Seltene Grabfunde auf der Trasse der NATO-Pipeline in Ostwürttemberg - Vorbericht zu den Ausgrabungen an der NATO-Pipeline in Baden-Württemberg, Ostalbkreis und Kreis Heidenheim. PDF

Title Seltene Grabfunde auf der Trasse der NATO-Pipeline in Ostwürttemberg - Vorbericht zu den Ausgrabungen an der NATO-Pipeline in Baden-Württemberg, Ostalbkreis und Kreis Heidenheim.
Author Christian Bollacher
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Seltene Grabfunde auf der Trasse der NATO-Pipeline in Baden-Württemberg Vorbericht zu den Ausgrabungen im Ostalbkreis und im Kreis Heidenheim JÖRG BOFINGER UND CHRISTIAN BOLLACHER Während knapp neun Monaten archäologischer Tä- Schwerpunkt auf die Vorstellung der Grabfunde ge- tigkeit auf der Trasse ...


Description

Seltene Grabfunde auf der Trasse der NATO-Pipeline in Baden-Württemberg Vorbericht zu den Ausgrabungen im Ostalbkreis und im Kreis Heidenheim JÖRG BOFINGER UND CHRISTIAN BOLLACHER

Während knapp neun Monaten archäologischer Tätigkeit auf der Trasse der NATO-Pipeline im Osten Baden-Württembergs konnten im Jahr 2006 im Ostalbkreis und im Kreis Heidenheim über 30 Fundstellen an 17 Fundpunkten untersucht und dokumentiert werden (Abb. 1; 2). Davon waren lediglich zwei vor Baubeginn durch Begehungen oder frühere Grabungen zweifelsfrei verifiziert, eine Dritte liegt im Bereich einer zwar altbekannten, aber undeutlichen Luftbildfundstelle. Alle Übrigen sind Neuentdeckungen.1 Die Fundstellen und Befunde auf der Trasse der NATO-Pipeline, die hier nur resümierend vorgestellt werden, spannen einen zeitlichen Bogen von der Jungsteinzeit bis ins Frühmittelalter. Im Folgenden soll bei der Vorstellung des Projekts und der dabei aufgedeckten Befunde ein

Schwerpunkt auf die Vorstellung der Grabfunde gelegt werden, da anhand dieser Befundgattung sehr eindrucksvoll das Potenzial der archäologischen Begleitung linearer Projekte wie Pipelinebau und ähnlicher Maßnahmen gezeigt werden kann.

Die NATO-Pipeline Aalen (BW) – Leipheim( BY) Um die flächendeckende Kraftstoffversorgung ihrer militärischen Einrichtungen dauerhaft und krisensicher gewährleisten zu können, unterhält die NATO

1 Bollacher u.a. 2006.

Abb. 1: Die Trasse der NATO-Pipeline im Ostalbkreis mit Eintrag der Fundstellen, differenziert nach den unterschiedlichen Epochen.

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ein Netzwerk unterirdisch verlegter Rohrfernleitungen, das insgesamt 11 500 Kilometer lange NATO Pipeline System (NPS). Es setzt sich aus neun Teilsystemen von nationalen bis transnationalen Dimensionen zusammen, deren größtes das Central Europe Pipeline System (CEPS) ist. Zu den Stationen dieses CEPS gehört auch das Hochdrucktanklager Aalen im Ostalbkreis, das wenig östlich von Lauchheim auf der flach ausgebildeten Kuppe des 615 m hohen Königsbühl liegt. Seine unterirdischen Tanks enthalten Flugturbinentreibstoff, der von den Umschlaghäfen und Raffinerien in Rotterdam und Marseille über die Stationen Kehl am Oberrhein und Tübingen-Bodelshausen zur Zwischenlagerung herangepumpt wird. Ein Weitertransport über Rohrleitungen war von Aalen aus bisher nur zum Fliegerhorst in Neuburg an der Donau möglich, wohingegen eine Fernverbindung über die Landesgrenze hinweg zur Kopfstation der Pipeline Leipheim–Lechfeld–Unterpfaffenhofen nicht bestand. Um diese Versorgunglücke zu schließen, wurde das fehlende Teilstück von Aalen nach Leipheim in den Jahren 2006 und 2007 im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland neu verlegt. Von den ungefähr achtzig Kilometern dieser Pipelinetrasse führen 29 über baden-württembergisches Terrain. Hiervon wiederum entfallen etwa zwanzig Kilometer auf den Ostalbkreis und neun auf den Kreis Heidenheim (Abb. 2). Mit dem Albvorland, dem südwestlichen Ries, dem Härtsfeld und der Riesalb durchläuft die Rohrleitung dabei Landschaften, die nicht allein im Hinblick auf ihre naturräumliche Eigenart und ihre geologische Entstehungsgeschichte, sondern auch durch den Reichtum und die Vielfalt ihres kulturellen Erbes hervorragen. Die Spuren menschlichen Lebens lassen sich hier weit über den Horizont der historischen Überlieferung hinaus bis in die ältesten Epochen der Vorgeschichte zurückverfolgen. Die Anhöhen des südwestlichen Riesrandes und die sanft geneigten Hänge des Egertals zwischen Bopfingen und Riesbürg gehören ebenso wie die weitläufigen, mit Grabhügelfeldern und Viereckschanzen durchsetzten Waldgebiete des Härtsfeldes und der Riesalb seit Jahrtausenden zu den Schauplätzen einer wechselvollen Kulturgeschichte. Erst im Jahre 2004 wurde dem außerordentlichen Rang dieser Fundlandschaften durch die Ausweisung eines weitläufigen Grabungsschutzgebietes im Umfeld der prähistorischen Höhenbefestigung auf

Abb. 2: Der Verlauf der NATO-Pipeline in den Kreisen Heidenheim und Ostalbkreis mit Eintrag der Fundpunkte, an denen oftmals Fundstellen unterschiedlicher Zeitstellung zutage traten.

dem Ipf bei Bopfingen formell Rechnung getragen. Angesichts des Quellenreichtums dieser Landstriche musste ein Großbauvorhaben wie die Verlegung der NATO-Pipeline Aalen–Leipheim die archäologische Landesdenkmalpflege auf den Plan rufen.

Pipelinebau – eine einschneidende Maßnahme Beim Bau einer unterirdischen Pipeline kommt es zu umfangreichen Erdbewegungen, die sich keineswegs auf den schmalen Bereich des eigentlichen Rohrgrabens beschränken. Vielmehr muss nach Maßgabe des Bundesbodenschutzgesetzes in waldfreier Feldflur ein Arbeitsstreifen eingerichtet werden, innerhalb dessen die deckende Ackerkrume vollständig zu beseitigen und für die Dauer der Bauarbeiten in Form einer trassenparallelen Oberbodenmiete zu deponieren ist. Der vom Humus befreite Streifen, der im Falle der NATO-Pipeline 10–11 m breit war, dient während der nachfolgenden Bauphasen als Fahrbahn für schweres Gerät wie Rohrtransporter, Mobilbagger und Raupenlader, als Zwischenlager der Rohrsegmente, als Arbeitsstätte von Rohrbiegern und Schweißerkolonnen sowie als Aushubhalde des später anzulegenden Rohrgrabens (Abb. 3). Die anfängliche Beseitigung des nährstoffreichen Mutterbodens soll verhindern, dass dieser im Zuge der Bautätigkeit mit den weniger fruchtbaren Bestandteilen tiefer Bodenschichten vermengt und in seinem ökologischen wie landwirtschaftlichen Wert nachhaltig beeinträchtig wird. Wenn die Leitungsbauer nach getaner Arbeit das Feld räumen, liegt der fertig verschweißte Rohrstrang in seinem unterirdischen Bett und die Wiederverfüllung des Rohrgrabens ist nahezu abgeschlossen. Es sind nun noch die erforderlichen Maßnahmen zur Wiederherstellung der ursprünglichen Geländeoberfläche zu treffen. Hierzu zählt der Rückbau temporärer Baustelleneinrichtungen (Rohrlagerplätze, Spundungen, Baustraßen etc.) ebenso wie die Instandsetzung durchschnittener Feldwege und Drainagefelder. Weil es durch den längs der Trasse verkehrenden Schwerlasttransport im Bereich des Arbeitsstreifens zu einer starken Verdichtung des Untergrundes gekommen ist, wird unter Verwendung von sogenannten Heckaufreißern eine Tiefenlockerung durchgeführt, die den Unterboden hinsichtlich seiner Konsistenz und Wasserführung wieder in den vormaligen Zustand versetzen soll. Erst danach erfolgt als letzter Schritt der Baumaßnahme der Wiederauftrag des separat gelagerten Mutterbodens. 109

Abb. 3: Impression von den Baumaßnahmen auf der Trasse der NATO-Pipeline im Ostalbkreis. Zum Verlegen des Rohrstrangs be-

fahren in der Regel mehrere Bagger hintereinander den vom Mutterboden geräumten Arbeitsstreifen.

Die Anlage eines beiderseits der eigentlichen Rohrtrasse verlaufenden und mehrere Meter breiten Arbeitsstreifens ist ein Erfordernis, das sich aus dem Zusammenspiel bodenschutzrechtlicher Bestimmungen, geltender Unfallverhütungsvorschriften und baustellentechnischen Raumbedarfs ergibt. Für die Archäologische Denkmalpflege bedeutet sie indessen, dass ein Verlust von Bodendenkmälern nicht nur auf der engen Linie des Rohrgrabens, sondern auf der gesamten Breite des vom Mutterboden befreiten Geländestreifens zu erwarten ist. Befunde führende Schichten treten im Bereich vorgeschichtlicher Fundstellen häufig schon unmittelbar unterhalb des humosen Pflughorizontes ans Licht. Bodenverdichtung und Spurrillenbildung, die jeder Baustellenverkehr abseits befestigter Wege mit sich bringt, würden an solch sensiblen Orten zur Auflösung oberflächennaher Bodenstrukturen und folglich zur unwiederbringlichen Tilgung aller vor- und frühgeschichtlichen Siedlungsspuren sowie zur Vernichtung des eingelagerten Fundguts führen. Spätestens die abschließende Tiefenlockerung des Unterbodens würde das Zerstörungswerk besiegeln. Da vorgeschichtliche Bodendenkmäler in BadenWürttemberg verfassungsmäßigen und denkmalrechtlichen Schutz genießen, ist ihre Zerstörung un-

zulässig, sofern sie zuvor nicht fachkundig dokumentiert und enthaltene Funde sachgemäß geborgen wurden. Ein Bauvorhaben wie die NATO-Pipeline, deren archäologischer Flächenverbrauch sich auf baden-württembergischem Boden auf immerhin etwa 29 ha beläuft, erforderte daher das Handeln der staatlichen Denkmalpflege. Zunächst galt es anhand von Ortsakten, archäologischen Datenbanken und Luftbildarchiven all jene Bodendenkmäler, Fundstellen oder Verdachtsflächen zu ermitteln, die vom Trassenverlauf unmittelbar berührt wurden und einer bauvorgreifenden Ausgrabung bedurften. Da die Rohrleitung auf ihrem kilometerlangen Weg durch die Landschaft ganz unterschiedliche Naturräume, darunter auch siedlungsgünstige Lagen mit hohem landwirtschaftlichem Potenzial durchläuft, war außerdem mit der Auffindung bisher unentdeckter Fundstellen zu rechnen. Selbstverständlich fallen auch solche Neuentdeckungen unter den Schutz der denkmalpflegerischen Landesgesetzgebung. Wie die mittlerweile bundesweit erworbenen Erfahrungen mit ähnlichen linearen Bauprojekten lehren, ist im Trassenbereich mit einem Zuwachs an Fundstellen zu rechnen, der die Zahl der schon vor Baubeginn registrierten Bodendenkmäler regelhaft um das Fünfbis Zehnfache übersteigt. Andererseits zeigte es sich

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nicht selten, dass in den Ortsakten verzeichnete Fundstellen durch die Grabungen nicht bestätigt werden konnten.2 Eine sinnvolle denkmalpflegerische Begleitmaßnahme darf sich angesichts dieser Werte nicht in bauvorgreifenden Grabungen an bekannten Fundorten erschöpfen, sie muss vielmehr flächendeckend operieren und mit der ständigen Präsenz archäologischen Fachpersonals einhergehen. Besonders die volumenintensiven Erdbauarbeiten wie Mutterbodenabtrag und Rohrgrabenaushub bedürfen der lückenlosen Beobachtung, so dass eventuell zutage tretende Spuren vorgeschichtlichen Lebens umgehend gesichert und vor undokumentierter Zerstörung bewahrt werden können. Um die notwendige archäologische Baubegleitung mit dem bauseitig bestehenden Interesse an einer reibungslosen und termingerechten Durchführung des Pipeline-Projektes in Einklang zu bringen, wurde zwischen der Trägerin des Bauvorhabens (Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Staatliche Hochbauamt Reutlingen) und dem Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart eine vertragliche Regelung getroffen. Es wurden Zeiträume vereinbart, die für die Durchführung von Rettungsgrabungen zur Verfügung stehen sollten und deren Dauer sich im Falle bauvorgreifender Untersuchungen auf acht, für baubegleitende Maßnahmen auf zwei Wochen belief. Die Festsetzung dieser Fristen eröffnete den Archäologen ein Mindestmaß an zeitlicher Bewegungsfreiheit und stellte zugleich auf Seiten der Bauleitung die erforderliche Planungssicherheit her. Im Gegenzug übernahm der Bauträger einen Teil der Kosten für die Bergung und Dokumentation der betroffenen Bodendenkmäler, die andernfalls im vorgegebenen Zeitrahmen nicht zu bewältigen gewesen wären.3

Bodendenkmalpflege im Umfeld linearer Großbauvorhaben – Chancen und Probleme der Trassenarchäologie Als lineare Projekte werden im Baugewerbe all jene Baumaßnahmen bezeichnet, die mit der Trassierung eines Verkehrsweges einhergehen. Es kann sich dabei um Straßen oder Bahnlinien, aber auch um spezielle Verbindungen des Gütertransportes wie Pipelines handeln. Vom Betrieb auf einer regulären Baustelle unterscheidet sich die Arbeit auf einer Trasse in erster Linie durch die hohen Mobilitätsanforderungen, denen alle Projektbeteiligten ausgesetzt sind. Die einzelnen Schritte des Bauablaufs erfolgen, indem sich ein Bautrupp nach dem anderen, dem Trassenverlauf folgend, durch die Landschaft arbei-

tet. Die Bewegungen der Arbeiterkolonnen sollen möglichst stetig und bruchlos sein und bedürfen der präzisen Abstimmung, um das kostspielige Umsetzen der mitgeführten Baumaschinen und das erzwungene Pausieren einzelner Abteilungen zu vermeiden. Ein reibungsloses Ineinandergreifen aller Vorgänge nach der Vorgabe eines verbindlichen Bauzeitenplanes ist im Rahmen linearer Projekte noch wichtiger als auf anderen, stationären Baustellen. Da es nicht im Interesse der staatlichen Bodendenkmalpflege liegt, den komplexen Ablauf solcher Baumaßnahmen durch die Verhängung mehrtägiger Baustopps, zu der sie im Falle des Auftretens von archäologischen Befunden im Trassenbereich ermächtigt wäre,4 zu stören, wird sie auch in Zukunft darauf hinwirken, mit dem jeweiligen Vorhabenträger eine Fristenregelung des oben beschriebenen Zuschnitts zu treffen. Es handelt sich dabei um einen Kompromiss, der sowohl dem Bauträger als auch den Denkmalschützern Zugeständnisse abverlangt, die jedoch letzen Endes vom beiderseitigen Nutzen überwogen werden. Bauseitig steht der Entstehung von – im Verhältnis zum finanziellen Gesamtvolumen der Baumaßnahme in aller Regel geringfügigen – Mehrkosten und der Notwendigkeit zur Aufnahme der ausgehandelten Grabungszeiträume in den Bauzeitenplan der Rückgewinn der Planungssicherheit gegenüber. Für die Archäologen relativiert sich die zeitliche Befristung ihres Handlungsspielraums dadurch, dass die Versorgung mit finanziellen Drittmitteln eine hinreichende Personalausstattung ermöglicht. Freilich kann es bei entsprechendem Befundanfall dennoch zu Situationen kommen, in denen der grabungstechnische Standard der staatlichen Bodendenkmalpflege im vorgegebenen Zeit-

2 V. Dresely/H. Stäuble, Archäologie an der Erdgasleitung Peißen bei Bernburg –Leipzig-Wiederitzsch. In: MITGAS (Hrsg.), Von Peißen nach Wiederitzsch. Archäologie an einer Erdgastrasse (Gröbers 2004) 6ff. 3 An dieser Stelle möchten wir uns sehr herzlich beim Staatlichen Hochbauamt Reutlingen und der Wehrbereichsverwaltung Süd in Stuttgart für die Unterstützung der Grabungen und die gute Zusammenarbeit bedanken. Auch den Mitarbeitern der ausführenden Firma Strabag AG München sind wir für reibungslose Kooperation zu Dank verpflichtet, ebenso wie Herrn Feldmeyer aus KirchheimOsterholz für technische Unterstützung der Feldforschungen. Die grabungstechnische Leitung der archäologischen Arbeiten auf der Trasse der NATO-Pipeline lag in den Händen von Grabungsingenieur R. Langer. Die Umzeichnungen der Befundpläne verdanken wir M. Vöhringer, Esslingen, Frau A. Moll, Auhausen, übernahm die Fertigung der Fundzeichnungen. Ihnen allen gilt unser herzlicher Dank für die gute Zusammenarbeit und gewissenhafte und sorgfältige Durchführung der ihnen übertragenen Arbeiten. 4 § 7 Abs. 1 und § 20 DSchG Baden-Württemberg.

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rahmen nicht lückenlos durchgehalten werden kann. Computerbasierte Dokumentationsmethoden erlauben es jedoch mehr und mehr, den im Feld erforderlichen Zeitaufwand für die Befunderfassung zu verringern und den mitunter notgedrungenen Verzicht auf langwierige Handzeichnungen durch die EDVgestützte Entzerrung von Digitalbildern (Photogrammetrie) zu kompensieren. Neben der zeitlichen ist auch die strikte räumliche Beschränkung zu beachten, der die Arbeit der Ausgräber im Baustellenbereich unterliegt. Die durch den Trassenverlauf bzw. den Arbeitsstreifen vorgegebenen Grabungsgrenzen sind in jedem Fall zu respektieren, da andernfalls nicht nur gegen die Rechte der Grundstückseigentümer und -pächter, sondern auch gegen die dezidierte Zweckgebundenheit der vom Bauträger bereitgestellten Finanzmittel verstoßen wäre. In der Konsequenz bedeutet dies, dass Befunde, die nur zum Teil im Trassenbereich zu liegen kommen, auch nur teilweise dokumentiert und ausgegraben werden dürfen.5 Probleme könnten sich auch hinsichtlich des Abraummanagements ergeben, besonders dann, wenn es die Situation erfordert, das Grabungsplanum nach erfolgtem Mutterbodenabtrag ein zweites Mal abzusenken, um tiefer liegende Befundstrukturen ans Licht zu fördern. Das dabei anfallende Erdmaterial des mineralischen Unterbodens darf aus bodenschutzrechtlichen Gründen nicht mit demjenigen der bereits abgeschälten Ackerkrume vermischt werden, weshalb parallel zur ersten eine zweite Abraummiete innerhalb des Arbeitsstreifens eingerichtet werden muss. Dadurch verringert sich aber der archäologisch zugängliche Bereich sehr rasch, so dass der Möglichkeit zur flächigen Abtiefung des Grabungsniveaus relativ enge Grenzen gesteckt sind.6 Die beschriebenen Schwierigkeiten ihrer praktischen Durchführung tun freilich weder der denkmalpflegerischen Notwendigkeit einer archäologischen Baubegleitung Abbruch, noch schmälern sie die Bedeutung, die einem solchen Unterfangen im Hinblick auf seinen wissenschaftlichen Ertrag beizumessen ist. Die besondere Chance für die Forschung ergibt sich daraus, dass ein kilometerlanges Trassenprojekt vom Zuschnitt der NATO-Pipeline ganz andere Einblicke in die unterirdischen Archive einer archäologischen Fundlandschaft ermöglicht, als dies mehr oder weniger punktuell operierende Rettungsgrabungen tun könnten, wie sie etwa im Vorgriff auf Gewerbe- oder Baugebietserschließungen erforderlich werden. Zwar können Trassengrabungen in aller Regel keine vollständigen Pläne von Siedlungen oder Gräberfeldern liefern, weil die eröffneten Arbeitsstreifen hierfür zu schmal sind. Für die Beurteilung regionaler Sied112

lungsmuster und Landnutzungsstrategien aber muss sich die archäologische Begleitung linearer Bauprojekte, zumal wenn sie sich langfristig als denkmalpflegerische Standardmaßnahme etabliert, als äußerst fruchtbar erweisen. Durch sie werden der archäologischen Forschung landschaftliche Räume aufgeschlossen, die außerhalb heutiger Ballungsregionen und mithin abseits bau- und raumplanerischer Brennpunkte liegen und ansonsten bestenfalls einer „weichen“, also oberflächlich operierenden Prospektion (Begehung, Luftbild, Geophysik) zugänglich wären. Auf lange Sicht bietet sie die Gelegenheit einer flächendeckenden Datenerhebung, auf deren Grundlage neue Aussagen zur Beschaffenheit und Entwicklung vorgeschichtlicher Siedlungssysteme zu treffen sein werden. Eine solcherart vertiefte Kenntnis siedlungsgeographischer Zusammenhänge ermöglicht wiederum Rückschlüsse auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Organisation vorgeschichtlicher Kulturen.

Geologie und Landschaft im Bereich der NATO-Pipelinetrasse Die NATO-Pipeline Aalen–Leipheim durchläuft auf baden-württembergischem Boden das Albvorland und das südwestliche Vorries im Ostalbkreis sowie Teile des östlichen Härtsfeldes und der westlichen Riesalb im Landkreis Heidenheim. Es handelt sich dabei um Landstriche, in denen der weithin gleichförmige und regelmäßige Aufbau des süddeutschen Schichtstufenlandes durch ein singuläres Ereignis der Erdgeschichte in Auflösung geraten ist. Vor etwa 15 Millionen Jahren traf hier ein Meteorit von 1–1,5 km Durchmesser und einer Geschwindigkeit von errechneten zwanzig Sekundenkilometern auf die Erdoberfläche. Er durchschlug das 600 m mächtige Deckgebirge aus mesozoischen Sedimentgesteinen und drang bis in das granitische Grundgebirge vor, wobei

5 So wurde beispielsweise der Grundriss eines latènezeitlichen Gebäudes an der Fundstelle AA-13 bei Trassen-Km 19100, Gemeinde Utzmemmingen, Gewann „Langes Feld“, nur zur Hälfte erfasst. 6 Die Folgen dieses Dilemmas wurden auf der NATO-Pipeline besonders im Bereich der Fundstelle AA-04, Trassen-Km 7400–7700, Gemeinde Oberdorf am Ipf, Gewann „Federwiesen/Feldle“ spürbar, wo latènezeitliche Befunde unter mächtigen Kolluvien zutage traten. Eine schachbrettartige Unterteilung des Befunde führenden Trassenabschnittes in kleinere Sektoren und deren alternierende Nutzung als Grabungsfläche und Abraumhalden hätte hier zwar Abhilfe schaffen können, sie wäre aber zu zeitaufwendig gewesen und hätte zudem die permanente Verfügbarkeit eines großen Baggers vorausgesetzt, die de facto nicht gegeben war.

seine Substanz unter extremer Hitzeeinwirkung explosionsartig verdampfte. Zurück blieb ein mächtiger Einschlagskrater, der heute noch in Gestalt des Nördlinger Rieses wahrnehmbar ist. Freilich handelt es sich bei dieser kreisrunden Beckenstruktur nur noch um die geomorphologische Nachfolgeerscheinung des ursprünglich wesentlich schärfer konturierten Primärkraters. Das geschulte Auge aber vermag nicht nur im Ries, sondern auch in dessen näherer und fernerer Peripherie Spuren jenes katastrophalen Naturereignisses auszumachen, zumal einige von ihnen b...


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