Anfängerklausur – Zivilrecht BGB AT – Urlaub mit Irrtum - beck-online PDF

Title Anfängerklausur – Zivilrecht BGB AT – Urlaub mit Irrtum - beck-online
Course BGB AT
Institution Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
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Klausur für Anfänger und Anfängerinnen BGB AT...


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Kopie von Osborne Clarke , abgerufen am 07.02.2021 16:37 - Quelle: beck-online DIE DATENBANK

Greiner/Kalle: Anfängerklausur – Zivilrecht: BGB AT – Urlaub mit Irrtum

JuS 2019, 355

Anfängerklausur – Zivilrecht: BGB AT – Urlaub mit Irrtum Prof. Dr. Stefan Greiner und Stud. Hilfskraft Ansgar Kalle* Die Klausur behandelt Grundfragen des BGB AT im Überschneidungsbereich von Anfechtungs- und Stellvertretungsrecht: Zum einen das klassische Problem der Anfechtung einer betätigten (Innen)Vollmacht, zum anderen die wenig beachtete Problematik der Anfechtbarkeit des Vertretergeschäfts. Sachverhalt Die Familien Gümbelmann und Röbel wollen ihren Sommerurlaub gemeinsam an der Ostsee verbringen. Zu diesem Zweck treffen sie folgende Vereinbarung: Herr Gümbelmann (G) soll für drei Wochen im Juli 2018 ein strandnahes Ferienhaus seiner Wahl in Mecklenburg-Vorpommern mieten. Im Gegenzug erklärt sich Frau Röbel (R) bereit, alles zu bezahlen. Damit G möglichen Vermietern gegenüber nachweisen kann, im Namen der R zu handeln, setzt R, wie zuvor abgesprochen, eine Urkunde mit dem Inhalt der vorgenannten Abrede auf. Allerdings vertippt sie sich hinsichtlich des Mietzeitraums und schreibt: „Hiermit bestätige ich, Roswitha Röbel, dass Herr Günter Gümbelmann berechtigt ist, in meinem Namen einen Mietvertrag über ein Ferienhaus für den Mietzeitraum Juni 2018 zu schließen.“ Als G einige Wochen später im Internet ein ansprechendes Haus auf dem Darß findet, erinnert er sich nicht mehr genau an die Vereinbarung mit R bezüglich des geplanten Urlaubszeitpunkts. Der Urkunde entnimmt er, dass ein Urlaub im Juni geplant sei. Daher mietet er unter Vorlage dieser Urkunde bei Konrad Körnig (K) das Haus für die ersten drei Juniwochen: Er bekundet zunächst in einer E-Mail an K sein Interesse; K schickt ihm daraufhin per Post ein Vertragsformular zu, das G unterschrieben zurücksendet. Sie vereinbaren als Miete 1200 Euro pro Woche; als Mieterin des Hauses ist R bezeichnet. Als R davon erfährt, versucht sie, ihre beruflichen Termine zu verlegen, um den Ostsee-Aufenthalt im Juni zu ermöglichen. Als sich nach zwei Tagen herausstellt, dass dies nicht möglich ist, ruft R sofort G und K an und teilt diesen ihre Verwechslung mit. Sie müsse daher „die gegenüber G ausgestellte Urkunde annullieren“. K ist empört, zumal er zwischenzeitlich einem anderen Interessen, Dieter Dröge (D), abgesagt hat, der ihm 1400 Euro pro Woche gezahlt hätte. Eine anderweitige Vermietung des Hauses in den ersten drei Juniwochen gelingt dem K nicht. K räumt aber zutreffend ein, dass er durch den Leerstand des Hauses 300 Euro erspart hat, die er im Fall der Vertragsdurchführung (mit R oder auch D) u.a.   durch Verschleiß und Energieverbrauch aufgewendet hätte. A. Kann K von G oder R Zahlung von 4200 Euro oder wenigstens eines geringeren Betrags fordern? B. Hätte R alternativ die auf den Abschluss des Mietvertrags über das Haus gerichtete Willenserklärung anfechten können? Hinweis: Auf eine gesamtschuldnerische Verknüpfung der gegen R und G gerichteten Ansprüche ist nicht einzugehen. Gliederung A.K gegen G oder R auf Zahlung von 4200 Euro I.K gegen G 1.Mietvertrag iVm § 535 II BGB

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07.02.2021

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2.§ 179 I BGB a) Greiner/Kalle: Anfängerklausur – Zivilrecht: BGB AT – Urlaub mit Irrtum(JuS 2019, 355)

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Abschluss eines Rechtsgeschäfts der Vertretungsmacht Problem: Vollmachtserteilung; Anfechtung der ausgeübten Innenvollmacht b)Verweigerung der Genehmigung c)Gutgläubigkeit des Vertragspartners d)Bösgläubigkeit des Vertreters e)Ergebnis 3.§ 179 II BGB Problem: Schadensberechnung II.K gegen R 1.Mietvertrag iVm 535 II BGB 2.§ 122 I (analog) BGB B.Möglichkeit der R, die auf Abschluss des Mietvertrags gerichtete Willenserklärung anzufechten I.Fristgerechte Erklärung II.Anfechtungsgrund Problem: Auslegung des § 166 BGB III.Ergebnis Lösung A. K gegen G oder R auf Zahlung von 4200 Euro I. K gegen G Hinweis: Generell ermöglicht es einen klareren Aufbau, in Falsus-procurator-Fällen mit Ansprüchen gegen den Vertreter zu beginnen. Werden hingegen zuerst Ansprüche gegen R geprüft, weicht der Aufbau erheblich von dem hier vorgeschlagenen ab. Dennoch lassen sich auch dann alle angesprochenen Probleme in logisch gebotener Reihenfolge prüfen. Zusätzlich zu beachten ist dann unter anderem, dass sich § 177 auf die Genehmigung des Vertrags insgesamt bezieht; die Zurechnung der jeweiligen Willenserklärungen zu R ist daher dann bei Prüfung von § 164 I bzw. § 164 III jeweils unter dem Prüfungspunkt „mit Vertretungsmacht“ zunächst offenzulassen und auf das noch zu prüfende Genehmigungserfordernis nach § 177 zu verweisen. Dieses ist dann, nachdem der Vertragsschluss als solcher konstatiert wurde, in einem gesonderten Prüfungspunkt – bezogen auf den Vertrag insgesamt – zu untersuchen und zu verneinen. 1. Mietvertrag iVm § 535 II BGB K könnte gegen G Anspruch auf Zahlung von 4200 Euro aus Mietvertrag iVm § 535 II haben. Dies erfordert zwei korrespondierende Willenserklärungen: Antrag und Annahme (§§ 145ff.).   Zwar haben sowohl K als auch G Willenserklärungen abgegeben, allerdings gab G diese in fremdem Namen ab. Sein Handeln lässt sich nach dem objektivierten Empfängerhorizont nicht dahingehend

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07.02.2021

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auslegen, dass er zugleich sich selbst vertraglich binden wollte.1 Daher gab es keine Einigung über einen Vertragsschluss mit G, weshalb K diesen nicht aus Vertrag in Anspruch nehmen kann. 2. § 179 I BGB Ein Anspruch in gleicher Höhe könnte aus § 179 I folgen. a) Abschluss eines Rechtsgeschäfts der Vertretungsmacht K muss als Vertreter ein Rechtsgeschäft ohne Vertretungsmacht abgeschlossen haben. Hinweis: Nach dem Wortlaut des § 179 I haftet der Vertreter bereits, wenn er seine Vertretungsmacht nicht nachweist. Diese Formulierung verteilt die Beweislast; materiell-rechtlich erfordert § 179 I aber das Fehlen von Vertretungsmacht.2 aa) Eine Stellvertretung setzt gem. § 164 I 1 zunächst voraus, dass der Vertreter eine eigene Willenserklärung in fremdem Namen abgibt.3 Dies tat G, indem er im Namen der R gegenüber K erklärte, einen Mietvertrag über ein Ferienhaus abschließen zu wollen. bb) G muss die Willenserklärung ohne Vertretungsmacht abgegeben haben. Vertretungsmacht kann durch Gesetz oder Rechtsgeschäft begründet werden.4 Hier kommt allein eine rechtsgeschäftliche Begründung durch Erteilung einer Vollmacht in Frage. Dies kann als Innenvollmacht gegenüber dem Vertretenen (§ 167 I Var. 1) oder als Außenvollmacht gegenüber dem Vertragspartner (§ 167 I Var. 2) geschehen.5 R stellte dem G eine schriftliche Erklärung aus, kraft derer er einen Mietvertrag in ihrem Namen abschließen durfte. Zudem verständigte sie sich mit G mündlich über die Stellvertretung. Da die mündliche Vereinbarung vom Inhalt des Dokuments abwich, stellt sich die Frage, wodurch genau Vertretungsmacht erteilt wurde. Läge bereits in der mündlichen Abrede die Vollmachterteilung, hätte G seine Vertretungsmacht überschritten, so dass er als Vertreter ohne Vertretungsmacht anzusehen wäre. Da aber lediglich das Dokument auf Außenwirkung gegenüber den Vermietern und den Nachweis der Vertretungsmacht abzielte, ist davon auszugehen, dass R erst hierdurch Innenvollmacht erteilen wollte. Die mündliche Abrede begründete lediglich einen Auftrag als der Vollmacherteilung zugrunde liegendes Schuldverhältnis (Grundverhältnis, § 168 S. 1).6 Hinweise: AA vertretbar. Dann ist die Urkunde als Kundgabeakt und Rechtsscheinsträger zu charakterisieren und es kommt im Folgenden auf das umstrittene Problem an, ob der so erzeugte Rechtsschein anfechtbar ist. Dies lässt sich wegen des nicht rechtsgeschäftlichen Charakters der Rechtsscheinhaftung verneinen7 oder mit dem Argument bejahen, dass die Besserstellung des Vollmachtgebers bei kundgemachter Innenvollmacht schwer begründbar ist.8 Bearbeiter können für das hier vertretene Ergebnis auch mit dem Rechtsgedanken des § 154 II argumentieren, obwohl dieser unmittelbar nur auf Verträge Anwendung findet, nicht aber auf das einseitige Rechtsgeschäft9 der Vollmachterteilung. § 154 II schützt die privatautonome Entscheidung, ein Geschäft in einer bestimmten Form abzuschließen.10 G handelte also zunächst innerhalb der durch die Vollmachtsurkunde eingeräumten Vertretungsmacht. Allerdings könnte diese durch wirksame Anfechtung seitens der R gemäß § 142 I Greiner/Kalle: Anfängerklausur – Zivilrecht: BGB AT – Urlaub mit Irrtum(JuS 2019, 355)

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rückwirkend (ex tunc) entfallen sein.11 Dies ist nur dann möglich, wenn eine betätigte Innenvollmacht anfechtbar ist. Ob dies zutrifft, ist strittig.

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07.02.2021

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Eine Vollmacht wird durch Willenserklärung erteilt. Daher unterliegt sie den für Willenserklärungen geltenden Regeln, mithin auch der Anfechtung. Aus diesem Grund besteht weitgehend Einigkeit, dass eine nicht ausgeübte Innenvollmacht nicht nur widerruflich, sondern auch anfechtbar ist.12 Bei der Anfechtung der ausgeübten Vollmacht stellt sich allerdings das Problem, dass hierdurch Interessen des Vertragspartners berührt werden. Schließlich bewirkt dies, dass der Stellvertreter rückwirkend als Vertreter ohne Vertretungsmacht auftritt, so dass eine vertragliche Bindung des Vertretenen nicht eintritt. Daher stellt sich im Kern die Frage, wie man einen Ausgleich zwischen der Willensfreiheit des Vertretenen und dem Vertrauensschutz des Vertragspartners herstellt.13 Nach einer Ansicht ist die betätigte Innenvollmacht nicht anfechtbar.14 Zum einen sei der Vertragspartner in seinem Vertrauen auf den Fortbestand des Vertretergeschäfts schutzwürdiger als der Vertretene, aus dessen Risikosphäre der zur Anfechtung berechtigende Umstand herrührt. Zum anderen könne eine Stellvertretung in Fällen der Rechtsscheinvollmacht auch denjenigen binden, der die Vertretung nicht veranlasst. Dann könnte erst recht derjenige vertraglich gebunden werden, der die Vertretung durch anfechtbare Willenserklärung veranlasst. Schließlich unterliege die Anfechtung auch in anderen Bereichen zum Schutz Dritter Einschränkungen, etwa im Arbeits- und Gesellschaftsrecht.15 Nach anderer Ansicht kann die ausgeübte Innenvollmacht ohne Einschränkungen gegenüber dem Vertreter angefochten werden, da das Gesetz die Vollmachtserteilung als herkömmliche Willenserklärung behandelt.16 Überwiegend wird eine vermittelnde Auffassung vertreten:17 Die Vollmachtserteilung sei zwar als Willenserklärung anfechtbar, allerdings müsse die Anfechtung analog § 143 II zumindest auch gegenüber dem Vertragspartner erklärt werden, um diesem einen Anspruch aus § 122 gegen den Vertretenen zu eröffnen. § 143 III 1 berücksichtige die besondere Interessenlage bei der Stellvertretung nicht, indem er die Anfechtung lediglich gegenüber dem Vertreter als Adressaten der Vollmachtserteilung erfordert. Nur nach der zuerst dargestellten Ansicht konnte R die Vollmachterteilung nicht anfechten. Daher ist zu entscheiden, ob ihr zu folgen ist. Ihr ist zwar zuzugeben, dass der Rechtsverkehr vor Auseinandersetzungen im Verhältnis zwischen Vertretenem und Vertreter zu schützen ist; allerdings ist ihr Weg, den Schutz zu erzielen, im Gesetz nicht angelegt: Es finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass eine ausgeübte Innenvollmacht nicht anfechtbar ist. Vielmehr wird die Vollmachtserteilung in § 167 I ausdrücklich dem allgemeinen Regelungsregime der Willenserklärungen unterstellt. Zudem bestehen systematische Bedenken: Ein Vertrauensschutz durch Aufrechterhalten einer Willenserklärung ist dem Anfechtungsrecht fremd. Schutz erfolgt durch den ausdifferenzierten Schadensersatzanspruch nach § 122. Ein zusätzlicher Schutz durch Aufrechterhalten der Willenserklärung ließe sich in kein stimmiges Verhältnis hierzu bringen. Dies wäre auch eine empfindliche Einschränkung der Privatautonomie, führte es doch zu einer Bindung des Vertretenen an ein Geschäft, das er nie wollte. Eine teleologische Betrachtung vermag diese Konflikte nicht aufzulösen: Der Vertragspartner erfährt durch Ansprüche gegen den Stellvertreter aus § 179 und ggf. gegen den Vertretenen aus § 122 I einen hinreichenden Vertrauensschutz. Hierdurch unterscheidet sich die vorliegende Konstellation vom fehlerhaften Arbeits- oder Gesellschaftsvertrag – Fälle, in denen das Gesetz gerade keine adäquate Lösung bietet. Daher besteht kein Bedürfnis, die Anfechtung der ausgeübten Innenvollmacht auszuschließen. Somit war die Anfechtung der Vollmachtserteilung durch R zulässig. cc) Eine Anfechtung erfordert eine Anfechtungserklärung nach Maßgabe des § 143. Diese muss das Wort „Anfechtung“ nicht enthalten, allerdings eindeutig erkennen lassen, dass sich der Erklärende von seiner Erklärung lösen will.18 Der Äußerung der R, sie wolle „die gegenüber G ausgestellte

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Urkunde annullieren“, lässt sich dieser Wille durch Auslegung nach §§ 133, 157 entnehmen. Daher erklärte sie die Anfechtung ihrer Vollmachtserteilung. Fraglich ist, ob die Anfechtung gegenüber dem richtigen Adressaten erfolgt ist. Dieser ist gem. § 143 III 1 bei der Vollmachtserteilung grundsätzlich deren Adressat, also der Bevollmächtigte. Indem R gegenüber G die Anfechtung der Vollmacht erklärte, wandte sie sich an die durch § 143 III 1 bestimmte Person. Nach hM ist § 143 III 1 jedoch dahingehend zu korrigieren, dass die Anfechtung einer ausgeübten Innenvollmacht gegenüber dem Vertragspartner erklärt werden muss, um auch ihm den Weg zum Schadensersatz nach § 122 zu eröffnen.19 Dies tat R, indem sie gegenüber K die Anfechtung erklärte. Hinweis: Da R die Anfechtung gegenüber G und K erklärte, muss nicht zwischen den übrigen dargestellten Ansichten entschieden werden. Gegen die Ansicht, die eine Anfechtung gegenüber dem Vertreter genügen lässt, spricht das Schutzinteresse des Vertragspartners in seinem Vertrauen auf den Vertragsschluss. Andernfalls könnte dieser sich nicht über § 122 an den evtl. solventeren Vollmachtgeber zu halten.20 dd) Indem sich R bei Erteilung der Vollmacht vertippte, unterlag sie einem Erklärungsirrtum iSd § 119 I Var. 2.21 Hierin liegt ein Anfechtungsgrund. Greiner/Kalle: Anfängerklausur – Zivilrecht: BGB AT – Urlaub mit Irrtum(JuS 2019, 355)

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ee) Gemäß § 121 I muss eine Anfechtung nach § 119 unverzüglich erklärt werden, also ohne schuldhaftes Zögern.22 Ein Zögern der R lässt sich allenfalls in der Rücksprache mit ihrem Chef zwecks Urlaubsverschiebung erblicken. Dies geschah jedoch im Interesse der Vermeidung der Anfechtung, weshalb es nicht schuldhaft war. Daher erklärte R rechtzeitig die Anfechtung. ff) Infolge der Rückwirkung der Vollmachtsanfechtung handelte G als falsus procurator. b) Verweigerung der Genehmigung R verweigerte die Genehmigung des Vertrags. c) Gutgläubigkeit des Vertragspartners K kannte den Mangel der Vertretungsmacht des G nicht und musste ihn auch nicht kennen. Daher war er gutgläubig iSd § 179 III 1. d) Bösgläubigkeit des Vertreters Schließlich muss G um den Mangel seiner Vertretungsmacht gewusst haben. Diese ungeschriebene Voraussetzung des § 179 I folgt aus einem Umkehrschluss zu § 179 II, der die Rechtsfolgen für den gutgläubigen falsus procurator abweichend regelt. G hatte keine Kenntnis vom Fehlen seiner Vertretungsmacht; auf fahrlässige Unkenntnis kommt es nach § 179 I, II nicht an.23 Auch wusste G nicht um den Tippfehler der R, so dass § 142 II nicht erfüllt ist. e) Ergebnis Ein Anspruch aus § 179 I besteht nicht. 3. § 179 II BGB Ein Anspruch des K gegen G in gleicher Höhe könnte sich aus § 179 II ergeben. G nahm gutgläubig ein Rechtsgeschäft als Vertreter ohne Vertretungsmacht vor. Daher schuldet er dem K Ersatz des Schadens, der dadurch entstanden ist, dass dieser auf die Wirksamkeit der Willenserklärung vertraute.

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07.02.2021

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Grundsätzlich wird der Schaden gem. § 249 I nach der Differenzhypothese berechnet, so dass die bestehende Vermögenslage mit der zu vergleichen ist, die bestünde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Hätte K nicht auf die Wirksamkeit der Vollmacht vertraut, hätte er das Haus an D vermietet und dadurch Mieteinnahmen iHv 4200 Euro erzielt. Hiervon sind 300 Euro als ersparte Aufwendungen abzuziehen, so dass dem K wegen des Vertrauens auf das Bestehen der Vertretungsmacht des G ein Gewinn von 3900 Euro entgangen ist. Dieser ist gem. § 252 S. 1 als Schaden ersatzfähig. Hinweis: Teilweise wird vertreten, § 179 II sei teleologisch zu reduzieren, wenn der Anfechtende aus § 122 haftet.24 Unabhängig davon, ob diese Haftung vorliegend besteht,25 spricht dagegen, dass sich aus Sicht des Vertreters das Risiko verwirklicht, das seine Haftung aus § 179 begründet. Daher besteht kein Bedürfnis, ihn bei Anfechtung der ausgeübten Innenvollmacht von der Haftung freizustellen; Vertreter und Vertretener sind Gesamtschuldner.26 Allerdings begrenzt § 179 II die Haftung des gutgläubigen falsus procurator auf die Höhe des Vertragsdurchführungsinteresses.27 Bei ordnungsgemäßer Durchführung des Vertrags mit R hätte K einen Gewinn von 3300 Euro erzielt. Daher haftet G lediglich auf diesen Betrag. II. K gegen R 1. Mietvertrag iVm 535 II BGB Ein Anspruch des K gegen R auf Zahlung von 3600 Euro setzt voraus, dass zwischen beiden ein Vertrag zustande gekommen ist. R hat keine auf einen Vertragsschluss gerichtete Erklärung abgegeben. Ihr könnte die Erklärung des G nach § 164 I 1 zuzurechnen sein. Infolge der Anfechtung der Vollmachtserteilung durch R fehlte es dem G jedoch an der für eine Stellvertretung notwendigen Vertretungsmacht. Daher kann die Erklärung des G der R nicht zugerechnet werden. Infolgedessen wurde R nicht vertraglich an K gebunden, so dass ein Anspruch aus Vertrag nicht besteht. 2. § 122 I (analog) BGB K könnte gegen R Anspruch auf Zahlung von 4200 Euro aus § 122 I (analog) haben. Hinweis: Sieht man K als Anfechtungsgegner an, findet § 122 I direkte Anwendung.28 Sieht man dies anders, stellt sich die Frage der analogen Anwendung der Norm. Dafür wird angeführt, dass der Vertragspartner nicht mit dem Insolvenzrisiko oder der Minderjährigkeit (§ 179 III 2) des Vertreters zu belasten ist und die Anfechtung der Vollmacht letztlich dazu dient, sich vom Vertretergeschäft zu lösen.29 § 122 I räumt dem Anfechtungsgegner einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch ein. Sein haftungsbegründender Tatbestand ist mit der Anfechtung der Vollmacht durch R erfüllt. Ersatzfähig ist – wie bei § 179 II – der Vertrauensschaden des K, soweit er das positive Interesse nicht übersteigt. Somit haftet R auf 3300 Euro. B. Möglichkeit der R, die auf Abschluss des Mietvertrags gerichtete Willenserklärung anzufechten R hätte die Erklärung des G anfechten können, wenn insofern die Anfechtungsvoraussetzungen vorlagen. I. Fristgerechte Erklärung R hätte gegenüber K fristgerecht (§ 121) die Anfechtung erklären können.

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II. Anfechtungsgrund Zur Anfechtung berechtigen gem. § 166 I nur Willensmängel des Vertreters, da die Willensbildung charakteristisch bei diesem als Repräsentant des Vertretenen erfolgt.30 Daher ist zu ermitteln, ob G einem zur Anfechtung berechtigenden Irrtum unterlag. Seine Vorstellung, er habe sich mit R auf einen U...


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