Bürgerliches Recht Allgemeiner Teil Klausurenkurs PDF

Title Bürgerliches Recht Allgemeiner Teil Klausurenkurs
Author Katharina Schwarz
Course Allgemeiner Teil des BGB
Institution Westfälische Wilhelms-Universität Münster
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Bürgerliches Recht Allgemeiner Teil Klausurenkurs Uni Münster...


Description

Examensklausurenkurs WS 2018/19 Klausur 16 Zivilrecht 08 Prof. Dr. Oestmann

Sachverhalt Der verheiratete Kulturfreund A befindet sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Deswegen veräußert er einen wertvollen Erstdruck der Partitur von Richard Wagners „Tristan und Isolde“ für 600,- Euro an seinen Freund B. A hatte die Partitur vor fünf Jahren beim Antiquariat Z für drei Monate zu Studienzwecken ausgeliehen, aber Z, der Inhaber des Antiquariats, hatte vergessen, die Noten zurückzufordern. Deswegen sieht A eine gute Gelegenheit, zu Geld zu kommen. Den Stempel des Antiquariats und den Preis auf der Innenseite des Deckels entfernt A, allerdings bleiben einige Reste zurück. Mit dem Erwerber B vereinbart A auf Wunsch des B ein vertragliches Rücktrittsrecht, weil B bei diesem Preis die Partitur gründlich prüfen möchte. Nachdem B von A die Partitur erhalten hatte, sieht er zu Hause auf der Innenseite die Kratzspuren und befürchtet, dass mit der Herkunft der Noten etwas nicht stimmen könnte. Deswegen ruft er bei A an und erklärt den Rücktritt. A erklärt sich dazu bereit und nimmt die Partitur wieder an sich. Das Geld zahlt er aber an B vorerst noch nicht zurück, da er zur Zeit etwas klamm ist. Drei Tage später meldet sich unvermutet der Antiquar Z und verlangt von A die Rückgabe der Partitur. A meint, dafür sei es jetzt zu spät. Außerdem meldet sich der Musikalienhändler M bei A und verlangt die Herausgabe eines elektronischen Metronoms. A hatte das mit allen technischen Finessen ausgestattete Gerät für lediglich 30,Euro im M-Geschäft bei X, einem Angestellten des M, gekauft. Durch Zufall bemerkte M, dass sein Praktikant P das Metronom falsch ausgezeichnet hatte. Statt 300,- Euro aufzukleben, hatte P aus Versehen eine Null vergessen und ein Etikett mit nur 30,- Euro aufgeklebt und das Metronom ins Regal gelegt. Dem Angestellten X war dieser Fehler an der Kasse nicht aufgefallen. A freut sich allerdings über den günstigen Erwerb und will das Metronom nicht zurückgeben. Er meint, M müsse eben seinen Laden besser organisieren und könne seine Versäumnisse nicht an den Kunden auslassen. M will den Kauf allerdings wegen der falschen Preisauszeichnung nicht gelten lassen. Zugleich hat A bei der C-Bank Schulden in Höhe von 400.000,- Euro aus einem Darlehensvertrag. Zur Sicherung der Rückzahlung hatte A der Bank ein Historiengemälde von Anton von Werner zur Sicherheit übereignet. Das Gemälde stellte den einzigen erheblichen Vermögensbestandteil von A dar, dies war den Mitarbeitern der Bank bekannt. Als A mit der Zahlung der Darlehensraten in Verzug gerät, kündigt die C-Bank das Darlehen und veräußert das Bild an den Kunsthändler K für 250.000,- Euro. Ein Mitarbeiter der Bank holt das Bild bei A ab und übergibt es dem K. Dazu war die Bank nach der Sicherungsabrede berechtigt. Die Bank schreibt die Summe von 250.000,- Euro dem Konto des A gut und verringert auf diese Weise seinen Schuldenstand auf 150.000,- Euro. F, die Ehefrau des A, die mit A im gesetzlichen Güterstand lebt, erfährt von diesem Geschäft und ist empört. Sie verlangt von der C-Bank die Zahlung von 250.000-, Euro an ihren Ehemann A. Die C-Bank weigert sich zu zahlen. 1. Kann der Antiquar Z von A die Herausgabe der Partitur verlangen? Unterstellen Sie hierbei einen regulären Kaufvertrag, also keinen Kauf auf Probe, zwischen A und B. 2. a)

Kann der Musikalienhändler M von A die Herausgabe des Metronoms verlangen?

b) Der Musikalienhändler M verklagt A auf Herausgabe des Metronoms. Jetzt bekommt A es mit der Angst zu tun und sendet das Metronom an M zurück. Daraufhin erklärt M den Rechtsstreit gegenüber dem zuständigen Amtsgericht für erledigt. A widerspricht, weil er Angst hat, dass auf ihn Kosten zukommen könnten. Wie wird das Gericht entscheiden? 3. Kann die Ehefrau F von der C-Bank die Zahlung von 250.000,- Euro an ihren Ehemann A verlangen?

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Lösungshinweise Frage 1 A.

§ 604 BGB I.

Leihvertrag Ein Leihvertrag gem. § 598 BGB liegt vor. Wegen der Unentgeltlichkeit kann eine kurze Abgrenzung zum unverbindlichen Gefälligkeitsverhältnis erfolgen. Dagegen spricht jedoch bereits der hohe Wert der Partitur.

II.

Beendigung des Leihvertrages Der Leihvertrag müsste auch nach § 604 BGB beendigt worden sein. Die Leihfrist betrug drei Monate und ist abgelaufen, § 604 Abs. 1 BGB. Der Rückgabeanspruch könnte also entstanden sein, unabhängig vom Anruf des Z bei A. Auf eine Rückforderung des Z (§ 604 Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 3 BGB) kommt es damit nicht an.

III.

Dolo-agit-Einwand Die Entstehung des Rückgabeanspruchs könnte aber gem. § 242 BGB ausgeschlossen sein, falls A inzwischen Eigentümer der Partitur geworden ist und bei einer erzwungenen Rückgabe an Z seinerseits einen Herausgabeanspruch gem. § 985 BGB hätte (dolo agit qui petit quod statim redditurus est). Anm.: Die Rechtsnatur des dolo agit-Einwandes wird teilweise unterschiedlich gesehen. Ausdrückliche Ausführungen hierzu sind nicht erforderlich. In jedem Fall ist es gut, wenn Bearbeiter das Problem erkennen. Falls Kandidaten sofort auf die Verjährung abstellen, muss das Problem bei einem der anderen Ansprüche behandelt werden. A müsste hierzu das Eigentum erworben haben und Z im Falle der erzwungenen Rückgabe Besitzer ohne Recht zum Besitz sein. Die Prüfung vollzieht sich entsprechend den nachfolgenden Ausführungen zu einem etwaigen Herausgabeanspruch des Z aus § 985 BGB (unten, C.), wobei der gutgläubige Erwerb des B inzident zu prüfen ist. Entscheiden sich die Kandidaten für einen automatischen Rückfall des Eigentums an den Alteigentümer Z, so ist dem A die Anwendung von § 242 BGB ausgeschlossen. Der Anspruch geht dann nur auf Herausgabe; eine Eigentumsverschaffung ist nicht erforderlich und dem A unmöglich. Entscheiden sich die Bearbeiter für einen Rückerwerb des Nichtberechtigen A, so ist weiter zu erörtern, ob diesem die Berufung auf § 242 BGB wegen seiner ursprünglichen Bösgläubigkeit nicht verwehrt sein muss. Die systematischen Erwägungen, die auf dinglicher Ebene für einen Eigentumsrückerwerb sprechen (s.u.), finden im Schuldrecht nämlich keine Parallele. Anm.: Der dolo agit-Einwand braucht insgesamt nur einmal geprüft zu werden, auch wenn das Problem bei mehreren Anspruchsgrundlagen auftaucht. Bei den späteren Prüfungen genügt dann ein Verweis nach oben.

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IV.

Verjährung Auch wenn der Dolo-agit-Einwand nicht durchgreift, dürfte der Anspruch jedoch wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar sein, § 214 BGB. Die Verjährungsfrist beträgt gem. § 195 BGB drei Jahre; sie beginnt gem. § 604 Abs. 5 BGB abweichend von § 199 BGB mit Beendigung der Leihe. Die Leihe ist hier vereinbarungsgemäß nach drei Monaten beendigt worden. Seitdem sind knapp fünf Jahre vergangen, so dass der Herausgabeanspruch verjährt ist. Anm.: Verneinen Bearbeiter den Anspruch aus dem Leihvertrag sofort wegen der Verjährung, ohne auf das dolo agit-Problem einzugehen, verstoßen sie gegen den Bearbeitervermerk, wonach alle aufgeworfenen Rechtsprobleme abzuhandeln sind. Wenn das dolo agit-Problem aber an anderer Stelle behandelt wird, darf sich dieses Versäumnis nicht stark auf die Note auswirken.

V.

Ergebnis Ein Herausgabeanspruch nach § 604 BGB ist damit je nach Lösungsweg nicht entstanden oder zumindest nicht durchsetzbar.

B.

§ 280 Abs. 1 BGB Indem A die Partitur nicht gem. § 604 Abs. 2 Satz 1 BGB zurückgegeben, sondern an B veräußert hat, hat er vorsätzlich eine Pflicht aus dem Leihvertrag verletzt. Der Anspruch ist gem. § 249 Abs. 1 BGB auf Naturalrestitution, d.h. Herausgabe der Partitur und – falls möglich – auf Eigentumsübertragung gerichtet. Auch diesem Anspruch könnte A jedoch § 242 BGB entgegenhalten, wenn er seinerseits von Z die Herausgabe der Partitur verlangen könnte (dolo agit-Einwand). Je nach dem ansonsten eingeschlagenen Lösungsweg: Sofern das Eigentum automatisch an den Alteigentümer Z zurückgefallen oder dem A die Berufung auf § 242 BGB verwehrt ist, dürfte ein Herausgabeanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB anzunehmen sein. Falls dolo agit dagegen durchgreift, scheitert der Herausgabeanspruch des Z (entweder nicht entstanden oder nicht durchsetzbar, je nachdem, ob § 242 BGB Einwendung oder Einrede ist).

C.

§ 985 BGB I.

Besitz des A (+), vgl. § 854 Abs. 1 BGB

II.

Eigentum des Z 1.

Ursprünglich war Z Eigentümer, vgl. § 1006 BGB. Er hat sein Eigentum mangels Übereignung auch nicht an A verloren.

2.

Z könnte jedoch sein Eigentum durch Veräußerung von A an B verloren haben. Der Eigentumserwerb des B gem. § 929 Satz 1 BGB scheitert am fehlenden Eigentum des A. In Betracht kommt aber ein gutgläubiger Eigentumserwerb nach §§ 929 Satz 1, 932 BGB. Fraglich ist insoweit allein der gute Glaube des B. Hier könnte ein Fall der grob fahrlässigen Unkenntnis vorliegen, vgl. § 932 Abs. 2 BGB. B erkennt an den Kratzspuren, dass mit der Herkunft der Noten etwas nicht stimmen könnte. Maßgeblicher Zeitpunkt für den guten Glauben ist gem. § 932 Abs. 1 Satz 1 BGB jedoch die Übergabe. Die Kratzspuren waren dem B erst danach aufgefal-

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len. Im Übrigen hatte er zu Misstrauen keinen erkennbaren Anlass; insbesondere besteht keine Nachforschungspflicht nach der Herkunft der Sache.1 B war also gutgläubig. Da es sich unproblematisch um ein Verkehrsgeschäft gehandelt hat und die Partitur dem Z auch nicht abhanden gekommen war (vgl. § 935 Abs. 1 BGB), hat B gutgläubig Eigentum erworben. Anm.: Den gutgläubigen Erwerb hier zu verneinen, erscheint nicht mehr vertretbar, sondern eindeutig falsch. 3.

Das Eigentum an der Partitur könnte jedoch durch Rückübereignung des B wieder an Z zurückgefallen sein. Grundsätzlich kann der Gutgläubige das erworbene Eigentum weiterübertragen, also auch an den früheren Nichteigentümer. Auf dessen Bösgläubigkeit kommt es jetzt nicht mehr an, weil er vom Berechtigten erwirbt. Ein Eigentumserwerb ist gem. § 242 BGB jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn der bösgläubige Veräußerer von Beginn an den Rückerwerb beabsichtigt hat (sog. mittelbar bösgläubiger Erwerb). A hatte jedoch ernsthafte Veräußerungsabsicht, so dass dies hier nicht der Fall ist. Auch in anderen Fällen sträubt sich jedoch das Rechtsgefühl gegen einen Rückerwerb des Nichtberechtigten, der scheinbar zufällig durch das Handeln eines Dritten eine bessere Rechtsposition erlangt, als er es alleine vermocht hätte. Ob und wie dieses Ergebnis zu korrigieren ist, ist umstritten. Nach einer Ansicht soll das Eigentum an den Alteigentümer zurückfallen, wenn der Rückerwerb des Nichtberechtigten auf eine Rückabwicklung des Erwerbsgrundes zurückgeht (sog. Innenverkehrsgeschäft). Nach anderer Ansicht erfolgt kein solcher Rückfall des Eigentums an den Alteigentümer; dieser ist auf schuldrechtliche Ansprüche gegen den Nichteigentümer verwiesen. Beide Lösungen sind hier gleichwertig; maßgeblich ist allein eine angemessene Argumentation. Argumente für einen Eigentumsrückfall an den Alteigentümer Z sind z.B.:2 

Schutzwürdigkeit des Alteigentümers; diesen auf bloß schuldrechtliche Ansprüche zu verweisen, ist unbillig;



§ 932 BGB dient dem Verkehrsschutz; der Eigentumserwerb des Nichtberechtigten ist von diesem Zweck nicht gedeckt;



Vergleich mit dem römischen Recht, das in D. 20.6.10.1 den Eigentumsrückfall als Lösung der entsprechenden Interessenlage gefunden hat;



gutgläubiger Erwerb begründet keine originäre Eigentümerstellung des Erwerbers, sondern verschafft diesem die Rechtsstellung des Alteigentümers; bei Rückabwicklung muss dieser seine ursprüngliche Rechtsstellung daher zurückerlangen.



möglicherweise steht der gutgläubige Erwerb unter der stillschweigenden auflösenden Bedingung, dass er nicht wieder rückabgewickelt wird.

Argumente für einen Eigentumsrückerwerb des Nichtberechtigten A sind z.B.:

1

MünchKommBGB/Oechsler, 7. Aufl. 2017, § 932 Rn. 64.

2

Hierzu und zum Folgenden MünchKommBGB/Oechsler, 7. Aufl. 2017, § 932 Rn. 24f., m.w.Nachw.; Musielak JuS 2010, 377.

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Erwerber erlangt nach § 932 Satz 1 BGB Volleigentum; dieses ist auch für die Rückabwicklung nicht eingeschränkt, das Gegenteil wäre gesetzeswidrig;



nach dem Abstraktionsprinzip kann sich die Rückabwicklung des Kausalgeschäfts nicht auf das Verfügungsgeschäft auswirken;



bei einem automatischen Rückfall im Fall der Rücktritts könnte der gutgläubige Erwerber seinem Rückzahlungsanspruch gegen den nichtberechtigten Veräußerer nicht durch Zurückbehaltung der Kaufsache nach §§ 348, 320 BGB Nachdruck verleihen;



Alteigentümer ist nicht schutzlos, da ihm schuldrechtliche Ansprüche gegen den Nichteigentümer verbleiben;



im Liegenschaftsrecht würde die entgegengesetzte Meinung zu einem Eigentumserwerb gegen das Grundbuch führen.

Entscheiden sich die Kandidaten für einen automatischen Rückfall des Eigentums an den Alteigentümer Z, besteht der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB, da nach Beendigung des Leihvertrages der A kein Recht zum Besitz mehr hat. Entscheiden sie sich für einen Rückerwerb des Nichtberechtigten A, so scheitert der Anspruch am fehlenden Eigentum des Z. Anm.: Der Rückerwerb des Nichtberechtigten ist ein anspruchsvolles dogmatisches Problem. Überdurchschnittliche Bearbeitungen sollten zumindest das Problem erkennen und diskutieren. D.

§ 823 Abs. 1 BGB In der Veräußerung an B liegt auch eine vorsätzliche Verletzung des Eigentums des Z durch A. Auch hier ist der Anspruch auf Naturalrestitution, d.h. Herausgabe, gerichtet. Für eine mögliche Dolo-agit-Einrede gelten die Erwägungen zu § 280 Abs. 1 BGB entsprechend.

Frage 2.a) A.

§ 985 BGB M müsste Eigentümer sein. Ursprünglich war er Eigentümer, vgl. § 1006 BGB. X könnte aber für M das Metronom an A übereignet haben, § 929 Satz 1 BGB. Die Übergabe ist erfolgt. Zudem hat sich X als Vertreter des M mit A geeinigt. Die Einigungserklärung des X erfolgte im Rahmen eines unternehmensbezogenen Geschäfts unzweifelhaft im Namen des M, § 164 Abs. 1 und 3 BGB. Ferner hatte X als Ladenangestellter Vertretungsmacht nach § 56 HGB. Jedoch könnte die Einigungserklärung des M durch eine Anfechtung nach § 142 Abs. 1 BGB mit ex-tunc-Wirkung entfallen sein. X, auf den bezüglich eines Irrtums nach § 166 Abs. 1 BGB abzustellen ist, wollte jedoch die Übereignung an A und hat sich diesbezüglich nicht geirrt. Ein Irrtum lag höchstens in Bezug auf den vereinbarten Kaufpreis vor. Nach dem Trennungs- und

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Abstraktionsprinzip sind beide Rechtsgeschäfte aber getrennt voneinander zu beurteilen.3 Für eine sog. Fehleridentität, bei der ausnahmsweise das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft auf dem gleichen Fehler beruhen, gibt es keine Anhaltspunkte.4 M hat das Eigentum damit an A verloren. Ein Anspruch auf Herausgabe des Metronoms gemäß § 985 BGB besteht nicht. Anm.: Gute Arbeiten werden § 985 BGB gar nicht prüfen. B.

§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB M könnte gegen A einen Anspruch auf Herausgabe des Metronoms gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt.5 BGB haben. I.

Leistung M hat durch X dem A bewusst und zweckgerichtet Eigentum und Besitz an dem Metronom, also vermögenswerte Rechtspositionen,6 verschafft und damit sein Vermögen gemehrt.7 Eine Leistung liegt vor.

II.

Mangel des Rechtsgrunds Die Leistung müsste ohne Rechtsgrund erfolgt sein. Als Rechtsgrund kommt nur der geschlossene Kaufvertrag in Betracht. Dieser könnte jedoch durch Anfechtung des M gemäß § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig sein. M hat konkludent gegenüber dem A die Anfechtung erklärt. Fraglich ist lediglich, ob dem X bei Abgabe der Willenserklärung (vgl. § 119 Abs. 1 BGB) ein beachtlicher Irrtum unterlaufen ist.

3

1.

Hier kommt zunächst ein Eigenschaftsirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB in Betracht. X hat sich über den von M gewollten Preis des Metronoms geirrt. Der Preis selbst ist aber kein wertbildender Faktor, sondern der Wert selbst.8 Ein Eigenschaftsirrtum scheidet deswegen aus.

2.

Ein Kalkulationsirrtum läge vor, wenn entweder bei der Berechnung des Gesamtpreises durch Verrechnen oder bzgl. eines in die Berechnung eingestellten Postens ein Fehler geschehen ist.9 P hat das Metronom aber lediglich versehentlich falsch ausgezeichnet. Ein Kalkulationsirrtum ist daher nicht einschlägig.

3.

Der Irrtum könnte jedoch als Erklärungsirrtum nach § 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB aufgrund des Verschreibens bzw. Verklebens des P beachtlich sein.10 Die unselb-

Bork, BGB AT, 4. Auflage (2016), Rn. 919-921.

4

Zur Vertiefung Bork, BGB AT, 4. Auflage (2016), Rn. 482; MüKo-BGB/Armbrüster, 7. Auflage (2015), § 119, Rn. 144; ähnlich Staudinger/Wiegand, BGB, Neubearbeitung 2017, § 929, Rn. 18-20. 5 So die h.M., vgl. Palandt/Sprau, BGB, 76. Auflage (2017), § 812, Rn. 26; a.A.: § 812 I 2 Alt. 1. Diese Diskussion sollte auf keinen Fall in der Lösung ausgetragen werden. 6

Looschelders, Schuldrecht BT, 12. Auflage (2017), Rn. 1018; Palandt-Sprau, BGB, 76. Auflage (2017), § 812, Rn. 8.

7

Zur Leistung BGH, NJW 2004, S. 1169-1172 (1169); Looschelders, Schuldrecht BT, 12. Auflage (2017), Rn. 1022.

8

Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Auflage (2017), § 119, Rn. 27.

9

Wolf/Neuner, BGB AT, 11. Auflage (2016), S. 490.

10

Leipold, BGB AT, 8. Auflage (2015), S. 268-269.

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ständige Auszeichnung der Waren nach dem Willen des Ladeninhabers M ist mit der falschen Übermittlung durch einen Boten gem. § 120 BGB gleichzusetzen, auf die § 119 BGB entsprechende Anwendung findet. Geht man mit der wohl h.M. davon aus, dass es sich bei der Auszeichnung nicht um eine Willenserklärung, sondern lediglich um eine invitatio ad offerendum handelt, scheidet eine Anfechtung jedoch aus. 4.

Der Erklärungs- bzw. Botenirrtum bei der invitatio setzte sich aber bei der Annahmeerklärung des X fort. Ob dieser sog. „fortgesetzte Irrtum“ beachtlich ist, ist im Ergebnis nicht geklärt; hier ist allein eine gelungene Argumentation gefragt. Für die Annahme eines beachtlichen Irrtums sprechen die Parallelen zum Vertragsschluss im Internet. So geht der BGH bei der Präsentation von Waren im Internet und einer anschließenden automatischen Annahmeerklärung davon aus, dass ein Irrtum bei der invitatio ad offerendum „jedenfalls deswegen beachtlich“ ist, weil er bei der „auf den Vertragsschluss gerichteten Annahmeerklärung noch fortwirkt.“11 In gleicher Weise wird gerade bei einem arbeitsteiligen Geschäftsverkehr ein derartiger Fehler auch in Ladengeschäften üblicherweise nicht bemerkt. Die essentialia negotii stehen der Sache nach bereits mit der Ausstellung der Ware fest, es finden praktisch nie Vertragsverhandlungen statt und die Annahmeerklärung fügt der invitatio ad offerendum „lediglich das Willenselement des bindenden Vertrages“ hinzu.12 Der fortwirkende Irrtum ergreift beide Vertragskonstellationen also in derselben Weise: Hätte X hier gewusst, dass der vorgesehene Preis und der angebrachte Preis nicht übereinstimmten, hätte er seine Erklärung nicht abgegeben. Gegen die Annahme eines „fortwirkenden Irrtums“ spricht das autonome Handeln des X. Dies unterscheidet den Fall von Irrtümern bei automatischen Annahmeerklärungen im Internet, bei denen für den Internetverkäufer zumeist keine Kontrollmöglichkeiten mehr bestehen.13 Im Ladengeschäft besteht dagegen eine Kontrollmög...


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