspricht allerdings dem auch in der Rechtsprechung anerkannten Vorgehen bei der Abgrenzung von strafbarer Fremdtötung auf Verlangen nach § 216 StGB und strafloser Beihilfe zur Selbsttötung, die auch für die hier relevante Abgrenzung von Fremd- und Selbstgefährdung Hinweise liefert: Jedenfalls im unmittelbar zum Erfolgseintritt führende Geschehen, nämlich den Zeitraum unmittelbar vor und ab Beginn des Überholvorgangs, waren allein die Fahrer – hier zunächst von Interesse T – diejenigen, die die maßgeblichen Entscheidungen getroffen, gelenkt und vor allem den Überholvorgang eingeleitet haben. Die Beifahrer, hier also zunächst X, waren in diesem entscheidenden Zeitabschnitt diesen Entscheidungen und dem Fahrverhalten der Fahrer ausgesetzt und konnten nicht selbst eingreifen. Damit hat die Tatherrschaft bei den Fahrern, hier T gelegen, damit ist eine Fremdgefährdung anzunehmen (a. A. mit Blick auf das „Startzeichen“, das X gab, und die gemeinschaftliche Planung der Rennen vertretbar,10 muss aber gut begründet sein!). Mangels eigenverantwortlicher Selbstgefährdung ist ist der Taterfolg dem T zurechenbar (a.A. vertretbar). Er hat damit den objektiven TB des § 222 verwirklicht. 2. Rechtswidrigkeit - § 228 StGB? In Anbetracht der Tatsache, dass X sich nicht nur zu T ins Auto setzt, sondern aktiv am Geschehen des illegalen Autorennes teilhat, muss geprüft werden, ob sein Verhalten rechtferti-

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Vgl. hierzu auch Wessels/Beulke/Satzger AT Rn. 259 ff. BGH NJW 2009, 1155 (1156). Morgenstern +++GK III Übung+++Fahrlässigkeit

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gende Wirkung hat. Fraglich ist also, ob das Verhalten des T durch eine rechtfertigende Einwilligung des X gedeckt ist. Grenze der Einwilligung ist die Disponibilität des Rechtsguts. Hier willigte X zwar nicht in seine Tötung ein, was nach § 216 StGB keine Wirkung hätte, aber in eine sehr gefährliche Aktion. Eine Grenze für Einwilligungen in Körperverletzungen stellt § 228 dar, der vorsieht, dass dass eine mit Einwilligung vorgenommene Körperverletzung (nur dann) rechtswidrig sei, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die »guten Sitten« verstößt. Die Sittenwidrigkeitsgrenze ist nach dem BGH und Teilen der Lehre jedenfalls dann überschritten, wenn der Einwilligende durch die Tat in eine konkrete Todesgefahr gebracht wird, dieser Gedanke wird aus § 216 entnommen. Deshalb komme auch der Einwilligung in eine Lebensgefährdung keine rechtfertigende Wirkung zu, wenn es wegen der Gefährlichkeit des Vorgehens zu einer konkreten Todesgefahr kommen kann. Nach dem BGH hat im vorliegenden Fall eine konkrete Todesgefahr jedenfalls beim Überholvorgang vorgelegen. Eine rechtfertigende Einwilligung ist damit ausgeschlossen (a. A. mit Blick darauf, dass die Einwilligung ja nicht in die konkrete Todesgefahr gegeben wird, sondern in die Tathandlung, gut vertretbar). Die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung in die konkret lebensgefährliche Handlung scheitert an § 228; X ist nicht gerechtfertigt. 3. Schuld (+) 4. Ergebnis: § 222 z. L. des X (+)

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So z. B. Timpe ZJS 2009, 170 (175). Morgenstern +++GK III Übung+++Fahrlässigkeit...


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