Strafrecht Fragen zu §§ 107 bis 110 St GB PDF

Title Strafrecht Fragen zu §§ 107 bis 110 St GB
Author Rebecca Maier
Course Strafrecht
Institution Universität Salzburg
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Vorlesung Strafrecht Besonderer Teil I

Kurt Schmoller

Fragen zu §§ 107 bis 110 StGB:

1.

Ist die „Gefährliche Drohung“ in § 74 Abs 1 Z 5 StGB oder in § 107 StGB gesetzlich definiert? Man muss unterscheiden: In § 74 Abs 1 Z 5 StGB ist die Tathandlung „gefährliche Drohung“ definiert. Diese Definition spielt für alle (zahlreichen) Delikte eine Rolle, die auf eine „gefährliche Drohung“ als Tathandlung abstellen, insb die Nötigung und spezielle Nötigungsdelikte in denen „Gewalt oder gefährliche Drohung“ verlangt wird. § 107 StGB umschreibt demgegenüber den Tatbestand des eigenen Delikts „Gefährliche Drohung“, das sich von der (verbreiteten) Tathandlung „gefährliche Drohung“ unterscheidet. Allerdings besteht die Tathandlung der „Gefährlichen Drohung“ gemäß § 107 StGB (naheliegender Weise) in einer „gefährlichen Drohung“ gemäß § 74 Abs 1 Z 5 StGB. Zur Tathandlung kommt bei § 107 StGB allerdings der erweiterte Vorsatz (in Form der Absicht) hinzu, den anderen in Furcht und Unruhe zu versetzen.

2.

Ein Sonderfall der Gefährlichen Drohung gemäß § 107 StGB ist der Landzwang gemäß § 275 StGB. Mit der Verwirklichung welchen Merkmals sind die beiden Delikte vollendet? Hinsichtlich der Vollendung sind die beiden Straftatbestände unterschiedlich konzipiert. § 107 StGB ist bereits mit der gefährlichen Drohung vollendet, weil die Versetzung des Opfers in Furcht und Unruhe als erweiterter Vorsatz ausgestaltet ist, dh der Täter muss nur mit diesem Vorsatz handeln, Furcht und Unruhe müssen nicht objektiv eintreten. § 275 StGB verlangt eine etwas anders umschriebene Drohung sowie deren Adressierung an einen „großen Personenkreis“. Zusätzlich wird allerdings als objektives Tatbestandsmerkmal verlangt, dass der große Personenkreis tatsächlich „in Furcht und Unruhe versetzt“ wird, dh § 275 StGB ist erst vollendet, wenn (nachweislich) eine große Zahl von Personen in Furcht und Unruhe versetzt wurde.

3.

Wie verhalten sich § 105 StGB und § 107 StGB zueinander? Ist § 105 StGB erfüllt, kommt § 107 StGB regelmäßig nicht zur Anwendung. Dies folgt in den meisten Fällen schon daraus, dass dann, wenn es dem Täter darum geht, das Opfer zu einem Verhalten zu veranlassen (§ 105 StGB), die von § 107 StGB geforderte erweiterte Absicht, in Furcht und Unruhe zu versetzen, nicht gegeben sein wird. Denn idR geht es dem Täter einer Nötigung darum, das Opfer möglichst schnell zu dem gewünschten

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Verhalten zu veranlassen, die Absicht ist dann nicht darauf gerichtet, das Opfer (eine gewisse Zeit hindurch) in Furcht und Unruhe zu versetzen. Anderes könnte nur gelten, wenn der Täter durch die Drohung zwei Ziele verfolgt, nämlich ein späteres Verhalten zu erreichen und bis dahin das Opfer in Furcht und Unruhe zu versetzen. Dann wären sowohl § 105 als auch § 107 StGB tatbestandlich erfüllt. Echte Konkurrenz anzunehmen, wäre denkbar; die hM nimmt aber auch in solchen Fällen an, dass § 107 hinter § 105 StGB zurücktritt. 4.

a) Durch ein nicht aufrichtig gemeintes Heiratsversprechen erschleicht sich T die Bereitschaft seiner Freundin zum Geschlechtsverkehr. b) Durch die Vortäuschung, ein lukratives Engagement beim Film verschaffen zu können, erreicht T, dass eine junge Frau die Anfertigung „probeweiser“ Nacktfotos gestattet. a) Zu prüfen ist § 108 StGB. Eine Täuschung über Tatsachen liegt vor. Fraglich ist, worin ein „Schaden in den Rechten“ bestehen kann. Manche frühere Entscheidungen haben gemeint, dies könne auch ein „Schaden in der Geschlechtssphäre“, also ein „Schaden in der sexuellen Integrität“ sein. Die hM lehnt dies aber ab, weil die Strafbarkeit im Sexualbereich in §§ 201 ff StGB geregelt ist und der Gesetzgeber dort ausdrücklich darauf verzichtet hat, einen Täuschungstatbestand einzuführen. Vielmehr wurde ein vergleichbarer Tatbestand im früheren § 506 StG („Entehrung unter Zusagung der Ehe“) mit dem StGB 1974 gerade beseitigt. b) Der Schaden in den Rechten könnte hier allenfalls ein „Schaden in der Intimsphäre“ sein. In früheren Entscheidungen hat der OGH in solchen Fällen § 108 StGB bejaht. Die hM hält aber auch dies nicht für überzeugend, weil der Eingriff in die „Intimsphäre“ weniger weit geht als ein Eingriff in die sexuelle Integrität. Wenn beim weitergehenden Eingriff § 108 StGB verneint wird (oben a), kann er im weniger weit gehenden Fall umso weniger bejaht werden.

5.

Um O Unannehmlichkeiten zu bereiten, gibt T unter Vortäuschung, er sei O, eine größere Bestellung bei einem Partyservice mit Lieferung an die Adresse des O auf. Als geliefert wird, nimmt O die Bestellung – verständlicherweise – nicht an. Hat sich T strafbar gemacht? Wiederum kommt § 108 StGB in Betracht. Der Schaden in den Rechten könnte hierbei ein „Schaden am Vermögen“ sein, weil entweder der Partyservice oder O (wenn ihm nicht geglaubt wurde, dass er die Bestellung nicht aufgegeben hat) am Vermögen geschädigt wurde. Abgesehen davon, dass die Absicht auf Vermögensschädigung näher geprüft werden müsste, ist die entscheidende Frage, ob das Vermögen ein „Recht“ iS des § 108 StGB ist. Die Rechtsprechung hat dies wiederum bejaht, im Schrifttum ist die Frage umstritten.

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Sie wird mit dem plausiblen Argument verneint, dass der Betrug gemäß § 146 StGB bei den Vermögensdelikten geregelt und dort ausdrücklich von einem Bereicherungsvorsatz abhängig gemacht ist. Es erschiene aber nicht schlüssig, dass den Täter dann ohne Bereicherungsvorsatz gemäß § 108 StGB eine doppelt so hohe Strafdrohung trifft. § 108 StGB passt außerdem nicht als Vermögensdelikt, weil er weder die üblichen Schadensgrenzen (5 000 € und 300 000 €) enthält noch die Vorschriften über eine Begehung im Familienkreis (§ 166 StGB) und über tätige Reue (§ 167 StGB) auf ihn anwendbar sind. Es soll hier für den geschilderten Fall nicht ein gewisses Strafbedürfnis verneint werden. Dazu müsste der Gesetzgeber aber wohl bei den Vermögensdelikten einen passenden Tatbestand erlassen. Die Anwendung von § 108 StGB führt zu keinen schlüssigen Ergebnissen. Anmerkung: Freilich taucht dann die Frage auf, welchen Anwendungsbereich § 108 StGB überhaupt hat; denn für jedes Rechtsgut lässt sich argumentieren, dass es einen eigenen Deliktsbereich gibt, dessen (überlegt gezogene) Grenzen nicht durch eine undifferenzierte Anwendung des § 108 StGB umgangen werden sollen. Manche betonen deshalb ausdrücklich, dass § 108 StGB keinen Anwendungsbereich habe. Ein abweichender Vorschlag im Schrifttum geht dahin, § 108 StGB dahin auszulegen, dass der „Schaden in den Rechten“ ein „Schaden in den Freiheitsrechten“ sein muss; immerhin steht der Tatbestand ja bei den Freiheitsdelikten. Das wäre dann der Fall, wenn eine Täuschung den Getäuschten so in Zugzwang bringt, dass seine Freiheit ähnlich eingeschränkt ist wie zB bei einer Nötigung („freiheitsbeschränkende Täuschung“). Beispiel: Jemand warnt eine Fluglinie telefonisch, er habe gehört, dass sich an Bord eines startbereiten Flugzeugs eine von Terroristen versteckte Bombe befindet. Die Fluglinie „muss“ das Flugzeug anhalten, evakuieren und durchsuchen. War die Warnung erfunden, läge in ihr eine „freiheitsbeschränkende Täuschung“, weil den Getäuschten realistischer Weise „keine Wahl“ blieb. 6.

Im Rahmen eines medizinisch wissenschaftlichen Forschungsprojekts intubiert der Oberarzt A neugeborene Babys und fixiert für eine gewisse Zeit deren Hände. Dies ist mit keinerlei Gesundheitsgefahr für die Babys verbunden. Den Eltern sagt er, die Intubation sei medizinisch notwendig. Macht der Arzt sich strafbar? Es handelt sich um einen tatsächlichen Fall. Nach Meinung des OGH war § 108 StGB verwirklicht, weil die Eltern getäuscht wurden. Der Schaden beträfe einerseits das Recht der Kinder, nicht intubiert zu werden, andererseits das Recht der Eltern, über ihre Kinder richtig informiert bestimmen zu können. Auch diese Entscheidung ist fraglich. Denn bei den Körperverletzungsdelikten hat der Gesetzgeber die Wertung getroffen, dass „bloße“ Misshandlungen nicht strafbar sind, sondern erst dann, wenn sie zumindest fahrlässig zu einer Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung geführt haben. Im konkreten Fall wurden die Kinder „misshandelt“, jedoch weder verletzt noch an der Gesundheit geschä-

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digt. Dann ist es problematisch, die in § 83 StGB getroffene Wertung durch § 108 StGB zu umgehen. 7.

Als X nicht zu Hause ist, steigt Y in die Wohnung des X ein, durchsucht dessen private Korrespondenz und stöbert in dessen Fotosammlung. Ist das ein Hausfriedensbruch? Nein. Die Strafbarkeit in § 109 StGB ist ausdrücklich auf ein Erzwingen des Eintritts bzw ein Eindringen mittels „Gewalt oder Drohung mit Gewalt“ beschränkt. Y ist ohne Gewalt oder Drohung „eingestiegen“ und damit nicht strafbar. Auch ein anderes Delikt als § 109 greift nicht ein. Im Schrifttum wird zu Recht kritisiert, dass § 109 StGB zu eng gefasst ist und sich insoweit von nahezu allen Nachbarrechtsordnungen unterscheidet. Nach den meisten Rechtsordnung ist jedes Betreten einer fremden Wohnung gegen den Willen des Berechtigten unter Strafe gestellt. Sinnvollerweise sollte der Hausfriedensbruch nicht bei den Freiheits-, sondern bei den Privatsphäredelikten (§§ 118 ff StGB) eingeordnet sein und darauf verzichtet werden, ihn nötigungsähnlich („Gewalt oder Drohung“) auszugestalten. Im geschilderten Fall bestünde wohl ein Strafbedürfnis.

8.

T steigt durch ein offenes Fenster in das Haus des U ein, um diesen zu verprügeln. Hausfriedensbruch? Auch in diesem Fall ist § 109 StGB nicht erfüllt. Zwar wäre die Qualifikationsvoraussetzung gemäß § 109 Abs 3 Z 1 StGB erfüllt, es fehlt aber wieder die Grundvoraussetzung, weil der Täter nicht „mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt“ eingedrungen ist (zur Kritik der zu engen Vorschrift oben 7.).

9.

Nach einer Blutabnahme im Rahmen einer Gesundenuntersuchung prüft der Arzt die Blutprobe auf HIV, obwohl dazu keine Zustimmung des Betroffenen vorlag. Ist dies eine eigenmächtige Heilbehandlung? Die Tathandlung des § 110 StGB besteht darin, dass der Täter einen anderen „behandelt“. Somit stellt sich die Frage, ob die Untersuchung einer bereits abgenommenen Blutprobe eine „Behandlung“ darstellt. Dazu werden unterschiedliche Meinungen vertreten, die Frage ist nicht ausjudiziert. Nach einer Ansicht schützt § 110 StGB generell vor jeder unerwünschten medizinischen Tätigkeit, somit insb auch vor einer unerwünschten Diagnose, selbst wenn mit dieser kein Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten verbunden is t. § 110 wird dabei in Richtung eines Delikts gegen die Intimsphäre ausgelegt. Danach wäre auch eine eigenmächtige Analyse bereits abgenommenen Bluts tatbestandsmäßig. Eine andere Ansicht knüpft daran an, dass die Intention des Gesetzgebers dahin ging, mit § 110 StGB jene Strafbarkeitslücke zu schließen, die daraus entsteht, dass sachgerechte

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medizinische Behandlungen aus dem Begriff der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung ausgenommen werden (weil sie gerade auf Verbesserung des Gesundheitszustands ausgerichtet sind). Mit Blick auf diese Intention des Gesetzgebers liegt es nahe, nur solche „Behandlungen“ einzubeziehen, die nach ihrer Intensität die Schwelle zu einer Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung übersteigen. Darunter fallen also zB eigenmächtige Operationen, Injektionen, Darm- oder Magenspiegelungen, das Nähen einer Wunde, die Verabreichung von Medikamenten etc, nicht hingegen zB bloße Massagen, Wadenwickel, Pflaster, Verbände, medizinische Beratungen etc. Es wäre auch etwas eigenartig, dass eine „Misshandlung“ (Ohrfeige) ohne Körperverletzung straflos, eine „Behandlung“ ohne Körperverletzung dagegen strafbar sein soll. Nach diesem Ansatz wäre die Auswertung einer vorhandenen Blutprobe, weil sie nicht mit einem Eingriff in die körperliche Integrität verbunden ist, keine „Behandlung“ iS des § 110 StGB. 10. Nach einem Verkehrsunfall ist V bewusstlos. Er benötigt dringend eine Bluttransfusion, kann aber nicht befragt werden. Deshalb führt der Arzt die Bluttransfusion ohne Zustimmung des V durch. Als V aufwacht, macht er geltend, dass er aus religiösen Gründen nie einer Bluttransfusion zugestimmt hätte. Variante: Wie ist die Beurteilung, wenn sich anschließend herausstellt, dass dem Arzt ein Beurteilungsfehler unterlief und die Bluttransfusion gar nicht notwendig gewesen wäre? Falls der Patient nicht befragt werden kann, ist gemäß § 110 Abs 2 StGB bei Dringlichkeit eine eigenmächtige Behandlung erlaubt (Rechtfertigungsgrund). IdR ist der Arzt dazu auch wegen seiner Garantenstellung verpflichtet. Anders wäre es, wenn der Patient zuvor in einer wirksamen Patientenverfügung (nach dem PatVerfG) eine Bluttransfusion generell abgelehnt hat. Variante: In diesem Fall ist der Arzt infolge von § 110 Abs 2 letzter Halbsatz StGB nach § 110 Abs 1 zu bestrafen. Die Konstruktion ist eigenartig, weil in diesem Fall trotz fahrlässiger Begehungsweise die Strafe aus einem Vorsatzdelikt zur Anwendung kommt. 11. Obwohl die Eltern aus religiösen Motiven einer lebensrettenden Bluttransfusion ihres Kleinkinds nicht zustimmen, führt der Arzt diese durch. Eigenmächtige Heilbehandlung? Normalerweise kommt es bei einem Kleinkind auf die Einwilligung der Eltern (bzw gesetzlichen Vertreter) in eine medizinische Behandlung an. Diese müssen aber zum Wohl des Kindes entscheiden. Missbrauchen Sie ihre Entscheidungsgewalt in einer Weise, die offensichtlich nicht dem Wohl des Kindes dient, ist die Entscheidung nach hM unbeachtlich. Sofern Zeit ist, müsste das Gericht für eine Entscheidung angerufen werden. Wenn die Bluttransfusion aber dringend ist und die Zeit nicht reicht, um eine gerichtliche Entscheidung einzuholen, greift die Regelung des § 110 Abs 2 StGB ein, der eine eigenmächtige Behandlung erlaubt (und gleichzeitig wegen der Garantenstellung des Arztes auch gebietet).

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12. Der Arzt weiß, dass ein Patient panische Angst vor der lebensrettenden Herzoperation hat. Er fürchtet, dass der Patient deshalb dieser Operation nie zustimmen wird, und schon das Gespräch darüber ihn so ängstigt, dass damit eine Herzinfarktgefahr verbunden ist. Ist es in dieser Situation sinnvoll, einfach ohne Zustimmung zu operieren? Früher wurde teilweise von einem „therapeutischen Privileg“ gesprochen, das dem Arzt erlaube, in solchen Fällen auf die ärztliche Aufklärung zu verzichten und eigenmächtig zu operieren. Diese Ansicht lässt sich jedoch nach der Gesetzeslage nicht aufrechterhalten: Wenn der Patient gefragt werden kann, ob er einer medizinischen Behandlung zustimmt, muss dies erfolgen. Wenn der Arzt ein solches Gespräch über eine Operation für unverantwortlich hält, weil er gerade dadurch die Auslösung eines Herzinfarkts befürchtet, muss er abwägen, ob das Gespräch oder die Krankheit gefährlicher ist. Sollte die Gefahr des Gesprächs größer sein, muss er das Gespräch nicht führen, darf dann aber auch nicht operieren.

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