Grundbegriff Bildung -Bieri PDF

Title Grundbegriff Bildung -Bieri
Course Grundbegriffe der Bildungswissenschaft
Institution Julius-Maximilians-Universität Würzburg
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Summary

Zusammenfassung der "Festrede von Prof. Dr. Bieri" aus Grundbegriffe der Bildungswissenschaft im Wintersemester 16/17....


Description

Wie wäre es, gebildet zu sein? Festrede von Prof. Dr. Peter Bieri Facetten eines Bildungsbegriffs, stark von Humboldt geprägt. Ausbildung geschieht durch andere, bilden tut sich der Mensch selbst. Ausbildung verfolgt das Ziel am Ende etwas zu können, bei Bildung dagegen strebt man danach etwas zu werden.  Gegensatz: Können vs. Werden

Bildung als Weltorientierung (Ähnlichkeit zu Humboldt) „Bildung beginnt mit Neugierde.“ Diese Neugierde ist der unersättliche Wunsch, die Welt näher kennenzulernen und dabei in jegliche Bereiche hin vorzudringen. Wichtig sind dabei die Fragen: Was ist der Fall und warum ist es der Fall?  Bsp. Vielfalt der natürlichen Arten: Was genau ist diese Vielfalt und warum gibt es sie? Bildung heißt nicht sich alles Wissen dieser Welt anzueignen, sondern einzelne Dinge versuchen zu verstehen und dabei auch zu lernen wie man mehr über andere Dinge lernt.  „doppeltes Lernen“ Weltorientierung:  Entstehung des Sinnes für Proportionen, Bsp. Man braucht nicht genaue Anzahl aller Sprachen wissen, sollte aber wissen, dass eher 4000 sind als 40.  Entstehung des Sinnes für Genauigkeit, dabei soll man nur verstehen, was es heißt etwas genauer zu kennen. Da kein Mensch mehr als nur einen Bruchteil/Ausschnitt der Welt kennt. Was heißt es etwas genau zu erfassen?

Bildung als Aufklärung (Platon) Weltorientierung führt auch zu dem Satz „Wissen ist Macht“. Dabei hilft diese Macht niemanden zu herrschen, sondern sie verhindert, dass man am Ende das Opfer ist. Es hilft zum Beispiel sich nicht durch Falschmeldungen in den Medien irritieren zu lassen, wenn man gebildet ist. Außerdem bedeutet Bildung auch zu wissen, „worin Wissen und Verstehen bestehen und was deren Grenzen sind.“ Das bedeutet man soll sein eigenes Wissen hinterfragen, kritisch bleiben  Wissen zweiter Ordnung Das soll andauernd geschehen um das Wahre vom Falschen zu unterscheiden  gedankliche Unbestechlichkeit , kritisches Bewusstsein und skeptische Distanz

Bildung als historisches Bewusstsein (Humboldt) Aufgeklärtes Bewusstsein beruht auch auf historischer Neugierde und dem Gedanken, dass alles hätte anders kommen können.  Bewusstsein der historischen Zufälligkeit; Einsicht in Kontingenz (Zufälligkeit) Fähigkeit, die eigene Kultur aus einer gewissen Distanz zu betrachten und sich dabei von dem Gedanken abzuwenden, dass die eigene Lebensform besser zum Wesen eines Menschen passt als eine andere. Historisches Bewusstsein führt auch dazu sich mit der eigenen Kultur zu befassen und dabei vor allem mit dem Nachdenken über Sprache.  Wörter/Sprache gestalten unser Leben. (Verhältnis zur Natur, anderen Menschen und sich selbst) Die verschiedenen Kategorien (Wörter), die in einer Kultur vorherrschen geben deren Weltanschauung wieder. Dabei ist es wichtig auch den historischen Wandel zu beachten, denn Begriffe können mit der Zeit ihre Bedeutung in der Kultur einer Gesellschaft verändern. Bsp. Idee von Gut und Böse, Achtung und Würde.  Wörter führen auch zu kulturellen Selbstbildern. Sprache der Gefühle gibt wieder, wie sich die Mitglieder einer Kultur sehen, Lebensformen werden in Metaphern wiedergegeben und „richtig angekommen“ in einer Kultur ist man erst, wenn man

jede Art ihrer Sprache beherrscht (Sprache der Zärtlichkeit, Schimpfwörter, Sprach Tabus). Sprache gibt der Welt eine Bedeutung. Um eine Kultur wirklich zu verstehen muss man mit ihren Moralvorstellungen vertraut sein. Diese moralische Integrität lernen die Mitglieder durch das Aufwachsen in ihrer Kultur, ihr Umfeld und Medien.  bestimmt moralische Empfindungen wie Entrüstung oder schlechtes Gewissen. Zunächst absolut, doch Bildungsprozess führt dazu, dass man erkennt, dass Moralvorstellungen sich in anderen Gesellschaften von der eigenen unterscheiden und die eigene moralische Identität nur auf Zufall beruht (Wo ist man geboren? Welcher Religion ist man angehörig?). Gläubige, die durch Bildung erkennen müssen, dass die eigene Religion auf einen sowohl geographischen als auch gesellschaftlichen Zufall zurückgeht sind dadurch erschüttert.  Entwertung des Glaubens. Das zeigt, dass Bildung subversiv ist, also aufrührerisch was die Weltanschauung angeht.  Relativität (Abhängigkeit) jeder Lebensform. Kenntnis über alternative Religionen (Lebensformen) nimmt der eigenen Religion nur scheinbar ihren Wert, in echt wird dieser aber größer dadurch, dass einem bewusstwird, dass man eine freie Wahl hat und man ist erst erwachsen, wenn man das erkennt. Dinge, die das Bewusstsein der historischen Zufälligkeit noch miteinschließt u.a.:       

Wissen um unterschiedliche Staatsformen und Rechtssysteme Vorstellung von Intimität (Was ist Anlass zum Scham?) Formen der Höflichkeit und Würde Ausprägungen von Humor Ausdruck von Trauer Was beleidigend ist Formen des Flirts

Diese Art von Bildung führt zur Neugier über andere Kulturen, soziale Schichten, Berufe, Bedürfnis nach Reisen  innere Grenzen erweitern

„Der Gebildete ist einer, der ein möglichst breites und tiefes Verständnis der vielen Möglichkeiten hat, ein menschliches Leben zu leben.“

Bildung als Artikuliertheit (Adorno, Platon, Humboldt) Bildung geschieht durch vermehrtes Lesen, aber nur dann, wenn das gelesene verstanden und vor allem verinnerlicht wird. Das heißt es reicht nicht ein Mehr an Informationen zu haben, diese müssen auch eine Auswirkung auf einen selbst haben. Gilt nicht nur für moralisch bedeutsame Dinge, sondern zum Beispiel auch für Poesie. Das Lesen von Sachbüchern (z.B. Voltaire, Freud) führt dazu, dass man bei einer Urteilsfindung ein fundiertes Wissen hat und durch die Autoren beeinflusst wird. Viel lesen führt auch zu einem größeren Wortschatz und zur Verbesserung der eigenen Sprache.  Wahrnehmung und Empfinden differenziert sich Durch Sprache kann man sich auch von seinen Gefühlen differenzieren; Sprache kann einen anders fühlen lassen.

„Der Gebildete ist einer, der besser und interessanter über die Welt und sich selbst zu reden versteht als diejenigen, die immer nur die Wortfetzen und Gedankensplitter wiederholen, die ihnen vor langer Zeit einmal zugestoßen sind. Seine Fähigkeit, sich besser zu artikulieren, erlaubt ihm, sein Selbstverständnis immer weiter zu vertiefen und fortzuspinnen, wissend, dass das nie aufhört, weil es kein Ankommen bei einer Essenz des Selbst gibt.“

Bildung als Selbsterkenntnis Bildung zeichnet sich auch dadurch aus, dass Menschen an sich selbst arbeiten und ihre Meinungen, Wünsche und Emotionen hinterfragen und reflektieren. Dabei sollen sie sich die Fragen beantworten, wie sie z.B. zu ihren Emotionen gekommen sind und dabei ihr eigenes Selbstbild schaffen. Auch ihr eigenes Selbstbild sollen sie hinterfrage (Trugbild?)

„Der Gebildete […] ist einer, der über sich Bescheid weiss und Bescheid weiss über die Schwierigkeiten dieses Wissens. Er ist einer, dessen Selbst-bild mit skeptischer Wachheit in der Schwebe gehalten werden kann. Einer, der um die brüchige Vielfalt in seinem inneren weiss und keine soziale Identität für bare Münze nimmt.“

Bildung als Selbstbestimmung =Ich führe mein Leben Durch Bildung soll man seine eigene seelische Identität erschaffen. Geschieht dadurch, dass man sich in seinem eigenen Denken, Fühlen und Wollen bewertet und sich mit einem Teil davon identifiziert. Unzufriedenheit mit der eigenen Welt des Wollens, Denkens und Fühlens kann durch unterschiedliche Dinge entstehen:  Es fehlt an Übersicht und innerer Stimmigkeit  Man wird im Umfeld verletzt  Man kommt sich darin fremd vor Education sentimentale (=Herzensbildung). Diese Art von Bildung zeigt einem, dass man diese drei Welten nicht hinnehmen muss, man kann sie auch bearbeiten und verändern.  Selbstbestimmung. Besteht nicht darin sich von jeglicher Fremdbestimmung fernzuhalten, sondern darin zu unterscheiden ob mich diese äußere Beeinflussung von einem Selbstbild entfernt oder ob sie mich näher an mich selbst heranführt. Diese Art von innerer Bildung kann zum Beispiel durch jegliche Form der Psychotherapie verstärkt werden. Selbstbestimmung heißt sich unaufhörlich mit den eigenen seelischen Zuständen und Dispositionen zu befassen und sein eigenes Selbstbild immer wieder zu entwerfen, verwerfen und umzubauen.

„Der Gebildete ist einer, der über seine seelische Gestalt selbst bestimmt, indem er einen stetigen Prozess erneuter Selbstbewertung zulässt und die damit verbundene Unsicherheit aushält. Dadurch wird er im emphatischen Sinne ein Subjekt.“

Bildung als moralische Sensibilität (Humboldt  Mannigfaltigkeit der Köpfe) Herzensbildung kann auch zur Entwicklung von moralischer Sensibilität führen. Dadurch, dass man sich über die eigene Zufälligkeit der kulturellen Identität bewusst wird entsteht Toleranz. Diese Toleranz zeigt sich als selbstverständlicher Respekt vor andere Kulturen und Lebensformen. Dabei soll man eine Balance halten zwischen dem Anerkennen des Fremden und dem Bestehen auf die eigenen Moralvorstellungen. (Bsp. andere Kulturen haben Bestandteile, die die eigenen Moralvorstellungen verletzen) Ethisches Phänomen  sich in die Lage anderer zu versetzen. Einfühlungsvermögen ist der Gradmesser für Bildung, denn desto gebildeter jemand ist, desto mehr kann er sich in andere hineinversetzen. „Bildung macht präzise soziale Phantasie (möglichst viele Positionen anderer anzunehmen) möglich“  zeigt einem, welche Fehler man in seiner Vergangenheit begangen hat.  Bildung als Bollwerk gegen Grausamkeiten

Bildung als poetische Erfahrung Im Gegensatz zur Ausbildung, die immer Nutz orientiert ist, ist Bildung ein Wert in sich. Bildung ist zwar kein Mittel, um glücklich zu sein aber Bildung lässt einen in vielerlei Hinsicht Glück erfahren. Z. B. durch die Freude, weil man die Welt besser versteht oder das Glück das beim Lesen eines Buches entsteht. Außerdem hilf Bildung einem dabei, sich intensiver mit Kultur (Poesie, Betrachten von Kunst, Hören von Musik) auseinandersetzen zu können und es besser zu verstehen. Gesteigerte Erfahrung von Gegenwart.

Leidenschaftliche Bildung (Platon  Eros und Bildungstrieb) Wenn Bildung verhindert wird, dann reagiert nur der Gebildete heftig darauf. Denn Bildung bestimmt alles und darf nicht durch Falschaussagen in den Medien, Klischees, aller Formen der Unaufrichtigkeit und Wichtigtuerei und des Mitläufertums zerstört werden. Bildungstrieb gegen „Verdummung“ einsetzen....


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