Unterscheidung Institution und Organisation - Anthropologische Grundlagen PDF

Title Unterscheidung Institution und Organisation - Anthropologische Grundlagen
Course Theorien Sozialpädagogik
Institution Eberhard Karls Universität Tübingen
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Unterscheidung Institution und Organisation (Buch: Anthropologische Grundlagen) Pädagogische Arbeit findet in Einrichtungen statt, die zum einen als Institutionen (zb. Tiersch 1973 oder systematisch von Benner 2001) und zum anderen als Organisationen bezeichnet werden. (z. B. Greving 2000; Merchel 2004; Göhlich 2005; Zech et al. 2009) bezeichnet werden. Zudem gehört zu den Feldern pädagogischer Praxis heute auch die professionelle Weiterentwicklung von Einrichtungen pädagogischer und nicht-pädagogischer Provenienz (Herkunft einer Sache) (d. h. Kitas, Schulen, Lateinischen entlehnt wurde, fand die im Wortkern griechische „Organisation“ im naturwissenschaftlich inspirierten philosophischen Diskurs des späten 18. Jahrhunderts den Weg über das Französische in die deutsche Sprache. Dass „Institution“ im Grimmschen Wörterbuch keinen Eintrag erhielt, legt die Vermutung nahe, dass der Begriff im 19. Jahrhundert nicht in der deutschen Sprache verwendet wurde. Im hundert Jahre später entstandenen etymologischen Wörterbuch des Deutschen findet sich allerdings unter dem Eintrag „Institut, n ‚Einrichtung zur Erziehung, Lehre, Forschung‘ (18. Jh.), zuvor (vereinzelt) ‚Ordnung, Regel‘ (16. Jh.), […], zu lat. instituere ‚hinstellen, aufstellen, unternehmen, einrichten, einsetzen, ordnen‘“ die Bemerkung: „Zum gleichen Verb stellt sich Institution, f. ‚Einsetzung, Einweisung, Einrichtung‘, anfangs ‚Anordnung, Unterweisung‘ (16. Jh.)“ (Pfeifer et al. 1989, S. 744), mit der eine länger zurückreichende Tradition des Begriffsgebrauchs behauptet wird. Der Begriff „Organisation“ wird im Grimmschen Wörterbuch ausführlich behandelt. Er stammt demzufolge vom französischen „organisation“ und enthält eine aktivische und eine passivische Bedeutung: „1) activisch, die thätigkeit, durch die ein organismus ebildet wird, die organisierung, z. b. der erde vermögen zur organisation und erhaltung der geschöpfe […]; 2) passivisch, die durch organische thätigkeit hervorgebrachte bildung, einrichtung und beschaffenheit eines organischen wesens […] in bezug auf einen staats- oder gesellschaftskörper: man kann einer gewissen verbindung, die aber auch mehr in der idee, als in der wirklichkeit angetroffen wird, durch die analogie mit den unmittelbaren naturzwecken licht geben. So hat man sich bei einer neuerlich unternommenen gänzlichen umbildung eines groszen volkes zu einem staate des wortes ‚organisation‘ häufig für einrichtung der magistraturen usw. und selbst des ganzen staatskörpers sehr schicklich bedient“ (Grimm/Grimm 1889, S. 1339). Der hier erkennbare Bezug des rganisationsbegriffs auf das Natürliche im Sinne einer lebendigen Gestalt des Sozialen wird auch im etymologischen (Geschichte/ Herkunft eines Wortes) Worterbuch des Deutschen herausgestellt: „Organisation f. ‚Einrichtung,Gestaltung, Bildung‘, zunächst im medizinischnaturwissenschaftlichen Sinne vom Wesen, vom körperlich-seelischen Zustand des Menschen (2. Hälfte 17. Jh.), unter dem Einfluß des Gedankenguts der frz. Revolution übertragen auf staatliche Einrichtungen, wirtschaftliche, politische Gebilde (18. Jh.), […] ‚einheitlicher Zusammenschluß von Personen, Verband, Partei‘ (20. Jh.)“ (Pfeifer et al. 1989, S. 1208). Der Organisationsbegriff schließt etymologisch in erster Linie nicht an das griechische „organon“ und damit auch nicht an den Werkzeug-Gedanken, sondern an den Begriff des Organs und des Organischen an und legt somit die Vorstellung eines lebendigen sozialen Gebildes nahe. Fassen wir die etymologische Betrachtung beider Begriffe zusammen, so können wir feststellen, dass beide Begriffe schon früh im Sinne von „Einrichtung“ verwendet wurden. Insofern verwundert die eingangs des Beitrags kritisch notierte Verwendung beider Begriffe zur Bezeichnung desselben Gegenstands nicht. Allerdings hat uns die etymologische Betrachtung doch einen Schritt weiter gebracht. Wir können nun nämlich feststellen, dass mit „Institution“ (Konnotationen: „Einsetzung“ und „Einweisung“) eine Einrichtung im Sinne der Setzung einer Vorgabe, mit „Organisation“ (Konnotationen:

„Gestaltung“ und „Bildung“ des einheitlichen Zusammenschlusses von Personen) hingegen eine Einrichtung im Sinne der Bildung und des Gebildes einer sozialen Einheit gemeint ist.

2 Soziologische Definitionen Bezeichnenderweise sind es selbst in pädagogischen Lexika vorrangig Soziologen, denen die Beiträge zu diesen beiden Begriffen überlassen werden (z. B. Jaeggi 1974; Morel 1996). Allerdings trägt dies keineswegs zur Einheitlichkeit der Verwendung beider Begriffe bei. So definiert Urs Jaeggi Institution als „das jeweilig kulturell geltende, einen Sinnzusammenhang bildende, durch Recht und Sitte garantierte Sozialgebilde“ (Jaeggi 1974, S. 308), Organisation hingegen als „Ordnung“ (ebd., S. 309). Julius Morel dagegen kommt der von uns oben begriffsgeschichtlich resümierten Unterscheidung recht nahe, wenn er schreibt: „Organisationen sind Personenmehrheiten (soziale Einheiten, neben sozialen Schichten, Gruppen, Gesellschaften), Institutionen sind Normsysteme (neben sozialen Rollen, Kulturen)“ (Morel 1996, S. 1150). Die Verschiedenheit dieser Definitionen steht exemplarisch dafür, dass auch in der Soziologie bis in die jüngste Zeit hinein bezüglich des Begriffspaares Institution/Organisation keine begriffliche Einigkeit besteht. Das ist vermutlich auch darin begründet, dass sich Institutionstheorie und Organisationstheorie lange Zeit nebeneinander entwickelten, so dass die Begriffe von Institution und Organisation stark davon geprägt waren, ob der jeweilige Autor dem institutionstheoretischen oder dem organisationstheoretischen Diskurs zuzurechnen war. So kann Max Webers „Wirtschaft und Gesellschaft“ (1922) als Entscheidung für eine Theorie der Organisationen (und gegen eine Theorie der Institutionen) gelesen werden. In der Moderne ist, darauf weist Weber hin, die traditionale Grundlage von Institutionen aufgrund des Rationalisierungsprozesses nicht mehr gewährleistet. Das, was Institutionen seitens der soziologisch-kulturanthropologischen Theorie Durkheims wie seitens der Philosophischen Anthropologie Gehlens zugeschrieben wurde, nämlich eine selbstverständliche, unhinterfragte Autorität, ist in der Gesellschaft des 20. Jahrhunderts keineswegs selbstverständlich. So löst sich die althergekommene Hausgemeinschaft (jedenfalls in ihrer umfassenden Autorität bezüglich des individuellen Verhaltens) auf und das Individuum erhält seine Lebensschulung „zunehmend von außerhalb des Hauses und durch Mittel, welche nicht das Haus, sondern ‚Betriebe‘ aller Art […] ihm liefern“ (Weber 1956, S. 293). Dabei handelt es sich Weber zufolge zunehmend um zweckrationale Organisationen, die idealtypisch einer gesatzten Ordnung folgen. Der soziologische Diskurs lässt somit eine Unterscheidung erkennen, die im etymologischen Zugang (s. o.) noch nicht deutlich wurde: Die Organisation ist etwas von Menschen ggf. bewusst Hergestelltes, die Institution hingegen ist etwas Tradiertes, von den Individuen Vorgefundenes. Dies führt im Verbund mit den Individualisierungstendenzen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Institutionenkritik der 1960er und 1970er Jahre. So bestimmt Theodor W. Adorno in einer Rundfunkdiskussion mit Gehlen Institutionen als „eine fremde und bedrohliche Macht“, die dem Individuum gegenübersteht. Präzise ausgeführt findet sich die soziologische Institutionenkritik in Erving Goffmans Untersuchungen „totaler Institutionen“ (Goffman 1973). Wenngleich nüchterner im Tonfall, weisen doch auch Definitionen jüngeren

Datums auf die Gegenüberstellung und das Machtpotential der Institutionen hin. So werden Institutionen als „Ausdruck einer den Menschen gegenübertretenden objektiven Macht“ (Eder 2001, S. 159) und als „sozial definierte Regeln mit gesellschaftlicher Geltung und daraus abgeleiteter ‚unbedingter‘ Verbindlichkeit für das Handeln“ (Esser 2000, S. 6) angesehen. Die Auseinandersetzung über die Frage, ob Institutionen den individuellen Akteuren als dauerhafte Regelsysteme (die das Handeln individueller Akteure erst ermöglichen, ihm Sinn verleihen und einen bestimmten Handlungsablauf bewirken) gegenüberstehen oder von ihnen doch auch (bewusst) gestaltet werden können, hat sich bis zu der Position zugespitzt, dass Institutionen zwar aufgeführt werden, eigentliches Handeln jedoch nur als Abweichung von den als dauerhafte, sich selbst reproduzierende Regelsysteme gedachten Institutionen möglich ist (vgl. Jepperson 1991). Niklas Luhmann (1973) hat angesichts der andauernden Unklarheiten gar dafür plädiert, auf den Begriff der Institution zu verzichten. Der Organisationsbegriff wird in der deutschen Soziologie zunächst durch Max Weber geprägt. Ihm zufolge zieht mit der Moderne die bürokratische Organisation herauf, deren Stelleninhaber idealtypisch mittels neutraler Amtsführung und unter Aktenführung aller Vorgänge einer gesatzten Ordnung folgen. Von den späten 1950er Jahren an ist es insbesondere Renate Mayntz, die den Organisationsbegriff in der deutschsprachigen Soziologie stärkt. In ihrem grundlegenden, die zukünftige Diskursentwicklung in einem wesentlichen Punkt voraussehenden Beitrag zu Bernsdorfs Lexikon der Soziologie macht sie deutlich, dass der Organisationsbegriff in der Soziologie in vierfacher Weise verwendet wird (vgl. Mayntz 1975, S. 587 ff.): zum einen als soziale Organisation, womit das Gesamt der sozialen Lebensordnung einer Gesellschaft (d. h. Gemeinschaftliches wie Gesellschaftliches) gemeint ist; zweitens als Ergebnis der Tätigkeit des Organisierens, das als formelle Organisation (Betriebsaufbau, Stellengliederung etc.) bezeichnet und durch die informelle Organisation (ungeplante soziale Phänomene) ergänzt wird; drittens als Synonym für freiwillige Vereinigungen wie Gewerkschaften und Vereine; viertens als soziales Gebilde, in dem eine Mehrzahl von Menschen zu einem spezifischen Zweck bewusst zusammenwirkt. Diese vierte Auffassung von Organisation ist es, von der Mayntz richtig vorausschauend sagt, dass sie „verspricht, zu einem Zentralbegriff für die Analyse insbesondere der modernen Gesellschaft zu werden“ (ebd., S. 588). Mayntz führt damit die Definition von Organisation wieder näher an den etymologischen Sinn (s. o.) heran. Der entscheidende Unterschied gegenüber den ersten drei Auffassungen ist ihr zufolge, dass Organisation in diesem vierten Sinne „weder eine Tätigkeit noch das Ergebnis dieser Tätigkeit, die zielgerichtete Ordnung, sondern ein wirkliches soziales Gebilde meint“ (ebd.). Damit zielt sie auf das ab, was heute als institutioneller Organisationsbegriff bezeichnet wird. Während der instrumentelle Organisationsbegriff davon ausgeht, dass ein Unternehmen oder eine öffentliche Einrichtung eine Organisation hat (die als Funktion der Unternehmensführung alle Regelungen oder als dauerhafte Konfigurierung von Arbeitsprozessen nur generelle Regelungen umfasst), besagt der institutionelle Organisationsbegriff, dass ein Unternehmen oder eine öffentliche Einrichtung eine Organisation ist. Nicht nur spezifische Zweckorientierung und geregelte Arbeitsteilung, sondern auch Mitglieder, beständige Grenzen und eine eigene Kultur gehören zu einer Organisation. In der neoinstitutionalistischen Organisationstheorie wird diese Auffassung weiter entwickelt. Dabei werden Institutions- und Organisationstheorie stärker als zuvor aufeinander bezogen. Kern des Ansatzes (grundlegend: Meyer/Rowan 1977) ist die Annahme, dass in der Gesellschaft (und damit auch in der Umwelt von Organisationen) Institutionen – die als Regeln, normative Erwartungen und Verpflichtungen gedacht werden – bestehen und entstehen, die (als Mythen) von Organisationen inkorporiert werden, um Legitimität, Stabilität, Ressourcen und

somit höhere Überlebenschancen zu erlangen. So werden mit dem Aufstieg moderner medizinischer Institutionen (z. B. Prävention) jene Organisationen, die für ihre Mitglieder keine entsprechenden Vorsorgemöglichkeiten schaffen, als nachlässig angesehen. Ähnliches gilt für die gesellschaftlich bedeutsam gewordenen Institutionen Umweltschutz, Frauenförderung, Integration und anderes mehr. Dass die Inkorporation dieser Institutionen in einzelne Organisationen in mythischer Weise möglich ist, liegt an der losen Koppelung der Organisationen (Weick 1976; Orton/Weick 1990).

3 Pädagogischer Diskurs Im pädagogischen Diskurs werden pädagogische Einrichtungen sowohl als Institutionen als auch als Organisationen bezeichnet: Insgesamt aber blieb die Reflexion auf Institution und Organisation im pädagogischen Diskurs bis in die jüngste Zeit marginal (nebensächlich). Dafür spricht, dass keinem der beiden Begriffe im Historischen Worterbuch der Pädagogik (Benner/Oelkers 2004) ein Beitrag gewidmet ist. Auch im Grundkurs Erziehungswissenschaft (Lenzen 1994) werden zwar schulpädagogische, sozialpädagogische und erwachsenenbildnerische „Einrichtungen“ behandelt; eine Klärung des Begriffs „Einrichtung“, dessen Verhältnis zu „Institution“ und „Organisation“ oder gar dieser beiden Begriffe selbst erfolgt jedoch nicht. Das Worterbuch der Padagogik (Böhm 2005) enthält ebenfalls keinen Eintrag zu Organisation, aber immerhin einen zu Institution, worunter hier „alle relativ dauerhaften sozialen Verhaltensmuster, Rollen und Beziehungen, mit deren Hilfe Menschen die Befriedigung wichtiger sozialer Grundbedürfnisse in einheitlicher Weise regeln“ (ebd., S. 312 f.), verstanden werden.  Das Verhältnis zwischen Institution und Organisation wird nicht geklärt. Selbst der Begriff der „pädagogischen Institution“ bleibt, soweit er überhaupt reflektiert wird, oftmals undeutlich. So anschaulich die Formulierung ist, „dass pädagogische Institutionen Arbeitsfelder umfassen, in denen es um Kinder, Jugendliche und Erwachsene als Adressaten pädagogischer Arbeit geht, in denen Aspekte der Bildung und Erziehung, des Lernens und der Hilfe, in jedem Fall aber der Personenänderung oder des pädagogischen Bezuges im Mittelpunkt stehen und in denen in nicht unerheblichem Maße pädagogisch ausgebildetes Personal [arbeitet]“ (Tippelt 2000, S. 8), handelt es sich doch weniger um eine Definition als um eine Beschreibung, die offen lässt, was genau mit „Institutionen“ gemeint ist. Wenn wir auf pädagogische Literatur der 1980er Jahre zurückgreifen, so finden sich zumindest bezüglich des Begriffs der (pädagogischen) Institution(en) einige systematische Versuche. Stellvertretend seien hier Arbeiten von Dietrich Benner und Hermann Giesecke genannt. Giesecke versteht unter Institutionen gesellschaftliche Einrichtungen, „die bis zu einem gewissen Grade menschliches Handeln personenunabhängig und damit auf Dauer gestellt regeln“ (Giesecke 1987, S. 50). Seine Anlehnung an die Anthropologie Gehlens wird deutlich, wenn er konstatiert, dass Institutionen menschliche Bedürfnisse partikularisieren und auf den zuständigen sozialen Ort verweisen, weshalb sie geschützt werden müssen. Einiges (z. B. die Behauptung, dass jede pädagogische Institution einen Träger hat, vgl. ebd., S. 54) spricht dafür, dass Giesecke dabei Institutionen und soziale Orte in eins setzt.

Organisationen thematisiert Giesecke nur als „Tendenzbetriebe […], die bestimmten partikularen weltanschaulichen oder politischen Positionen verpflichtet sind – z. B. Kirchen, politische Parteien, Gewerkschaften“ (ebd.). Damit gelangt er nicht über den bei Mayntz (s. o.) als dritte Variante genannten Organisationsbegriff hinaus. Die problematische Entscheidung, Institutionen in erster Linie als Orte (und nicht, wie etymologisch und soziologisch naheliegend, als normative Erwartungen, Regeln bzw. Regelsysteme) zu denken, findet sich bei Benner noch deutlicher als bei Giesecke. So fragt Benner, „wie Institutionen beschaffen sein müssen, um legitime Orte pädagogischen Handelns zu sein“ (Benner 2001, S. 182), und spricht von „Institutionen, in denen pädagogisches Handeln stattfindet“ (ebd., S. 201; Herv. M. G.). Das macht möglicherweise die besondere Schwierigkeit aus, die die Pädagogik bislang mit dem Begriffspaar Institution(en) und Organisation(en) hat. Der Begriff „Institutionen“ wird im pädagogischen Diskurs unangemessenerweise in einer – im Vergleich zum etymologischen und soziologischen Diskurs – alltagssprachlichen Weise verwendet, die mit Institutionen im Grunde nichts anderes meint als das, was im 18. Jahrhundert „Institut“ genannt wurde (s. o.).Ergänzend sei angemerkt, dass Benner vor dem Hintergrund seiner lokalisierenden Verwendung des Institutionenbegriffs unter Organisation nicht mehr versteht als die Form, in der an bzw. in diesen Orten Bildung und Erziehung organisiert wird, also die Form des Organisierens (vgl. ebd., S. 106; s. o. instrumenteller Organisationsbegriff). Diese Auffassung findet sich im pädagogischen Diskurs bis heute, etwa bei Hans Merkens, wenn er schreibt: „In pädagogischen Institutionen werden in vielen Fällen pädagogische Verhältnisse organisiert“ (Merkens 2006, S. 33; Herv. M. G.). Lokalisierender Institutionsbegriff, instrumenteller Organisationsbegriff – so lässt sich diese Diskurstradition der Pädagogik charakterisieren, die von pädagogischen Institutionen (und nicht von pädagogischen Organisationen) spricht, dabei jedoch mit Institutionen im Grunde nichts anderes als Institute meint. Jedoch gibt es auch eine pädagogische Diskurstradition zu Organisation(en). Vereinzelt ist eine theoretische Auseinandersetzung der Pädagogik mit der Organisation bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu finden. Dabei ist zunächst ein instrumenteller Organisationsbegriff zu beobachten – nicht die Einrichtung insgesamt mit ihren Mitgliedern, Riten, Artefakten, Zwecken, Normen und Grenzen wird als Organisation bezeichnet, sondern das der Pädagogik als Instrument dienende Organisieren. In diesem Sinne verwendet etwa Siegfried Bernfeld (1971) den Organisationsbegriff, wenn er auf die materielle Bedingtheit der Organisation der Erziehung hinweist. Gleiches gilt für Horst Rumpf (1971), der darauf hinweist, dass die Organisation der Verwaltung die Organisation des Unterrichts determiniert. Die genannten Autoren stehen zugleich für die Tradition pädagogischer Vorbehalte gegenüber der Organisation. Für ein diesbezügliches Umdenken steht Ewald Terharts Aufsatz „Organisation und Erziehung“ (1986), der kritisiert, dass im pädagogischen Diskurs die Unvereinbarkeit von Organisation und Erziehung tradiert werde, obwohl Organisationen des Erziehungs- und Bildungswesens fester Bestandteil der modernen Gesellschaft sind. Andererseits forderte Pleiß (nach Mohrhart 1974) bereits um 1970 eine „pädagogische Organisationslehre“ und Klaus Giel stellt Anfang der 1980er Jahre fest, dass die pädagogische Praxis sich nur im Rahmen vernünftig organisierter Einrichtungen als verantwortliche Vernunftpraxis realisieren könne, das Problem der pädagogischen Praxis daher das der pädagogischen Organisation sei, mit der die Praxis sich selber hervorbringe (vgl. Giel 1984, S. 120). Statt einer pädagogischen „Organisationslehre“,

wie sie von Pleiß und Giel gefordert wird, hat sich in jüngster Zeit eine theoretisch und empirisch arbeitende „Organisationspädagogik“ etabliert. Erstmals verwendet wird die Bezeichnung „Organisationspädagogik“ vermutlich in einem Vortrag Heinz Rosenbuschs auf dem von ihm initiierten Bamberger Schulleitungs-Symposium (Rosenbusch 1989). Von dort wird die Bezeichnung,z. B. von Hans-Günter Rolff, aufgegriffen, allerdings nur im schulpädagogischen Diskurs. In andere pädagogische Teildisziplinen dringt der Begriff zunächst nicht vor. Das liegt vermutlich nicht nur an den Diskursgrenzen der pädagogischen Teildisziplinen, sondern auch daran, dass Rosenbuschs vorrangig instrumentelle Verwendung des Organisationsbegriffs (Fokus: Auswirkungen organisationaler Strukturen auf das Lernen) nicht an die internationale Wendung zum institutionellen Organisationsbegriff (Fokus: lernende Organisation) und zu den Theorien organisationalen Lernens anschließt. Dies leistet Harald Geißler (1994), der die einschlägige angloamerikanische Literatur rezipiert. Die inzwischen im organisationspädagogischen Diskurs vorgetragenen Auffassungen von Organisation als „Arbeitsgemeinschaft“ (Geißler 2000, S. 24), als „soziales System“ (König/Luchte 2005, S. 152), als „Leistungsaspekt einer spezifischen Institutionalform“ (Schäffter 2005, S. 79), „sowohl als soziales System als auch als Zusammenspiel von Akteuren“ (Göhlich 2005, S. 17) sowie als „kulture...


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