Title | Erzähltextanalyse - Seminar \"Einführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft\" |
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Course | Vorlesung zur "Einführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft" |
Institution | Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main |
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Seminar "Einführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft", WiSe 2019/20...
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Erzähltextanalyse
Discours: − formale Seite der Erzählung o Wie wird erzählt? − Hauptaspekte des Discours: o Zeit o Modus o Stimme
19.12.19
Histoire: - Inhaltliche Seite der Erzählung o Was wird erzählt? - chronologische Aufzählung aller Inhalte
Zeit: Ordnung: In welcher Reihenfolge werden die Geschehnisse der Diegese erzählt? Dauer: Welchen Zeitraum umfasst die Erzählzeit im Verhältnis zur erzählten Zeit? Frequenz: Wie ist das Verhältnis von Ereignis und dessen Darstellung? Modus: Fokalisierung: Aus welcher Sicht wird erzählt? Wer nimmt die Ereignisse wahr? Distanz: Wie mittelbar wird das Erzählte präsentiert? Kommen die Gedanken und Worte der Figuren selbst zur Sprache? Oder wird nur etwas über die Figuren erzählt?
Stimme: Zeitpunkt des Erzählens: Wann wird erzählt? Ort des Erzählens: Auf welcher Ebene wird erzählt? Stellung des Erzählers zum Geschehen: Inwieweit ist der Erzähler am Geschehen beteiligt? Subjekt & Adressat des Erzählens: Wer erzählt wem? Zeit: Ordnung: − chronologische Erzählweise: o Ereignisse in der erzählten Welt werden in der gleichen zeitlichen Abfolge wiedergegeben − anachronische Erzählweise: o die zeitliche Abfolge der Ereignisse in der erzählten Welt wird geändert Anachronische Erzählweisen: − Vorausdeutung (Prolepse): Ein Ereignis, das sich in der Geschichte erst noch ereignen wird, wird im Discours an früherer Stelle erzählt o zukunftsgewisse Prolepse: es werden Vorausdeutungen getroffen ( von allwissender Erzählinstanz), die sicher eintreten werden o zukunftsungewisse Prolepse: es werden Vorausdeutungen getroffen, die nicht sicher in der Erzählung eintreffen werden
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sind meist auf den Wahrnehmungshorizont der Figuren beschränkt Bsp.: zukunftsweisende Träume, Prophezeiungen von Figuren − Rückwendung (Analepse): Ein Ereignis, das sich in der Geschichte früher ereignet hat, wird im Discours an späterer Stelle dargestellt o aufbauende Analepse: Erzählung beginnt mitten in einem Ereignis → durch die aufbauende Analepse werden diesem Ereignis zugrunde liegenden Verhältnisse/Ereignisse geklärt → nach diesem Rückblick geht die Haupthandlung weiter Bsp.: Anfang eines Kriminalromans o auflösende Analepse: die Haupthandlung wird durch eine Rückwendung aufgelöst Bsp.: Ende eines Kriminalromans → Täter wird durch Rekonstruktion des Tathergangs ermittelt Dauer: − grundlegend ist das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit − Erzählzeit = Dauer der Erzählung o Wie lange braucht man, um die Erzählung zu lesen? Bsp.: länger, kürzer − erzählte Zeit = Dauer des Geschehens o Dauer der Ereignisse, die in der erzählten Welt stattfinden − Erzählzeit = erzählte Zeit (zeitdeckendes Erzählen oder Szene) o Man braucht genauso viel Zeit um den Erzähltext zu lesen wie die Geschehnisse brauchen, um sich zu ereignen − Erzählzeit > erzählte Zeit (Dehnung) o eher seltenes Verfahren o der Discours dauert länger als das Geschehen brauchte, um sich zu ereignen -
Ellipse o Der Discours lässt etwas aus, was in der Diegese passiert Pause o Discours geht weiter, Geschehen steht still o es wird etwas dargestellt, das nicht zum Ereignisfluss der erzählten Zeit gehört oftmals Kommentare oder Beschreibungen von Erzählinstanz
Frequenz: Beschreibt das Verhältnis von Ereignis und Darstellung −
Singulativ (i) : Ereignis findet einmal statt, wird einmal dargestellt
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Singulativ (ii): Ereignis findet mehrfach statt, wird mehrfach dargestellt
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Repetitiv: Ereignis findet einmal statt, wird mehrfach dargestellt
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Iterativ: Ereignis findet mehrfach statt, wird einmal dargestellt
Raumstruktur: − Welche Räume werden in der Erzählung erwähnt? − Wird zwischen Räumen/Orten gewechselt? − Werden Charaktereigenschaften von Figuren durch die räumliche Umgebung hervorgehoben? − Kontraste / Antithesen → Beispiel: arm/reich − Veränderung von Realität zu Fantasie durch Raum-/ Ortswechsel o Beispiel: Harry Potter, Gleis 9 ¾ nach Hogwarts − Assoziationen: o oben/unten, hell/dunkel→ gut/böse Modus: Fokalisierung: - Nullfokalisierung o Der Erzähler weiß/sagt mehr als die Figuren wissen/wahrnehmen -
Interne Fokalisierung o Erzähler sagt nicht mehr als die Figur weiß o Das Erzählen ist auf den Wahrnehmungshorizont der Figuren beschränkt
Externe Fokalisierung (neutrale Außensicht) o Erzähler sagt weniger als eine Figur weiß o Vergleichbar mit Filmen man sieht nur was passiert, aber keine Gedanken o.ä. Polymodalität: in den meisten Erzählungen wechselt der Fokalisierungstyp öfter -
Distanz: 1. narrativer Modus − Distanz zwischen erzählten Ereignissen − Erzählerische Vermittlung − Bsp.: Karla sprach über den Biologieunterricht 2. dramatischer Modus − ohne Distanz zwischen Ereignis & Erzählung − wörtliche Wiedergabe − Bsp.: Karla: „Biologie ist so interessant“ Erlebte Rede: - 3. Person Präteritum - Stimme: immer der Erzähler - Narrativer Modus Innerer Monolog:
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1. Person Singular Dramatischer Modus
Stream of consciousness: - Radikalisierter innerer Monolog - Verzicht auf Satzreihen - Assoziationen - Erinnerungsfetzen Gedankenfetzen/Gedankensprünge - Abgehackte Syntagmen Wichtig: Unterscheidung von Stimme und Sicht! Stimme: Wer erzählt? Sicht: Wer sieht? Stimme Zeitpunkt des Erzählens: Früheres Erzählen: erzählt wird, was sich später ereignen wird → Form futurischen Erzählens Bsp.: Wenn Mittag kommen wird, wirst du dich auf der hinteren Plattform eines Autobusses befinden Späteres Erzählen: erzählt wird, was sich zuvor ereignet hat → stellt Normallfall des Erzählens dar Bsp.: Es war im Jahr 1763, wo der Hubertsburger Friede zur Welt kam Gleichzeitiges Erzählen: erzählt wird, was sich gleichzeitig ereignet → durch Verwendung des Präsens und spezifische Präsentation des Erzählten gekennzeichnet Es wird erzählt, während gesehen wird Bsp.: Durch die halboffene Tür sehe ich den lehmigen, aufgestampften Weg und die morschen Bretter um den Schweinekofen. Episches Präteritum - Verwendung des Präteritums als Zeitform der Vergangenheit, jedoch nicht mit der Hauptfunktion darauf hinzuweisen das das Erzählte bereits vergangen ist - Zeitlosigkeit des Erzählens wird betont - Zeigt oftmals die Fiktionalität des Textes - Beispiel: "Aber am Vormittag hatte sie den Baum zu putzen. Morgen war Weihnachten." Historisches Präsens - Verwendung des Präsens nicht als Tempus der Darstellung von Gegenwart bzw. von zeitlosen Sachverhalten, sondern als Erzähltempus - Beispiel: „Hier in Russland begeht Napoleon nun den entscheidenden Fehler."
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Ort des Erzählens (Ebenen des Erzählens) (Erzählerische Rahmenkonstruktionen) 1. Extradiegetisches Erzählen → Erzähler dessen Standort außerhalb der Diegese ist 2. Intradiegetisches Erzählen → in der Diegese befindet sich eine Figur, die ihrerseits ihre Geschichte erzählt 3. Metadiegetisches Erzählen → Innerhalb der intradiegetischen Erzählung befindet sich ein weiterer Erzähler 4. Metametadiegetisch → weitere Schachtelung innerhalb der Diegese usw Stellung des Erzählers zum Geschehen: - Tritt der Erzähler in der Geschichte als Figurauf? - Heterodiegetisch: Erzähler kommt nicht in der Geschichte vor unbeteiligt - Homodiegetisch: Erzähler kommt in der Geschichte vor - Autodiegetisch: Erzähler stellt die Hauptfigur in der Geschichte dar Subjekt und Addressat des Erzählens: − fiktiver Erzähler (≠Autor): neutrale Bezeichnung für Rolle erstmal nicht männlich oder weiblich − Darstellung des Erzählers durch das Erzählte: o Implizit: Wortwahl & Stil, Auswahl Personen und Situationen: Was und wie wird erzählt? obligatorisch o Explizit: Selbstreferentielle Bemerkungen, z.B. Nennung seines Namens, Angabe biographischer Daten, Meinungsäußerungen; bereits „ich“ und „wir“ als Selbstdarstellung nicht obligatorisch − Offener Erzähler: Text enthält offensichtlich Spuren des Erzählers, sodass dieser wie eine Figur erscheint Vermittlungsfunktion des Erzählers − Verborgener Erzähler: Erzählung erzählt sich scheinbar von selbst, Leser hat das Gefühl, dem Geschehen unmittelbar beizuwohnen kaum noch vorhandene Vermittlungsfunktion Erzähler je mehr der Erzähler in den Hintergrund rückt, desto mehr wirkt Erzähltext wie ein dramatischer Text...