38 - Zusammenfassung Entwicklungspsychologie  PDF

Title 38 - Zusammenfassung Entwicklungspsychologie 
Course Entwicklungspsychologie 
Institution Philipps-Universität Marburg
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Zusammenfassung Entwicklungspsychologie...


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Kapitel 38: Quantitative und qualitative Methoden der Entwicklungspsychologie 1. Methodologische Grundbegriffe: „Entwicklungspsychologie befasst sich mit der Beschreibung, Erklärung und Modifikation (Optimierung) intraindividueller Veränderung im Verhalten über den Lebenslauf hin und mit den interindividuellen Differenzen und Ähnlichkeiten in der intraindividuellen Veränderung.“  diese Aufgabenbeschreibung beinhaltet unter methodischem Blickwinkel die Forderung nach: (1) Identifizierung von Formen, Sequenzen und Mustern des Entwicklungsgeschehens (2) Aufdeckung zugrunde liegender Mechanismen, Ursachen und Gesetzen, so dass interindividuelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten angemessen beschrieben und erklärt werden können  hierfür ist Längsschnittmethode sinnvoll, allerdings sind für Beschreibung und Erklärung entwicklungspsychologische Theorien als Grundlage nötig Veränderung, Variabilität, Stabilität Vorraussetzungen für die Untersuchung der intraindividuellen Veränderung:  Intraindividuelle Veränderung ist systematischer Natur  Intraindividuelle Variabilität fällt gegenüber der interindividuellen deutlich ins Gewicht  Der menschliche Organismus zeigt kontinuierlichen intraindividuellen Wandel 6 verschiedene Typen von Stabilität  Absolute Invarianz  Regelhaftigkeit im Auftreten  Regelhaftigkeit in der Form der Entwicklungsfunktion  Übereinstimmung mit einer prototypischen Funktion  Konstanz der relativen Position zu einem (ipsativen oder Gruppen-)Bezugswert  Erhaltung individueller Unterschiede Aufgaben der differentiellen Entwicklungspsychologie:  Beschreibung und Erklärung der Altersabhängigkeit interindividueller Differenzen  Beschreibung und Erklärung interindividueller Differenzen in den intraindividuellen Veränderungen  Beschreibung und Erklärung interindividueller Differenzen in den zeitlichen Veränderungen der intraindividuellen Variabilität  Spezifikation der differentiellen Beeinflussbarkeit intraindividueller Veränderungen Entwicklungspfade:(Beschreibung des Beginns und Verlaufs einer Entwicklung)  Verschiedene Ziele und Zwecke, deren Erreichen ausgehend von Entwicklungspfaden ermöglicht wird: (1) Entwicklungsergebnisse vorherzusagen (wie Depression im Jugendalter) (2) Übergänge zwischen Entwicklungsstufen zu kennzeichnen (z.B. Übergangswahrscheinlichkeit von Rauchen mit 11 zu Drogenmissbrauch mit 13 Jahren) (3) Identifikation (alters)typischer Entwicklungsabfolgen (wie hyperkinetisches Verhalten im Vorschulalter, aggressives Verhalten im Schulalter, Delinquenz im Erwachsenalter) (4) Ermittlung von Wachstums- oder Anpassungsfunktionen (wie Sprachentwicklung eines Kindes) Klassifikation von Entwicklungspfaden

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 Wenn Entwicklungspfade von Personen mit ähnlichem Entwicklungsmuster zusammengefasst werden, kann man sie von der Verhaltensentwicklung anderer Gruppen unterscheiden und somit günstige vs. ungünstige Verläufe beschreiben und erklären  Die Vielzahl zulässiger Modellvorstellungen über das Entwicklungsgeschehen bringt eine breite Palette von Erhebungs- und statistischen Auswertungsmodellen mit sich bringen. Die wichtigste Unterscheidung ist hier zwischen Stufenmodell und System: - Stufenmodell (z.B. Piagets Theorie):  Entwicklung verläuft in Stufen, diese Stufen folgen in einer geordneten Sequenz aufeinander (d.h. sie bilden eine interindividuell einheitliche Entwicklungssequenz)  Konzept der Stufe und der Sequenz verwendet Piaget sowohl um den generellen kognitiven Entwicklungsverlauf zu kennzeichnen, als auch zur Charakterisierung der Entwicklung spezifischer Merkmale (Fähigkeiten)  Die Abfolgen der Stufen müssen spezifische Bedingungen erfüllen, um als Entwicklungssequenz zu gelten (z.B. invariabilitätspostulat) - System:  Mehrer Einzelvorgänge wirken nach bestimmten Gesetzen wechselseitig aufeinander (sie hängen also dynamisch voneinander ab) und erzielen einen gemeinsamen Effekt (Widerspruch zur linearen und unidirektionalen Sichtweise)  Unterscheidung zwischen offen und geschlossenen Systemen  Organismen sind offene Systeme: kleine Veränderungen der Situation können zu unvorhersehbaren Veränderungen führen  In geschlossenen (linearen) Systemen erlaubt eine Kenntnis der Ausgangslage eine Vorhersage für die Entwicklung  Wechsel in einen neuen Zustand wird als Entwicklungsübergang bezeichnet  Dieser kann als „Sprung“ im Entwicklungsverlauf definiert werden, der zu einer erkennbar neuen Qualität im Erscheinungsbild beiträgt

2. Designs   

Um Veränderung, Variabilität und Stabilität zu erfassen benötigt man Daten, die im Hinblick auf die Untersuchungseinheit (=in der Regel Personen) eine Aussage über die Zeit gestatten. Grundsätzlich gilt, dass in jedem Fall zunächst die abhängige Variable zu bestimmen ist, die über die Zeit hinweg betrachtet werden soll Wie in jedem Bereich der Psychologie muss die Variable operationalisiert werden: Die gewählte Operationalisierung muss das gewünschte Merkmal reliabel und valide erfassen.

2.1 Die Querschnittmethode  Vorgehensweise: o Stichproben aus verschiedenen Altersgruppen werden zu einem bestimmten Zeitpunkt einmal untersucht o Dabei wird das Lebensalter (bzw. die Zeit) als unabhängige Variable definiert und die erfassten Werte als abhängige Variable  Unterschiede zwischen den Stichproben werden auf Altersunterschiede zurückgeführt.  Beispiel: Wenn mich der Entwicklungsverlauf der Intelligenz interessiert, kann ich die intellektuelle Leistungsfähigkeit von 8, 10, 12, 14 und 16jährigen im Jahre 2000 erheben, die Mittelwerte berechnen und den Entwicklungsverlauf über das Alter hinweg darstellen.  etwa 90% der entwicklungspsychologischen Studien verwenden eine konventionelle Querschnittmethode Vorteile der Querschnittmethode:

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 Da nur ein Erhebungszeitpunkt vorliegt, ist die Zeitspanne zwischen Beginn der Untersuchung und Vorliegen der Ergebnisse recht kurz.  Auch der Personalaufwand ist gering, da nur zu einem Zeitpunkt eine aufwendige Datenerhebung stattfinden muss.  Es ist leichter, Teilnehmer für eine einmalige Untersuchung zu gewinnen als für eine mehrmalige, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. Konsequenz: Es ist leichter, repräsentative Stichproben zu erhalten. Von der Anlage her ist damit eine Querschnittuntersuchung als recht effektiv und ökonomisch anzusehen. Nachteile der Querschnittmethode:  Keine direkte Information über intraindividuelle Veränderungen und Entwicklungsverläufe: o Eine durchschnittliche Kurve über das Alter hinweg kann sich aus einer Vielzahl individueller Verläufe zusammensetzen o Die Analyse von verschiedenen Verlaufstypen wird unmöglich.  Alters- und Generationsunterschiede sind nicht trennbar bzw. konfundiert: o Wenn Unterschiede zwischen den Altersstichproben auftreten, können sie sowohl auf Altersunterschiede als auch auf Generationsunterschiede zurückführbar sein (Kohorteneffekt): o Bsp.: Wenn 6 Jährige mit 12 Jährigen verglichen werden, können die auftretenden Unterschiede möglicherweise lediglich auf Alterseffekte zurückgehen, es kann aber auch sein, dass sich mittlerweile die gesellschaftlichen Bedingungen oder die Bildungsbedingungen geändert haben. Die Unterschiede wären dann zu einem unbekannten Anteil auch durch die Änderung der Bedingungen erklärbar.  Die Ergebnisse gelten zunächst nur für den jeweiligen Erhebungszeitpunkt: Es bleibt fraglich, ob sie auf andere Zeitpunkte übertragbar sind.  Möglicherweise sind die Altersstichproben nicht vergleichbar. o Dies ist besonders dann problematisch, wenn selektive Populationsveränderungen auftreten. o Bsp.: Wenn man Aussagen über die Entwicklung des Leistungsmotivs machen möchte, könnte es sein, dass bei der Stichprobe mit Personen höheren Lebensalters Hochleistungsmotivierte überrepräsentiert sind, weil diese einen ausgeprägteren Lebenswillen aufweisen könnten Zusammenfassung:  die Querschnittmethode ist ungeeignet, um Entwicklungsverläufe festzustellen, da keine intraindividuellen Veränderungen erfasst werden.  Die Querschnittsmethode kann sinnvoll sein (a) um erste (heuristische) Anhaltspunkte über Entwicklungsphänomene zu erhalten, ohne gleich eine aufwendige Längsschnittuntersuchung zu machen. (b) wenn es von der Fragestellung her darum geht, Unterschiede zwischen Altersstichproben zu einem bestimmten Zeitpunkt festzustellen (Beispiel: Wählermeinung von verschiedenen Altersgruppen vor einer Wahl oder Altersnormen für einen Schultest, der für einige Jahre zum Einsatz kommen soll). (c) wenn man Querschnittsuntersuchung an mehreren Kohorten und verschiedenen historischen Zeiten macht, hat man die anspruchsvollste Prüfung einer universellen Entwicklungssequenz (Stufenmodell), weil unter dieser Bedingung immer gleiche Ergebnisse herauskommen müssten 2.2 Die Längsschnittmethode  Für genuin entwicklungspsychologische Fragen ist (obwohl wegen der Aufwendigkeit vergleichsweise seltener durchgeführt) die Längsschnittmethode zu präferieren.  Vorgehensweise: o Eine Stichprobe wird zu verschiedenen Zeitpunkten mit demselben oder einem vergleichbaren Erhebungsinstrument untersucht.

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Lebensalter wird auch hier als unabhängige Variable gesehen, die erhobenen Merkmale als abhängige Variable. Unterschiede zwischen den Messzeitpunkten werden auf Altersunterschiede zurückgeführt. o



Vorteile der Längsschnittmethode:  Direkte Informationen über intraindividuelle Veränderungen: o Dadurch, dass die Individuen über die Zeit verfolgt werden, können individuelle Verlaufsformen und Verlaufstypen bestimmt werden.  Ermöglicht Feststellung der Stabilität oder Instabilität von Merkmalen: o Da man die Merkmale von Individuen über die Zeit hinweg betrachten kann, ist feststellbar, ob Merkmale relativ konstant sind oder stark variabel (Stabilitätskoeffizienten errechenbar) o Bei Merkmal Ängstlichkeit kann man beispielsweise prüfen, ob die Individuen in der Stichprobe über das Alter hinweg ihre relative Position beibehalten.  Man kann Veränderungsmuster bei mehreren Merkmalen vergleichen und Zusammenhänge zwischen den Veränderungsmustern herstellen. o Beispiel: Korreliert der Entwicklungsverlauf der Ängstlichkeit mit dem Entwicklungsverlauf der Intelligenz.  Vergleichbarkeit der Altersgruppen ist leichter herzustellen. o Grund: Im Idealfall handelt es sich um die gleichen Personen, daher sind die Stichproben unmittelbar vergleichbar. Nachteile der Längsschnittmethode:  Auftreten von Testungseffekten: o Da die Teilnehmer wiederholt befragt werden, kann es zu Testungseffekten kommen (Serialeffekte)  Bsp.: Wird ein IQ-Test wiederholt eingesetzt, kann ein Übungseffekt eintreten, der bei Messwiederholung zu verbesserten Werten führt.  Bsp.: allgemeine Gewöhnung an die Untersuchungssituation, die Ängste abbaut und dadurch die Ergebnisse beeinflussen kann. o Weiterhin Sättigungseffekte durch die Wiederholung der Erhebung möglich Folge: Die Motivation lässt nach.  Konfundierung von Alters- und Testzeiteffekten: o Wenn man eine Alterskohorte beispielsweise über fünf Jahre verfolgt, ist nicht kontrolliert, ob die Veränderungen nicht auch durch Einflüsse zustande kommen, die neben dem Alter in diesem Zeitabschnitt auf die Kohorte wirken. o Bsp.: Ändern sich gleichzeitig die ökonomischen Verhältnisse, kann dies beispielsweise neben dem Alter die subjektiv erlebte Unsicherheit verändern (aufgrund drohender Arbeitslosigkeit, wenn man beispielsweise eine Gruppe Jugendlicher über die Zeit betrachtet). o Auch hier kann daher nicht eindeutig auf Alterseffekte zurückgeschlossen werden.  Generalisierbarkeit auf andere Kohorten bzw. Generationen ist fraglich: o Da nur jeweils eine Kohorte erfasst wird, ist unklar, ob man die Ergebnisse auf spätere Kohorten gleichen Alters übertragen kann.  Man ist an die einmal gewählten Untersuchungsmethoden gebunden: o Selbst wenn es mittlerweile bessere Erhebungsverfahren gibt, muss man möglicherweise über einen langen Zeitraum veraltete Methoden einsetzen. o Weiteres Problem in diesem Zusammenhang: Es müssen Erhebungsverfahren vorliegen, die über den gesamten Erhebungszeitraum einsetzbar sind (vor allem bei großem Altersspektrum ein Problem).  Es können selektive Stichprobenveränderungen auftreten: o Typischerweise gelingt es nicht, alle Individuen einer Stichprobe über die Zeit weiterzuverfolgen: Durch Desinteresse, Umzug, Krankheit, Tod kann es zu

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Stichprobenveränderungen kommen, die sich systematisch auf die Ergebnisse auswirken können. o Bsp.: Wenn eine Längsschnittstudie zu Gesundheitsfragen im Erwachsenenalter durchgeführt wird, kann es von Bedeutung sein, wenn die Stichprobe mit zunehmendem Alter durch Krankheit oder Tod verändert wird. Hinzu kommt, dass schon die Ausgangsstichprobe selektiert sein kann: Möglicherweise erklären sich nur Menschen mit bestimmten Merkmalen dazu bereit, an einer Längsschnittstudie teilzunehmen.  Längsschnittuntersuchungen sind sehr aufwendig: o Hoher Personalbedarf durch mehrere Zeitpunkte und durch die Notwendigkeit, die Stichprobe zu erhalten (Probleme: Schulwechsel, Ortswechsel, NichtEinhalten von Terminen etc.) o Häufig nur einzelfallorientiertes Vorgehen möglich, da Gruppen selten über längere Zeiträume bestehen bleiben (z.B. Schulwechsel bei Übergang in weiterführende Schule etc.). 2.3 Einzelfallstudien  Zeitlich detaillierte Abbildung eines Merkmals einer Untersuchungeinheit (i.d.R. einer Person) im Entwicklungsverlauf, die Hinweise über einen spezifischen Entwicklungsverlauf geben.  Wegen der hohen Spezifität einiger entwicklungspsychologischer Phänomene sind für viele Fragestellungen Einzelfallstudien geeignet  Mehrere Einzellfallstudien können durch Aggregation der Daten Hinweise auf differentielle oder universelle Aussagen bieten.  Vorbedingungen: o Ausreichende Zahl von wiederholten Messungen o Klar definierte Einflussfaktoren (umschriebene Interventionsschritte, …)  Untersuchungseinheit ist dadurch gegeben, dass ein nicht mehr teilbarer und in sich homogener Analyseaspekt vorliegt o Es muss sich bei der Einzelfallstudie also nicht um die Untersuchung einer einzigen Person handeln o Möglich auch eine Gruppe (Schulklasse, Familie) oder ein Setting (Spielplatz, Arbeitsplatz)  Statistische Auswertungsmöglichkeit: Zeitreihenanalyse o jede Beobachtung im zeitlichen Verlauf wird in die 3 Komponenten zerlegt:  Entwicklungstrend (=eindeutige Änderung in eine Richtung)  Entwicklungsschwankungen dieses Trends  Messfehler 2.4 Sequenzmodelle von Schaie  Da sowohl querschnittliche wie längsschnittliche Methoden Grenzen bzw. Probleme aufweisen, haben Baltes und Schaie Lösungsvorschläge für beide Problembereiche unterbereitet: o Querschnittssequenzen: mehrere Querschnittsuntersuchungen zu verschieden Messzeitpunkten o Längschnittsequenzen: mehrere Längschnittuntersuchungen mit Probanden verschiedener Kohorten  Um entwicklungspsychologische Veränderungen optimal zu erfassen, kann man Querund Längsschnittsdesigns so kombinieren, dass die Fehlerquellen beider Ansätze minimal werden  Nach Schaies Modell sollten alle Entwicklungsphänomene in Abhängigkeit von Alter, Kohorte und Testzeit untersucht werden: - Alter umfasst reifungsbedingte Einflüsse (neurophysiologische Prozesse), die sich zwischen Geburt und Testzeitpunkt ereignet haben

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Kohorte bezieht sich auf alle Einflüsse, die auf eine Kohorte (Generation) in gleicher Weise wirken (genetische und/oder Umgebungsdeterminanten) Testzeit subsumiert die aktuellen, sozialen, historischen und kulturellen Einflüsse

 Probleme: o Sequenzmodelle setzen varianzanalytische Techniken zur Auswertung ein o Probleme, die damit verbunden sind:  Kohorten- und Altersvariable sind keine experimentell manipulierbaren Variablen, sondern Merkmale, die an die Person gebunden sind (man kann keine Person erst mit 25 und dann mit 15 Jahren untersuchen)  Alter, Kohorte und Testzeit sind nicht linear unabhängig (wenn man Kohorte z.B. geboren 1920 und Testzeit z.B. 1940 weiß, weiß man auch das Alter: 20)  keiner Berechnung einer 3-fache Varianzanalyse mit Überprüfung aller Haupteffekte und Wechselwirkungen möglich  Auch die von Schaie vorgeschlagene Auswertung über mehrere 2faktorielle Varianzanalysen (A*K, A*T, K*T) ermöglicht keine unverfälschte Schätzung der Effekte 2.5 Retrospektive Studien (beziehen sich auf vergangene Entwicklungszustände)  Vorteil: Erfassung großer Entwicklungsabschnitte, die prospektiv nur durch lebenslange Begleitung abgedeckt werden könnten  Retrospektive Verfahren stellt kein bestimmtes Verfahren der Datenerhebung dar, sondern einen allgemeinen Zugang zu empirischen Fragestellungen  Retrospektive Informationen können gewonnen werden durch: o Befragung einer Person über bereits vergangene Entwicklungsabschnitte o Verwertung von bereits vorliegendem Datenmaterial  Allerdings kann Retrospektion durchaus fehleranfällig sein (Berichts-, Gedächtnisfehler, soziale Erwünschtheit…, Bestreben der Befragten ihre Vergangenheit aus der Sicht ihrer aktuellen Lage jeweils neu und konsistent zu bewerten)

3. Ausgewählte Erhebungsverfahren Wie gelangt man zu den Informationen für die Beschreibung von Entwicklungsverläufen? - Registrierung von offen erkennbaren Phänomenen - Registrierung von Phänomenen unter kontrollierten Bedingungen - Bestimmung der Position einer Person auf einem Entwicklungskontinuum Beobachtung  Unterscheidung zwischen - Selbstbeobachtung - Fremdbeobachtung:  detaillierte Phänomenregistrierung im natürlichen Umfeld  systematische Verhaltensbeurteilung nach unterschiedlichen Aspekten (Stärke, Häufigkeit… des Verhaltes)  Unterteilung von Beobachtungsmethoden nach ihrer Orientierung: - Molekular: Erfassung feingegliederter Detail - Molar: gloable Kategorien  Gliederung von Beobachtungsverfahren nach folgenden Kriterien: - Grad der Strukturierung der Beobachtung  Hohe Strukturierung bedeutet Standardisierung der Beobachtung  Beschränkung der Beobachtungsbreite, aber objektivere Ergebnisse - Grad der Partizipation des Beobachters hinsichtlich des sozialen Feldes der Beobachtung  Teilnehmende Beobachtung (Beobachter aktiver Teil des sozialen Feldes): Beobachter wirkt auf das Geschehen ein

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Offene (Forscher gibt seine Identität zu erkennen) versus verdeckte Beobachtung

Befragung und Selbstauskunft  Befragungstechniken bieten direkten Zugang zu der subjektiv erlebten Entwicklung  Unterscheidung verschiedener Methoden durch den Grad ihrer Strukturierung: o Standardisierte Fragebögen o teilstrukturierte Interviews o Tagebuchaufzeichungen in der Form von Sebsteinschätzungen jeglicher Art (Biographien, detaillierte Verhaltensbeschreibungen) Experimentelle Ansätze  Experiment dient der Überprüfung einer Hypothese oder Theorie  Nachteil: Herbeiführung einer künstlichen Situation, in der möglichst wenig fremde Einflüsse wirksam sind  dies entspricht nur wenig dem komplexen Alltag, in dem Menschen entwickeln Ökologisches Experiment nach Bronfenbrenner  Verbindung der naturalistischen und experimentellen Vorgehensweisen unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses von Umweltvariablen  Naturalistische Vorgehensweise geht von einem modifizierten Validitätskonzept aus, das die ökologische Validität in den Mittelpunkt stellt, d.h. die Forschungsergebnisse sollen direkt auf andere vergleichbare Personen, Situationen und Orte übertragen werden können  Beim ökologischen Experiment man braucht im Gegensatz zum Laborexperiment also die komplexen Wechselwirkungen zwischen dem menschlichen Organismus und einer sich ständig wandelnden Umwelt nicht zu simulieren, weil sie ins Design integriert sind Entwicklungstests  Machen eine Aussage über den Entwicklungsstand eines Kindes, indem auf eine Normstichprobe Bezug genommen wird o Die Normstichprobe gibt eine Richtlinie , welche Fähigkeiten bei einem Kind in einem bestimmten Alter vorliegen müssten  Abaluf: in der Regel Befragung der Eltern, Stellen von konkreten Anforderungen an das Kind, Registrierung und Kategorisierung des gezeigten Verhaltens  Es sollen mithilfe von Tests und Befragungen folgende Fragen geklärt werden (1) Wie ist die Entwicklung in der Vergangenheit verlaufen? (Retrognose) (2) Warum befindet sich Kind gerade an einer bestimmten (u.U. nicht erwarteten) Stelle auf dem Entwicklungskontinuum? (Diagn...


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