Bildungsungleichheiten Hausarbeit PDF

Title Bildungsungleichheiten Hausarbeit
Author Sina Prochno
Course Bildungswissenschaft
Institution Leuphana Universität Lüneburg
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Summary

Hausarbeit zum Thema Bildungsungleichheiten...


Description

Schriftliche Ausarbeitung im Modul: Bildungsinstitutionenund Organisationen Bildungsungleichheiten in der Sozialisationsinstanz Schule: Am Beispiel von Kindern mit Migrationshintergrund

Inhaltsverzeichnis

1. Problemdefinition

2. Begriffsdefinitionen: Soziale Ungleichheit & Bildungsungleichheit

3. Mechanismen und Ursachen 3.1. Einfluss der Familie 3.2. Selektionsfunktion der Schule 3.3. Rolle der Sprache

4. Entwicklung der Interkulturellen Pädagogik und die Pädagogik der Vielfalt

5. Interkulturelle Pädagogik

6. Fazit & Ausblick

7. Quellenverzeichnis

8. Anhang

9. Eigenständigkeitserklärung

1. Problemdefinition Im Bildungsbericht 2014 weist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) darauf hin, dass in Deutschland der Bildungserfolg eines jungen Menschen nach wie vor eng an seine soziale Herkunft gekoppelt ist wie in kaum einem anderen Industrieland (Vgl. OECD 2014, S. 7). Die Zusicherung des ‘Aufstiegs durch Bildung’ für SchülerInnen aus ärmeren Familien steht häufig in der Ferne und hebt den Diskurs über den Einfluss sozialer Herkunft auf Bildungschancen hervor. Zwar streben Institutionen wie die Schule an, Ziele wie Bildungs- und Chancengleichheit zu erreichen, Einflussfaktoren, die bildungsferne Herkunftsfamilien betreffen, hemmen diese Motive und können Ungleichheit generieren. Im Folgenden werden Determinanten und Dimensionen von Bildungsungleichheit dargelegt. Bereits in den 1960er Jahren entwickelte sich die Diskussion um die Bildungsungleichheit. Im Fokus standen geschlechtliche Bildungsungleichheiten, welche durch Nachteile von Mädchen gegenüber den Jungen bezogen auf ihren Abschluss bedingt waren (Vgl. Hradil 2005, S. 218 f.). Die gleichzeitig stattfindende Bildungsexpansion lenkte das deutsche Bildungssystem Richtung Fortschritt und Abbau von Ungleichheit (Vgl. Hadjar/Becker 2006a, S. 12). Für diese Entwicklung waren grundlegende Zugänge zu Bildungschancen von Bedeutung. Ungeachtet der sozialen Herkunft oder des Geschlechts nahm die Anzahl an Bildungsteilnehmern deutlich zu. Im Zuge des politischen Wandels in Deutschland und der damit einhergehenden zunehmenden Einwanderungstendenzen, wurde die gesellschaftliche Schichtung durch unterschiedliche Nationalitäten geprägt (Vgl. Roth 1975, S. 9). Innerhalb einer Pisa-Studie im Jahr 2000 wurde eine unterdurchschnittliche Leistungsbilanz in deutschen Schulen, vergleichend zu anderen Ländern, festgestellt (Vgl. Max-Planck-Institut für Bildungsforschung 2002, S. 8). In diesem Zusammenhang wurde eine ungleiche Verteilung von Bildungszugängen- und Ressourcen erneut aufgegriffen und diskutiert. Im Folgenden wird das Vorhandensein von Bildungszugängen- und Ressourcen für Kinder mit Migrationshintergrund in der Institution Schule untersucht. Zudem werden Aspekte des Einflusses des deutschen Bildungssystems auf die

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Bildungsentwicklung angeführt. Der Begriff der sozialen Ungleichheit wird definiert und anhand des Bildungsbegriffs auf Bildungsungleichheit ausgeweitet.

2. Begriffsdefinitionen Soziale Ungleichheit „Soziale Ungleichheit liegt dann vor, wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung in sozialen Bindungsgefügen von den wertvollen Gütern einer Gesellschaft regelmäßig mehr als andere erhalten.“ (Hradil 1999, S. 26) Aufgrund mangelnder Qualifizierungen werden Menschen bereits frühzeitig in ihrem Leben ebenso wie im Bildungssystem aufgrund herkunft spezifischer Merkmale benachteiligt. Als Ausgangspunkt sozialer Benachteiligung von Kindern werden gering qualifizierte Eltern bezeichnet (Vgl. Ditton 2008, S. 247). Die intra- und intergenerationale Reproduktion sozialer Ungleichheiten auf der Bildungsebene ist in den letzten Jahrzehnten nicht behoben worden (Vgl. Seifert 2005, S. 3 f.). Im deutschen Bildungssystem existieren Bildungsungleichheiten vor allem in Abhängigkeit von Geschlecht, Nationalität und sozialer Herkunft (Vgl. Ditton 2008, S. 247). Bildungsungleichheit ist demzufolge eine Ausprägung von Chancenungleichheit, wonach bestimmte Bevölkerungsgruppen, bestehend aus Menschen mit Migrationshintergrund oder aus unteren sozialen Schichten vergleichsweise zu anderen schlechter abschneiden (Vgl. Max-Planck-Institut für Bildungsforschung 2002, S. 8; Vgl. Rothe 1981, S. 85). Eine Auffassung und Reaktion zu sozialen Bildungsungleichheiten ist die Erzeugung von Chancengleichheit (Vgl. Rothe 1981, S. 85). Sie lässt sich auf die Realisierung der im Grundgesetz verankerten Diskriminierungsverbot beziehen und umfasst soziale Herkunft, Geschlecht sowie ethnische Zugehörigkeit. In der Betrachtung von Chancengleichheit in Abhängigkeit von sozialer Herkunft wird nach fairen Ausgangsbedingungen verlangt, welche sich auf das gesellschaftlich begehrte und knappe Gut höherer Bildung beziehen (Vgl. ebd., S. 278). Folglich darf dieses nicht durch soziale Herkunft oder andere zugeschriebene Zugehörigkeiten wie Migrationshintergrund genommen werden. Die moderne Gesellschaft wird durch einen funktionalistischer Bedarf geprägt, welcher sozialer Ungleichheit und Wettbewerb generiert (Vgl. Hradil/Schiener 2001, S. 63). Es geht um eine

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Stärkung individueller Potenziale und Fähigkeiten mit der Absicht, dass Bildungsunterschiede aufgrund der sozialen Herkunft vermieden werden. (Vgl. Hradil 1999, S. 148). Einer Verknüpfung von geringerem Bildungserfolg und sozial schwacher Herkunft folgend werden Kinder in ihrer Bildungsentwicklung unter den tatsächlichen Potenzialen positioniert (Vgl. Wernstedt/John-Ohnesorg 2008, S. 5). Mit dem Motiv von Chancengleichheit ist der Abbau sozialer Bildungsungleichheiten als normatives Ziel formuliert, welches jedoch nicht die Reduzierung von Ungleichheit in den Bildungsergebnissen impliziert (Vgl. Solga et al. 2009, S. 16). Eine weitere Definition sozialer Bildungsungleichheiten wird mit Bildungsarmut begründet, welche einen Bildungsstand sowie entsprechende Abschlüsse, Zertifikate und Kompetenzen, die gesellschaftlich ungenügend sind und unter dem Standard für eine gleichgestellte soziale Partizipation am Arbeitsmarkt und gesellschaftlichen Leben liegen, charakterisieren (Vgl. Becker 2009, S. 72; Wernstedt/John-Ohnesorg 2008, S. 5). Daher ist die Forderung kein Kind zurückzulassen oder zu benachteiligen zu erzielen.

Bildungsbegriff Bildung als gesellschaftlicher Maßstab steht durch Bildungsabschlüsse und individuellen Qualifikationen in enger Verbindung mit individuellen Lebenschancen (Vgl. Becker 2009, S. 72). Als Einflussgröße auf wirtschaftliche Entwicklung und soziale Integration formt Bildung gleichermaßen einen Ausgangspunkt für materiellen Wohlstand (Vgl. Solga/Dombrowski 2009, S. 7). Durch die enge Verknüpfung des Bildungsstands mit Möglichkeiten der beruflichen Orientierung entstehen wirtschaftliche Vorteile. Bildung formt und gestaltet Wertvorstellungen und Handlungsweisen, innerhalb sozialer Beziehungen und kultureller Praxis (Vgl. Becker 2009, S. 72 f.). Als Element der Sozialisation wird Bildung auf gesellschaftlicher Ebene als „Kultivierung von Handlungswissen einzelner Individuen“ (Ebd., S. 61) begriffen. In der modernen Bildungs- und Wissensgesellschaft ist Bildung eine zentrale, individuelle und gesellschaftliche Ressource des 21. Jahrhunderts (Vgl. Quenzel/Hurrelmann 2010, S. 13). Der Bildungsgrad eines Menschen entscheidet über individuelle Lebenschancen, beruflichen Erfolg sowie dessen soziale, kulturelle und politische Einbindung (Vgl. Solga/ Dombrowski 2009, S. 7). Es ist empirisch belegt, dass Perspektiven des beruflichen Erfolgs, sozialer Sicherheit, 3

gesellschaftlicher Anerkennung und des Lebensstandards in Verbindung mit gesellschaftlicher, kultureller und politischer Beteiligung und dem Stand der Bildung stehen (Vgl. HeimbachSteins 2009, S. 170f.). Gleiche Chancen im Zugang zur Bildung, welche mit den persönlichen Fähigkeiten und Leistungen übereinstimmen wird im Leitmotiv sozialer Gerechtigkeit formuliert. Dazu gehört die gesetzlich verankerte allgemeine Schulpflicht. Ihr zufolge wird Bildung allgemein und für jeden zugänglich. Artikel 3 des Grundgesetzes hebt hervor, dass niemand aufgrund von Herkunft, Sprache, religiösen Ansichten oder aufgrund von Geschlecht beeinträchtigt oder vorgezogen werden darf.

Bildungsungleichheit Ungleiche Rahmenbedingungen im deutschen Bildungssystem werden durch ein leistungsunabhängigen sozialen Filter und familiäre und bildungsabhängige Ursprünge begriffen (Vgl. Hradil 2006, S. 197; Abels 2007, S. 320). Demnach wird Bildungsungleichheit durch leistungsunabhängige, nicht meritokratische Gründe begünstigt. Bildung ist eine wesentliche Ressource für Lebenschancen und stellt den Schlüssel für die Integration der zweiten und dritten Einwanderer-Generation dar (Vgl. Geißler 2006, S. 248 f.). Vergleichsweise mit anderen Ländern ist in Deutschland eine Förderung und Entwicklung junger Menschen mit Migrationshintergrund bisher nicht erfolgreich umsetzbar (Vgl. PISA-Konsortium 2004, S. 25). Schicht- und migrationsspezifische Ursachen wie die Gründe sozialer Ungleichheit sind bislang nur ansatzweise untersucht (Vgl. Müller/Haun 1994, S. 3 f.). Ein Ansatz begründet sich damit, dass Bildungsungleichheit durch „Unterschiede im Bildungsverhalten und in den erzielten Bildungsabschlüssen beziehungsweise Bildungsgängen von Kindern, die in unterschiedlichen sozialen Bedingungen und familiären Kontexten aufwachsen“ hervorgerufen wird (Vgl. ebd., S. 3). Schichtspezifische Ursachen weisen auf die teilweise vorhandene Unterschichtung der deutschen Gesellschaft durch Migranten hin (Vgl. Geißler 2006, S. 248 f.). Danach stammen Kinder mit Migrationshintergrund vermehrt aus Familien mit niedrigeren Status. Gleichzeitig deuten migrationsspezifische Voraussetzungen auf Herausforderungen betreffend der Integration hin, welche sich neben dem sozioökonomischen Status aufgrund einer fremden

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Kultur, einem unbekannten Bildungssystem und teilweise anderen Normen und Werten entwickeln (Vgl. Artelt et al. 2001, S. 133).

3. Mechanismen und Ursachen Bereits in der frühen schichtspezifischen Sozialisationsforschung wurden Zusammenhänge zwischen schulischen Leistungen und Differenzen in familiären Sozialisationsbedingungen belegt (Vgl. Ditton 2008, S. 247). Demzufolge kann ein leichterer Zugang zu kulturellem und ökonomischem Kapital zur Förderung von Motivation und Fähigkeiten beitragen, weil der materielle und kulturelle Antrieb erhöht ist (Vgl. Solga et al. 2009, S. 17). Der schulische Fortschritt von Kindern wird dadurch entscheidend begünstigt (Vgl. ebd., S. 11). Bildungsungleichheit ist außerhalb von Leistung und meritokratischer Gesellschaftsstrukturen zu verorten und wird vielmehr durch einen leistungsfernen sozialen Filter und Selektionsinstanzen geprägt (Vgl. Becker 2009, S. 72; Solga et al. 2009, S. 16). Generell lassen sich Ursachen von Bildungsungleichheiten in außer- und innerschulischen Aspekten unterscheiden (Vgl. Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen des BMFSFJ 2005: 11 ff.). Auf der einen Seite trägt die Institution Schule zur Differenzierung ihrer Schüler bei in der Methodik und Didaktik des Unterrichts oder durch die Kompetenzen der Lehrer (Vgl. Preuß 1994, S. 12). Auf der anderen Seite wird der Erwerb von Bildung durch familiäre Voraussetzungen wie durch Unterstützung der Eltern bedingt. Durch das familiäre Lernmilieu werden die Leistungsfähigkeit und ihre Entwicklung entweder gefördert oder gehemmt (Vgl. Hradil 2006, S. 195). Dazu wird die Bedeutung von Zugängen zu Bildung in Abhängigkeit zum Migrationshintergrund und den familiären Ressourcen hervorgehoben.

3.1. Einfluss der Familie „Es ist die Familie, die entscheidende Voraussetzungen für den Erfolg von Lern- und Bildungsprozessen der nachwachsenden Generation schafft.“ (Vgl. Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen des BMFSFJ 2005, S. 5). Daher spricht man auch von der familiären Ausstattung bildungsrelevanter Ressourcen, welche über Generationen hinweg weitergegeben werden (Vgl. Geißler 2006, S. 244). So werden soziale Kompetenzen vermittelt, welche für die schulische und berufliche Entwicklung bedeutsam sind. Auch die Schlüsselkompetenz Sprache hat familiären Ursprung. In der Erklärung von Bildungschancen von Migrantenkindern stellt die Familie einen wichtigen Größe dar (Vgl. Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen des BMFSFJ 5

2005, S. 11 ff.). Es gibt zahlreiche Belege, dass das Bildungskapital der Eltern Auswirkungen auf die Fähigkeit der Unterstützung beim anstrebenden Bildungserfolg der Kinder hat (Vgl. ebd.).

Soziale Herkunft Die Struktur der sozialen Herkunft kann als gesellschaftliche Anordnung bezeichnet werden, in welche man hineingeboren wird. „Die auf soziale Herkunft bezogene Bildungsungleichheit beschreibt die Schichtabhängigkeit der Beteiligung auf verschiedenen Bildungsinstitutionen und äußert sich als […] ungleiche Bildungsbeteiligung.“ (Becker 2009, S. 88). Der Begriff der sozialen Schicht wird überwiegend entlang berufsspezifischer Merkmale definiert und analysiert (Vgl. ebd., S. 88 f.). Eine Bevölkerungsgruppe wird in einer als hierarchisches Gefüge vorgestellten Sozialstruktur durch Güter wie berufliche Stellung, notwendige Qualifikationen und resultierendes Einkommen gekennzeichnet (Vgl. Abels 2007, S. 319). Wie bereits Bourdieu verdeutlichte, ist die soziale Herkunft für die vorhandenen Möglichkeiten in der jeweiligen Schicht verantwortlich (Vgl. Bourdieu 2012, S. 183 ff.). Daher kann es auch als System „sozialer Ungleichheit“ bezeichnet werden. Wie bereits angeführt stellen familiäre Ressourcen und die soziale Herkunft wichtige Einflussfaktoren für die Bildungsergebnisse von Kindern und Jugendlichen dar (Vgl. DIPF, S. 168). Diese werden durch den Bildungsstand, die Erwerbstätigkeit oder das Einkommen der Eltern geprägt. Daher variiert der Anteil hochqualifizierter Eltern mit Hochschulabschluss, zwischen Eltern mit und ohne Migrationshintergrund. Dazu wird die Verteilung der Kinder und Jugendlichen unter 20 Jahren 2013 nach Migrationsgeneration und Bildungsstand der Eltern dargestellt (siehe Abbildung 1, Anhang S.). Der Anteil der Eltern mit Migrationshintergrund ohne Schul bzw. Berufsabschluss liegt um ein Vielfaches höher als bei den Eltern der unter 20 Jährigen ohne Migrationshintergrund (siehe Abbildung 1, Anhang S.). Unter den Kindern mit Migrationshintergrund haben zudem zwischen 6 bis 12 % der Eltern die schulische Ausbildung lediglich auf Grundschulniveau beendet. Im Vergleich trifft dies nur bei etwa 1 % der Eltern ohne Migrationshintergrund zu (siehe Abbildung 1, Anhang S.). Auffallend ist, dass der Anteil der Eltern mit Promotion unter den Kindern mit Migrationshintergrund nur unwesentlich minimaler ist als bei denjenigen ohne Migrationshintergrund. Aus den Resultaten der Darstellung der Verteilung geht ein Bedarf an Qualifizierung der Eltern mit Migrationshintergrund hervor. Insbesondere für Personen ohne Sekundarabschluss und ohne beruflichen Abschluss (Vgl. Hovestadt/Eggers 2007, S. 39). Der Anteil hoch qualifizierter 6

Eltern wiederum hebt das Potenzial hervor, welches Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zugetragen werden kann. Sozioökonomische Einflussfaktoren stellen Differenzen zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund heraus. Der Bildungsabschluss und damit der Berufsstatus der Eltern haben erheblichen Einfluss und wirken als migrationsspezifische Faktoren auf das Bildungsniveau der Kinder und Jugendlichen (Vgl. DIPF 2006, S. 173). In der Regel sind bei Migranten eine hohe Bildungsaspiration sowie Interesse an der Einbindung ihrer Kinder festzustellen (Vgl. Wissenschaftlicher Beirat für Familienfragen des BMFSFJ 2005, S. 13f.). Sozioökonomische Faktoren werden relevant, um die Perspektiven für Kinder auszulegen. In Hinsicht des ökonomischen Kapitals werden finanzielle Ressourcen genannt, deren Mangel den Zugang zu außerschulischen Dienstleistungen erschwert (Vgl. ebd., S. 14). Im deutschen Bildungssystem setzt die gesellschaftliche Gestaltung schulischer Bildung familiäre Ressourcen voraus (Vgl. Ehmke/Jude 2010, S. 250). Charakteristisch ist die Herausforderung der Kommunikation zwischen Institution und der Familie. Für die Beteiligung an Bildungseinrichtungen werden gewisse Sprachkompetenzen vorausgesetzt (Vgl. Schwippert 2007, S. 266). Bildungserfahrungen und das kulturelle Kapital der Eltern sind ebenfalls von Bedeutung (Vgl. Baumert/Schümer 2002, S. 198). Seit Jahren streben öffentlich geförderte Projekte und Organisationen die zunehmende Elternbeteiligung der Familien mit Migrationshintergrund im schulischen Alltag an (Vgl. Boos-Nünning 2011, S. 23 f.). Ausgehend vom Migrationshintergrund kann der sozioökonomische Status die Aussicht auf Bildungserfolg durch geringes familiäres Einkommen ausbremsen. Familien mit Migrationshintergrund gehören häufig zum einkommensschwächeren Teil der Bevölkerung, wodurch wiederum der Bildungserwerb der Kinder erschwert wird (Vgl. SchimplNeimanns 2000, S. 637). Dadurch wird das Problem in dem geringen Einklang zwischen familiären Ressourcen und schulischen Anforderungen an die Familie deutlich. Unabhängig von der Staatsangehörigkeit werden Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund in Betracht ihres sozioökonomischen Hintergrunds bezugnehmend auf ihre Bildungsgänge verglichen (siehe Abbildung 2, Anhang S.). Abbildung 2 stellt die Verteilung der 157

jährigen Schülerinnen und Schüler auf die Bildungsgänge 2012 nach Migrationshintergrund und sozioökonomischem Status heraus (Vgl. DIPF 2006, S. 174). Die im Jahr 2000 festgestellte Differenz hinsichtlich der Aufteilung von Bildungswegen, welche zum Nachteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund verlief, hat sich eingestellt (DIPF 2006, S. 144; siehe Abbildung 2, Anhang S.). Es ist nicht zu erschließen, inwieweit bildungspolitische Schritte oder gesellschaftliche Entwicklungen, wie beispielsweise die abnehmende erste Generation, dazu beitragen. Der der sozioökonomische Hintergrund spielt für Kinder und Jugendliche unabhängig vom Migrationshintergrund für den Bildungsweg- und Erfolg eine wichtige Rolle. In den Abbildungen wurde deutlich, dass vielzählige Einflüsse direkt oder indirekt von familiären Ressourcen ausgehen und den Bildungsweg von Kindern mit Migrationshintergrund beeinflussen.

3.2. Selektionsfunktion der Schule Die Schule ist neben der Familie die einflussreichste Sozialisationsinstanz. Das Kind wird in seinen ersten 18 Lebensjahren erheblich von der Bildungseinrichtung und deren Mitarbeitern in seinen Verhaltensweisen geprägt. In der Schule werden Sozialcharaktere geformt, LehrerInnen vermitteln außerdem die Werte und Normen der Gesellschaft an ihre SchülerInnen. Die Schule trägt zur Reproduktion sozialer Ungleichheit bei, weil zum einen Chancen ermöglicht werden, gegensätzlich dazu aber auch Chancen genommen werden (Vgl. Geßner 2003, S. 70). Die Sozialisationsinstanz grenzt sich in einem signifikanten Aspekt deutlich von der Familie ab. Während das familiäre Umfeld einen impliziten Erziehungsauftrag zu erfüllen hat, wird der Schule der explizite Erziehungsauftrag zugeschrieben. Die Erfüllung des Erziehungsauftrags liegt nach wie vor primär in der Familie. Gleichzeitig übernimmt die Bildungseinrichtung Schule eine kompensatorische Funktion (Vgl. Geßner 2003, S. 70). Sie entlastet die Familie durch den durchzuführenden Lehrauftrag in ihrer Aufgabe mit dem Ziel, dass die SchülerInnen sich durch Lernanforderungen Wissen aneignen, Kompetenzen ausbilden und Werte und Normen der Gesellschaft erlernen (Vgl. Fend 2006, S. 29). Die didaktische Perspektive wird durch eine sozialisationstheoretische Betrachtung erweitert. Der sogenannte „heimliche Lehrplan“ (Zinnecker 1975, S. 203) hilft den Schülern sich erfolgreich in das Netzwerk Schule einzufügen. „Diese betont, dass diese Einrichtungen für die Beteiligten komplexe soziale Erfahrungsfelder darstellen, in denen sich das Lernen nicht nur auf die fachlichen Inhalte beschränkt. So ist das Einüben in die Verkehrsformen der Institution (Hierarchie, Konkurrenz) und in das

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Beziehungsgeflecht der Peergroup[1] (Solidarität, Anerkennung) für die Persönlichkeitsentwicklung mindestens genauso...


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