Begleitkurs (LA) Übungsaufgabe 4 PDF

Title Begleitkurs (LA) Übungsaufgabe 4
Course Einführung in die Psychologie
Institution Universität Augsburg
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Summary

Lehrende: Martin Daumiller, PD Dr. Sonja Bieg
Begleitkurs für alle Lehrämter (hier GS): Eva-Maria Wegele, Marina Weinmann


Diese Texte wurden von mir verfasst - sie sollten in dieser Form NICHT wiederverwendet werden, sondern dienen als Anreiz und Hilfestellung für den eige...


Description

a) Das instrumentelle Lernen bzw. operante Lernen meint das Lernen von Verhaltensweisen aufgrund von Konsequenzen, die auf dieses Verhalten folgen (könnten). Die Verhaltenskonsequenzen können positiv oder negativ sein und beeinflussen, ob ein Verhalten häufiger/immer oder weniger häufig/nicht gezeigt wird. Das sogenannte Lernen durch Verstärkung wurde durch Skinner begründet. Verstärkung ist der Prozess, durch den Verhalten vermehrt auftritt. Positive Verstärkung

ist

durch

Herbeiführung

und

Aufrechterhaltung

angenehmer

Konsequenzen gegeben – negative Verstärkung durch Beendigung und Vermeidung unangenehmer Konsequenzen. Die Verstärker sind die Verhaltenskonsequenzen, die die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Verhaltens erhöhen. Positive Verstärker sind angenehme Konsequenzen, negative Verstärker unangenehme Konsequenzen. Diese Konsequenzen, die einen Reiz oder Zustand darstellen, können entweder dargeboten oder entzogen werden. Erfolgt keine Konsequenz, wird auch nicht gelernt. Insgesamt bezeichnet man dies als Kontingenzschema, da es verschiedene Verstärkungs- und Verstärkerarten und somit auch Möglichkeiten des Lernens durch Verstärkung gibt.1 Im gezeigten Filmabschnitt gibt es viele Handlungen seitens des Lehrers, die unkooperatives Verhalten der Schülerinnen und Schüler zur Folge haben, dieses verstärken oder aufrechterhalten. Eine Szene, die ein Beispiel für instrumentelles Lernen widerspiegelt, zeigt sich aufgrund der Reaktion des Lehrers auf den „schlechten“ Mathematiktest der Klasse. Der Lehrer betont, dass sie die schlechteste/die schwächste Klasse seit langem wären („the poorest class I’ve had in a long long time […]”2), teils nicht mal Grundlagen wüssten, dem Unterricht nicht aufmerksam folgen und eine falsche Einstellung haben würden (etc.)3. Diese Aussagen des Lehrers sind wohl als Tadel und sehr negative Kritik, beinahe schon als „Standpauke“ zu verstehen. Demnach auch eindeutig als unangenehme Konsequenzen, sprich negative Verstärker für die Schülerinnen und Schüler anzusehen. Es ist also eine Darbietung einer negativen Konsequenz und

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Vgl. Einführung in die Psychologie, Folie 96/98 How To Maintain Classroom Discipline - Good And Bad Methods Training Educational Video: https://www.youtube.com/watch?v=gHzTUYAOkPM, 1:11-1:14 3 Vlg. How To Maintain Classroom Discipline - Good And Bad Methods Training Educational Video: https://www.youtube.com/watch?v=gHzTUYAOkPM, 1:14-1:25 2

daher als positive Bestrafung oder Bestrafung 1. Art4 einzuordnen. Die Schülerinnen und Schüler der Klasse erfahren hier negative Verhaltenskonsequenzen wegen des schlechten Abschneidens im Mathetest. Der Lehrer, der mit seiner „Standpauke“ wohl eine höhere Lernbereitschaft, Interesse und bessere Leistungen erreichen will, ruft bei den Schülern durch seine unangemessene (da keine konstruktive Kritik), positive Bestrafung

jedoch

keine

langfristige

Verhaltensveränderung

hervor



das

unerwünschte bzw. unkooperative Verhalten der Schüler wird nur unterdrückt und/oder abgeschwächt, nicht aber verlernt. Für kurze Zeit sorgt er also zwar für Aufmerksamkeit (Schüler hören ihm zu) und die Befolgung seiner Anweisung (Schüler schlagen Mathebuch auf und beginnen scheinbar damit, darin zu lesen)5, allerdings wurde kein anderes erwünschtes bzw. kooperatives Verhalten („angemessenes Alternativverhalten“6) aufgebaut, welches die Schüler erlernen konnten. Der Lehrer hält durch seine positive Bestrafung also das unkooperative Verhalten aufrecht. Die Verhaltensweisen (unkooperativ bzgl. der Gründe für die schlechte Bearbeitung des Tests) der Schüler ändern sich also nicht, sondern werden beibehalten. Ein weiteres Beispiel aus dem Filmabschnitt, welches zeigt, dass der Lehrer dazu beiträgt, dass das unkooperative Verhalten der Schüler verstärkt und aufrechterhalten wird, ist unter anderem ab 3:18 zu sehen.7 Der Lehrer bestraft nach seinem Wiederkommen einen Schüler, der nicht seiner Anweisung folgte. Obwohl für den Lehrer nicht klar ersichtlich ist, was der Schüler „Falsches“ getan hat, bekommt dieser eine besonders harte Strafe (muss zum Direktor, „Exempel wird statuiert“). Der Schüler darf weder vollständig erklären, warum er nicht an seinem Platz ist, noch ist die Bestrafung, die er erhält, für das, was er eigentlich gemacht hat (Lehrer nachäffen). Für den Schüler (und auch die anderen Schüler, die das sehen) mag diese positive Bestrafung (eine negative Konsequenz wird dargeboten) etwas willkürlich, falsch begründet und unangemessen sein. Das Nachäffen an sich hatte gar keine Bestrafung zur Folge, eher die Tatsache, dass der Schüler neben dem Pult stand und der Lehrer dem Schüler eine andere, regelwidrige Intention zuschreibt. Der Lehrer sorgt dahingehend für ein Aufrechterhalten und Verstärken unkooperativen Verhaltens der

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Vgl. Pädagogik/Psychologie für die berufliche Oberstufe, Band 1, Bildungsverlag EINS 2011 Vlg. How To Maintain Classroom Discipline - Good And Bad Methods Training Educational Video: https://www.youtube.com/watch?v=gHzTUYAOkPM, 1:58-2:20 6 Vgl. Einführung in die Psychologie, Folie 107 7 Vlg. How To Maintain Classroom Discipline - Good And Bad Methods Training Educational Video: https://www.youtube.com/watch?v=gHzTUYAOkPM, 3:18-3:27

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Schüler, da seine Bestrafung 1. Art nicht wegen des Nachäffens, sondern wegen des Vornestehens folgte. Die Schüler haben durch diese Bestrafung seitens des Lehrers „gelernt“ (nicht allgemein, aber eventuell vereinzelt), ‚Wenn du vorne stehst, anstatt eine Aufgabe zu erledigen, dann musst du zum Direktor.‘ Der Bezug zum eigentlichen Problemverhalten des Schülers (Nachäffen) fehlt hier. „Ob eine Konsequenz positiv oder negativ ist, kann nur aus Sicht des Organismus festgelegt werden, der die Konsequenz erhält.“8 Manche Schüler empfinden den Gang zum Direktor natürlich als Strafe – dass sie dennoch unkooperatives Verhalten zeigen (da der Lehrer bestraft, ohne zu wissen, was sie gemacht haben), wird damit allerdings aufrechterhalten (da die positive Bestrafung – wie bereits erwähnt – Verhalten überwiegend unterdrückt und/oder abschwächt, nicht aber ändert). Verstärkt wird das unkooperative Verhalten (wie das des Schülers im Filmabschnitt) gleichzeitig dagegen bei den Schülern, die den Gang zum Direktor als positiv (also nicht direkt als Strafe) empfinden – für diese Schüler sind der Lehrer und sein Unterricht negative Verstärker (neg. Reiz, Zustand). Dieser wird entzogen, wenn die Schüler den Unterricht verlassen und zum Direktor müssen. Das heißt, dass hier eine negative Verstärkung (Belohnung 2. Art) stattfindet. Negative Verstärkung führt dazu, dass ein Verhalten vermehrt gezeigt und dadurch erlernt wird. Man kann also sagen, dass Schüler eventuell (absichtlich) ein solches unkooperatives Verhalten zeigen, um der unangenehmen Konsequenz/dem negativen Verstärker entzogen zu werden. Nachdem der Schüler (aus dem vorherigen Filmabschnitt) das Klassenzimmer verlässt, zeigen seine Mitschüler erneut unkooperatives Verhalten (unangebrachter Geräuschlaut), woraufhin der Lehrer wiederum eine Strafe für die gesamte Klasse verhängt.9 Da sie an diesem Nachmittag weitere 45 Minuten in der Schule verbringen müssen, können einige Schüler nicht mehr ihren Freizeitaktivitäten nachgehen (z. B. Footballtraining oder auch Klavierunterricht10). Diese Freizeitaktivitäten stellen positive Verstärker (bzw. Konsequenzen; bspw. Belohnung der Eltern in einem Verein spielen zu dürfen) dar. Dieser positive Verstärker wird den Schülern nun entzogen, was als negative Bestrafung (oder Bestrafung 2. Art) bezeichnet wird. Wie bei den vorherigen Beispielen ist die Bestrafung auch hier nicht unbedingt als effizientes „Mittel“ zur

8

Einführung in die Psychologie, Folie 99 Vlg. How To Maintain Classroom Discipline - Good And Bad Methods Training Educational Video: https://www.youtube.com/watch?v=gHzTUYAOkPM, 3:28 10 Vlg. How To Maintain Classroom Discipline - Good And Bad Methods Training Educational Video: https://www.youtube.com/watch?v=gHzTUYAOkPM, 3:54-4:04

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Verhaltensänderung gedacht. Die Schüler, die wegen des nicht konformen Verhaltens bestraft

werden,

lernen

nämlich

keine

neuen,

vom

Lehrer

erwünschten

Verhaltensweisen. Es gilt erneut: Die Bestrafung unterdrückt und/oder schwächt das unkooperative Verhalten für kurze Zeit ab (Schüler hören zu, sind zunächst still und stören den Unterricht nicht) – wenig später zeigen die Schüler allerdings wieder selbiges Verhalten. Der Lehrer erreicht auf diese Weise kein Erlernen neuer, kooperativer Verhaltensweisen (Alternativverhalten) – somit bleibt das unkooperative. Insgesamt gesehen sind die Bestrafungen seitens des Lehrers kaum angemessen und inhaltlich zumeist unlogisch, da sie nicht im Bezug zum Problemverhalten stehen (bei „herumalbern“ mehr Matheunterricht: Zusammenhang?). Außerdem werden teilweise alle für das Fehlverhalten eines einzelnen bestraft und das Aufzeigen (und damit die Möglichkeit des Erlernens) eines vom Lehrer gewünschten Verhaltens fehlt völlig. Dadurch bleibt das unkooperative Verhalten der Schüler bestehen.

b) Menschen erlernen viele Erlebens- und Verhaltensweisen durch die Beobachtung anderer Menschen. Sie gelten als sogenannte Vorbilder bzw. in der Psychologie als „Modelle“. Das Lernen am Modell bzw. Modelllernen hat als wichtigsten Vertreter A. Bandura. Da das Lernen durch „Nachahmung“ als Folge der Beobachtung eines Modells stattfindet, spricht man auch von einer sozial-kognitiven Lerntheorie.11 Nach Bandura wird das Lernen am Modell in zwei Phasen unterteilt: Aneignungsphase bzw. Erwerbsphase und Ausführungsphase. Die Phase der Aneignung wird wiederum durch Aufmerksamkeitsprozesse und Gedächtnis- bzw. Behaltensprozesse bestimmt. Aufmerksamkeitsprozess ist der Prozess, bei dem der Lernende aus unterschiedlichen Verhaltensweisen, die ein Modell zeigt, nur diejenigen genau beobachtet, die er für sich als wichtig oder interessant empfindet. Ob ein Modell viel oder wenig Aufmerksamkeit

bekommt,

hängt

von

verschiedenen

Faktoren

ab:

Persönlichkeitsmerkmale, Art der Beziehung und Situationsbedingungen. Wenn das Modell also eine besondere/n Stellung/Status innehat, kompetent ist und ein gewisses Wissen über das Gesagte/Gezeigte besitzt, ist es wahrscheinlicher, dass sein

11

Vgl. Einführung in die Psychologie, Folie 110

Verhalten beobachtet wird. Ebenso von Bedeutung ist, ob das Verhalten für den Lernenden gut erkennbar, komplex und positiv einzuschätzen ist.12/13 Der

Filmabschnitt

zeigt,

dass

manche

der

für

den

Unterricht

störenden

Verhaltensweisen (wie Buch fallen lassen und Nase schnäuzen) bestimmter Schüler mit höherer Wahrscheinlichkeit von anderen Schülern nachgeahmt wurden. In 4:24 schiebt beispielsweise ein Schüler sein Buch absichtlich vom Tisch, sodass dieses zu Boden fällt und einen störenden Laut verursacht. Der Lehrer, der sich daraufhin umdreht und nach dem heruntergeworfenen Buch fragt, verursacht hier wohl zugunsten der Schüler eine kleine Unterbrechung des Unterrichts. Gründe, warum dieses störende Verhalten von anderen Schülern nachgeahmt wurde, liegen u. a. im Aufmerksamkeitsprozess. Diejenigen Schüler, die das Verhalten des Modells nachgeahmt haben bzw. nachahmen, handelten aufgrund verschiedener Faktoren. Bestimmte Bedingungen, die die Nachahmung dieser Unterrichtsstörung (oder auch anderer,

wie

z.

B.

Nase

schnäuzen) begünstigen,

sind

zum

einen

die

Persönlichkeitsmerkmale des Modells. Ob jemand als Modell fungiert, hängt von seinem sozialen Status und Ansehen ab. Ebenso spielt es eine Rolle, ob man das Modell als attraktiv und/oder sympathisch empfindet und ob das Modell den eigenen Bedürfnissen gerecht werden kann. Für die Filmsequenz und das dort gezeigte Modell bedeutet dies, dass er wohl einen höheren Stellenwert in der Klasse hat, Ansehen besitzt, sprich auch „beliebt“ unter den Schülern ist. Er wird von vielen als attraktiv (nicht zwanghaft in sexueller Hinsicht, sondern z. B. auch aufgrund seines Geschlechts, seiner Herkunft, Selbstbewusstsein etc.) und sympathisch (nett, lustig, interessant, etc.) befunden. Eventuell kann er durch sein Verhalten auch die Bedürfnisse der (potenziellen) Lernenden befriedigen, indem er beispielsweise durch das Herunterwerfen des Buches erreicht hat, dass der Unterricht für kurze Zeit unterbrochen wurde. Dies dürfte im Interesse mancher Schüler liegen, die z. B. keinen Mathematikunterricht (wie in dem Ausschnitt) mögen. Aber nicht nur die Persönlichkeitsmerkmale des Modells, sondern auch die des Lernenden/des Beobachters beeinflussen den Aufmerksamkeitsprozess. Geringe Selbstachtung oder auch fehlendes Selbstvertrauen können die Aufmerksamkeit der Beobachter begünstigen. Hierzu passt der im Alltag verwendete Begriff „Vorbild“ gut. Ein Vorbild, meist eine „starke“ Person, wird von jemandem aus dem Grund zum Vorbild 12 13

Vgl. Einführung in die Psychologie, Folie 115/116 Vgl. Pädagogik/Psychologie für die berufliche Oberstufe, Band 1, Bildungsverlag EINS 2011

genommen, weil man selbst nicht so „stark“ ist bzw. so „stark“ wie das Vorbild sein möchte. Abgesehen davon kommt es darauf an, was sich der Beobachter vom Verhalten (Nachahmen) des Modells verspricht, welche Erfahrungen er bisher mit dem Nachahmen (Lernen am Modell) gemacht hat, welche Interessen, Bedürfnisse, Wünsche, Gefühle und Stimmung der Lernende hat. So ist das Stören des Unterrichts bei manchen Schülern von Interesse, weil sie zum Beispiel das Unterrichtsfach nicht mögen (hier Mathematik), sie dadurch das Bedürfnis/den Wunsch verspüren, dass die Zeit schnell vergeht (oder zumindest mit so wenig uninteressanten, „langweiligen“ Informationen wie möglich) und schließlich das den Unterricht störende Verhalten als positiv und interessefördernd bewerten. Die Schüler, die störendes Verhalten nachahmen, haben außerdem vermutlich schon gute Erfahrungen mit dem Nachahmen anderer Verhaltensweisen (oder auch den Verhaltensweisen des jetzigen Modells) gemacht. Von besonderer Bedeutung ist vor allem auch die Beziehung zwischen dem Modell und dem Beobachter/dem Lernenden. Die Bereitschaft zum Nachahmen (bzw. zunächst zum Beobachten) steigt, wenn man eine positive, emotionale Beziehung untereinander hat. Das Modell im Filmabschnitt ist mit den Nachahmern seines Verhaltens vermutlich befreundet – sie führen also eine positive Beziehung, die sich unter anderem in Wertschätzung und Verständnis äußern kann. Die Intensität und Dauer einer Beziehung hat ebenfalls großen Einfluss auf die Nachahmungsbereitschaft. Die Schüler kennen sich unter einander womöglich schon mehrere Jahre, während sie beispielsweise zum Lehrer (der vielleicht erst seit diesem Schuljahr Mathe bei ihnen unterrichtet) distanziert sind. Praktiziert einer der Schüler also eine Störung im Unterricht, wird durch die Beziehung zu diesem Schüler bestimmt, wie man dieses (störende) Verhalten bewertet (eher positiv), was zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, dieses Verhalten auch zu zeigen, führen kann. Zuletzt spielen noch die Situationsbedingungen eine Rolle. Das heißt, in welchem Umfeld man sich befindet, also „wo“ und „wann“ ein Verhalten gezeigt wird. In der gezeigten Klassengemeinschaft und dem gerade stattfindenden Unterricht besitzt jeder Schüler ein unterschiedliches Maß an Aufmerksamkeit. Die Mathestunde dauert schon eine Weile an, es wurde bereits das Ergebnis eines missglückten Tests wiedergegeben, einige Male seitens des Lehrers bestraft und getadelt usw. Störungen im Unterricht, die von einem Schüler verursacht werden, erregen dadurch – eher als der Lehrer mit seinen negativ bewerteten Eigenschaften (die negative Gefühle auslösen) – die Aufmerksamkeit vieler anderer Schüler.

Wird das Verhalten des Modells – bestimmt durch die bereits beschriebenen Bedingungen – also beobachtet, muss der Beobachter dieses Verhalten im Gedächtnis solange abspeichern, bis er diese zeigen möchte (weil er womöglich einen Nutzen darin sieht). Das nennt man Gedächtnis- oder Behaltensprozess. Je bildhafter und symbolischer das Beobachtete vorhanden ist, desto besser kann es (vorstellungsmäßig) gespeichert und später gezeigt werden. Vorteilhaft ist es auch, wenn die Verhaltensweise bereits bekannte und abgespeicherte Aspekte (vgl. Wissen) beinhaltet. Der Junge, der das Buch zu Boden stößt, ist für die Mitschüler gut sichtbar. Die Schüler, die sein Verhalten nachahmen wollen, müssen das „Buch auf den Boden werfen“ nicht komplett neu lernen (dies ist auch bei den meisten Unterrichts-störenden Verhaltensweisen der Fall) – sie besitzen bereits das Wissen darüber, „wie“ man dieses Verhalten ausübt/ausüben könnte. Es ist in ihrem Gedächtnis bildlich vorhanden und somit zur Nachahmung abrufbar. Weiter geht es mit der Ausführungsphase, die in Reproduktionsprozesse und Motivationsprozesse unterteilt wird. Im Reproduktionsprozess muss das beobachtete und bereits gespeicherte Verhalten, welches bis dahin nur einer kognitiven Vorstellung entspricht, mit Hilfe motorischer Fähigkeiten umsetzungsfähig gemacht werden. Dies ist den Schülern im Beispiel insofern möglich, da sie vermutlich alle die motorischen Fähigkeiten zum Herunterwerfen eines Buches besitzen. Das Stören des Unterrichts bedarf eher geringen motorischen Fähigkeiten und ist deshalb gut nachahmbar. Ein entscheidender Schritt des Modelllernens, der die Wahrscheinlichkeit für das Nachahmen einer störenden Verhaltensweise im Unterricht erhöht, ist der Motivationsprozess bzw. motivationale Prozess. Hier geht es darum, dass der Beobachter zunächst natürlich die Motivation besitzt, Verhalten zu beobachten, aber vor allem auch dieses auszuführen, also nachzuahmen. Die Motivation beeinflusst die Aneignungs- und Ausführungsphase. In der Ausführungsphase wird allerdings bestimmt, ob das erlernte/beobachtete Verhalten auch tatsächlich gezeigt wird.14 Die Motivation wird unter anderem durch die Erwartungen des Lernenden beeinflusst: Was nach dem Verhalten des Modells folgt, was man sich vom Nachahmen des Verhaltens verspricht (Ergebniserwartung), inwieweit man das Verhalten auch nachahmen kann (Kompetenzerwartung) und die eigene Zufriedenheit, die Empfindung, die man nach

14

Vgl. Einführung in die Psychologie, Folie 117/118

dem Nachahmen verspürt (Selbstbekräftigung).15 Die Schüler müssen also eine gewisse Motivation besitzen, sich etwas positives vom Nachahmen versprechen (z. B. Unterrichtsunterbrechung, Gelächter, Bestätigung/Bekräftigung der Mitschüler), wissen, dass sie das Verhalten auch nachahmen können (Buch fallen lassen liegt in den eigenen Fähigkeiten) und zufrieden mit dem Zeigen eines solchen Verhaltens sein (man lacht selbst darüber, findet es „cool“ das selbe wie die anderen/das Modell zu machen). All diese Faktoren/Bedingungen/Gegebenheiten begünstigen das Nachahmen von störendem Verhalten im Unterricht.

c) Lieber Kollege, ich hörte von deinen Schwierigkeiten in der 9. Klasse in Mathematik. Als gute Kollegin hätte ich ein paar Vorschläge, wie du die Schülerinnen und Schüler der Klasse wieder gut in den Griff bekommst und sie dann hoffentlich auch besser, aufmerksamer und interessierter im Matheunterricht werden. Hierzu würde ich dir zunächst raten, dass du, auch wenn die Klasse an sich recht schlecht in Mathe ist, Grundlagen oder ein generelles Verständnis/Interesse für Mathe fehlen, sie häufiger lobst. Lob ist ein wichtiger positiver Verstärker und für die Schüler eine angenehme Konsequenz auf ihr zeitnah gezeigtes Verhalten. Wenn sie also auch noch so kleine, einfache Rechnungen oder Rechenansätze richtig haben, solltest du sie entsprechend mit einem „Gut gemacht“ oder „Weiter so“ loben (aber nur a...


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