Hausarbeit Pädagogik WS17,18 PDF

Title Hausarbeit Pädagogik WS17,18
Course Einführung in das pädagogische Sehen und Denken
Institution Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
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Summary

Youtube im Sinne von Bildung...


Description

Friedrich-Alexander-Universität Seminar: Einführung in pädagogisches Sehen und Denken Prüferin: Dr. Ines Sausele-Bayer Prüfungsnummer: 52121 Prüfungssemester: Wintersemester 2017/18 Abgabetermin: 31.03.2018

Bildung und YouTube Finden auf YouTube Bildungsprozesse statt?

Eingereicht von: Lisa-Mae M Matrikelnummer: 22042740 Studiengang Pädagogik/Italoromanistik 1. Fachsemester

Gliederung 1. Logan Pauls Video „Suicide Forest“ ……………………………………………………………...1 2.

Begriffserklärung

und

Entstehung

YouTubes

……………………………………………………...2 2.1 Formate auf YouTube ……………………………………………………………….…… 3 2.1.1 Beauty-Gurus ………………...…………………………………………………...……3 2.1.2 Let's Plays ……………………………………………………………………………… 4 2.1.3 Musikvideos ……………………………………………………………………………4 2.1.4

How

To's

oder

Tutorials

………………………………………………………………...4 3. Die Bildungstheorie Wilhelm von Humboldts anhand von Hans-Christoph Koller ……..……. ….5 3.1 Humboldts Bildungsbegriff ……………………………………………………………… 5 3.2 Sprache als Gegenstand und Medium von Bildung ……………………………………… 7 4.

Vergleich

Bildungsbegriff

und

YouTube…………………………………………………………...8 4.1 Identitäsbildung von Jugendlichen auf YouTube ………………………………………… 8 4.2

Bildungsprozesse

durch

Lernräume

……………………………………………………...9 5.

Fazit

……………………………………………………………………………..

………………..10 6. Ausblick ………………………………………………………………………………………….10 Literaturverzeichnis ……………………………………………………………………………..….12

1. Logan Pauls Video „Suicide Forest“ „Okay. This is not clickbait. This is the most real vlog I've ever posted on this channel.“ (Logan Paul 2017, YouTube), so beginnt Logan Paul, der erst 22-jährige YouTuber mit knapp 16 Millionen Abonnenten, sein Video und erklärt, dass er zusammen mit seinen Freunden in den sogenannten „Suicide Forest“ in Japan gehen wird. Die ruhige, etwas traurige Musik gibt dem Ganzen eine besondere Atmosphäre. Zu sehen ist eine Autofahrt, in der Logan seine Fans dazu ermutigt, das Beste aus deren Leben zu machen. Er hofft, dass 2018 ein gutes Jahr für ihn wird. Mit der Kritik, mit der er in wenigen Stunden nach Veröffentlichung des Videos konfrontiert wird, rechnet er in diesem Moment noch nicht. Die Musik wird dramatischer und Logan sagt, dass in diesem Wald schon mehrere Leichen gefunden worden sind. Noch spaßen die jungen Erwachsenen herum, freuen sich auf die Übernachtung im Wald. Was dann passiert, ist so absurd, dass man es kaum glauben mag. Die Gruppe entdeckt einen Jungen, der sich in genau diesem Wald erhängt hat und der Überwachungsmann bestätigt, dass es sich um einen Schüler handelt. Im Original Video wird die Leiche gefilmt und, immerhin, unkenntlich gemacht. Logan erklärt seinen Fans, dass Suizid keine Lösung ist und er immer für sie da sein wird. Im nächsten Moment jedoch scherzt er und lacht über die Gesamtsituation. „This was all gonna be a joke!“ (ebd.), versucht er diese Aktion zu rechtfertigen. Das Video endet schließlich damit, dass er in Begleitung trauriger Musik erneut betont, wie schlimm Suizid ist. Die Gegenreaktion zu diesem Video kommt aus allen möglichen Ländern, von allen medialen und nichtmedialen Plattformen und ist negativ. Die Reaktion darauf kommt allerdings viel zu spät. Alle medialen Plattformen berichten darüber, es wird kritisiert und sie einigen sich darauf, dass so etwas nicht auf YouTube gehört. Seine Abonnenten jedenfalls stehen noch voll und ganz hinter ihrem größten Idol, was man auf seinem „So Sorry.“ Video, wenige Tage nach dem Skandal hochgeladen, sehen kann. Immer wieder finden sich unterstützende, aufbauende und herzliche Kommentare, die Logan ermutigen sollen, mit dem weiterzumachen, was er doch so gut kann: Unterhaltung. Und genau das tut er, denn nach einer kurzen Pause beginnt er wieder mit dem täglichen Hochladen von Videos in denen er tote Ratten mit einem Elektroschocker schockt, aus Flugzeugen springt oder den nächsten „Disstrack“ gegen andere YouTuber entwirft. Sein ganz normaler Alltag, welchen seine Abonnenten so mögen, schätzen und tagtäglich über seine Videoblogs verfolgen. Dass die Darstellung eines solchen Lebens eher nicht der Realität entspricht, sondern vielmehr auf Unterhaltungsgründen überhöht dargestellt wird, ist den Wenigsten bewusst. Viele Jugendliche sind nach so einem Negativbeispiel nicht in der Lage, dieses kritisch zu reflektieren, ihnen wird somit ein falsches Bild von Unterhaltung vermittelt. Dass die Aktion von Seite 1

Logan Paul nicht besonders vorbildlich ist, und hierbei kein positiver pädagogischer Prozess stattgefunden hat, bzw. stattfinden kann, soll deutlich gemacht werden. Deswegen stellt sich schlussendlich die Frage, ob YouTube überhaupt ein Medium der Bildung ist, an dem Bildungsprozesse diagnostiziert werden können. Ist es möglich, auf der Plattform YouTube, die mitunter auch ein soziales Netzwerk darstellt, Bildungsprozesse festzumachen? Dieser Frage soll in drei Schritten nachgegangen werden. Zunächst soll das Medium „YouTube“ anhand von Eisemann ausformuliert werden, der u.a. auch auf Entstehungsprozesse, bezogen auf ein konkretes Beispiel, eingeht. Folgend dazu findet eine Einteilung in bestimmte Kategorien, die auf der Plattform zu finden sind, statt. Letztlich soll der Bezug zu „klassischen“ Bildungsidealen, u.a. zu Humboldt, hergestellt werden, um vermeintliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede festzumachen.

2. Begriffserklärung und Geschichte YouTubes Mit YouTube, was sich mit „du sendest“ übersetzen lässt, ist ein Internet-Videoportal gemeint, welches am 14. Februar 2004 von drei ehemaligen PayPal-Mitarbeitern gegründet wurde. Die Idee entstand aufgrund der eingeschränkten Möglichkeit, größere Videodateien ins Internet hochzuladen Das erste Video, mit einer Dauer von 19 Sekunden, wurde am 23. April 2005 von Jawed Karim hochgeladen. Es trägt den Titel „Me at the zoo“, zeigt den Mann vor einem Elefantengehege und hat während der Entstehung dieser Hausarbeit circa 46 Millionen Aufrufe1. Das Prinzip der Plattform ist einfach, denn jeder kann sich kostenlos einen Account erstellen um anschließend Videos hochladen zu können. Des Weiteren besteht die Möglichkeit andere YouTuber zu abonnieren, Videos positiv oder negativ zu bewerten und den Schöpfern der Inhalte Kommentare zu hinterlassen (Eisemann 2013, S. 124 ff.). Das Geschäftsmodell von YouTube basiert auf seiner Reichweite, da Umsätze über Werbeanzeigen auf der Startseite oder über kostenpflichtige Inhalte realisiert werden. Allerdings kommen nur bestimmte Videos in Frage, die monetarisiert werden dürfen, denn wer sich nicht an Urheberrechte hält erzielt keinen Gewinn mit seinen Videos. Seit 2008 können auf YouTube bestimmte Begriffe gegen Gebühr verwendet werden, sodass das Video dann als gesponsertes angezeigt wird und somit eine größere Reichweite erreicht werden kann (ebd., S. 125). YouTube befindet sich im Januar 2018 auf Platz zwei (nach Facebook) der größten sozialen Netzwerke mit ca. 1500 Millionen Nutzern2. 92% dieser Anwender sind im Jahr 2016 zwischen 14 1 youtube.de, Jawed Karim 2statista.com, 2018

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und 19 Jahre alt3, also Kinder und Jugendliche. Aus diesem Grund legt YouTube öffentlichkeitswirksam viel Wert auf den Jugendschutz. Da bereits vielfach Probleme mit Cybermobbing, Cyberbullying (Mobbing im Internet) und Verletzungen der Persönlichkeitsrechte aufgetreten sind, setzt die Plattform auf vorbeugende Informierung der Nutzer und auf eigenverantwortlichen Umgang in der Gemeinschaft. Bei Verletzung der Community-Richtlinien steht ein Meldesystem für Kanäle und Videos zur Verfügung, denn bei der Kontrolle der Inhalte setzt die Plattform auf deren Nutzer: Erst nachdem ein Video, ein Kanal oder ein Kommentar gemeldet wurde, überprüfen die Mitarbeiter dies binnen kürzester Zeit und leiten weitere Maßnahmen ein. Jedoch werden nur diejenigen Videos entfernt, die tatsächlich gegen die Richtlinien verstoßen, was vielen Nutzern Anlass für Beschwerden gibt. YouTube definiert sich zwar selbst als Plattform für Jugendliche ab 13 Jahren, jedoch findet bei der Registrierung keine Überprüfung der Altersangabe statt. Das Problem ist demnach, dass Minderjährige einen Account mit gefälschten Daten erstellen könnten und somit Zugriff auf alle inhaltlich- als auch altersbeschränkter Videos der Plattform erhielten. (ebd., S. 133f.).

2.1 YouTubes Formate YouTube hat sich für Jugendliche von einer reinen Videoplattform zu einer bedeutenden „Social Community“ entwickelt und ist somit Teil der Jugendkultur geworden. Dadurch sind zahlreiche Formate entstanden, die nur unter der Bedingung der einwandfreien Kommunikation mit der Gemeinschaft stattfinden können, weshalb jeder YouTuber zwangsläufig auf diese angewiesen ist. Durch das Unterstützen des Lieblings-YouTubers mit zum Beispiel positiven Kommentaren kann so auf Basis der Interaktion die Bildung einer Fangemeinschaft angeregt werden. Der YouTuber kann ebenfalls mit seinen Fans interagieren und unter diesen kann sich eine Fangemeinschaft bilden. Je bedeutsamer die Plattform für Kinder und Jugendliche ist, desto mehr möchten diese die bekanntesten Formate imitieren, um so vielleicht selber zum YouTube-Star werden (Rösch und Seitz, 2015, S. 25). Im Folgenden werde ich deshalb einen Überblick zu den bekanntesten Formaten auf YouTube geben. Diese sind „Beauty-Gurus“, „Let’s Plays“, Musikvideos und „How To’s“ oder auch im täglichen Sprachgebrauch „Tutorials“ genannt.

2.1.1 Beauty-Gurus Der Lifestyle oder auch Personal-Blogger ist ein Genre, das vor allem bei den weiblichen YouTubern wie auch bei weiblichen Zuschauern beliebt ist, jedoch beschäftigen sich mit 3 statista.com, 2018

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zunehmender Zeit immer mehr männliche YouTuber und Zuschauer mit dem Format. Die Protagonisten/-innen zeigen die neuesten Schönheitsprodukte, geben Schminktipps, oder lassen ihre Fans mit Videoblogs (kurz Vlogs) an ihrem Alltag teilnehmen (ebd., S. 27). Die Zuschauer/-innen identifizieren sich über Kosmetik und Kleidung, die in dem Video vorgestellt werden (Hugger und Braun, 2015, S. 22). Laut Statistik schauen sich im Jahr 2017 27% der Mädchen täglich oder mehrmals die Woche Formate dieser Art an4.

2.1.2 Let's Plays Bei Let's Plays wird den YouTubern dabei zugesehen, wie sie sich mit einem bestimmen Computerspiel beschäftigen. Unzählige Computerspieler/-innen haben begonnen, sich gegenseitig ihre Art der Spielweise zu zeigen, neue Spiele und Lösungswege zu präsentieren. Durch lustige Kommentare, persönliche Bewertungen oder ironische Anspielungen des/der Protagonisten/-in wird eine neue inhaltliche Ebene geschaffen, denn oft geht es gar nicht um das Spiel, sondern vielmehr um die Meinung des Spielers (Rösch und Seitz, 2015, S. 26). Dieses Format scheint das beliebteste bei Jungs zu sein, denn 2017 wählen 51% Let's Plays als Format, welches sie täglich oder mehrmals schauen5.

2.1.3 Musikvideos Das Video mit den meisten Aufrufen weltweit ist das Musikvideo, weshalb diese Kategorie auch die beliebteste darstellt. Beispielsweise „Despacito“ von Luis Fonsi und Daddy Yankee erhielt auf YouTube 4,8 Milliarden Aufrufe, und steht somit vor „See You Ygain“ von Wiz Khalifa und Charlie Puth mit 3,4 Milliarden und „Shape of You“ von Ed Sheeran mit 3,3 Milliarden Klicks. 6 Doch auch YouTuber und Jugendliche produzieren gerne Musikvideos in verschiedenen Genres und in den verschiedensten Qualitätsstufen. Dabei spielt Kreativität und Einzigartigkeit eine große Rolle (ebd., S. 28).

2.1.4 How To's oder Tutorials Fast alle Tätigkeiten können erklärt und auf YouTube hochgeladen werden, denn in diesem Format beschreibt der Protagonist/die Protagonistin genau wie man etwas Bestimmtes tut: Sei es wie man einen Kuchen backt, Pflanzen pflegt oder Videos schneidet. Viele YouTuber nutzen hierfür den 4 klicksafe.de, 2017 5 klicksafe.de, 2017 6 rp-online.de, Christoph Schroeter, 2018

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Screencast, das bedeutet, dass Bildschirmaktivitäten mitgeschnitten werden. Jugendliche nutzen das Format beinahe selbstverständlich in den verschiedensten Zusammenhängen, denn bei den Tutorials gibt es keine Grenzen. Oft findet man auch pädagogische Inhalte wie Erklärungen von mathematischen Formeln oder Analysen von Gedichten, doch auch darüber hinaus kann das Format sein medienpädagogisches Potenzial entfalten. Jugendliche können nicht nur durch Anleitungen ihr Wissen an andere weitergeben, sondern dabei auch ihre eigene Sicht auf bestimmte Betrachtungsweisen ihrer Lebenswelt vermitteln (ebd., S. 26 f.).

3. Die Bildungstheorie Wilhelm von Humboldts anhand Hans-Christoph Koller Im Folgenden wird die Bildungstheorie Wilhelm von Humboldts wiedergegeben und auf diese näher eingegangen werden, um seine Definition des Begriffs Bildung wiederzugeben. Die Wurzeln des Bildungsbegriffs reichen bis ins 14. Jahrhundert zurück und sind etymologisch mit dem Wort Bild verwandt. Demzufolge wird er weitgehend in Bezug auf die äußere Gestalt des Menschen gebraucht. Während des 18. Jahrhundert löst sich der Bildungsbegriff vom reinen Erscheinungsbild und um 1800 bezieht er sich primär auf die Entwicklung der gesamten Person. Besonders fundamental ist Wilhelm von Humboldts Definition des Begriffs aufgrund seiner politischen Stellung, da er von 1809 bis 1810 Leiter der Abteilung für Kultus und Unterricht im preußischen Innenministerium war, wie Hans-Christoph Koller heraustellt (2017, S. 73 f.). Im Folgenden werde ich deshalb auf genau diese Formulierung Humboldts eingehen.

3.1 Humboldts Bildungsbegriff „Der wahre Zwek [sic!] des Menschen – nicht der, welchen die wechselnde Neigung, sondern welchen die ewig unveränderliche Vernunft ihm vorschreibt – ist die höchste und proportionirlichste [sic!] Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen“ (Humboldt, 1792/1980, S. 64, zitiert nach Koller, 2017, S. 74) Dieses Zitat befindet sich in einer seiner ersten Schriften von 1792, in welcher er versucht den Bildungsbegriff zu veranschaulichen. Die Frage nach dem Zweck des Menschen bildet hierfür den Ausgangspunkt und kann gleichgesetzt werden mit der Bestimmung des Menschen. Das Ziel menschlicher Entwicklungen soll hierbei weder von äußerlichen Anforderungen, noch von religiösen oder politischen Persönlichkeiten kommen. Sein Bezugspunkt hingegen ist das Innere des Menschen, dessen Kräfte und ewig unveränderliche Vernunft, demnach die gesamten Anlagen und Seite 5

Potenziale. Diese kommen zunächst nur als Möglichkeit, die es erst noch zu entfalten, realisieren und eben bilden gilt (Koller, 2017, S. 74, f.) Bildung bestimmt Humboldt als „höchste und proportionirlichste“ Entfaltung der menschlichen Kräfte „zu einem Ganzen“. Diese Aussage lässt sich in vier Bestimmungen zerlegen, erstere ist die Bildung von Kräften, zweitens die höchste und drittens die proportionirlichste Entfaltung dieser Kräfte, die es anschließend zu einem Ganzen zusammenzufügen gilt. Was er mit Kräftebildung meint, wird in seinem Fragment „Theorie der Bildung des Menschen“ klar:

„Im Mittelpunkt aller besonderen Thätigkeiten [sic!] nemlich [sic!] steht der Mensch, der ohne alle, auf irgend etwas [sic!] Einzelnes gerichtete Absicht, nur die Kräfte seiner Natur stärken und erhöhen, seinem Wesen Werth [sic!] und Dauer verschaffen will.“ (Humboldt, 1793/1980, S. 235, zitiert nach Koller, 2017, S. 74) Auch hier wird deutlich, dass sich Humboldts Ausgangspunkt nicht auf äußere Anforderungen an den Menschen bezieht, sondern ausschließlich auf den Menschen selbst. Das, was den Menschen zum Menschen macht, sind laut Humboldt nicht dessen Absichten, die nur auf „irgend etwas Einzelnes gerichtet“ sind, vielmehr sind es die „Kräfte seiner Natur“, die gestärkt und erhöht werden müssen, sowie sein „Wesen“, dem es stetig „Wert“ zu verschaffen gilt (ebd., S.75 f.) Wenig später bestimmt er weiterführend den „wahren Zwek“ des Menschen als „letzte Aufgabe unseres Daseyns“, die darin bestehe,

„dem Begriff der Menschheit in unserer Person […] durch die Spuren des lebendigen Wirkens, die wir zurücklassen, einen so großen Inhalt, als möglich, zu verschaffen.“ (Humboldt, 1793/1980, S. 235, zitiert nach Koller, 2017, S. 76) „Menschheit“ wird hier nicht als Gesamtheit aller Menschen verstanden, vielmehr als Menschsein, folglich das, was den Menschen als Menschen ausmacht. Humboldt beschreibt die Bestimmung und gleichzeitig das Ziel des Menschen, die Möglichkeiten, die ihm gegeben sind, möglichst umfassend zu verwirklichen. Die Bestimmung der Bildung als höchste Entfaltung der menschlichen Kräfte besagt, dass die menschlichen Befähigungen so hoch und weit wie möglich entwickelt werden sollen. Das Problem hierbei ist laut Humboldt, dass der Mensch zwar über eine Vielzahl verschiedener Kräfte entwickeln kann, diese aber in einem Konkurrenzverhältnis zueinander treten können. Die Antwort auf dieses Problem liefert die dritte Bestimmung Humboldts, nämlich Bildung als proportionirlichste Entfaltung der menschlichen Kräfte. Das Wort proponierlichst stammt von „Proportion“ und meint „verhältnismäßig“ oder „ausgewogen“, die verschiedenen menschlichen Seite 6

Kräfte sollen also im richtigen Verhältnis zueinander entwickelt werden (ebd., S. 76 f.). Doch was genau ist laut Humboldt dann das Ziel der Bildung? Koller behauptete, dass es für jeden Einzelnen darin bestehe, seine Kräfte und Anlagen so auszubilden, dass ein Außerirdischer eine möglichst positive Vorstellung vom Menschen gewänne, wenn er diesen als erstes und einziges Exemplar der Gattung Mensch sehe. Folglich bedeutet das, dass ein einziger Mensch ein angemessener Repräsentant werden muss, um das Beste seiner kompletten Gattung verkörpern zu können. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Gesellschaft dieses Ideal verwirklicht: Der Einzelne kann und soll sogar versuchen, die Gesamtheit aller Menschen zu verkörpern, er benötigt aber stets die Unterstützung der Gesellschaft, damit der Prozess vollkommen wird. Bildung ist demgemäß kein individueller, sondern vielmehr ein gesellschaftlicher Vorgang (ebd., S.78 f.).

3.2 Sprache als Gegenstand und Medium von Bildung Sprache spielt für Humboldt eine sehr wichtige Rolle im Sinne der Bildungstheorie, weshalb er ein umfassendes, sprachwissenschaftliches und sprachphilosophisches Werk hinterlassen hat. Humboldts Auseinandersetzung mit Sprache zeigt die genaue Funktion dieser auf, nämlich ist sie Vermittlerin sowohl zwischen Ich und Welt als auch Du und Welt und hat somit eine besondere Bedeutung im Blick auf die bildende Wechselwirkung des Menschen mit der Welt. Sprache bezeichnet er als „bildendes Organ der Gedanken“ und meint dies nicht als Werkzeug, sondern vielmehr als Organ, um bereits vorhandene Gedanken hervorzubringen. Jede Sprache besitzt ein eigenes Lautsystem, eine eigene Grammatik, einen eigenen Wortschatz und dementsprechend auch eine eigene Weltansicht, welche die Vorstellungswelt ihrer Sprecher bedeutsam beeinflusst. Humboldts Interesse gilt aber nicht nur der Sprache, sondern vielmehr den Sprachen. Durch die Auseinandersetzung mit vielen, unterschiedlichen Sprachen, ist es möglich sich eine Vielzahl an verschieden Weltansichten anzueignen. Humboldts Betonung der Vielfalt der Sprachen hat unmittelbare Bedeutsamkeit für seine Bildungstheorie. Eine Wesentliche Aussage über Bildungsprozesse ist somit, dass es um die Erweiterung der eigenen Weltansicht geht, die nur, wie bereits erwähnt, über eine Konfrontation mit fremden Sprachen entstehen kann. Diese Wechselwirkung ermöglicht dem Menschen eine neue Weise des Denkens und erweitert die Grenzen seiner bisherigen Weltansicht. Dabei muss beachtet werden, dass es sich bei einer Vielfalt von Sprachen nicht ausschließlich um Nationalsprachen wie Deutsch oder Englisch handeln muss, sondern alle möglichen individuellen Sprech- und Ausdrucksweisen, wie zum Beispiel die Jugendsprache, in Betracht gezogen werden können. Bildung meint im Grunde also jeden Dialog mit anderen Menschen, die sich ebenfalls auf Seite 7

fremde Weltansichten einlassen und auf diese Weise die Weltansicht des Gegenübers erweitern (ebd. S. 84 ff.).

4. Vergleich Bil...


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