Sozialpsychologie II VL6 PDF

Title Sozialpsychologie II VL6
Course Sozialpsychologie II
Institution Ruhr-Universität Bochum
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Semester: WS17/18
Vorlesung: Sozialpsychologie II
Dozentin: Rohmann
Thema: Prosoziales Verhalten...


Description

SoPsy VL6: Prosoziales Verhalten Warum helfen Menschen? prosoziales Verhalten: – trägt zum Wohl anderer bei – erfolgt intentional – erfolgt freiwillig  Motiv: egoistisch, altruistisch oder beides  altruistisches Verhalten als Subtyp prosozialen Verhaltens  Wort des anderen steht an erster Stelle Evolutionspsychologische Sichtweise:  hilfreiches Verhalten hat genetische Wurzeln, erhöht die Wahrscheinlichkeit, die eigenen Gene weiterzugeben  Verwandtschaftsselektion: Menschen helfen genetischen Verwandten zu überleben  erklärt nicht Altruismus gegenüber Fremden  Reziprozitätsform: Menschen helfen aus Erwartung heraus, dass auch ihnen zukünftig geholfen wird  Kooperation als Selektionsvorteil  soziales Lernen: Menschen, die soziale Normen am besten erlernen, haben Selektionsvorteil  Teil unseres genetischen Programms Kosten und Nutzen prosozialen Verhaltens:  Austauschtheorie: Menschen richten ihr Handeln so aus, dass der Nutzen maximiert und die Kosten minimiert werden  wahrer Altruismus existiert nicht – Helfen, um eigene Stimmung zu verbessern – Helfen, um an Freude des anderen Teilhaben zu können Empathie-Altruismus-Hypothese:  Unterscheidung zwischen dem Ziel und der Konsequenz einer Handlung: – Ziel einer altruistischen Handlung: Verbesserung der Lage des Anderen – persönliche Befriedigung als Konsequenz ist zulässig  Hypothese: – Mitgefühl: affektive Reaktion, die durch auf den anderen orientierte Gefühle von Betroffenheit und Bedauern charakterisiert ist  altruistische Hilfe – Personal Distress: affektive Reaktion, die durch auf das Selbst orientierte, unangenehme Gefühle charakterisiert ist  Reduktion der eigenen Erregung 





Studie: Coke et al. (1978) – studentische VPN hören Radiosendung über eine Person in Not, der sie Hilfe anbieten konnten – einige würden Person nicht wiedersehen  Fluchtmöglichkeit vs. begegnen der Person in der nächsten Woche wieder – Selbsteinschätzung des Mitgefühls: hoch mitfühlende Studierende zeigten Hilfeverhalten unabhängig davon, ob sie der Person begegnen werden – VPN, bei denen Unbehagen überwog, halfen in der schwierigen Fluchtbedingung signifikant mehr Daniel Batson et al. (1982) führten zahlreiche solcher Untersuchungen durch, die Hinweise darauf enthalten, dass es neben einer egoistischen auch eine altruistische Motivation gibt  Annahmen:



– Wer sich in die Notlage hineinversetzt, erlebt mehr empathische Sorge, als wer die Notlage beobachtet.  Auswirkung der Instruktion – Egoistisch motivierte Hilfe ist situationsabhängig, altruistisch motivierte Hilfe situationsunabhängig.  daher helfen Personen, die beobachten, mehr, wenn sie sich der Situation nicht entziehen können, als wenn sie sich ihr leicht entziehen können  Personen, die altruistische motiviert sind, helfen in beiden Bedingungen gleichermaßen hoch Fall: Carol verpasst Lehrveranstaltungen wegen eines Krankenhausaufenthalts und bittet um Mitschriften  Manipulation der Fluchtmöglichkeit betrifft die Chance, Carol zu begegnen – leichte Flucht: Carol bleibt bis zum Ende des Semesters weg – schwere Flucht: Carol kommt nächste Woche zurück – AV: Ausfüllen einer Karte, auf der Bereitschaft signalisiert wird, Hilfe zu leisten – Ergebnisse: bei einem sich in die Notlage Hineinversetzen (= Mitleid hoch) wird mehr geholfen, als bei der Instruktion zu beobachten; Beobachtung (= Mitleid niedrig) führt zu großem Unterschied in Hilfe abhängig von Fluchtbedingung

Mitgefühl und prosoziales Verhalten:  Warum reagieren einige Menschen mit Mitgefühl, andere mit Distress oder Gleichmütigkeit?  situative Gründe: – Zeitmangel – Situation wird falsch interpretiert – Person wird als selbst verantwortlich wahrgenommen  leichte Erregbarkeit: – einige Menschen neigen dispositional zu personal distress – Unsicherheit, welches Verhalten in der Situation angebracht ist – Gefühl der Unkontrollierbarkeit der Situation – Ideal: mittleres Erregungsniveau mit gelungener Emotionsregulation, kein „empathisches Overarousal“  Ähnlichkeit des Opfers: wahrgenommene Ähnlichkeit erhöht das Mitgefühl  Vertrautheit des Opfers: – je vertrauter die Person in Not, desto größer die Wahrscheinlichkeit für Mitgefühl – nicht nur auf individueller, auch auf kultureller Ebene (eher Hilfe gegenüber Mitgliedern der Ingroup)

Kulturelle Unterschiede 

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Bevorzugung der Binnengruppe: – in unterschiedlichen Kulturen sind Menschen hilfsbereiter gegenüber Personen, die sie als Mitglieder ihrer Binnengruppe kategorisieren, als Fremdgruppe – Vertrautheits- bzw. Ähnlichkeitseffekt, der auf Gruppenzugehörigkeit beruht – Binnengruppe = Gruppe, der eine Person als Mitglied angehört bzw. der sie sich als zugehörig definiert kulturelle Werte und prosoziales Verhalten  z.B. Simpatía: sozialer Wert, der in spanischsprechenden Ländern weit verbreitet ist bezieht sich auf eine Reihe von sozialen und emotionalen Faktoren:

– Freundlichkeit – Höflichkeit – Gutmütigkeit – Hilfsbereitschaft gegenüber anderen Millionenstädte im Vergleich:  Levine et al. (2001): spontane Hilfeleistung in 23 Millionenstädten, über Globus verteilt  drei Maße: – blinde Person an Fußgängerampel wartend – scheinbar unbemerkt: Verlust eines Füllers von einem Passanten – bandagiertes Bein: Person lässt Zeitschriften auf Boden fallen  Ergebnisse: große nationale Unterschiede im Ausmaß der durchschnittlichen prozentualen Hilfsbereitschaft gemittelt über drei Messungen – Spitzenwerte: Rio, San Jose, Lilongwe und Wien – niedrig: Sofia, Amsterdam, Singapur, New York, Kuala Lumpur  Extremgruppenvergleiche verweisen auf eine große Heterogenität zwischen den Ländern im Ausmaß der durchschnittlichen Hilfsbereitschaft der Allgemeinbevölkerung  auffällig: ähnliche Ergebnisse bei kulturell geringen Gemeinsamkeiten  regionale Unterschiede relativ moderat, global unerwartet große Unterschiede  Zusammenhang mit Wohlstand: – negativer Zusammenhang zwischen Lebenserhaltungskosten und prosozialem Verhalten (r = -.50) – weiterer ökonomischer Indikator: Sozialprodukt des Landes, durch Weltbank erfasst – negativer Zusammenhang Produktivität x Hilfsbereitschaft (r = -.43) – geringerer Wohlstand  mehr Hilfe – Kuala Lumpur als Ausnahme Stadt/Land-Unterschiede:  Kleinstadt: Hälfte der Passanten bleibt stehen, bietet Hilfe an  Großstadt: 15% bleiben stehen, um zu helfen  in Großstadt wird mehr Stress erlebt  Urban-Overload-Hypothese: Milgram, 1970 – Großstädter würden genauso hilfsbereit reagieren, wenn reizüberladene Umgebung reduziert würde  weniger Ablenkung – konsistent mit Forschungsergebnissen – wenn sich Möglichkeit ergibt, Hilfe zu leisten, ist es bedeutsamer, ob sich Zwischenfall auf Land oder in Stadt ereignet, als Ort des Aufwachsens Mobilität:  es ist nicht nur bedeutsam, wo eine Person wohnt, sondern auch, wie oft sie umgezogen ist  Personen, die lange an einem Ort leben, engagieren sich mit größerer Wahrscheinlichkeit prosozial, indem sie Tätigkeiten ausüben, die der Gemeinschaft nutzen  Erklärung: über einen langen Zeitraum an einem Ort leben führ zu... – größerer Bindung an die Gemeinde – stärkerer Interdependenz mit den Nachbarn – größerer Sorge um guten Ruf der Gemeinde

Entwicklung prosozialen Verhaltens  Hilfeverhalten bei praktisch allen Tierarten, manchmal sogar speziesübergreifend  erste tröstenden Reaktion kurz nach 1. Geburtstag  bis 3 Jahre Zunahme von Mitgefühl und prosozialem Verhalten  gradueller Übergang von starker Selbstbezogenheit hin zu empathischer Betroffenheit  Beginn des 2. Lj: Kinder bieten das als Hilfe an, was sie selbst tröstet  später Verständnis, dass diese Dinge nicht zwingend auch andere trösten  ab da komplexer Entwicklungsverlauf





Hay (1994): prosoziale Aktivitäten ab einem Alter von zwei Jahren – verliert den Charakter eines sozialen Impulses, erhält den einer überlegten Entscheidung – wird kontrolliert von Regeln, die von Autoritäten bestimmt werden – Kinder helfen eher, wenn der Schaden groß ist, kein Eigenverschulden vorliegt, das hilfsbedürftige Kind jünger und vertraut ist – auch Reziprozität hat einen positiven Einfluss Entstehung individueller Unterschiede: – genetische Disposition: 19-39% Varianzaufklärung  stark von Umwelteinflüssen beeinflussbar – kulturelle Unterschiede Kenia, Mexiko, Philippinen, Japan, Indien, USA: Niveau von Hilfeverhalten ist höher in Kulturen, in denen meist in Großfamilien gelebt wird und Kinder früh Verantwortung übernehmen

Geschlechtsunterschiede 





Kienbaum (2003): Vergleich von 5-jährigen Jungen und Mädchen bei Kummer einer Spielpartnerin – Jungen zeigen mehr Mitgefühl und Trösten, wenn Erzieherin und Mutter sich generell als warm und unterstützend zeigt – für Mädchen galt das nur, wenn sie schüchtern waren – außerdem: Mädchen umso mitfühlender, je aggressiver sie eingeschätzt werden  aber: Aggression ist generell niedrig, wiederspricht Geschlechterstereotyp mögliche Gründe: – Söhne: häufiger Konflikte mit Mutter, profitieren besonders, wenn ihnen Wärme entgegengebracht wird – schüchterne Kinder reagieren sensibel auf Sozialisationsbedingungen – Aggressivität bei 5-jährigen Mädchen ist eher Zeichen der Durchsetzungsfähigkeit, welche sich positiv auf prosoziales Verhalten auswirkt  assertives Verhalten im positiven Zusammenhang mit prosozialem Verhalten Männer helfen eher in der ersten Situation (heroisch), Frauen eher in der zweiten (langfristig, stärkeres Maß an Bindung)

Stimmungseinflüsse Positive Stimmung:  positive Stimmung hängt mit Hilfsbereitschaft zusammen  Motivation, in Übereinstimmung mit Norm der sozialen Verantwortung zu handeln  hängt vermutlich mit kognitiven Prozessen zusammen, die mit Stimmung assoziiert sind – gute Stimmung  Assoziation mit Belohnung  Stimmung beeinflusst Gedächtnisprozesse: Forgas & Bower, 1988 – Verfügbarkeit von positiv getönten Gedächtnisinhalten erhöht sich  assoziative NetzwerkTheorie – prosoziales Verhalten ist ein Spezialfall positiv getönter Gedächtnisinhalte – UV: Münze, die Forscher in Telefonzelle auslegten vs. Kontrolle – AV: Mann fallen Papiere in Mappe im Sichtfeld der VP herunter – Ergebnisse: Münze gefunden  87.5% Hilfe für Mann, Kontrolle  4% Hilfe – viele Studien: gute Stimmung  hilfsbereitere Menschen  Gründe: – Verfügbarkeit von positiv getönten Gedächtnisinhalten lässt uns auf die positiven Seiten des Lebens blicken – anderen zu helfen, kann unsere gute Stimmung aufrechterhalten – gute Stimmung erhöht den Selbstfokus, dadurch Selbstreflektion: im Sinne eines guten Menschen halten Negative Stimmung:

kann sich wie positive Stimmung auswirken: Erhöhung des prosozialen Verhaltens im Vergleich zu Kontrolle  Induktion von Schuldgefühlen erhöht Hilfsbereitschaft+  vor der Beichte wird mehr für einen guten Zweck gespendet als danach  Menschen helfen anderen, um ihre eigene Traurigkeit zu lindern  Negative-State-Relieve-Hypothese



Helfen in Notsituationen  Forschung in diesem Bereich ausgelöst durch spektakuläre Fälle unterlassener Hilfeleistung  Echo der Medien meisten empört aber ratlos  Suche nach möglichen Motiven  Hilfsbereitschaft größer, wenn weniger Menschen im Umfeld  bei vielen Menschen: „Jemand anderes könnte auch Helfen“ Verantwortungsdiffusion:  Studie: Darley und Latané (1968) – VPN nehmen an Diskussionsrunde zu persönlichen Problemen teil (via Mikrofon aus Einzelkabinen) – ein Teilnehmer stimuliert einen epileptischen Anfall

Wahrscheinlichkeit der Hilfe abhängig von Gruppengröße: – einzelner trägt die volle Verantwortung für das Eingreifen – bei mehreren wird Verantwortung aufgeteilt: Diffusion der Verantwortung, Bystander-Effekt – besonders wahrscheinlich, wenn Zeugen nicht kommunizieren Pluralistische Ignoranz:  wenn andere Zeugen sich offensichtliche passiv verhalten, geben sie ein Modell für das Unterlassen von Hilfeleistung  Verhalten kann als Hinweis gedeutet werde, dass Eingreifen nicht angemessen ist  Darley, Teger & Lewis (1973): – Unfall in Nebenzimmer – Alleinbedingung: 90% intervenieren – zu zweit: wenn Rücken an Rücken 20%, wenn gegenüber sitzen 80%  sehen alarmierenden Gesichtsausdruck des anderen, beide empfinden Hilfe für angemessen Bewertungsangst:  Helfer müssen in Gruppenbedingungen damit rechnen, dass andere sein Handeln bewerten  Bewertungsangst kann Hilfsbereitschaft weiter senken  Schritte für oder gegen eine Intervention in einer Notfallsituation: – Ereignis bemerken – als Notfall interpretieren – Verantwortung übernehmen – angemessene Hilfeleistung kennen – intervenieren  wenn in einer Notsituation mehrere Zeugen anwesend sind, sollte man versuchen, eine Person direkt anzusprechen 

Verantwortung und prosoziales Verhalten 

Zuschreibung von Verantwortung beim Hilfeempfänger löst emotionale Reaktion aus – wenn Opfer „nichts dafür kann“, sollte Mitgefühl ausgelöst werden  Hilfeverhalten

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– wenn die Situation für Opfer kontrollierbar war, wird es für „selber schuld“ angesehen  Ausbleiben von prosozialem Verhalten Verantwortungsgefühle auf Seiten des potenziellen Helfers stehen in positivem Zusammenhang zum prosozialen Verhalten  Norm der sozialen Verantwortung Bierhoff, Kramp & Klein (1991): – Personen, die nach einem Verkehrsunfall helfen, haben signifikant höhere Werte in sozialer Verantwortung als Nichthelfer  Bereitschaft zur sozialen Verantwortung scheint ein wichtiges Motiv für prosoziales Verhalten zu sein Maßnahmen gegen Verantwortungsdiffusion: – Bekanntmachung des Phänomens  Verringerung der Auftretenswahrscheinlichkeit – Aufklärungsprogramme: Sensibilisierung für das Phänomen zur Durchbrechung des mentalen Automatismus – Programme zur Förderung der Zivilcourage: schon im Schulalter Übungen/Spiele, um Diffusion der Verantwortung „fühlbar“ zu machen...


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