Strafrecht 1 Mitschriften zu den Folien bei Prof. Duttge PDF

Title Strafrecht 1 Mitschriften zu den Folien bei Prof. Duttge
Author C S
Course Strafrecht I
Institution Georg-August-Universität Göttingen
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Summary

einzelne Mitschriften über den Verlauf der Vorlesung online bzw. Den gezeigten Folien mit Schematas für die Klausur...


Description

Strafrecht §1 Die repressive Funktion des Strafrechts Was ist Recht? 

Man könnte sagen, Recht sei das was in den Gesetzen steht = das geschriebene Recht, allerdings greift dies zu kurz, da es eine Reihe von Gesetzeslagen gibt, die nicht normiert ist



Eine weitere Interpretation wäre das tatsächlich geltende Recht, also das Recht, welches die Gerichte wirklich anwenden

Verfassungsrechtliche Vorgaben: Art.1,79 Abs. 3: Recht als Freiheitsordnung – Recht als „Inbegriff der Bedingungen, unter denn die Willkür des einen mit der Willkür des anderen noch einem allgemeinen Gesetz der Freiheit zusammen vereinigt werden kann (Kant) Recht entfaltet sich in Rechtsgebiete Rechtsordnung Privatrecht (Bürger untereinander)

Öffentliches Recht (Bürger und Staat)

Handelsrecht

Staatsrecht Verwaltungsrecht Materielles Recht Verfahrensrecht

Das Strafrecht als ultima ratio! = Das Strafrecht darf immer nur das letzte Mittel sein, um auf Fehlverhaltensweisen zu reagieren! Ablauf des Strafverfahrens 1. Ermittlungsverfahren (beginnt mit einem Anfangsverdacht) 

Dient dazu, die Wahrheit soweit ans Licht zu bringen, dass man am Ende sagen kann, dass der Verdacht sich bestätigt und eine Anklage zu erheben ist

2. Zwischenverfahren (Überprüfung des Tatverdachts) 3. Hauptverfahren (Hauptverhandlung vor Gericht)  mündet in ein Urteil Der Aufbau des StGB: o Besonderer Teil (§80 – 358) 

Er enthält die Straftatbestände, also die Normen, welche und sagen, welche Verhaltensweise wie zu bestrafen sind.

o Allgemeiner Teil (§1 – 79) 

Der allgemeine Teil regelt Vorschriften allgemeiner Natur (Z.b die Regelung zum Versuch)

GUTACHTENSTIL Tatbestandsmerkmal: 

OBERSATZ 

Wirft die Frage auf, ob eine Straftat erfüllt wurde

Beispiel: „Indem der Zwerg A dem B eine kräftige Ohrfeige verpasst hat, könnte er sich gem. §223 1 StGB einer Körperverletzung strafbar gemacht haben“ 

DEFINITION Beispiel: (1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“



Untergutachten: 

„A müsste B körperlich misshandelt haben“ Definition: Jede üble unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlempfinden mehr als unerheblich beeinträchtigt wird“



SUBSUMTION: 

Durch den Schlag ins Gesicht und den damit verbundenen Schmerzen wurde das Wohlbefinden von B unerheblich beeinträchtigt



ERGEBNIS 

A hat sich nach §223 1 StGB einer Körperverletzung strafbar gemacht, indem er B mit einer kräftigen Ohrfeige geschlagen hat

Aufbau vorsätzliches Begehungsdelikt: 1. Tatbestand a) Objektive Tatbestand b) Subjektive Tatbestand 2. Rechtswidrigkeit 3. Schuld 4. Ergebnis

Fall 1 – „Ein schlechter Tag“ Der kampflustige Karsten (K) sieht den Ersti Eduard (E) auf der Straße, ohne dass dieser ihn bemerkt. Weil K den E für eine arrogante Person hält und auch sonst einen schlechten Tag hat, will er seinen Frust an E auslassen. K sieht, dass E ihn nicht bemerkt hat, weil er Kopfhörer trägt und laut Musik hört. Daher nutzt K die Gelegenheit, schleicht sich langsam von hinten heran und schleudert E gezielt gegen die nächste Hauswand. Dabei erleidet E eine schwere Gehirnerschütterung sowie eine schmerzhafte Platzwunde am Kopf, die im Krankenhaus mit drei Stichen genäht werden muss. K, der schwere Winterstiefel trägt, tritt den am Boden liegenden E anschließend noch einmal kräftig in den Bauch, woraufhin sich ein Hämatom bildet. K geht davon. Hat K Körperverletzungsdelikte begangen? Strafbarkeit des K gem. §§223 I, 224 I StGB I.

Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a.) Grunddelikt, §223 I StGB aa.)Körperliche Misshandlung bb.)

Gesundheitsschädigung

cc.)Zwischenergebnis b.) Qualifikation, §224 I StGB aa.) Gefährliches Werkzeug, §224 I Nr. 2StGB (1) Hauswand (2) Beschuhter Fuß bb.) Hinterlistiger Überfall, §224 I Nr. 3 StGB cc.) Lebensgefährliche Behandlung, §224 I Nr. 5 StGB dd.) Zwischenergebnis 2. Subjektiver Tatbestand a.) Vorsatz nach Grunddelikt b.) Vorsatz bzgl. Qualifikation c.) Zwischenergebnis II.

Rechtswidrigkeit

III.

Schuld

IV.

Ergebnis

LÖSUNG: Strafbarkeit des K gem. §§223 I, 224 I StGB K könnt sich dadurch das er E gegen die Wand geschleudert und anschließend in den Bauch trat, wegen einer gefährlichen Körperverletzung §§223 I,224 I StGB strafbar gemacht haben. I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand

a.) Grundtatbestand des §223 I StGB K müsste E, also eine andere Person, körperlich misshandelt oder in seiner Gesundheit geschädigt haben aa.) Körperliche Misshandlung Eine körperliche Misshandlung ist eine üble und unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt Vor dem Stoß gegen die Wand hatte E keinerlei Schmerzen. Durch den Aufschlag hat E eine schmerzhafte Platzwunde bekommen. Das körperliche Wohlbefinden ist also im Vergleich zum Zeitpunkt unmittelbar vor der Tat nicht nur unerheblich beeinträchtigt worden. Die körperliche Unversehrtheit wird durch eine substanzverletzende Einwirkung beeinträchtigt. Durch den Tritt in den Bauch verursachte K ein Hämatom bei E. Dabei handelt es sich um Substanzschäden im Gewebe. Die körperliche Unversehrtheit wurde im Vergleich vor der Tat mehr als unerheblich beeinträchtigt. K hat E körperlich Misshandelt bb.) Gesundheitsschädigung K könnte den E gem. §223 I StGB an der Gesundheit geschädigt haben. Eine Gesundheitsschädigung ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines vorrübergehenden, pathologischen Zustandes. E musste aufgrund der Platzwunde und Gehirnerschütterung, die er nach dem Stoß gegen die Wand erlitt, in ärtzliche Behandlung. Auch das Hämatom ist ein krankhafter Zustand des Körpers. Mithin wurde E in einen pathologischen Zustand versetzt. Eine Gesundheitsschädigung ist damit zu bejahen. cc.) Zwischenergebnis Der objektive Tatbestand des §223 I StGB wurde erfüllt. a.) Qualifikation des §224 I StGB aa.) Mittels eines gefährlichen Werkzeugs, §224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB Möglicherweise hat K die Körperverletzung gem. §224 I Nr. 2 Alt. 2 StGB mittels einem gefährlichen Werkzeug begangen. Ein gefährliches Werkzeug ist jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der konkreten Art der Verwendung dazu geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. (1) Hauswand Fraglich ist, ob die Hauswand als Unbeweglicher Gegenstand ein gefährliches Werkzeug im Sinne des §224 I Nr. 2 Art. 2 StGB ist. Nur bewegliche Gegenstände können im Sinne des §224 I, Nr. 2 Art 2 StGB Werkzeuge sein. Da die Hauswand unbeweglich ist, ist sie kein gefährliches Werkzeug. Eine Strafbarkeit nach §224 I Nr. 2 StGB scheidet aus. (2) Beschuhter Fuß K hat den E mit einem schweren Winterstiefel kräftig in den Bauch getreten. Ein Winterstiefel hat eine robuste und stabile Anfertigung mit fester Sohle. Durch die Beschaffenheit kann ein Winterstiefel bei konkreter Verwendung erhebliche Verletzungen hervorrufen. Die Strafbarkeit gem. §224 I Nr. 2 StGB ist damit zu bejahen.

bb.) Mittels eines hinterlistigen Überfalls, §224 I Nr. 3 StGB K könnte sich der gefährlichen Körperverletzung gem. §224 I Nr. 3 StGB mittels eines hinterlistigen Überfalls strafbargemacht haben. Ein Überfall ist ein unerwarteter Angriff auf einen Ahnungslosen. K schleicht und greift den unaufmerksamen E von hinten an, wobei er das Überraschungsmoment des Ahnungslosen E ausnutzt. E sieht den Angriff nicht kommen. Mithin hat K den E überfallen.

Hinterlistig ist, wenn der Täter seine Absichten planmäßig berechnend verdeckt, um die Verteidigung zu erschweren. Während E mit seinen Kopfhörern abgelenkt ist, nutzt K den Moment aus und nutzt ihn für seine Zwecke. Da K sich zusätzlich von hinten anschleicht, verdeckt er seine Tat und erschwert den E die Verteidigung. Daher ist §224 I Nr. 3 StGB verwirklicht. cc.) Gefährliche Behandlung, §224 I, Nr. 5 StGB K könnte sich außerdem mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung gem. §224 I, Nr 5 StGB strafbar gemacht haben. Eine das Leben gefährliche Behandlung ist gegeben, wenn die Verletzungshandlung dazu geeignet war, das Leben des Opfers in Gefahr zu bringen. Fraglich ist, ob die zugefügten Verletzungen des K dazu geeignet waren, den E in Lebensgefahr zubringen. Aus §224 I, Nr. 5 StGB ergibt sich, dass schon die gefährliche Behandlung selbst das Leben gefährden muss. Der Tritt mit dem schweren Winterstiefel in den Bauch, ist zwar schmerzlich, allerdings bedrohen derartige Verletzungen das Leben nicht. Der Stoß gegen die Hauswand war abstrakt geeignet das Leben des E in Gefahr zu bringen. So wurde §224 I Nr. 5 StGb verwirklicht. dd.) Zwischenergebnis K hat den objektiven Tatbestand des §224 I Nr. 2 Alt 2, Nr. 3 und Nr. 5 erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand K muss vorsätzlich gehandelt haben. Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung des objektiven Tatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatbestände. (§16) K war bewusst, dass er den E durch den Stoß gegen die Wand und den Tritt in den Bauch erhebliche und unter Umständen auch lebensgefährliche Verletzungen hervorrufen kann. Außerdem tat der dies mutwillig durch das anschleichen an den Ahnungslosen E. K handelte dementsprechend vorsätzlich. Der Subjektive Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung wurde erfüllt. II. Rechtswidrigkeit Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich, folglich handelte K rechtswidrig III. Schuld Entschuldigungs- und Schuldausschließungsgründe liegen nicht vor. Mithin handelte K schuldhaft. IV. Ergebnis

K hat sich durch den Tritt und den Stoß gegen die Hauswand gem. §§223 I, 224 I Nr. 2 Alt 2, Nr. 3 und Nr. 5 StGB wegen einer gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht.

Fall 2 – „Streit in Wiesmoor“ Siegbald (S) und seine Freundin Hermina (H) sitzen gemeinsam beim Nachmittagstee am Kamin und diskutieren angeregt über die anstehende Bürgermeisterwahl in Wiesmoor. Weil H trotz Einreden des S beharrlich zu ihrem Kandidaten steht, platzt S schließlich der Kragen: Aus Wut nimmt er die Teekanne mit dem heißen Tee und gießt den gesamten Inhalt über den Kopf der H. Diese erleidet Verbrühungen ersten Grades am Oberkörper und die Haut am Hals rötet sich. Beides verheilt folgenlos. H stellt Strafantrag. Wie hat S sich strafbar gemacht? Strafbarkeit des S gem. §§223 I, 224 I StGB I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a. Grunddelikt §223 I aa.) Körperliche Misshandlung bb.) Gesundheitsschädigung b. Qualifikation, §224 I aa.) Beibringung eines gesundheitsschädlichen Stoffes, §224 I Nr.1 Alt. 2 bb.) Gefährliches Werkzeug, §224 I Nr. 2 Alt 2 cc.) Zwischenergebnis 2. Subjektiver Tatbestand II. Rechtswidrigkeit III. Schuld IV. Ergebnis

LÖSUNG: Strafbarkeit des S gem. §§223 I, 224 I StGB

S könnte sich dadurch, dass er den heißen Tee über den Kopf der H gekippt hat einer gefährlichen Körperverletzung gem. §§223 I, 224 I StGB strafbar gemacht haben. I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand a.) Grunddelikt, §223 I S müsste eine andere Person, also der H an ihrer Gesundheit geschädigt und körperlich Misshandelt haben aa.) Körperliche Misshandlung Eine körperliche Misshandlung im Sinne des §223 I Alt. 1 StGB stellt eine üble, unangemessene Behandlung dar, die entweder das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt. Mit dem körperlichen Wohlbefinden ist die subjektive Befindlichkeit des Opfers gemeint. Eine Verbrühung ersten Grades sind verbunden mit starken Schmerzen des Opfers. Diese Schmerzen waren zum Zeitpunkt vor dem Tatereignis nicht vorhanden, weshalb das körperliche Wohlbefinden der H nicht nur unerheblich beeinträchtigt wurde. Die körperliche Unversehrtheit geht mit einer körperlichen Integrität einher, die zu dem Zeitpunkt der Tat besteht. Die Rötungen und Verbrühungen stellen einen körperlichen abweichenden Zustand des Normalzustandes dar. S hat die H somit körperlich misshandelt. bb.) Gesundheitsschädigung Eine Gesundheitsschädigung stellt das Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften Zustands dar. Die Verbrühungen und Rötungen die durch den heißen Tee entstanden sind, stellen einen krankhaften Zustand der H dar. Dieser wurde von S hervorgerufen. Egal ist dabei, dass die Verletzungen folgenlos abheilten, da auch die Versetzung in einen vorrübergehenden krankhaften Zustand eine Gesundheitsschädigung umfasst. Eine Gesundheitsschädigung gem. §223 I Alt. 2 StGB ist damit zu bejahen. cc.) Zwischenergebnis Der Objektive Tatbestand gem. §223 I ist erfüllt. b.) Qualifikation, §224 I aa.) Beibringen eines gesundheitsschädlichen Stoffes, §224 I Nr. 1. Alt. 2 StGB Gesundheitsschädliche Stoffe sind organische oder anorganische Stoffe, die aufgrund einer mechanischen oder thermischen Wirkung von sich aus nachteilige Wirkungen auf die Gesundheit des Opfers haben. Fraglich ist, ob das Überschütten von heißen Tee zu einem gesundheitsschädlichen Stoff gehört oder gleichzusetzen ist. Tee ist kein gesundheitsschädlicher Stoff. Eine Beibringung beschreibt in der Regel auch keine äußere Anwendung. Das Gift oder der Stoff muss zur Bejahung des §224 I Nr. 1 StGB im Körperinneren wirken. Der Qualifikationstatbestand des §224 I Nr. 1 StGB ist somit nicht erfüllt. bb.) Mittels eines gefährlichen Werkzeugs, §224 I Nr.2 Alt. 2 StGB Möglicherweise hat S die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs begangen. Ein gefährliches Werkezeug ist jeder Gegenstand, der nach seiner konkreten Art der Anwendung und seiner Beschaffenheit, erhebliche Verletzungen herbeiführen kann. Fraglich ist, ob der heiße Tee zu dem gefährlichen Werkzeug gehört. Ein heißer Tee thermisch zwar erhebliche Verletzungen verursachen,

allerdings ist Tee von seiner Beschaffenheit her kein Gegenstand. Ein Gegenstand sind feste Körper. Flüssigkeiten, wie der heiße Tee und Gase haben keinen festen Körper und sind daher auch keine Gegenstände. S sich gem. §224 I Nr. 2 Alt 2 nicht strafbar gemacht. cc.) Zwischenergebnis Der objektive Tatbestand von §224 I Nr. 1 und 2 StGB sind nicht erfüllt. 2. Subjektiver Tatbestand S müsste vorsätzlich gehandelt haben. Mit Vorsatz handelt, wer in Kenntnisnahme aller objektiven Tatbestände und mit dem Willen der Verwirklichung handelt. S hat mit dem Willen und dem Wissen, dass der heiße Tee erhebliche Verletzungen bewirken kann gehandelt. Mithin ist der subjektive Tatbestand einer einfachen Körperverletzung gegeben. II. Rechtswidrigkeit Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich. S handelte damit rechtswidrig. III. Schuld S müsste schuldhaft gehandelt haben. Da keine Entschuldigungsgründe- und Schuldausschließgründe ersichtlich sind, handelt S schuldhaft. IV. Strafantrag Gemäß §223 I 1 StGB ist ein Strafantrag erforderlich. Dieser wurde von H gestellt. V. Ergebnis S hat sich indem er den heißten Tee über den Kopf der H goss, im Sinne der einfachen Körperverletzung §223 I StGB strafbar gemacht.

Fall 3 – „Die Kaninchenrettung“

Grimhilde (G) ist überzeugte Naturfreundin. Der Kaninchenstall ihrer Freundin Beate (B) ist ihr daher ein Dorn im Auge. Als G mal wieder zu Besuch bei B ist und ihr Blick auf den Kaninchenstall fällt, beschließt sie, das „arme Kaninchen“ zu befreien und wieder in die Natur zu bringen. Kurzerhand öffnet G den Käfig, nimmt das Kaninchen und setzt es in den Vorgarten. Das Kaninchen siedelt sich im nächstgelegenen Wald an. Als B ein paar Wochen durch Göttingen spaziert, sieht sie das Auto der G auf einem an einer Tankstelle angrenzenden Parkplatz stehen. Aus Ärger über das freigelassene Kaninchen und die heuchlerischen Aussagen über umweltbewusste Fortbewegungsmittel öffnet B die Ventile aller vier Reifen, woraufhin die Luft entweicht. Am nächsten Tag bemerkt G den Platten. Wie haben sich die Beteiligten nach dem StGB strafbar gemacht? Bearbeitervermerk: Ggf. erforderliche Strafanträge sind gestellt. Eine Strafbarkeit wegen Versuchs ist nicht zu prüfen. A.) Strafbarkeit der G I. Diebstahl §242 1 StGB 1. Tatbestand a) Objektiver Tatbestand aa.) Fremde bewegliche Sache bb.) Wegnahme (1) Bruch fremden Gewahrsams (2) Begründung neuen Gewahrsams b) Zwischenergebnis 2. Ergebnis B.) Strafbarkeit der B I. Sachbeschädigung, §303 I StGB 1. Tatbestand a.) Objektiver Tatbestand aa.) Tatobjekt bb.) Tathandlung (1) Zerstören (2) Beschädigen 2. Zwischenergebnis II. Ergebnis

A.) Strafbarkeit der G gem. §242 I StGB Indem G das Kaninchen in den Vorgarten setzte, worauf es sich in den Wald ansiedelte, könnte sich G wegen Diebstahl gem. §242 I StGB strafbar gemacht haben. 1. Tatbestand a.) Objektiver Tatbestand Dazu müsste G eine fremde bewegliche Sache einem anderen mit Absicht weggenommen haben aa.) Fremde bewegliche Sache Im Sinne des $242 I StGB ist eine fremde bewegliche Sache jeder fortschaffbare körperliche Gegenstand, der nicht im Alleineigentum des Täters steht und nicht herrenlos ist. Das Kaninchen steht im Alleineigentum der B und ist damit fremd für G. Des Weiteren ist das Kaninchen als bewegliche Sache anzusehen. bb.) Wegnahme Eine Wegnahmehandlung setzt sich aus dem Bruch fremden und der Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereignen Gewahrsams zusammen. (1) Bruch fremden Gewahrsams Bruch meint die Aufhebung des ursprünglichen Gewahrsams ohne oder gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers. Der Gewahrsam lag ursprünglich bei B. Indem G den Käfig öffnete und das Kaninchen in den Vorgarten setzte, konnte B nicht mehr auf das Kaninchen zugreifen. Dies geschah gegen den Willen. G hat damit den fremden Gewahrsam gebrochen. (2) Begründung neuen Gewahrsams Ein neuer Gewahrsam wird begründet, wenn der Täter oder ein Dritter die Sachherrschaft erlangt und der ursprüngliche Gewahrsamsinhaber nicht mehr über die Sache verfügt. Da das Kaninchen sich im Wald ansiedelte, hat G keine Sachherrschaft erlangt und keinen neuen begründet. b.) Zwischenergebnis Der Tatbestand ist nicht erfüllt. 2. Ergebnis G hat sich durch das Aussetzen des Kaninchens nicht wegen Diebstahl gem. §242 I StGB strafbar gemacht. B.) Strafbarkeit der B gem. §303 I StGB B könnte sich wegen Sachbeschädigung gem. §303 I StGB strafbar gemacht haben, indem sie alle vier Ventile an den Autoreifen des PKW der G öffnete. I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand B müsste eine fremde Sache beschädigen oder zerstört haben.

a.) Tatobjekt Der PKW, eine Sache, müsste für B fremd sein. Fremd ist eine Sache, wenn sie im Eigentum eines anderen steht. Der PKW gehört G. Folglich ist er für B fremd. b.) Tathandlung aa.) Zerstören Zerstören ist jede Einwirkung, die die bestimmungsmäßige Brauchbarkeit einer Sache gänzlich aufhebt oder die Sache in ihrer Substanz vernichtet. Das Öffnen der vier Ventile führt zu vier platten Reifen des PKWs. Der PKW kann somit nicht mehr als fahrendes Fahrzeug genutzt werden. Ferner ist die bestimmungsmäßige Brauchbarkeit aufgehoben. Dieser Zustand ist allerdings nicht von Dauer. Die Reifen können wieder aufgepumpt werden. Die Substanz wurde nicht gänzlich vernichtet. Damit stellt das Öffnen der Ventile keine Zerstörung im Sinne des §303 I StGB dar. bb.) Beschädigung Eine Beschädigung ist jede nicht nur unerhebliche Verletzung der Substanz und die Beeinträchtigung der bestimmungsmäßigen Brauchbarkeit. Der PKW wurde durch das Öffnen der Ventile nicht verletzt. Allerdings kann G mit dem Auto nicht mehr sicher fahren, da alle Reifen platt sind. Fraglich ist, ob die Beeinträchtigung der bestimmungsmäßigen Brauchbarkeit erheblich ist. Erheblichkeit kommt auf den Wiederherstellungsaufwand an. Wenn die Beeinträchtigung innerhalb kürzester Zeit vom Eigentümer wiederhergestellt werden kann, ist die Beeinträchtigung nicht erheblich. Da sich in unmittelbarer Nähe eine Tankstelle befindet, ist das Aufpumpen problemlos möglich. Folglich ist der Aufwand des Wiederherstellens nicht unerheblich und der PKW nicht beschädigt 2. Zwischenergebnis Der Tatbestand ist nicht erfüllt II. Ergebnis B hat sich durch das Öffnen der Ventile nicht wegen Sachbeschädigung gem. §303 I StGB strafbar gemacht.

Fall 4 – „Der Auftragskill...


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