13 - Zusammenfassung Entwicklungspsychologie  PDF

Title 13 - Zusammenfassung Entwicklungspsychologie 
Course Entwicklungspsychologie 
Institution Philipps-Universität Marburg
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Zusammenfassung Entwicklungspsychologie...


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Kapitel 13 Entwicklung des Problemlösens 1. Informationsverarbeitung als Basis für Problemlösen 1.1 Vier entwicklungspsychologische Theorien der Informationsverarbeitung - Piaget hat Forschung in kognitiver Entwicklungspsychologie beeinflusst  sein Ansatz wurde erweitert und revidiert - Mit dem Einzug des Computers wurden kognitive Prozesse simuliert, was zu Theorien der Informationsverarbeitung geführt hat, die zu erklären versuchen, wie Information bei einem auftretenden Problem genutzt wird und welche Strategien zur Lösung führen können - Siegler stellt vier Informationsverarbeitungstheorien vor, die den Entwicklungsaspekt einbeziehen (vgl. Tabelle S. 469): o Sternberg: analysiert Informationsverarbeitungsprozesse bei der Intelligenzentwicklung o Case: integriert Piagets Theorie und Theorien der Informationsverarbeitung der Entwicklung o Klahr und Wallace: Computersimulationsmodell der kognitiven Entwicklung o Siegler: hat Ziel, den adaptiven Charakter kognitiver Entwicklung zu erklären - Theorie von Robbie Case knüpft am stärksten an Piagets Ideen an und bemüht sich im Gegensatz zu manch anderen Theorien um die Integration der Theorie Piagets mit Theorien der Informationsverarbeitung und somit darum, vorhandene entwicklungspsychologische Erkenntnisse einzubeziehen 1.2. Ansatz von Case: Drei Mechanismen der Kapazitätserweiterung - Case geht davon aus, dass Mensch bei Geburt bereits über Kernausstattung von Problemlöseprozessen verfügt, z. B. über Fähigkeit Ziele zu setzen, Problemlösestrategien aufzubauen und sie zu komplexeren Vorgehensweisen zu vereinen  Annahme scheint plausibel, da sich viele Befunde zu Leistungen in der frühen Kindheit nicht ohne solche Grundausstattung erklären lassen könnten - Case versucht zu erklären, wie das Kind die Beschränkungen des KZG überwindet und allmählich Probleme lösen kann, die mehr Speicherplatz benötigen - Da sich absolute Größe des KZG nicht ändert, nimmt Case drei Mechanismen an, die die Kapazität erweitern und die Effizienz des KZG verbessern, also die Begrenzung des KZG überwinden: (1) Automatisierung o Prozesse laufen mit der Zeit rasch und ohne psychische Anstrengung, also automatisch ab und brauchen dann so gut wie keinen Speicherplatz mehr  Bsp.: Lesen lernen: anfangs muss sich Kind Buchstabe für Buchstabe erlesen, später erfolgt Lesen mühelos und erfordert gewöhnlich keinen Platz im KZG  Platzinhalt steht nun für Textinhalt zur Verfügung (2) Myelinisierung o = Markscheidenbildung, biologische Reifung im Gehirn o Da verschiedene Systeme im Gehirn zu unterschiedlichen Zeitpunkten myelinisieren, können auch Leistungen, die die entsprechenden Systeme beanspruchen, erst auftreten, wenn Markscheidenbildung in ihnen abgeschlossen ist (3) Zentrale Begriffsstruktur o Case und Griffin (1990):

Es bilden sich zentrale Begriffsstrukturen, worunter man ein Netzwerk von Begriffen und Beziehungen zwischen ihnen versteht, die es dem Kind ermöglichen, über eine Vielzahl von Situationen zu generalisieren und dadurch neue Erkenntnisse zu gewinnen  Bsp. für Begriffsstrukturen: Zusammenführen von Reihung, Klasseninklusion und Konstanz (conservation) beim Zahlbegriff (Kap.11) Befunde von Case und Mitarbeitern:  Vermittlung richtiger Strategien und Vereinfachung von Aufgaben durch Entlastung des Arbeitsspeichers erhöht Problemlösefähigkeit des Kindes und bewirkt Entwicklungsfortschritte 

o

2. Zur Entwicklung von Problemlösestrategien: Frühe Kindheit - Definition von „Problem“ nach Newell und Simon (1972): o Eine Person ist mit einem Problem konfrontiert, wenn sie etwas wünscht und nicht sofort weiß, welche Serie von Handlungen sie ausführen muss um es zu erhalten - Komponenten menschlichen Problemlösens: o Zielvorgabe und Zielgerichtetheit (Intention) o Repräsentation von Aspekten des Problems o Einsatz von Mitteln zur Zielerreichung, d.h. zur Lösung des Problems o organisiertes und kontrolliertes Vorgehen beim Einsatz der Mittel - Definition von „Problemlösestrategie“ nach Wellman (1988): o Unter einer Problemlösestrategie versteht man vorsätzliche und überlegte (bedachte) Mittel zur Zielerreichung - Strategien: o variieren hinsichtlich Bewusstheit und Aufwand an geistiger Anstrengung o Kriterium der Bewussheit für manche Forscher zentral (v.a. für Gedächtnispsychologen, z.B. Bjorklund), für manche unbedeutend (v.a. in Denkpsychologie, z.B. Ashcraft, Garner, Siegler) o sind, wenn sie zum ersten Mal eingesetzt werden, bewusst und mit Anstrengung verbunden o können später automatisiert werden (können dann unbewusst und ohne mentalen Aufwand eingesetzt werden)  für die frühe Kindheit ist es jedenfalls vorteilhaft, nur die Absichtlichkeit und Organisiertheit des Vorgehens bei der Zielerreichung als Kennzeichen einer Strategie zu wählen und die Bewusstheit oder das explizite Wissen über das eigene Vorgehen auszuklammern  unter dieser definitorischen Voraussetzung lässt sich zeigen, dass Kinder unter 3 Jahren Strategien beim Problemlösen einsetzen  dies soll an einigen Untersuchungsbeispielen gezeigt werden 2.1. Strategien gegen den Augenschein - Koslowski und Bruner (1972): o legten den Kindern Spielzeug auf eine drehbare Plattform, und zwar so, dass es von den Kindern weggedreht war  Strategie besteht im Drehen der Plattform, um an das Spielzeug zu kommen - Willatts et al. (1989) wiederholten den Versuch und beobachteten bei Zweijährigen einige Strategien, die sich in vier Gruppen einteilen lassen: o Versuch des direkten Erreichens (auf den Tisch klettern, zu dem Gegenstand hinlaufen etc.) o Versuche, die Plattform zu bewegen durch Ziehen, Stoßen oder Rütteln an der Achse o teilweise Drehung der Plattform o Drehung mit erfolgreichem Ergreifen des Gegenstandes

 Kinder versuchen erst die einfachste Strategie (direktes Erreichen), dann die etwas schwierigere und erreichen häufig die komplexeste Strategie durch Drehen der Plattform 47 % der Kinder machen mehrere Versuche, ohne die gleiche Strategie zu wiederholen, was ein klares Anzeichen für zielgerichtetes Problemlöseverhalten ist 2.2. Umgehen mit Fehlern: Hemmung einer Handlung - Wellman (1988): Fortschritt in der Nutzung von Strategien kommt durch Erfahrung mit fehlerhaft angewandten oder falschen Strategien zustande o Entweder erfährt das Kind, dass eine bestimmte Strategie nicht weiterhilft oder es bekommt heraus, innerhalb welcher Grenzen die funktioniert - Umweg-Aufgaben: o Der Problemlöser muss einen Umweg machen, um zum Ziel zu kommen o Lösen von Problemen leichter, wenn verfügbare Handlung, die normalerweise zur Zielerreichung führt, nicht unterdrückt werden muss - Versuch von Diamond (1988): o zeigte Kindern (zwischen 6 und 12 Monaten) ein Spielzeug hinter einem durchsichtigen Kasten, der nur von der Seite zugänglich war o Ergebnisse:  6- bis 7monatige Kinder versuchten immer wieder, Gegenstand durch direktes Hingreifen zu erlangen; alle Bemühungen, dem Kind den richtigen Weg zu zeigen, scheiterten (wahrgenommene Situation steuert anscheinend das Verhalten)  7- bis 10monatige Kinder bewegten sich auf offene Seite des transparenten Kastens zu und ergriffen den Gegenstand in Richtung der Sehbahn  zwölfmonatige Kinder konnten direkte Bewegung unterdrücken und Umweg durch seitliches Eingreifen einschlagen - Versuch von Olson (1966): o zeigte Kindern im Alter von drei bis neun Jahren zwei oder drei Muster verschiedener Schwierigkeitsgrade auf einem Apparat, der das Musterfeld zugleich als Tastenfeld besaß o das Kind konnte das Muster durch Tastendruck nachbilden, da es als Leuchtfigur auf dem Tastenfeld erschien  Optimale Strategie: gesuchtes Muster mit möglichst wenigen Versuchen zu identifizieren o Ergebnisse: drei Hauptstrategien beobachtbar  unsystematische Suchstrategie, bei der die Kinder herumprobierten, welches Muster gemeint sein könnte (v.a. bei 3jährigen)  Strategie der sukzessiven Musterprüfung, bei der das Kind systematisch begann, das erste von zwei bzw. drei Mustern zu testen (i.d.R. bei 7- bis 9jährigen, z.T. schon bei 5jährigen)  Suche nach optimaler Information, bei der nach der Taste wiederholt gesucht wurde, die eindeutig zwischen den verschiedenen Mustern trennte (nur bei 20 % der Neunjährigen) 2.3. Strategieoptimierung - Denken und Problemlösen verbessern sich, wenn der Arbeitsspeicher besser genutzt wird, eine abstrakter werdende Repräsentation und verbesserte Strategien vorhanden sind - Olson wiederholte Versuch mit kleiner Änderung: o Er fragte Kinder nach dem ersten Tastendruck, ob sie nun schon wüssten, welches Muster gesucht sei, was die Kinder dazu veranlasste, nach einer optimalen Strategie zu suchen o Ergebnisse:

 

die 7- bis 9jährigen verbesserten sich signifikant: drei Viertel der 7jährigen und alle 9jährigen nutzten nun Strategie der optimalen Informationssuche die 3- bis 5jährigen profitierten von dieser Hilfe wenig, haben also ein Produktionsdefizit

3. Strategien beim schulischen Problemlösen -

Leistungsfortschritte in schulrelevanten Bereichen wie Lesen und Rechnen sind ähnlich wie bei anderen Problemen verbesserten und effizienteren Strategien zu verdanken

3.1. Entwicklung mathematischer Leistungen 3.1.1. Rechnen im Vorschulalter - Versuch von Siegler und Robinson (1982): o legten 4- bis 5jährigen einfache Additionsaufgaben vor, die in Geschichten gekleidet waren o Ergebnisse: Es wurden vier Strategien beobachtet:  (1) Aus dem Gedächtnis abrufen, also auf bekannte Lösungen zurückgreifen (bei 64 % der Aufgaben, sehr schnelles Lösen der Aufgaben, in 66 % der Fälle eine richtige Lösung)  (2) Zahlendarstellung durch Finger ohne zu zählen (in 13 % der Versuche, 89 % richtige Lösungen)  (3) Zählen, laut oder mit sichtbaren Lippenbewegungen ohne ein äußeres Bezugssystem wie die Finger (8 % der Aufgaben, in 54% der Fälle richtige Lösungen)  (4) Finger zählen (in 15 % der Versuche, in 87 % der Fälle richtige Lösungen) o Kinder benutzten mehrere dieser Strategien (mindestens 2, z.T. sogar alle 4), was dafür spricht, dass Kinder zwischen den Strategien wählten und die jeweils geeignetste aussuchten (was aber kein bewusster Entscheidungsakt ist!  dafür erfolgt der Einsatz der Strategien zu rasch) o bei Strategie (4) hat das mathematische Denken sehr hohes Niveau, da hier ein adäquates Modell für Addition (Zusammenfügen der Mengen durch die Finger) und eine Methode des Mengenbestimmens (Zählen) eingesetzt werden  Siegler vernachlässigt leider Aspekt des mathematischen Denkens beim Problemlösen und interessiert sich nur für Geschwindigkeit und Richtigkeit (und nicht für Einsicht) 3.1.2. Zwei Kernstrategien: Min-Methode und Abrufen - Grundschulkinder haben zwei grundlegende Strategien bei einfachen arithmetischen Aufgaben: o (1) Abrufen des Ergebnisses aus dem Gedächtnis (v.a. im Zahlenraum bis 100) o (2) Draufzählen bzw. Abziehen in Einerschritten - Min-Methode = Draufzählen des kleineren Summanden in Einerschritten (z.B. 4+2  4,5,6) Verwendung der Strategien: - Untersuchung von Siegler zur Verwendung von Strategien (1987): o stellte Kindern im letzten Kindergartenjahr und Erst- und Zweitklässlern Additionsaufgaben o Ergebnisse:  Kindergartenkinder: bei 16 % der Aufgaben Abrufstrategie gewählt, bei 38 % der Aufgaben Min-Methode gewählt

Erstklässler: bei 44 % der Aufgaben Abrufstrategie gewählt, bei 38 % der Aufgaben Min-Methode gewählt  Zweitklässler: bei 45 % der Aufgaben Abrufstrategie gewählt, bei 40 % der Aufgaben Min-Methode gewählt  90 % der Kinder setzen mindestens zwei Strategien ein (vgl. Aufgabe vorher), 62 % setzen drei oder mehr Strategien ein o Min-Methode hat Schlüsselstellung im Übergang zum automatisierten Rechnen (ist für Verständnis der vier Grundrechenarten unentbehrlich) - Ashcraft (1990): Jüngere Kinder bevorzugen Zählprozeduren, während ältere Kinder und Erwachsene hauptsächlich die Abrufstrategie benutzen Arithmetisches Wissen und Assoziationen: - Es bildet sich ein arithmetisches Wissen heraus, das in der assoziativen Verknüpfung der Zahlen besteht - Dieses Assoziationsnetz wird umso fester, je mehr Übung Kinder im Rechnen haben - Siegler (1991) erklärt sich Entstehung und Wirkungsweise des Assoziationsnetzes mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten für das Auslösen von Reaktionen o Häufige Additionen, die auch außerhalb der Schule vorkommen, werden mit ihren jeweiligen Summen stärker verknüpft, so dass sich das Ergebnis als Assoziation geradezu aufdrängt (das zeigt sich u.a. in der kurzen Reaktionszeit) o Für andere Zahlenkombinationen ist die Assoziationsstärke geringer Je höher und eindeutiger Assoziationsstärken sind, umso rascher erfolgt die Antwort und umso höher wird die Quote richtiger Antworten - Automatisierung von Strategien: o Je älter Kinder werden, umso größer wird deren Rechengeschwindigkeit  wird auf wachsende Automatisierung von Strategien zurückgeführt   automatisierte Strategien brauchen keinen Speicherplatz im Arbeitsgedächtnis und laufen nahezu ohne psychischen Aufwand ab  Übungsaufwand im arithmetischen Rechnen (z.B. Kopfrechnen) zeigt Wirkung  dient der Entlastung des Arbeitsspeichers und dem effizienten Problemlösen mathematischer Aufgaben, bei denen sich Problemlöser auf wesentliche Komponenten konzentrieren kann 

3.1.3. Entwicklung mathematischer Konzepte - Bisanz und LeFevre (1990): o Mathematisches Denken benötigt neben komplexen Strategien weitere Komponente, nämlich Nutzung mathematischer Konzepte wie z.B. Assoziativität (a+(b+c) = (a+b)+c) oder Inversion (a+b-b = a) o Untersuchungen, ob und wann Kinder das Konzept der Inversion verstehen und nutzen können:  stellten den Kindern Inversionsprobleme und Standardaufgaben, wobei sie nur einstellige Zahlen benutzten  wenn Kind Inversionsbegriff nutzt, kann es sich das Rechnen sparen, setzt es ihn nicht ein, braucht es zum Ergebnis genau so lange wie zur Standardaufgabe  Ergebnisse:  bereits Sechsjährige nutzten Inversionswissen  zudem Kinder mit Zwischenstrategie, die sich gerade im Übergang zum Verständnis der Inversion befanden  Die Autoren arbeiteten auch mit älteren Kindern und Erwachsenen: Ergebnisse:  Prozentsatz der Kinder, die Inversion nutzten, stieg zwischen sechs und neun Jahren nicht an, aber Latenzzeit reduzierte sich insgesamt bei allen Aufgaben  bei den Elfjährigen stieg Anteil der Kinder, die den Inversionsbegriff nutzten, deutlich an  Erwachsene nutzten zu fast 100% den Inversionsbegriff



Interpretation:  trotz intensiven Lernens in der Grundschule setzt nur Teil der Kinder mathematische Denkkategorien ein, während Automatisierung und Rechenoperationen voranschreiten  wenn man eine Rechenprozedur kann und mit ihr sichere Ergebnisse erzielt, zögert man, neue oder wenig erprobte Denkwege zu gehen

3.1.4. Anwendung von Regeln mit steigender Komplexität - Problem meist nicht etwas völlig Unbekanntes, sondern es enthält immer Elemente, die man mit vorhandenem Wissen verknüpfen kann - Siegler (1976) hat vier Regeln zur Lösung von Gleichgewichtsaufgaben an der Waage (allgemeiner: Aufgaben zum Hebelgesetz) formuliert, von denen er annimmt, dass sie das Kind der Reihe nach in der Entwicklung erwirbt und anwendet: o Regel 1: Liegen auf beiden Seiten gleich viel Gewichte, herrscht Gleichgewicht; sind die Gewichte verschieden, geht die Seite mit dem größeren Gewicht nach unten o Regel 2: Hat eine Seite mehr Gewicht, senkt sich der Waagebalken auf dieser Seite; sind die Gewichte gleich auf beiden Seiten, wird sich der Waagebalken auf der Seite mit dem größeren Abstand vom Drehpunkt senken o Regel 3: Sind auf beiden Seiten Abstand und Gewicht gleich, herrscht Gleichgewicht. Ist der Abstand gleich, aber das Gewicht verschieden, senkt sich der Waagebalken mit dem größeren Gewicht; ist das Gewicht gleich und der Abstand verschieden, senkt sich die Wage auf der Seite mit dem größeren Abstand. Sind beides, Gewicht und Abstand, auf beiden Seiten verschieden, so lässt sich das Ergebnis nur raten o Regel 4: Gehe wie bei Regel 3 vor. Wenn eine Seite mehr Gewicht, die andere größeren Abstand hat, berechne das Produkt aus Gewicht mal Abstand auf beiden Seiten; die Seite mit dem größeren Wert geht nach unten  die ersten beiden Regeln beachten nur eine Dimension  die beiden letzten kombinieren zwei Dimensionen, nämlich Gewicht und Distanz  postulierte Regeln eher pragmatisch und nicht abstrakt logisch - Siegler macht Vorhersagen wie Kinder bei Anwendung der jeweiligen Regel Probleme lösen müssten und legt Kindern sechs Waagebalkenprobleme vor:  (1) Gleichgewichtsprobleme: auf beiden Seiten die gleiche Konfiguration von Gewichten  (2) Gewichtsprobleme: ungleiche Gewichte im gleichen Abstand vom Drehpunkt  (3) Abstandsprobleme: gleiche Gewichte auf beiden Seiten, verschiedene Abstände vom Drehpunkt  (4) Gewichtskonfliktprobleme: eine Seite mit größerem Gewicht, die andere Seite mit größerem Abstand des Gewichts; die Seite mit dem größerem Gewicht geht nach unten  (5) Abstandskonfliktprobleme: wie 4., nur dass die Seite mit dem größeren Abstand nach unten geht  (6) Gleichgewichtskonfliktprobleme: der übliche Konflikt zwischen Gewicht und Distanz, wobei Gleichgewicht herrscht o Vorhersagen für Anwendung jeder der vier Regeln:  Probleme 1 und 2 werden bei allen vier Regeln richtig beantwortet  3. Problemtyp wird bei der ersten Regel falsch beantwortet (Gleichgewicht wird angenommen)  Problemtyp 4 wird bei Regel 3 nicht richtig beantwortet (durch Raten nur 33 % richtige Antworten), die übrigen Regeln führen zur richtigen Antwort  Probleme 5 und 6 würden bei Anwendung der ersten beiden Regeln falsch gelöst und bei Regel 3 nur durch Zufall (33 %); nur Regel 4 liefert die richtige Lösung

o Siegler fand heraus, dass empirische Häufigkeiten der richtigen Lösungen mit den erwarteten in etwa übereinstimmten  5jährige benutzten fast ausschließlich Regel 1  9jährige setzten am häufigsten Regel 2 und 3 ein  13- sowie 17-Jährige benutzten hauptsächlich Regel 3  nur wenige benutzten Regel 4 (auch nicht nach Behandlung des Hebelgesetzes in der Schule) Übergang zu höherem Problemlösungsniveau erfolgt: - nicht automatisch durch Lehren (s. o.: Lernen des Hebelgesetzes in der Schule führt nicht automatisch zu höherem Problemlöseverhalten) - indem Kinder mit einem Problem mit etwas höherem Schwierigkeitsgrad konfrontiert werden, das auf die Mängel der jeweils niedrigeren Regel aufmerksam macht 3.2. Lesen als Problemlösen: Basale Komponenten der Leseleistung und ihre Entwicklung 3.2.1. Visuelle Leistungen beim Lesen - beim Lesen folgen in großer Geschwindigkeit Augenfixation und Sakkaden aufeinander - Taylor et al. (1960) : registrierten Augenbewegungen von Erstklässlern bis hin zu Collegestudenten o Ergebnisse:  Fixierungsdauer verkürzt sich bis zum Erwachsenenalter  Augenrücklauf zu früheren Textteilen nimmt drastisch ab, jedoch nicht der Anteil der regressiven Fixierungen an der Gesamtzahl der Fixierungen  es können mit dem Alter größere Einheiten pro Fixierung gelesen werden  Leserate in Wörtern pro Minute steigt von 80 auf 280 Erkennen von Buchstaben: - erst wird Buchstabengestalt (= intrarelationale Codierung) erfasst, aber noch nicht die Codierung der Gestalt zum Umfeld (= extrarelationale Codierung, Oerter, 1987) o z.B. b, p, d, q  werden von Kindern häufig verwechselt 3.2.2. Worterkennen - Erkennen von Wörtern, also richtiges Lesen und Verstehen von Wörtern - Zwei-Wege-Theorie (Coltheart, 1987; McCusker et al. 1981): o ein Weg verläuft direkt von der visuellen Wortwahrnehmung o der andere wird phonologisch vermittelt und verläuft über die Graphem-PhonemRegeln zur lautlichen Repräsentation des Wortes - mit Aufgaben zur Unterscheidung der beiden Routen (Lexical Decidion Task oder Naming Latency Task) kann man prüfen, wie effizient phonologische Codes mit Namen bekannter Objekte verknüpft werden (phonologische Verknüpfung) bzw. ob die Verknüpfung eines Wortes mit einem Bild geschieht (direkter Lexikonzugang) - Untersuchung von Wolf (1984): o erfasste, wie schnell eine Stichprobe von 115 Kindergartenkindern eine Reihe von Farben, Zahlen, Buchstaben und Bildern von bekannten Objekten benennen konnte und erfasste Geschwindigkeit, mit der die Kinder alternierende Zahlen und Buchstaben und alternierende Zahlen, Buchstaben und Farben benennen konnten o rascherer Zugang zu Buchstaben und Zahlen spricht für phonologische Mediation (es kann aber auch ...


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