Fall 10 und 11 Lösung PDF

Title Fall 10 und 11 Lösung
Course Rechtswissenschaften
Institution Universität Greifswald
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Öffentliches Recht - Staatsorganisationsrecht...


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Fall 10 Der Abgeordnete könnte bestraft werden, wenn er eine Straftat begangen hat und kein Strafausschluss nach Art. 46 GG vorliegt. 1) Äußerungen im Bundestag a) „Schlappschwanz“ aa) Strafbarkeit A könnte sich wegen einer Beleidigung gemäß § 185 StGB strafbar gemacht haben. Beleidigung meint jeden Angriff auf die Ehre eines anderen durch die Kundgabe eigener Missachtung oder Nichtachtung. Die Bezeichnung des Arbeitsministers als „Schlappschwanz“ stellt wegen der damit verbundenen negativen Assoziation eine grobe Missachtung der Ehre des Arbeitsministers und damit einen beleidigenden Angriff auf dessen Ehre dar. Eine Beleidigung iSv § 185 StGB liegt somit vor. bb) Strafausschluss nach Art. 46 I GG In Betracht kommt jedoch ein Strafausschluss nach Art. 46 I GG. Dann müssten die Voraussetzungen der Indemnität vorliegen. Dafür müsste es sich bei A um einen Abgeordneten handeln. A ist ein Mitglied des Bundestages und fällt somit unter den von der Indemnität geschützten Personenkreis. Er ist Abgeordneter. Weiter müsste die den Tatvorwurf bildende Handlung ein Abstimmungsverhalten oder eine Äußerung darstellen. Laut Sachverhalt hat A die Beleidigung im Rahmen einer Rede ausgesprochen, was als Äußerung anzusehen ist. Zudem müsste die Äußerung im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse gefallen sein. Die hier inkriminierte Beleidigung fand im Rahmen einer Bundestagsdebatte, also im Bundestag statt. Die Indemnität setzt gemäß Art. 46 I 2 GG außerdem noch voraus, dass es sich nicht um eine verleumderische Beleidigung gehandelt haben darf. Darunter versteht man gemäß § 187 StGB die gegenüber Dritten oder mit Kundgabecharakter gemachte Behauptung einer unwahren Tatsache wider besseren Wissens, durch die jemand beleidigt wird. Die beleidigende Wirkung wurde bereits festgestellt. Aus dem Zusammenhang der Debatte ergibt sich jedoch, dass hier der Vorwurf des „Schlappschwanzes“ nicht als Tatsache, sondern „nur“ als politische Wertung erhoben wurde. Solche Wertungen sollen – auch wenn sie beleidigenden Charakter haben – im Interesse einer engagierten und unzensierten Parlamentsdebatte durch die Indemnität gerade vor der Strafverfolgung geschützt werden. Demnach fehlt es an der – für den Tatbestand der Verleumdung erforderlichen – Tatsachenäußerung; vielmehr wurde nur ein Werturteil abgegeben. Eine Verleumdung liegt folglich nicht vor, weshalb auch dieses (negative) Tatbestandsmerkmal der Indemnität erfüllt ist. Die Voraussetzungen der Indemnität liegen somit allesamt vor. Der A hat damit zwar eine Straftat begangen, kann aber wegen des persönlichen Strafausschlusses nach Art. 46 I GG nicht bestraft werden. b) „Steuerhinterzieher“ aa) Strafbarkeit Dies stellt eine Beleidigung nach § 185 StGB dar.

bb) Strafausschluss nach Art. 46 I GG A ist Abgeordneter und tätigt eine Äußerung im Bundestag. Es dürfte sich nicht um eine verleumderische Beleidigung handeln. Eine unwahre Tatsache ist alles, was dem Beweise zugängig ist, dies ist hier der Fall. Diese erfolgte wider besseres Wissen. Auch kann hier eine Kreditgefährdung bejaht werden. Daher liegt hier eine Verleumdung vor. Daher kann hier kein Ausschluss der Bestrafung nach Art. 46 I GG erfolgen. cc) Strafverfolgungsverbot nach Art. 46 II GG? Fraglich ist, ob hier ein Strafverfolgungsverbot nach Art. 46 II GG vorliegt. Dann müssten die Voraussetzungen der Immunität vorliegen. A ist Abgeordneter und er begeht eine mit Strafe bedrohte Handlung (Verleumdung ). Von einer Genehmigung der Strafverfolgung des Bundestages kann mangels entgegenstehender Anhaltspunkte nicht ausgegangen werden. Auch liegt keine sofortige Verhaftung oder im Laufe des folgenden Tages vor. c) Ergebnis: Während der Amtszeit wegen Art. 46 II GG keine Bestrafung des A. 2) Äußerung auf der Straße („Schlappschwanz“) a) Strafbarkeit wegen Beleidigung kann hier bejaht werden. b) Ein Strafausschluss nach Art. 46 I GG kann hier nicht angenommen werden, die Äußerung erfolgt nicht im Bundestag. c) Fraglich ist, ob hier ein Strafverfolgungsverbot nach Art. 46 II GG vorliegt. Dann müssten die Voraussetzungen der Immunität vorliegen. A ist Abgeordneter und er begeht eine mit Strafe bedrohte Handlung (Beleidigung ). Von einer Genehmigung der Strafverfolgung des Bundestages kann mangels entgegenstehender Anhaltspunkte nicht ausgegangen werden. Auch liegt keine sofortige Verhaftung oder im Laufe des folgenden Tages vor. Daher liegt keine Möglichkeit zur Strafverfolgung vor, solange der A noch Bundestagsabgeordneter ist.

Fall 11 Vorüberlegung: Welche Verfahrensart wird am Bundesverfassungsgericht angestrengt? konkrete Normenkontrolle, Art. 100 I GG Die konkrete Normenkontrolle über die Verfassungswidrigkeit des ASG hat Erfolg, wenn Sie zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit Das BVerfG ist zuständig nach Art. 100 I GG, § 13 Nr. 11 BVerfGG, denn hier geht es um Bundesrecht. I. Vorlageberechtigung, Art. 100 I GG, § 80 I BVerfGG Vorlageberechtigt sind gem. Art. 100 I GG, § 80 I BVerfGG Gerichte und damit alle Spruchstellen, die, sachlich unabhängig, in einem formell gültigen Gesetz mit den Aufgaben eines Gerichts betraut und als Gerichte bezeichnet sind.1 Hier legt ein Amtsgericht den Antrag vor, welches ein Gericht in diesem Sinne ist. II. Tauglicher Prüfungsgegenstand, Art. 100 I GG 1. formelles Gesetz Überprüft werden nur Gesetze im formellen Sinne. Formelle Gesetze werden durch das Parlament erlassen, das ASG wurde durch den Bundestag erlassen, ist also ein also formelles Gesetz. 2. nachkonstitutionell Nachkonstitutionelle Gesetze sind nur Gesetze, die nach dem In-Kraft-Treten des GG (24.05.1949) verkündet wurden. Das ASG trat zum 1.1.2017 in Kraft, ist daher ein nachkonstitutionelles Gesetz. III. Entscheidungserheblichkeit, Art. 100 I GG Die Zulässigkeit der Richtervorlage setzt voraus, dass es für die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits gerade auf die Verfassungsmäßigkeit eines anzuwendenden Gesetzes ankommt. Das Gericht müsste also bei Verfassungswidrigkeit des Gesetzes anders entscheiden als bei Verfassungsmäßigkeit. Art. 46 I GG verbietet, die Abgeordneten wegen ihren Äußerungen im Bundestag gerichtlich zu verfolgen. Ist das ASG aber verfassungsmäßig, muss B gerichtlich belangt werden. Ist es verfassungswidrig, ist B nicht zu belangen, die Klage des A würde also leerlaufen. Mithin ist die Gültigkeit des § 1 ASG entscheidungserheblich für die Klage des A gegen B. Das Gericht muss die Entscheidungserheblichkeit zudem darlegen, § 80 II 1 BVerfGG, wie hier geschehen ist. IV. Die Überzeugung des vorlegenden Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der Norm Gericht muss von Verfassungswidrigkeit überzeugt sein und sich eingehend mit der Rechtsfrage auseinandergesetzt haben und dies auch in der Begründung zeigen. All dies ist hier geschehen. V. Form Der Aussetzungs- und Vorlagebeschluss muss gem. § 23 I 1 BVerfGG schriftlich erfolgen. VI. Zwischenergebnis Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

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BVerfGE 6, 55, 63.

B. Begründetheit Die konkrete Normenkontrolle ist begründet, wenn § 1 ASG verfassungswidrig ist I. formelle Verfassungsmäßigkeit Laut Sachverhalt ist das ASG formell verfassungsgemäß. II. materielle Verfassungsmäßigkeit Fraglich ist, ob das ASG materiell verfassungsgemäß ist. Es kommt ein Verstoß gegen die Rechte der Abgeordneten aus Art. 46 I, II GG in Frage. Dazu muss geklärt werden, was Art. 46 persönlich und sachlich schützt. 1. persönlich Sowohl Art. 46 I GG, als auch Art. 46 II GG schützen Bundestagsabgeordnete. § 1 ASG bezieht sich gem. Wortlaut auf Bundestagsabgeordnete. 2. sachlich Art. 46 I GG schützt das Abstimmungsverhalten sowie Äußerungen, also Tatsachenbehauptungen und Meinungen, die im Bundestag getätigt wurden § 1 ASG bezieht sich auf Äußerungen. Mit Ausnahme der verleumderischen Beleidigung sind alle Aussagen der Abgeordneten geschützt. Das ASG möchte allerdings alle Äußerungen strafrechtlich verfolgbar machen, nicht nur die der verleumderischen Beleidigung. Der sachliche Schutzbereich des Art. 46 I ist eröffnet. Art. 46 II GG schützt vor Strafverfolgung aus jeglichem Grund. Erfasst sind somit alle mit Strafe bedrohten Handlungen auch außerhalb des Bundestages. § 1 S. 2 ASG bezieht sich auch auf die Handlungen außerhalb des Bundestages, der sachliche Schutzbereich ist also auch für Art. 46 II eröffnet. Eine Rechtfertigung der Beeinträchtigung von Immunität und Indemnität kommt nicht in Betracht. § 1 ASG ordnet die strafrechtliche Verfolgung sowohl von Äußerungen im Bundestag als auch strafbarer Handlungen außerhalb des Bundestages an, verstößt somit also gegen Indemnität und Immunität der Abgeordneten aus Art. 46 I, II GG. Mithin liegt ein Verfassungsverstoß vor. 3. Zwischenergebnis § 1 ASG ist verfassungswidrig. Der Antrag ist daher begründet. III. Ergebnis Das Bundesverfassungsgericht wird § 1 ASG aufgrund der Richtervorlage für verfassungswidrig erklären....


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