Fall 4 LS Tanken Raub Erpressung Übung Morgenstern GK III WS 17-18 PDF

Title Fall 4 LS Tanken Raub Erpressung Übung Morgenstern GK III WS 17-18
Course Vermögensdelikte und weitere ausgewählte Delikte
Institution Freie Universität Berlin
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Aktueller Fall mit Lösung von der Professorin für Raub Betrug...


Description

Prof. Dr. Christine Morgenstern

WS 2017/18

Übung zum Grundkurs Strafrecht III Vermögensdelikte und weitere ausgewählte Delikte: Tanken ohne zu bezahlen und ein Überfall

Fall 4

A geht einer schlecht bezahlten Arbeit auf dem Bau nach und hat Geldsorgen. Als er eines Abends mit dem Auto auf dem Heimweg ist, sieht er, dass sein Tank fast leer ist. Er tankt an einer kleinen Selbstbedienungstankstelle. Als er bemerkt, dass der Tankstellenpächter zusammen mit einer Technikerin an einer Überwachungskamera herumschraubt und abgelenkt ist, schließt er, dass sein Tun entweder gar nicht bemerkt werde oder er jedenfalls nicht aufgespürt werden könne, weil ja keine Kamera sein Kennzeichen aufzeichnen würde. Er will die Gunst der Stunde nutzen und fährt, nachdem er getankt hat, davon, ohne bezahlt zu haben. In den nächsten Tagen wird er wegen seiner schlechten finanziellen Lage immer verzweifelter, er macht dafür auch seinen Arbeitgeber B, einen Bauunternehmer, verantwortlich, der ihn so schlecht entlohnt. Er sucht ihn daher eines Sonntags zu Hause auf und betritt durch die geöffnete Terrassentür das Wohnzimmer der Familie B. Dort spielt B gerade mit seinem elfjährigen Sohn S ein Computerspiel. A tritt auf die beiden zu und baut sich drohend auf. Zu B sagt er: „Du gehst jetzt zu Deinem Tresor, schließt ihn auf bringst mir, was drin ist.“ B versucht, Herr der Lage zu bleiben und fragt: „Und wenn ich es nicht tue?“ A nähert sich S, der starr vor Angst ist, und antwortet: „Dann bekommt der Kleine hier Dresche, nach denen Du ihn nicht wiedererkennst.“ S gibt jeden Widerstand auf, öffnet den im Wohnzimmer befindlichen Wandtresor und gibt A die darin befindlichen 8000 Euro. A nimmt sie an sich, fährt nach Italien, wo er eine schöne Urlaubswoche mit dem Geld verbringt, bevor er von der italienischen Polizei festgenommen wird.

Strafbarkeit des A?

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Erster Tatkomplex: Tankstelle1 I. A könnte sich dadurch, dass er seinen Tank gefüllt hat, ohne dafür zu bezahlen, gem. § 242 wegen Diebstahls strafbar gemacht haben. 1. Obj. TB: a) Dann müsste es sich beim getankten Kraftstoff um eine fremde bewegliche Sache handeln. aa) Auch Flüssigkeiten, in diesem Fall Benzin, sind Sachen iSd § 242. bb) Fraglich ist aber, ob das Benzin, nachdem er es in seinem Tank gefüllt hatte, für den A noch fremd war. Es könnte durch das Einfüllen bereits in sein Eigentum übergegangen sein. In Betracht kommt zunächst ein Eigentumserwerb durch Vermischung gem. § 948, 947 II BGB.2 Das setzt voraus, dass eine der Sachen, nämlich das Benzing im Tank des A als „Hauptsache“ iSd § 947 II anzusehen ist, was allenfalls dann der Fall wäre, wenn A nur eine ganz geringe Menge neuen Benzins eingefüllt hätte. Der Sachverhalt legt nahe, dass sein Tank fast leer war, insofern kann das darin befindliche Benzin nicht „Hauptsache“ sein. A könnte aber durch ein Rechtsgeschäft Eigentum erworben haben. Das wäre dann der Fall, wenn T schon durch das Bereitstellen der Kraftstoffe an der Zapfsäule, ein Übereignungsangebot gemacht hat, das unbedingt ist. Hierfür spricht, dass die Tankstelle gerade für die Selbstbedienung konzipiert ist, und insofern mit einem Münzautomaten zum Warenerwerb vergleichbar ist: Wird sie ordnungsgemäß bedient, liegt darin die Annahme des konkludenten Übereignungsangebots, das der Betreiber macht. Es wird dadurch konkretisiert, dass die Anlage für jeden Kunden auf Null gestellt wird, d.h. freigegeben wird. Für die Unbedingtheit spricht, dass eine andere Gestaltung lebensfremd wäre, da der Kunde das Benzin eben nicht einfach wieder herausgeben kann.3 Folgt man dieser Auffassung hat der A wie jeder Kunde durch das Tanken konkludent das Angebot angenommen und die Einigung ist gem. § 929 BGB zustanden gekommen, er hätte Eigentum erworben. Gegen eine Vergleichbarkeit mit einem Warenautomaten spricht jedoch, dass beim Tanken gerade nicht der Kunde vorleistet (durch Geldeinwurf), sondern umgekehrt der Tankstellenbetreiber, insofern lässt sich auch argumentieren, dass die Situation eher der im Supermarkt ver-

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Vgl. zu dieser Fallgestaltung auch Fall 5 in Beulke, Klausurenkurs Strafrecht II. 3. Aufl. 2014. Ein aktueller Fall ist BGH NJW 2012, 1092 m. Anm. Sinn, ZJS 2012, 831. 2 § 948 Vermischung: (1) Werden bewegliche Sachen miteinander untrennbar vermischt oder vermengt, so findet die Vorschrift des § 947 entsprechende Anwendung. § 947 Verbindung mit beweglichen Sachen: (1) Werden bewegliche Sachen miteinander dergestalt verbunden, dass sie wesentliche Bestandteile einer einheitlichen Sache werden, so werden die bisherigen Eigentümer Miteigentümer dieser Sache; die Anteile bestimmen sich nach dem Verhältnis des Wertes, den die Sachen zur Zeit der Verbindung haben. (2) Ist eine der Sachen als die Hauptsache anzusehen, so erwirbt ihr Eigentümer das Alleineigentum. 3 Vertreten z. B. von Herzberg, NJW 1984, 896; OLG Düsseldorf JR 1982, 343.

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gleichbar ist, in der eine tatsächliche Übereignung erst dann erfolgt, wenn an der Kasse bezahlt wird. Da A nicht bezahlt hat, hat er nach dieser Auffassung kein Eigentum erworben.4 Schließlich lässt sich unter Anerkennung der Interessen von Tankstellenbetreiber und Kunden argumentieren, dass bedingt übereignet wird, wenn getankt wird, d.h. der Kunde kauft unter Eigentumsvorbehalt (§§ 929 S. 1, 158 I, 449 I BGB), die aufschiebende Bedingung der Übereignung fällt weg, wenn er bezahlt, dann erwirbt er endgültig Eigentum.5 Die Annahme eines unbedingten Eigentumserwerbs, der auf einem konkludent gemachten unbedingten Übereignungsangebot basieren würde, ist nicht tragfähig: Nach der Verkehrsanschauung und der Berücksichtigung wirtschaftlicher und praktischer Interessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Tankstellenbetreiber so weitreichende und ungesicherte Angebote machen würde. Insofern ist eher von einem bedingten Übereignungsangebot auszugehen, das von der Bezahlung abhängt, unabhängig ob man nun tatsächlich einen Eigentumsvorbehalt konstruiert. A hat mangels Zahlung kein Eigentum erworben, das Benzin ist auch nach dem Einfüllen in den Tank für ihn noch fremd. b) Das Benzin müsste A weggenommen haben. Wegnahme ist die Aufhebung alten Gewahrsams durch Bruch und Begründung neuen Gewahrsams beim Täter oder einer dritten Person. Zunächst hatten der Tankstellenbetreiber bzw. -pächter und dort anwesenden Bedienstete die Sachherrschaft über das Benzin, wie z. B. daran deutlich wird, dass sie die Zapfsäulen sperren und freischalten können. Auch nach der Verkehrsanschauung wird das Benzin in den Tanks der Tankstellen als in ihrem Gewahrsam stehend betrachtet. Mit dem Ende des Einfüllvogangs wird der Gewahrsam am Benzin in „seinem Tank“ aber dem A zugerechnet. Fraglich ist, ob dieser Gewahrsamswechsel durch Bruch, d.h. gegen oder ohne den Willen des Gewahrsamsinhabers geschah. Dies ist nicht der Fall, wenn ein tatbestandsausschließendes Einverständnis mit dem Gewahrsamsübergang bestand. Anders als beim Rechtsgeschäft kommt es hier nicht darauf an, ob eine dauerhafte Rechtsposition übertragen wird, sondern nur darauf, ob die Sachherrschaft in der beschriebenen Weise übergehen soll. Dies wird teilweise bestritten und wie bei der Übereignung davon abhängig gemacht, ob ordnungsgemäß bezahlt wird, d.h. es wird eine aufschiebende Bedingung für das Einverständnis angenommen.6 Auch könnte argumentiert werden, dass ein Einverständnis ein Bewusstsein von anwesendem Personal braucht, das daher Notiz vom Tanken genommen haben muss. Beide Argumente würden im vorliegenden Fall nicht von einem Einverständnis ausgehen. Überlegungen überzeugen aber nicht - die Selbstbedienungstankstellen funktionieren ja gerade dadurch, dass der Kunde tut, was früher der Tankwart gemacht hat, d.h. sie sollen selbst das Benzin in ihren Tank füllen. 4

Vertreten bz. B. von OLG Koblenz, NStZ-RR 1998, 364; Hecker, JuS 2012, 1138; Rengier, BT I § 5 Rn. 13. Z. B. OLG Hamm NStZ 1983, 266. 6 Nachweise zu den teilweise nicht erneut vertretenenen, deshalb wohl veralteten Auffassungen Beulke, a.a. Rn. 134. 5

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Diese rein tatsächliche Betrachtung, die auch von der Verkehrsansschauung gestützt wird (die ohne weiteres davon ausgeht, dass nach dem Tanken das getankte Benzin eben nicht mehr in den Zapfanlagen der Betreiber, sondern in den Tanks der Kunden ist), kann nicht durch abstrakte rechtsgeschäftliche Überlegungen entkräftet werden. Der moderne Tankstellenbetrieb erfordert auch gerade keine konkrete Zuwendung des Personals zu einzelnen Kunden, die sich selbst bedienen; Aufmerksamkeit wird ihnen nur beim Zahlen zuteil, zur Kontrolle des Verhaltens an den Zapfsäulen selbst sind in der Regel Überwachungskameras aufgestellt. T hat sich daher durch das Aufstellen der Zapfsäulen und das Freischalten für die Kunden generell damit einverstanden erklärt, dass anderen Personen die Zapfsäulen bedienen und Kraftstoff in ihre Gewahrsamssphäre – ihre Tanks – verbringen. A hat nicht gegen diesen Willen des T gehandelt, als er getankt hat. Eine Wegnahme liegt nicht vor. 2. Ergebnis: A ist nicht gem. § 242 wegen Diebstahls am Benzin strafbar. II. A könnte sich aber dadurch, dass er seinen Tank gefüllt hat, ohne dafür zu bezahlen, gem. § 263 wegen Betrugs zu Lasten des T strafbar gemacht haben. I. Tatbestand 1. Obj. TB: a) Dann müsste A den T oder sein Personal über Tatsachen getäuscht haben. Eine Tatsache ist ein Faktum oder Geschehen, das objektiv bestimmbar und beweisfähig ist. Eine solche Tatsache ist die Zahlungsfähigkeit und –willigkeit eines Kunden. Eine Täuschung ist eine Erklärung über Tatsachen, durch die auf das Vorstellungsbild einer anderen Person eingewirkt und eine Fehlvorstellung über Tatsachen erzeugt wird bzw. es ist ein Verhalten, durch das einer berechtigten Erwartung zuwider ein unzutreffendes Bild von der Wirklichkeit vermittelt wird. Eine solche konkludente Erklärung, er werde gleich zahlen, könnte vorliegen, wenn der Kunde das Angebot des Tankstellenbetreibers annimmt und beginnt zu tanken. Das setzt jedoch voraus, dass überhaupt auf die Vorstellung irgendeiner Person eingewirkt wurde, wobei auch diese nicht explizit sein muss. Nach der vorliegenden Sachverhaltsschilderung scheitert eine solche falsche Tatsachenbehauptung und die korrespondierende Fehlvorstellung jedoch daran, dass beim Tanken der A noch zahlungswillig war (zumindest lässt dier SV keinen gegenteiligen Schluss zu; erst als er die günstige Gelegenheit erkannte, fasst er den Entschluss). Außerdem nahm der anwesende Tankstellenpächter eben gerade keine Notiz von A, auf sein Vorstellungbild wurde nicht eingewirkt. Eine Täuschung liegt nicht vor. 2. Ergebnis: A ist nicht gem. § 263 wgene Betrugs strafbar. 4

III. A könnte sich aber dadurch, dass er seinen Tank gefüllt hat, ohne dafür zu bezahlen, gem. §§ 263, 22 wegen versuchten Betrugs zu Lasten des T strafbar gemacht haben. I. Tatbestand 1. Subj. TB: a) Dann müsste er den Entschluss gefasst haben, T zu täuschen . Ein solcher Entschluss i. S. eines dolus eventualis kann aus der Bemerkung im Sachverhalt geschlossen werden, dass A zwar davon ausging, dass er gar nicht bemerkt werde – „er jedenfalls nicht aufgespürt werden könne, weil ja keine Kamera sein Kennzeichen aufzeichnen würde“. (Nicht eindeutig geht aus dem Sachverhalt allerdings hervor, ob sein Entschluss, nicht zu zahlen schon während des Tankens gefällt wurde; wen den SV nicht so versteht, muss hier schon einen Täuschungsvorsatz ablehnen). Er hat daher durchaus für möglich gehalten und akzeptiert, dass der T doch sein Vorgehen bemerkt haben könnte und ihn für einen zahlungsfähigen und -willigen Kunden gehalten haben könnte. Da er dies nicht (mehr) war, wäre T den Vorstellungen des A zufolge auch einem entsprechenden Irrtum erlegen. b) Fraglich ist, ob bzw. wie T in der Vorstellung des A über Vermögen verfügt hätte. Eine Vermögensverfügung ist jede Handlung, Duldung oder Unterlassung, die sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. Nach h. M. (z. B. BGH NStZ 2009, 694, hierzu zu Recht kritisch Ernst JURA 2013, 454) liegt die Vermögensverfügung in der Gestattung des Tankvorgangs (d.h. es bleibt straflos, wer erst nach dem Tanken beschließt, nicht zu zahlen, denn vorher ist ja tatsächlich auch noch „alles in Ordnung“). A hat sich eine entsprechende Gestattung vorgestellt. d) Er stellte sich auch den entsprechenden Schaden in Höhe des für den Tank fälligen Betrags vor. 2. Obj. Tatbestand Durch das Tanken hat er unmittelbar zur Täuschungshandlung iSd § 22 angesetzt. 3. /. 4. RW / Schuld (+) 5. A ist gem. §§ 263, 22 StGB strafbar (a.A. vertretbar)

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IV. A könnte sich dadurch, dass er seinen Tank gefüllt hat, ohne dafür zu bezahlen, gem. § 246 wegen Unterschlagung des Benzins strafbar gemacht haben. I. Tatbestand 1. Obj. TB: a) Dann müsste A sich eine fremde bewegliche Sache rechtswidrig zugeeignet haben. aa) Wie oben geprüft, ist das Benzin auch nach dem Einfüllen in den Tank für A noch fremd. bb) Die Tathandlung des § 246 Abs. 1 ist die „Zueignung“ selbst, d.h. es muss ein Verhalten erkennbar sein, mit dem sich nach außen zeigt, dass der Täter die fremde Sache nunmehr selbst (ggf. auch ein Dritter) wie ein Eigentümer behandeln und nutzen will. In der entsprechenden Handlung muss sich daher dieser Willen des Täters manifestiert haben. In Betracht kommt zunächst das Einfüllen des Benzins in den Tank. Hier zeigt A – ebenso wie jeder andere Tankkunde auch – dass er Eigentümer des Kraftstoffs werden will. Eine solche „Zueignungshandlung“ im strafrechtlichen Sinne ist jedoch ebenso wie der Gewahrsamsübergang vom Einverständnis des Tankstellenbetreibers gedeckt, mithin nicht rechtswidrig. Endgültig manifestiert sich der Wille des A, sich das Benzin zuzueignen, aber im Wegfahren von der Tankstelle. Hiermit ist der Tankstellenpächter jedoch nicht einverstanden, so dass mangels Bezahlung des Kraftstoffs, auf den A keinen Anspruch hat, nunmehr eine rechtwidrige Zueignungshandlung vorliegt. 2. Subj. TB: A müsste vorsätzlich gehandelt haben. Er wusste, dass das Benzin eine für ihn fremde Sache ist. Es kam ihm gerade auch auf die Zueignung an. Er handelte daher vorsätzlich. 3. Er handelte auch rechtswidrig. 4. Gegen schuldhaftes Handeln spricht nichts. 5. Ergebnis: A ist strafbar gem. § 246 StGB.

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Zweiter Tatkomplex: Der Besuch bei B I. A könnte sich dadurch, dass er von B den Tresorinhalt verlangte, gem. § 249 wegen Raubes strafbar gemacht haben. 1. Obj. TB: a) Dann müsste A dem B eine fremde bewegliche Sache weggenommen haben. aa) Die 8000 € sind für A fremd; die Scheine sind als bewegliche Sachen daher taugliche Tatobjekte. bb) Fraglich ist jedoch, ob A sie dem B weggenommen hat. Wegnahme ist die Aufhebung alten Gewahrsams durch Bruch und Begründung neuen Gewahrsams beim Täter oder einer dritten Person. Zunächst hatte der B die Sachherrschaft über das Geld im Tresor seines Wohnzimmers. Mit dem „Ansichnehmen“ des Geldes, spätestens mit dem Davonfahren wird der Gewahrsam an den Scheinen aber dem A zugerechnet. Fraglich ist, ob dieser Gewahrsamswechsel durch Bruch, d.h. gegen oder ohne den Willen des Gewahrsamsinhabers, geschah. Dagegen spricht, dass B dem A das Geld gegeben hat, also gerade kein „Nehmen“ vorliegt.7 Betrachtet man allein diesen Form des Gewahrsamswechsels, liegt keine Wegnahme iSd § 249 vor. Allerdings war die Mitnahme des Geldes nicht freiwillig, sondern kam nur zustande, weil A den Sohn des B erheblich bedroht hat. Fraglich ist, ob diese Zwangslage so stark war, dass der B keine andere Wahl hatte als der Aufforderung des A nachzukommen. Hiergegen spricht zweierlei: Zum einen scheint der B zumindest anfangs noch Spielraum für eine eigene Einflussnhame zu sehen, zum anderen bedarf es gerade seiner Mitwirkung: Die Situation ist nicht so, dass das Geld ohnehin verloren ist, denn er muss den Tresor aufschließen. Dass kaum ein liebender Vater dies verweigern würde ändert nichts daran, dass die Mitwirkung erforderlich ist. Auch hier ist daher die Zwangswirkung nicht so geartet, dass sie letztlich den Unterschied zwischen Geben und Nehmen völlig einebnen würde. 2. Ergebnis: A ist nicht gem. § 249 zu bestrafen.

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Nach der herrschenden Rechtsprechung, die von verschiedenen Lehrmeinungen unterstützt wird, z. B. BGH St 7, 252 (255); BGH NStZ-RR 2007, 375, genügt allein diese äußere Abgrenzung. In Klausuren sind immer beide Argumentationslinien nachzuvollziehen; kommen sie beide zu einer Ablehnung des Raubes, muss man sich nicht für eine entscheiden; eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Argumenten unterbleibt dann.

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II. A könnte sich dadurch, dass er von B den Tresorinhalt verlangte, gem. §§ 253, 255 wegen räuberischer Erpressung strafbar gemacht haben. 1. Obj. TB: a) Dann müsste er mit Gewalt gegen eine Person augeübt oder mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben gedroht haben. aa) Unter Gewalt gegen eine Person wird der durch eine nicht ganz unerhebliche (unmittelbare oder mittelbare) Einwirkung auf einen anderen ausgeübte körperlich wirkende Zwang verstanden, der nach der Vorstellung des Täters dazu geeignet ist, einen tatsächlich geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden oder von vornherein unmöglich zu machen. A hat nicht auf B oder S körperlich eingewirkt, sondern dies nur angedroht. Aus der Sachverhaltsbemerkung „S ist starr vor Angst“ eine mittelbare Gewalteinwirkung, die sich körperlich manifestiert, zu konstruieren, ist künstlich und verwischt die Merkmale der beiden Tatbestandsvarianten. bb) Er hat aber gedroht, dem Sohn des B erhebliche Verletzungen zuzufügen (Prügel „nach denen Du ihn nicht wiedererkennst“). Dies könnte eine Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben iSd § 255 darstellen. Eine Drohung wird verstanden als das Inaussichtstellen eines Übels, auf dessen Eintritt der Ankündigende Einfluss zu haben vorgibt. Das Übel muss hier in einer Gefahr für Leib oder die körperliche Unversehrtheit liegen. Der Begriff der gegenwärtigen Gefahr ist dabei wie in § 34 auszulegen, d.h. es muss sich um ein Geschehen handeln, bei dem bei ungestörtem Fortgang der Ereignisse der Eintritt eines Schadens für ein Rechtsgut naheliegt, wenn nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden. Nach der Einschätzung des B, auf die es hier ungeachtet der Frage, ob A tatsächlich ein Kind verprügelt hätte, ankommt,8 stand ein solcher Schaden zu befürchten, nämlich an der G esundheit des S. Fraglich ist, ob es ausreicht, dass nicht B gedroht wird, sondern seinem Sohn, d.h. einem Dritten. Da es darauf ankommt, dass die Nötigung in der konkreten Form geeignet ist, den Willen desjenigen zu beugen, bei dem der Täter etwas erreichen will, kann auch die Drohung gegen eine dritte Person ausreichen, wenn sie auch ihm als entsprechend schweres Übel erscheint. Das ist bei angedrohter erheblicher Gewalt gegen das eigene Kind zu bejahen. Da es sich aus Sicht der B bei S auch um eine ihm nahestehende Person handelt, ist auch nach der insoweit engeren Auffassung eine taugliche Nötigungshandlung iSd § 253, 255 gegeben. b) Zu prüfen ist, inwieweit ein Nötigungserfolg – eine Handlung, Duldung oder ein Unterlassen – eingetreten ist, der zu einem Vermögensnachteil geführt hat. Dabei ist umstritten, welche 8

Es ist unerheblich, ob der Täter tatsächlich die Drohung in die Tat umsetzen will, vgl. z. B. BGH St 23, 294 (295).

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Qualität das abgenötigte Verhalten haben muss: Genügt jedes beliebige Verhalten oder ist eine Vermögensverfügung notwendig? aa) Nach einer Auffassung genügt jede Form der Handlung, Duldung oder ein Unterlassen, d.h. insbesondere ein Akt des Gebens, der hier, wie bereits geprüft, vorliegt: B gibt dem A das Geld aus dem Tresor. bb) Nach anderer Auffassung soll es auf die innere Willensbildung beim Genötigten ankommen, der Charakter der Erpressung sei gerade der eines selbstschädigenden Delikts, bei dem die Nötigung eine Vermögensverfügung bewirkt. A wendet weder vis absoluta an, die nach dieser Auffassung als willensausschließende oder ‐negierende Gewalt immer zu einer Fremdschädigung führt, noch ist die Drohung so geartet, dass sie den Willen des Geschädigten für den Nötigungserfolg gänzlich unerheblich macht. Es ist vielmehr ist bereits ausgeführt worden, dass B an der Übergabe des Geldes mitwirken muss, weil er den Treso...


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