GRe Merk PO 10 (Art. 8 GG) PDF

Title GRe Merk PO 10 (Art. 8 GG)
Course Staatsrecht: Grundrechte A bis J
Institution Universität zu Köln
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Wintersemester ...


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Prof. Dr. Stefan Muckel STAATSRECHT: GRUNDRECHTE WS 2015/16 MERKPOSTEN X

(Einzelne Freiheitsrechte – Teil 3) C) Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG I. Schutzbereich: Versammlung ist nicht jedes Zusammenkommen von Menschen (wie bei der sog. Ansammlung, z.B. nach einem Verkehrsunfall), sondern dient einem gemeinsamen Zweck, der zwischen den - mindestens zwei (str.) - Teilnehmern der Versammlung eine innere Verbindung herstellt. Entgegen seiner früheren Rspr. (gemeinsame Kommunikation reichte als Zweck) und der wohl h.L. muss nach neuerer Rspr. des BVerfG der gemeinsame Zweck auf die öffentliche Meinungsbildung gerichtet sein. Die „Love-Parade“ ist danach z.B. keine Versammlung (BVerfG, NJW 2001, 2459). Art. 8 Abs. 1 GG schützt nur die friedliche und waffenlose Versammlung. Waffen sind solche im technischen Sinne (nach WaffG) und im nichttechnischen Sinne, also Gegenstände, die als Waffen eingesetzt werden können (z.B. Baseball-Schläger). Unfriedlich ist eine Versammlung, in der es zu körperlich wirkender, nicht unerheblicher Gewalt gegen Personen oder Sachen kommt (sog. psychische Gewalt reicht nicht, z.B: bei Sitzblockaden). Unfriedlich ist somit (jedenfalls) eine Versammlung, die i.S.v. §§ 5 Nr. 3, 13 Abs. 1 Nr. 2 VersG einen gewalttätigen und aufrührerischen Verlauf nimmt. Aggressives Verhalten einzelner lässt nur für die betr. Personen, nicht für die gesamte Versammlung den Schutz von Art. 8 GG entfallen, es sei denn, sie können von den anderen Teilnehmern nicht unterschieden werden (näher BVerfGE 69, 315 ff. – Brokdorf). Da die Versammlungsfreiheit der freien Kommunikation dient, ist ein Zusammenschluss von Personen nicht von ihr erfasst, wenn er dazu dient, die Versammlung anderer zu stören oder zu verhindern. Geschützte Tätigkeiten sind aber neben der Teilnahme insbes. Organisation und Vorbereitung der Versammlung und auch die Anreise zu ihr. II. Eingriffe: Anmeldungs- und Erlaubnispflicht sind nach Art. 8 Abs. 1 GG ausdrücklich unzulässig. Die in den Versammlungsgesetzen vorgesehenen Anmeldungen (§ 14 VersG) werden als Ausdruck von Obliegenheiten verstanden, die der besseren Entfaltung der Versammlungsfreiheit dienen. Weitere Eingriffe: Verbot, Auflagen, sog. Minusmaßnahmen (als ungeschriebenes „Minus“ zu Verbot und Auflösung, z.B. die polizeiliche Sicherstellung von Waffenattrappen), Ausschließen einzelner Teilnehmer, Behinderungen bei der Anreise, Überwachungsmaßnahmen, insbes. wenn sie abschreckenden Charakter haben. „Spontanversammlungen“ sind Versammlungen, bei denen die Menschen sich derart „spontan“ zusammenfinden, dass eine Anmeldung ganz ausgeschlossen ist; „Eilversammlungen“ sind Versammlungen, die aufgrund ihrer Eilbedürftigkeit zwar angemeldet werden können, aber nicht in der gesetzlich vorgesehenen Frist (nach 14 Abs. 1 VersG: 48 Stunden). III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Eingriffen: Art. 8 Abs. 2 GG enthält einen Gesetzesvorbehalt nur für Versammlungen unter freiem Himmel. Diese unterscheiden sich von Versammlungen in geschlossenen Räumen vor allem durch seitliche Abgrenzungen, wie z.B. in einem Stadion. Auf ein Dach kommt es entgegen dem engeren Wortlaut nicht an. Der Gesetzesvorbehalt rechtfertigt nur versammlungsspezifische Eingriffe. Eingriffe aus anderen Gründen (z.B. wegen einer Meinung, die bei der Versammlung vertreten wird) müssen den betr. Grundrechten und seinen Schranken genügen (z.B. Art. 5 Abs. 1 und 2 GG). Der Gesetzesvorbehalt wird nicht nur durch die Versammlungsgesetze aktualisiert, sondern auch durch das StraßenverkehrsR, die Gesetze über befriedete Bezirke (im Bund: Sartorius I Nr. 434), die Sonn- und Feiertagsgesetze und das allg. Polizei- und Ordnungsrecht (das allerdings von dem insoweit speziellen VersG verdrängt wird, wie dieses inhaltlich reicht, also insbes. für die Versammlung selbst, nicht für das sog. Vorfeld). Für Eingriffe gegenüber Versammlungen in geschlossenen Räumen kommt es auf gegenläufiges Verfassungsrecht an.

- bitte wenden -

2 D) Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit nach Art. 9 GG I. Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit: Zum Begriff des Vereins: § 2 Abs. 1 VereinsG (Sart. I 420). Entscheidend ist, dass der Zusammenschluss freiwillig, zu einem gemeinsamen Zweck mit zeitlicher und organisatorischer Stabilität erfolgt. Art. 9 Abs. 1 GG schützt als Individualrecht Bildung der Vereinigung, Beitritt, Verbleib, aber auch Austritt (insoweit: negative Vereinigungsfreiheit). Öffentlich-rechtliche Vereinigungen zählt die Rspr. nicht zu den hier erfassten Vereinen und wendet Art. 9 Abs. 1 GG deshalb auch nicht auf öffentlich-rechtliche Zwangskörperschaften an (z.B. Rechtsanwaltskammern). Prüfungsmaßstab ist danach nur Art. 2 Abs. 1 GG. Die wohl h.L. sieht dagegen bei öff.-rechtl. Zwangszusammenschlüssen mit Recht den Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit von Art. 9 Abs. 1 GG berührt. Als kollektives Recht ist auch die Vereinigung selbst von Art. 9 Abs. 1 GG geschützt, insbes. ihr Entstehen und ihr Fortbestand. Ihre Tätigkeit nur in einem Kernbereich, d.h. soweit sie zum Bestand in Bezug steht, z.B. die Namensführung und die Selbstdarstellung der Vereinigung nach außen. II. Schutzbereich der Koalitionsfreiheit: Koalitionen sind die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Vereinigungen zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, also vor allem Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Sie müssen (kumulativ) der Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu dienen bestimmt sein. Sie sind gegnerfrei, gegnerunabhängig und überbetrieblich. Ihr Tätigkeitsfeld ist durch Art. 9 Abs. 3 GG in weiterem Umfang geschützt als das der Vereinigungen im Allgemeinen nach Art. 9 Abs. 1 GG. Denn Art. 9 Abs. 3 GG benennt mit dem „Arbeitskampf“ ausdrücklich eine besonders wichtige Aktivität der Koalitionen. Vom Schutzbereich nicht erfasst sind Tätigkeiten, die nicht auf die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gerichtet sind, z.B. der sog. wilde Streik und der politische Streik. III. Eingriffe: Im Hinblick auf die allg. Vereinigungsfreiheit ist vor allem das Verbot nach Art. 9 Abs. 2 GG, §§ 1 ff. VereinsG zu nennen. Mit Blick auf die Koalitionsfreiheit ist zu beachten, dass hier auch Eingriffe von Seiten Privater untersagt werden, Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG (ein Fall sog. unmittelbarer Drittwirkung eines Grundrechts). IV. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Eingriffen: Der Vorbehalt des Art. 9 Abs. 2 GG gilt nach h.M. (a.A. etwa Manssen, StaatsR II: Grundrechte, 11. Aufl. 2014, Rn. 552, 554) sowohl für die allg. Vereinigungsfreiheit als auch für die Koalitionsfreiheit. „Verfassungsmäßige Ordnung“ i.S. von Art. 9 Abs. 2 GG ist (anders als etwa bei Art. 2 Abs. 1 GG) die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Neben dem Vorbehalt des Art. 9 Abs. 2 GG finden die Grundrechte aus Art. 9 Abs. 1 und 3 GG ihre Schranken in kollidierendem Verfassungsrecht (Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattet Rechtswerte), z.B. im Streikverbot für Beamte, das als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentum gem. Art. 33 Abs. 5 GG anerkannt ist. Literatur: Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher, Staatsrecht II. Grundrechte, 30. Aufl. 2015, Rn. 747 ff. (Versammlungsfreiheit) u. Rn. 778 ff. (Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit); Manssen, Staatsrecht II. Grundrechte, 11. Aufl. 2014, Rn. 484 ff. bzw. 543 ff.

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