Meinungsstreit Strafrecht AT PDF

Title Meinungsstreit Strafrecht AT
Course Strafrecht und Strafprozessrecht
Institution Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
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Meinungsstände AT

Problem Nr.1: Tiere als Sachen iSd Strafrechts Im BGB ist ausdrücklich festgelegt, dass es sich bei Tieren nicht um Sachen handelt (§90a BGB). Im Strafrecht ist hingegen die Frage nicht geregelt. Richtigerweise orientiert sich jedoch der strafrechtliche Begriff nicht streng an dem des Zivilrechts. Die Zielsetzung de Strafrechts ist eine andere als die des Zivilrechts. Dem §303 geht es nicht um den Schutz des Tieres, sondern vielmehr um den Schutz des Eigentümers. Es erscheint folglich unbedenklich, auch Tiere unter den strafrechtlichen Sachenbegriff zu subsumieren.

Problem Nr.2: Abgrenzung dolus eventualis / bewusste Fahrlässigkeit a) Lösungsansätze mit dem Schwerpunkt auf dem intellektuellen Vorsatz-Element Eine Strömung beurteilt die Abgrenzung vorwiegend unter Bezugnahme auf das WissensElement. Des Vorsatzes und verzichtet auf die voluntative Komponente. (Vorstellungstheorien) (1) Möglichkeitstheorie: Für den Eventualvorsatz genügt, dass der Täter die konkrete Möglichkeit des Erfolgseintritts erkannt und gleichwohl gehandelt hat. Argument: + Es ist logisch, dass derjenige, der die konkrete Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt und gleichwohl handelt, den Erfolgseintritts akzeptiert. Θ lässt für Fälle bewusster Fahrlässigkeit keinen Raum und dehnt den Eventualvorsatz damit zu weit auf Fälle bewusster Fahrlässigkeit aus Θ verkennt die Bedeutung des voluntativen Elements, das aufgegeben wird Θ Aufgabe dieses Elements gerade bei der Abgrenzungsfrage besonders misslich, da die Gemeinsamkeit von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit gerade darin liegt, dass der Täter die Gefahr der Ttatbestandsverwirklichung erkennt, d.h. Also gerade in der Wissens-Komponente des Vorsatzes.

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Kommentiert [farah.moh1]: In der Klausur ist dieser Meinungsstreit nur auszuführen, wenn der Sachverhalt nicht erwähnt, dass der Täter den Erfolg ,,billigend in Kauf genommen“ oder ,,auf einen guten Ausgang gehofft“ hat - ist dies der Fall, so reicht der Verweis auf die Billigungstheorie und es kann im ersten Fall bedingter Vorsatz, im zweiten bewusste Fahrlässigkeit angenommen werden

(2) Wahrscheinlochkeitstheorie: Hat der Täter den Erfolgseintritt für wahrscheinlich gehalten, so hat er mit Eventualvorsatz gehandelt. Argument: + ,,Wahrscheinlich“ ist mehr als nur ,,möglich“. Ab der Bewusstseinsstufe des FürWahrscheinlich-Befindens kann das Wissenselement die willentliche Inkaufnahme klar indizieren. Θ Eine klare Grenzziehung zwischen Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit ist nicht erkennbar. Θ Wie bei der Möglichkeitstheorie kommt auch hier das voluntative Element zu kurz. Θ Gemeinsamkeit von dolus eventualis und bewusster Fahrlässigkeit gerade im kognitiven Vorsatzelement, weshalb die Abgrenzung an diesem nicht festgemacht werden kann

b) Lösungsansätze mit dem Schwerpunkt auf dem voluntativen Vorsatz-Element Andere beziehen das voluntative Vorsatzelement mit ein und sehen das entscheidende Differenzierungspotential gerade in dieser Komponente. (3) Gleichgültigkeitstheorie: Eventualvorsatz liegt vor, wenn der Täter einer Verletzung des geschützten Rechtsguts gleichgültig gegenübergestanden hat. Argument: + Vorsatz ist gegenüber der Fahrlässigkeit die schwerere Schuldform. Es bedarf folglich eines zusätzlichen Gesinnungsunwerts. Dieser findet in der Gleichgültigkeit gegenüber der Rechtsgutsverletzung seinen Ausdruck. Θ macht die innere Einstellung gegenüber dem geschützten Rechtsgut zum entscheidenden Abgrenzungskriterium und führt insoweit zu einem Gesinnungsstrafrecht Θ zu einseitig und zu eng; erfasst nur einen Teilaspekt des Problemkomplexes

(4) Ernstnahmetheorie:

Kommentiert [farah.moh2]: Ernstnahmetheorie (h.L.) und Billigungstheorie (BGH) decken sich meistens!!!

Dolus eventualis liegt vor, wenn der Täter mit der Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung ernstlich damit rechnet, um des erstrebten Zieles Willen aber trotzdem weiter handelt und sich dadurch mit einer eventuellen Tatbestandsverwirklichung sei es auch nur wohl oder übel – abfindet. 2

(5) Billigungstheorie (h.M.) Dolus eventualis liegt vor, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt und ihn billigend in Kauf genommen hat, wobei auch unerwünscht Erfolge billigend in Kauf genommen werden können, wenn der Täter sich mit ihnen abgefunden hat. Bewusste Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs zwar als möglich, aber ernsthaft auf dessen Ausbleiben vertraut hat. Argument:

Kommentiert [farah.moh3]: neben der Umschreibung ,,billigend in Kauf genommen“ verwendet die Rspr auch die Formel, dass der Täter mit der Tatbestandsverwirklichung einverstanden sein müsse. Der Begriff des Einverstandenseins ist gegenüber dem des Billigens, der ein deutlicheres Werturteil enthält, vorzuziehen. Kommentiert [farah.moh4]: Indizien, dass der Täter den tatbestandlichen Erfolg gebilligt hat bzw. mit diesem einverstanden war:

+ Der Unterschied zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit liegt in der bewussten Entscheidung für eine mögliche Tatbestandserfüllung. Während Möglichkeits- und Wahrscheinlichkeitstheorie einseitig auf die Wissenskomponente abstellen und sich die Gleichgültigkeitstheorie einzig am Wollen des Täters orientiert, findet man hier eine ausgewogene Berücksichtigung beider Aspekte, welche der Vielschichtigkeit des Vorgangs am ehesten gerecht wird. Diese Lösung ist deshalb vorzugswürdig.

- BGB stellt auf die Gefährlichkeit der Tathandlung ab: Je riskanter die Tathandlung ist und je eher der Täter diese Gefahr erkannt hat und trotzdem sein gefährliches Handeln fortsetzt, desto eher ist von einem billigend in Kauf nehmen des Erfolgs auszugehen.

c) Normative Risikotheorien Schließlich gibt es eine Gruppe von Ansätzen, die das Problem mit einer wertenden Betrachtungsweise zu lösen versuchen. (6) Theorie der der Manifestation des Vermeidewillens Dolus eventualis liegt vor, wenn der Wille des Täters auf Tatbestandsverwirklichung gerichtet war; dagegen liegt lediglich bewusste Fahrlässigkeit vor, wenn der Täter Gegenfaktoren einsetzt, mit deren Hilfe er den Ablauf so zu steuern versucht, dass es nicht zur Tatbestandsverwirklichung kommt. Θ grenzt die ,,inneren“ Kategorien Vorsatz – Fahrlässigkeit verfehlt über das äußere Erscheinungsbild der Tat ab + Letztlich geht es nicht (nur) um das Innenleben des Täters, sondern um eine normative Zurechnung. Insbesondere wenn der Täter in eine Strafverfahren von seinem Schweigerecht Gebrauch macht, besteht auf seine psychische Konstitution ohnehin kein Zugriff. Es wird daher zumeist nur aus äußeren Gegebenheiten wertend auf den Vorsatz ,,geschlossen“ (nach dem Muster: ,,Wer sich auf die Weise X verhält, muss damit rechnen, dass Y passiert. Θ auch wer keine Gegenfaktoren zur Erfolgsabwendung setzt, kann auf einen guten Ausweg vertrauen (7) Normative Risikotheorie Dolus eventualis liegt vor, wenn sich der Täter bewusst für ein Verhalten entschieden hat, das mit einer in der Rechtsordnung geltenden Risikomaxime unverträglich ist:

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Herzberg: Entscheidend für die objektive Zurechnung ist die (Un-)Abgeschirmtheit des vom Täter gesetzten Risikos. Θ Auf Körperverletzungs- und Tötungsdelikte zugeschnitten Θ Verlagerung des Problems in den objektiven Tatbestand Θ Auch wer keine Gegenfaktoren zur Erfolgsabwendung setzt, kann auf guten Ausgang vertrauen Frisch: Entscheidend ist die (Un-)Kenntnis des unerlaubten Risikos Θ Verlagerung des Problems in den objektiven Tatbestand (8) Kombinationstheorie Schünnemanns Maßgeblich ist eine Synthese aus normativen Risikotheorie und Möglichkeitstheorie: Löst der Täter bewusst ein nicht mehr tolerables Risiko aus, steuert er das Geschehen sehenden Auges gegen das Rechtsgut, woran auch eine emotionale Distanzierung durch die Hoffnung, es werde schon gut gehen, nichts ändert. Somit ist das Wissen um die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung ausreichend. Der an der Möglichkeitstheorie kritisierten Ausdehnung der Strafbarkeit wird durch eine Korrektur auf Ebene der Vorsatzschuld begegnet.

Problem Nr.1: Objektive Zurechnung bei Erfolgsherbeiführung durch vorsatzlosen Zweitakt, während Täter glaubt, Erfolg durch den Erstakt erreicht zu haben Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandlichen Erfolg realisiert. (1) Im Schrifttum wird bei zweiaktigem Geschehensablauf, bei dem der Täter irrtümlich davon ausgeht, das Ziel sei bereits durch den ersten Akt erreich, zT die objektive Zurechnung des durch den Zweitakt herbeigeführten Erfolges verneint. Der Ersthandlung hafte dann nicht das spezifische Risiko des Erfolgseintritts durch die Zweithandlung an. Zum Teil wird die Realisierung des durch die Ersttat gesetzten Erfolgsrisikos nur dann bejaht, wenn der Täter von vornherein vorhat, die Leiche später zu beseitigen. Denkbar erscheint es auch, auf völlige Atypizität des Kausalverlaufs zu verweisen. (2) Zutreffend bejaht hingegen die hA die objektive Zurechnung. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sind verspätete Erfolgseintritte durch Zweithandlungen immer einzukalkulieren, so dass sich die durch den Erstakt geschaffene rechtlich missbilligte Gefahr in dem durch den Zweitakt herbeigeführten tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat.

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Problem Nr.4: Dolus generalis? (1) Lehre vom dolus generalis (heute kaum noch vertreten) Es wird aus dem Vorsatzdelikt bestraft. Argument: + Da die beiden Teilakte als ein einheitliches, von einem einzigen generellen Vorsatz getragenes Handlungsgeschehen zu beurteilen sind, handelt der Täter auch beim zweiten Teilakt noch mit Tötungsvorsatz. Θ Der Täter hat in der Regel keine bloß generelle, sondern eine ganz genaue, aber falsche Vorstellung vom Kausalverlauf. (2) Zwei selbständige Teilakte Der Täter wird wegen versuchter Tat in Tatmehrheit mit fahrlässigem Delikt bestraft. Argument: + Die beiden Teilakte des Geschehens stellen zwei selbstständige, von unterschiedlichen Vorsätzen getragenen Handlungen dar. Θ Eine isolierte Betrachtung der Zweithandlung wird dem tatsächlichen Geschehen nicht gerecht. (3) Sonderfall des Irrtums über den Kausalverlauf (hL und Rspr) Es bleibt also nur die Möglichkeit, an die Ersthandlung anzuknüpfen und weiter zu differenziere. Der Vorsatz entfällt, wenn der Täter sich in rechtlich erheblicher Weise über den Kausalverlauf geirrt hat. Von einer unwesentlichen Abweichung vom Tatplan ist hingegen auszugehen, wenn • •

die Abweichung im Kausalverlauf sich noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und eine Berücksichtigung der individuellen Tätervorstellung keine andere Bewertung rechtfertigt.

Literatur und Rechtssprechung (,,Jauchegrubenfall“) gehen unter Zugrundelegung dieser Kriterien bei einem zweiaktigen Geschehen von einem vollendeten vorsätzlichen Delikt aus. Einschränkend hierzu wird im Schrifttum teilweise nur dann von einer unwesentlichen Abweichung gesprochen, wenn der Täter in der ,,Absicht“ der Erfolgsherbeiführung gehandelt hat. Auch der dolus directus 2.Grades wird insoweit wohl ebenso behandelt (Schrifttum hier nicht eindeutig). Sofern jedoch lediglich dolus eventualis vorgelegen hat, wird der zweite Teilakt nicht als vom Vorsatz umfasst angesehen.

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Problem Nr.5: Verhältnis Totschlag/Körperverletzung (1) Gegensatztheorie Das Vorliegen von Tötungsvorsatz schließt bereits begrifflich das gleichzeitige Vorliegen von Körperverletzungsvorsatz aus. Θ Diese Meinung spaltet den Vorgang lebensfremd auf. Außerdem führt sie zu unangemessenen Ergebnissen: Im Falle eines Rücktritts vom Versuch eines Tötungsdelikts bliebe eine bereits verwirklichte Körperverletzung straflos. (2) Einheitstheorie (hL und Rspr) Eine Körperverletzung ist notwendiges Durchgangsstadium einer jeden Tötung. Folglich ist auch in jedem Tötungsvorsatz zwangsläufig ein Körperverletzungsvorsatz enthalte. Beide Tatbestände sind erfüllt, die §223ff treten lediglich auf Konkurrenzebene als subsidiäre Delikte zurück.

Problem Nr.6: Erfolgsherbeiführung durch ganz atypischen Kausalverlauf Atypische Kausalverläufe liegen vor, wenn der eingetretene Erfolg völlig außerhalb dessen liegt, was nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung noch in Rechnung zu stellen ist. Einigkeit herrscht darüber, dass in solchen Fällen nicht allein der Ursachenzusammenhang die Strafbarkeit des Täters begründen darf. Streitig ist aber, wie eine Haftungsbegrenzung vorzunehmen ist. (1) Die ganz herrschende Ansicht verneint im Falle eines völlig atypischen Kausalverlaufs den objektiven Deliktstatbestand. Ein durch menschliches Verhalten verursachter Erfolg ist nur dann objektiv zurechenbar, wenn die durch das Verhalten geschaffene, rechtlich missbilligte Gefahr sich gerade im Erfolgseintritt verwirklicht hat. Prüfungskriterien sind damit vorrangig der Schutzzweck der Norm und der Pflichwidrigkeitszusammenhang. Aber auch in den Fällen des Abweichens vom typischen Kausalverlauf muss die Erfolgszurechnung entfallen, wenn das Kausalgeschehen vom Täter nicht mehr beherrschbar oder steuerbar war und der Erfolg so nach wertender Betrachtung nicht mehr als ,,sein Werk“ erscheint. Wenn es niemandem in der sozialen Rolle des Täters möglich gewesen wäre, den Erfolg in seiner konkreten Gestalt vorherzusehen, ist dieser Erfolg nur ein Werk des Zufalls und kann dem Täter deshalb nicht mehr zugerechnet werden. Zusätzlich ist eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs immer dann in Erwägung zu ziehen, wenn ein Dritter in das Geschehen eintritt, der seinerseits eigenverantwortlich (vorsätzlich oder fahrlässig) handelt. Sofern die rechtlich relevante 6

Gefahr nicht durch Verletzung von Sicherheitsvorschriften geschaffen worden ist, die gerade dem Schutz vor Vorsatz- oder Fahrlässigkeitstaten Dritter dienen und wenn das Verhalten des Dritten auch nicht so spezifisch mit der Ausgangsgefahr verbunden ist, dass es bereits als typischerweise in der Ausgangsgefahr begründet erscheint, kann der Erfolg allein diesem Dritten zugerechnet werden. (2) Die Rechtssprechung nimmt hingegen, zumindest bei Vorsatzdelikten, die Haftungsbegrenzung zumeist erst auf der Ebene des subjektiven Tatbestandes vor, indem sie bei völlig atypischen Kausalverläufen von einer wesentlichen Abweichung zwischen dem vorgestellten und dem wirklichen Kausalverlauf ausgeht, die gemäß §16 I 1 den Vorsatz entfallen lässt. Fraglich ist nach der Rechtssprechung allein, ob der weitere Geschehensablauf noch vorhersehbar war. Dies wird zB bejaht, wenn ein Verletzter infolge des Blutverlustes bewusst wird, in diesem Zustand erbricht und durch Einatmen des Mageninhalts erstickt. Es ist auch vorhersehbar, dass ein Opfer aufgrund einer Wundinfektion nach einer Stichverletzung stirbt. Im Ergebnis stimmen herrschende Ansicht und Rechtssprechung allerdings idR überein.

Problem Nr.7: Kausalität iSv §35 I 2 Eine Entschuldigung ist dem Täter erst dann zu versagen, wenn und soweit ihm gerade wegen der Verursachung der Gefahr zugemutet werden kann, diese hinzunehmen. Dafür ist aber mindestens ein objektiv pflichtwidriges, wenn auch nicht im technischen Sinn schuldhaftes Verhalten zu verlangen. Handelt der Täter daher im rahmen des sozial Üblichen (allgemeinen Lebensrisiko), so kann ihm das strafrechtlich nicht zum Vorwurf gemacht werden. So ist zB die ordnungsgemäße Teilnahme am Straßenverkehr unter dem Gesichtspunkt des ,,erlaubten Risikos“ nicht geeignet, dem Täter eine Entschuldigung zu versagen.

Problem Nr.8: Verschuldete Gefährdung Angehöriger bzw. nahe stehender Personen und §35 I 2 Auch bei Notstandshandlungen zur Rettung von Angehörigen oder Nahestehenden stellt das Gesetz in §35 I 2 nicht auf deren Vorverhalten, sondern auf die Gefahrverursachung durch den Täter ab. Bei der Verursachung einer dem Täter selbst drohenden Gefahr ist ihm die Hinnahme der Gefahr eher zuzumuten, als wenn die Rettungshandlung zugunsten eines gefährdeten Angehörigen erfolgt. Zu dessen Rettung wird der Täter sich nämlich besonders gedrängt fühlen, wenn er selbst für den Eintritt der Gefahrenlage verantwortlich ist. Die verschuldete Gefährdung Angehöriger oder anderer nahe stehender Personen führt also nicht zum Wegfall des Entschuldigungsgrundes iSv §35 I 2, wenn die Handlung zu deren Gunsten erfolgt.

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Problem Nr.9: Bestimmung der beim Notstand zu berücksichtigenden Interessen Problematisch ist, ob bei der Bewertung der Schädlichkeit des Eingriffs auf der Eingriffsseite nur auf die durch den betreffenden Tatbestand unmittelbar oder mittelbar geschützten Rechtsgüter abzustellen ist (hier die körperliche Unversehrtheit des B) oder ob auch sonstige beeinträchtigte und gefährdete Rechtsgüter in Abwägung zu stellen sind. (Im Falle wären dann auch die Sachbeschädigung am Fahrrad und die Lebensgefahr für B im Rahmen des §223 abwägungsrelevant). (1) Nach einer Mindermeinung sind alle Interessen auf beiden Seiten in die Abwägung einzubeziehen, denn nach dem Grundgedanken des §34 soll nur ein Verhalten gerechtfertigt sein, das in der Gesamtbetrachtung mehr Nutzen als Schaden bringt. Θ die Grenze des Schutzes kann sich stets nur aus dem jeweiligen Tatbestand ergeben. (2) Nach herrschender und zutreffender Ansicht ist deshalb stets nur auf das tatbestandlichen geschützte Interesse abzustellen.

Problem Nr.10: Sachbeschädigung durch bloße Brauchbarkeitsminderung (1) Substanzverletzungstheorie Ursprünglich wurde vom RG ein enger, am Wortsinn orientierter Beschädigungsbegriff vertreten. Danach konnten nur substanzverletzende Einwirkungen dem Sachbeschädigungsbegriff unterfallen. Diese enge Interpretation des §303 I findet bis heute Befürworter. Argument: + der Wortlaut ,,beschädigt“ spricht eher für das Erfordernis einer Substanzverletzung. Θ diese Auslegung führt zu erheblichen Strafbarkeitslücken, insbesondere bei Trennung von zusammengesetzten Sachen, ohne dass eine echte Substanzverletzung vorliegt. Es bleibt in diesen Fällen das Interesse des Eigentümers, die Wertminderung seiner Sache zu vermeiden, ungeschützt. (2) Zustandsveränderungstheorie Hiernach ist jede dem Eigentümerinteresse zuwiderlaufende Zustandsveränderung der Sache von §303 I erfasst. Das führt dazu, dass sogar das bloße Bekleben von Wänden einer Substanzverletzung gleichgestellt wird. Argument: + es soll möglichst jeder ,,Schaden“ erfasst werden, der durch die Einwirkung auf die Sache entstanden ist. 8

Θ Das bloße Verunstalten einer Sache, und sei es auch auffällig, kann wegen der voll aufrechterhaltenen Verwendungsmöglichkeit nicht dem Fall gleichgestellt werden, in dem dem Eigentümer der Nutzen der Sache durch Zerstörung oder Unbrauchbarmachung entzogen wird. Auch ist eine solch weite Auslegung kaum mit dem Wortsinn von Beschädigung vereinbar.

(3) kombinierte Substanzverletzungs- und Funktionsvereitelungstheorie (heute Rspr und hL): Zunächst fällt jede Substanzverletzung unter §303 I. Aber auch ohne Substanzverletzung ist §303 I erfüllt, sofern durch die Einwirkung auf die Sache selbst deren Verwendungsfähigkeit aufgehoben oder gemindert ist. Die bloße Veränderung des Zustandes ist nur dann eine Sachbeschädigung gemäß §303 I, wenn der Zustand als solcher offensichtlich mit der Verwendungsfähigkeit zusammenhängt (zB die Ästhetik eines Kunstwerkes). Argument: + Zweck des durch §303 I gewollten Schutzes ist es zu verhindern, dass der Wert der Sache für den Eigentümer herabgesetzt oder beseitigt wird, und zwar nicht nur der Substanz-, sondern auch der Gebrauchswert. Die hA überzeugt. Sachbeschädigung gemäß §303 I liegt damit vor, wenn die Einwirkung auf eine Sache (auch ohne Substanzverletzung) deren bestimmungsgemäße Brauchbarkeit nicht unwesentlich mindert, so dass die Betroffene Sache nicht mehr funktionsentsprechend voll einsatzfähig ist. Nicht unwesentlich sind die Einwirkungsfolgen in der Regel dann, wenn sie nicht oder zumindest nur mit einem nicht unerheblichen Aufwand an Zeit, Mühe oder kosten zu beseitigen sind.

Problem Nr.11: Unmittelbarkeit bei ,,zum öffentlichen abnutzen dienen“ iSv §304 I Unmittelbarkeit in diesem Sinne liegt vor,...


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