Grundlagen der Komplexchemie PDF

Title Grundlagen der Komplexchemie
Course Anorganische Chemie für Lehramtskandidaten
Institution Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
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Zusammenfassung einer Seminarsitzung...


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Grundlagen der Komplexchemie

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Grundlagen der Komplexchemie

Einführung in die Chemie der Komplexverbindungen Website:

elearning2.uni-heidelberg.de

Kurs:

Anorganische Chemie für Lehramtskandidaten

Buch: Grundlagen der Komplexchemie Gedruckt von: Andreas Stadler Datum:

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Donnerstag, 10. Juli 2014, 09:32

10.07.2014 09:32

Grundlagen der Komplexchemie

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Inhaltsverzeichnis 1 Historisches 2 Nomenklatur 3 Stereochemie 4 Koordinative Bindung 4.1 VB-Methode 4.2 Kristallfeldtheorie 4.3 Ligandenfeldtheorie 4.4 MO-Theorie 5 Stabilität und Reaktivität von Komplexverbindungen 5.1 Thermodynamische Stabilität 5.2 Reaktivität 5.3 Reaktionen von Komplexverbindungen

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1 Historisches Obwohl Komplexverbindungen schon lange bekannt sind, hatte man zunächst keine befriedigende Theorie dafür, dass valenzchemisch gesättigte Verbindungen neue Verbindungen mit gänzlich anderen Eigenschaften als die Komponenten bilden. Man formulierte sie als Additionsverbindungen („Verbindungen höherer Ordnung“), z.B.: CoCl3·6NH3; Berliner Blau = KCN·Fe(CN)2·Fe(CN)3. Gelbes Blutlaugensalz = Fe(CN)2·4KCN. Für „Kobaltchlorid-Ammoniakate“ versuchte man eine (unbefriedigende) Kettenschreibweise analog organischen Verbindungen um das unterschiedliche Verhalten wiederzugeben, denn frisch hergestelltes CoCl3·6NH3 fällt mit AgNO3 drei Chloridionen als AgCl, dagegen enthält CoCl3·5NH3 nur zwei als AgCl fällbare Cl-.

Erst die Koordinationslehre nach A. Werner (1898) konnte die experimentellen Beobachtungen zufriedenstellend erklären. Deren Kern kann man wie folgt formulieren: An ein Zentralion können eine bestimmte Anzahl Atome, Ionen oder Moleküle als Liganden gebunden sein, die dessen „Koordinationssphäre“ bilden. Ein Metallion besitzt damit neben einer charakteristischen Ladung auch eine bestimmte Koordinationszahl. Die Formulierung als [Co(NH3)6]Cl3 bzw. [Co(NH3)5Cl]Cl2 mit sechs direkt an CoIII gebundenen (also mit Koordinationszahl = 6) Liganden (mit oktaedrischer Ausrichtung) erklärt zwanglos die Zahl der fällbaren (da nicht koordinativ gebundenen) Cl–-Ionen (in obigen Formeln fett geschrieben) und die molaren Leitfähigkeiten (d.h. die Zahl der Ladungsträger pro Formeleinheit) dieser Verbindungen. Ein Komplex mit koordinativer Bindung kann als Addukt von Lewis-Säure (= Metallion) mit Lewis-Base (= Ligand mit freiem Elektronenpaar) betrachtet werden. Die koordinativen (= "dative") Bindungen sind schwächer als normale kovalente Bindungen, aber stärker als Wasserstoffbrückenbindungen.

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2 Nomenklatur Die systematische Benennung von Komplexverbindungen folgt den IUPAC-Regeln ("International Union for Pure and Applied Chemistry"): In den Komplexformeln wird zuerst das Zentralatom, dann anionische, zuletzt neutrale Liganden geschrieben. Bsp.: [Fe(CN)6]4-, [CoCl(NH3)5]2+ In Formeln – wie bei Salzen allgemein – steht das Kation vor dem Anion. Bsp.:

K4[Fe(CN)6], [CoCl(NH3)5]SO4

In Namen werden die Liganden in alphabetischer Reihenfolge vor dem Zentralatom genannt. Die Oxidationsstufe des Zentralatoms wird durch eine römische Zahl in runden Klammern angegeben. Bsp.: [CoCl(NH3)5]2+ = Pentaammin-chloro-cobalt(III)-Ion. Die multiplikativen Präfixe (Di-, Tri-, Tetra- ... bzw. bei komplexeren Liganden Bis-, Tris-, Tetrakis- ...) werden bei der alphabetischen Sortierung nicht berücksichtigt! Die Namen anionischer Liganden enden jeweils auf –o Bsp.: CO32- = carbonato, OH- = hydroxido Anmerkung: Nach einer älteren Empfehlung wurde die Endung –id des freien Ions weggelassen. Die neutralen Liganden H2O, NH3 und CO werden besonders bezeichnet: aqua, ammin, carbonyl. Bsp.: [Ni(CO)4] = Tetracarbonyl-nickel(0), [Fe(OH2)6]2+ = Hexaqua-eisen(II)-ion. Bei neutralen und kationischen Komplexen bleibt der Name des Metalls unverändert, bei anionischen Komplexen wird –at angehängt. Bsp.: [AlF6]3- = Hexafluorido-aluminat(III)-ion, [Ni(CN)4]2- = Tetracyanido-nickelat(II). Wenn das Elementsymbol nicht dem deutschen Namen entspricht, dann wird –at an den lateinischen Stamm angehängt. Bsp.: [Fe(CN)6]3-

= Hexacyanido-ferrat(III)-ion,

K2[HgI4]

= Kalium-tetraiodido-mercurat(II),

Na[Au(CN)2] = Natrium-dicyanido-aurat(I), [Cu(CN)4]3-

= Tetracyanido-cuprat(I)-ion,

[Sn(OH)3]-

= Trihydroxido-stannat(II)-ion. 3-

[Ag(S2O3)2] = Dithiosulfato-argentat(I)-ion. Begriffsdefinitionen: Homoleptisch: Komplexe mit nur einer Art von Ligand. Bsp.: [Fe(CN)6]4Heteroleptisch: Komplexe mit mindestens zwei unterschiedlichen Liganden. Bsp.: [CoCl(NH3)5]2+ Zähnigkeit eines Liganden gibt die Zahl der koordinativen Bindungen an, die ein Ligand in einem Komplex ausübt. Mehrzähnige Liganden werden auch als Chelat-Liganden, entsprechende Komplexe als Chelat-Komplexe bezeichnet. Sie sind stabiler als Komplexe mit vergleichbaren einzähnigen Liganden. Gründe für diesen Chelat-Effekt sind entropische (= der Austausch mehrerer einzähniger gegen einen mehrzähnigen Liganden erhöht die Teilchenzahl und damit die Unordnung) und statistische Begünstigung (um einen mehrzähnigen Liganden abzuspalten müssen alle Bindungen gleichzeitig gelöst werden). Beispiele für Chelat-Liganden: en = 1,2-Diaminoethan, ox = Oxalat, bipy = 2,2'-Bipyridin, edta = "Ethylendiamintetraacetat"

Ligatoratom: Atom eines mehratomigen Liganden, das an das Zentralatom bindet. (Mögliche Ligatoratome in obigen Formeln sind blau gezeichnet.) Ambidente Liganden besitzen mehrere unterschiedliche Bindungsmöglichkeiten. Bsp.:

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3 Stereochemie Isomere unterscheiden sich im räumlichen Bau, nicht aber in der Stöchiometrie. Bei Komplexverbindungen trifft man folgende Arten von Isomerie an: KONSTITUTIONSISOMERIE (= Strukturisomerie) Bei Konstitutionsisomeren liegen unterschiedliche Bindungen vor. Ionisationsisomerie: Ion ist im Komplex gebunden oder nicht. Bsp.: [CoCl(NH3)5]SO4 vs. [CoSO4(NH3)5]Cl [CoBr(NH3)5]SO4 vs. [CoSO4(NH3)5]Br Hydratisomerie: Ein Wassermolekül ist gegen einen anderen Liganden ausgetauscht. Hydratisomerie von Cr(III)salzen (die Komplexe selbst sind dagegen keine Isomere!): [Cr(H2O)6]Cl3

(graublau bis violett),

[CrCl(H2O)5]Cl2·H2O

(hellgrün),

trans-[CrCl2(H2O)4]Cl·2H2O (grün). Bindungsisomerie beschreibt die Bindung eines Liganden über verschiedene Atome. z. Bsp. geht Thiocyanato-S- beim Erwärmen in den Thiocyanato-N-Komplex (Isothiocyanato) über: [PdIIL2(SCN)2] → [PdIIL2(NCS)2] oder: Roter [CoONO(NH3)5]2+ = Nitrido-Form vs. gelber [CoNO2(NH3)5]2+ = Nitro-Form Koordinationsisomerie: Austausch der Koordinationssphären: [Co(NH3)6][Cr(CN)6] vs. [Cr(NH3)6][Co(CN)6] [Cu(NH3)4][PtCl4]

vs. [Pt(NH3)4][Cu(NH3)4]

Ligandisomerie: Unterschiedliche Konstitution des Liganden: z.Bsp.: [(en)2ClCo(H3C-C6H4-NH2)] mit o-, m-, p- Toluidin STEREOISOMERIE (= geometrische Isomerie) Die Bindungspartner sind alle gleich, aber der räumlicher Bau ist verschieden. Cis/trans-Isomerie: benachbarte bzw. Gegenüberstellung von gleichen Liganden bei planar-quadratischen oder oktaedrischen Komplexen. Bsp: „cis- und trans-Platin“: cis/trans-[Pt(NH3)2Cl2],

cis/trans-[Cr(NH3)4Cl2]

Bei drei gleichartigen Liganden in einem oktaedrischen Komplex ist eine meridionale (auf Längenkreis = Meridian) oder eine faciale Anordnung (auf einer Fläche) möglich. Bsp.: mer/fac-[Co(NO2)3(NH3)3]

Für die Isolation von sowohl cis- als auch trans-Isomeren ist eine langsame Isomerisierungsreaktion Voraussetzung. Wichtigste Beispiele enthalten Co3+ und Cr3+ . Optische Isomerie = Enantiomerie liegt vor, wenn sich Bild und Spiegelbild nicht zur Deckung bringen lassen. Die beiden Formen sind Enantiomere. Bsp.: [Co(en)3]3+ , en = Ethylendiamin H2N-CH2-CH2-NH2.

Von diesem homoleptischen Komplex (mit D3-Symmetrie!) gibt es zwei Enantiomere: Beim Λ-Enantiomer müssen die vorne liegenden N-Atome gegen den Uhrzeigersinn bewegt werden, um die hinteren zu verdecken, beim Δ-Enantiomer im Uhrzeigersinn.

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Die Polarisationsebene von linear polarisiertem Licht wird von den beiden Enantiomeren in unterschiedliche Richtung gedreht. Die sonstigen physikalischen und chemischen Eigenschaften sind identisch. Enantiomere können sowohl tetraedrisch als auch oktaedrisch gebaut sein. Voraussetzung für Enantiomerie ist Chiraliät, d.h. die Abwesenheit von Drehspiegelachsen (insbesondere kein Inversionszentrum (i = S1) und keine Spiegelebene (σ = S2)), Drehachsen (C2 etc.) können dagegen vorliegen. Als Racemat bezeichnet man eine 50:50 Mischung von Enantiomeren. Die Trennung von Enantiomeren kann über diastereomere Salze, oder eine chirale Säule erfolgen, denn die Wechselwirkung mit optisch aktiver Substanz ist verschieden. Diastereomere sind geometrische Isomere, die nicht Enantiomere sind. Typische Koordinationpolyeder entsprechen linearer (Koordinationszahl 2), trigonaler (KOZ 3), tetraedrischer oder quadratisch-planarer (KOZ 4), trigonalbipyramidaler (KOZ 5), oktaedrischer (KOZ 6), pentagonal-bipyramidaler (KOZ 7) und quadratisch-antiprismatischer (KOZ 8) Anordnung der Liganden um das Zentralatom. Die häufigsten Koordinationszahlen sind 4 und 6.

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4 Koordinative Bindung Um die Bindungen in Koordinationsverbindungen zu beschreiben wurden verschiedene Methoden herangezogen. Sie sind in folgernder Reihe zunehmend komplex aber auch zunehmend nützlich: VB-Methode Kristallfeld-Methode Ligandenfeld-Methode MO-Methode

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4.1 VB-Methode Die Anwendung der bei kovalenten Hauptgruppenverbindungen äußerst erfolgreichen Valenz-Bindungs-(VB-)Theorie auf Koordinationsverbindungen geht davon aus, dass auch in diesen die Bindungsart völlig kovalent ist. In diesem Bild überlappen (untereinander gleichwertige) s-, p- und gegebenenfalls d-Orbitale mit freien Elektronenpaaren der Liganden. Die Art der vom Metall stammenden Orbitale erlauben Aussagen über den räumlichen Bau der Koordinationsverbindung: Hybridisierung und räumlicher Bau KOZ Atomorbitale Hybridorbitale Räumliche Ausrichtung spx 2 sp linear 3

spxpy

sp2

trigonal-planar

4

spxpypz

4

spxpydx2-y2

5

spxpypzdz2

5

spxpypzdx2-y2

6

spxpypzdx2-y2dz2 d2sp3

3

tetraedrisch

sp

2

quadratisch-planar

3

dsp

trigonal-bipyramidal

dsp3

quadratisch-pyramidal

dsp

oktaedrisch

Als erstes Beispiel sei [Fe(CN)6]3- betrachtet: Das Zentralion ist ein Fe in der Oxidationsstufe +III, das folglich 5 d-Elektronen besitzt. Jeder der Liganden wird als Donor eines Elektronenpaares an das Metallion angesehen. Um sechs gleichartige Bindungen zu den sechs Liganden auszubilden, muss das Metallion einen Satz von sechs äquivalenten σ-Orbitalen verfügbar haben. Ein solcher Satz von Orbitalen aus s-, p- und d-Orbitalen kann nur auf eine Weise konstruiert werden, nämlich durch Hybridisierung von s, px, py, pz, dx2-y2 und dz2 zu sechs äquivalenten d2sp3-Hybridorbitalen. Sie weisen in die Ecken eines Oktaeders. Diese Orbitale überlappen mit insgesamt sechs besetzten Ligandorbitalen (= freie Elektronenpaare) der sechs Liganden. Die Valenzelektronen des Metallions (für FeIII fünf) müssen also die dxy-, dxz-, dyz-Orbitale besetzen. Der Komplex ist paramagnetisch entsprechend einem ungepaarten Elektron.

Aus der VB-Betrachtung lokalisierter Metall-Ligand-Bindungen wurde die sogenannte 18-VE-Regel (Sidgwick 1927) formuliert, die besagt, dass thermodynamiasch stabile ÜM-Komplexe dann vorliegen, wenn die Summe der Metall(d)-Elektronen und der von den Liganden zur Bindung beigesteuerten Elektronen 18 beträgt. Hierdurch erreicht das Zentralmetall formal die Elektronenkonfiguration des im Periodensystem folgenden Edelgases (daher wird die 18-VE-Regel bisweilen auch “Edelgasregel” genannt). Allerdings ist die Anwendung der VB-Methode im allgemeinen Fall nicht unproblematisch. Für den [Fe(H2O)6]3+-Komplex - mit ebenfalls FeIII und sechs Liganden - sollte die Beschreibung ganz analog zum obigen Beispiel erfolgen. Experimentell hat man aber bestimmt, dass im Hexaquakomplex fünf ungepaarte Elektronen vorliegen. Die VB-Methode behilft sich mit dem Ausweg das Vorliegen eines sogenannten "outer orbital"-Komplexes zu postulieren, bei dem nicht die d-Orbitale mit der Hauptquantenzahl 3, sondern die 4d-Orbitale hybridisiert werden.

Allerdings gibt es keine Möglichkeit vorherzusagen, welcher Komplex als "inner orbital" und welcher als "outer orbital" zu beschreiben ist. Man muss zunächst den Magnetismuss kennen, um die korrekte Beschreibung zu wählen. Als weiterer Problemfall seien noch die Tetraamminkupferkomplexe verglichen. [Cu(NH3)4]+ hat mit Cu in der Oxidationsstufe +I ein d10-Ion. Der Komplex ist tetraedrisch gebaut und diamagnetisch. Das würde man aus einer VB-Betrachtung auch so erwarten:

Für [Cu(NH3)4]2+ sollten nur 9 statt 10 Elektronen im 3d-Niveau untergebracht sein. Damit ist der Komplex paramagnetisch entsprechend einem ungepaarten Elektron. An der Hybridisierung und am räumlichen Bau sollte sich aber nichts ändern. Tatsächlich ist der Komplex aber quatradisch-planar gebaut, so dass man eine dsp2-Hybridisierung annehmen muss. Auch hier bleibt der Grund für diesen Unterschied unklar.

Zusammenfassend kann man der VB-Methode kaum Vorhersagekraft bescheinigen, da man im allgemeinen Fall den Magnetismus und den räumlichen Bau kennen muss, den man erklären will. Nur in bestimmten Fällen (z.B. für Carbonylkomplexe) kann man zuverlässige Vorhersagen über die Geometrie treffen. Für

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die Farbigkeit von Komplexen bietet die VB-Theorie gar keine Erklärung.

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4.2 Kristallfeldtheorie In der Kristallfeldtheorie (CFT = "crystal field theory") geht man vom komplett gegensätzlichen Ansatz aus: jegliche Überlappung von Orbitalen wird ausgeschlossen und es wird eine rein ionische Bindung ohne kovalente Beiträge angenommen. Komplexe bestehen also nach dieser Theorie aus Ionen und/oder Dipolen, die durch elektrostatische Wechselwirkung vom Zentralion angezogen werden und sich gemäß ihrem Raumbedarf möglichst symmetrisch darum anlagern. Betrachtet werden die Auswirkungen des durch die Liganden verursachten elektrischen Feldes auf die Atomorbitale (insbesondere der d-Orbitale) des Metallatoms. Das erlaubt Aussagen zu magnetischen Eigenschaften, Absorptionsspektren, Stabilität etc. Oktaedrische Komplexe Die Liganden werden vom Zentralion elektrostatisch angezogen. Deren auf das Zentralatom gerichtete Elektronendichte destabilisiert Elektronenniveaus. Wenn die Elektronendichte der Liganden kugelsymmetrisch um das Zentralatom verteilt wäre, würden alle d-Niveaus energetisch gleich stark angehoben. Tatsächlich nähern sich im oktaedrischen Fall die insgesamt sechs Liganden entlang der drei Achsen (+x, -x, +y, -y, +z, -z) und beeinflussen die d-Orbitale unterschiedlich: Relativ zum hypothetischen Fall mit Kugelsymmetrie, werden die Orbitale, die entlang der Achsen ausgerichtet sind (also dx2-y2 und dz2) stärker destabilisiert; diejenigen d-Orbitale, die entlang der Winkelhalbierenden ausgerichtet sind, werden dagegen weniger stark destabilisiert. Relativ zum (hypothetischen) kugelsymmetrischen Fall werden dx2-y2 und dz2 energetisch angehoben, dxy, dxz und dyz werden energetisch abgesenkt. Erstere bekommen gemeinsam die Bezeichnung eg, letztere t 2g (e = zweifach entartet, t = dreifach entartet, g = gerades Verhalten zum Inversionszentrum, 2 = unsymmetrisch bezüglich Nebendrehachse). Die Energiedifferenz dazwischen wird zu 10 Dq festgesetzt und für ein oktaedrisches Ligandenfeld als ΔO bezeichnet. Dabei stellt Dq einen Energiewert dar, der von Komplex zu Komplex variiert. Da die Aufspaltung relativ zum kugelsymmetrischen Fall dem Schwerpunktsatz folgt, beträgt die Absenkung der t2g-Orbitale 4 Dq und die Anhebung der eg-Orbitale 6 Dq.

Bei Anwesenheit von d-Elektronen kann es zusätzlich zur elektrostatischen Anziehung zwischen Zentralion und Liganden zu einer Stabilisierung kommen, die nur auf der Symmetrie des Ligandenfeld und der daraus resultierenden Aufspaltung der d-Niveaus beruht. Diese Kristallfeldstabilisierungsenergie beträgt für [Sc(H2O)6]3+ (0 d-Elektronen) 0 Dq, für [Ti(H2O)6]3+ (1 d-Elektron) 4 Dq, für [V(H2O)6]3+ (2 d-Elektronen) 8 Dq und für [Cr(H2O)6]3+ (3 d-Elektronen) 12 Dq. In diesen Fällen sind alle d-Elektronen ungepaart im t2g-Niveau, das eg-Niveau bleibt unbesetzt. Ab vier d-Elektronen gibt es zwei Möglichkeiten: wenn die Spinnpaarungsenergie größer als ΔO ist, wird unter Besetzung von eg-Niveaus die maximale Anzahl ungepaarter Elektronen realisiert (= "high spin"), wenn sie kleiner ist, erfolgt zunächst Paarbildung im t2g-Niveaus, bevor das eg-Niveau besetzt wird (= "low spin").

Ab d8 gibt es nur eine Elektronenkonfiguration für den elektronischen Grundzustand. Wie groß ΔO ausfällt, hängt zum einen vom Zentralatom ab: je höher die Ladung und damit kleiner es ist, desto näher rücken die Liganden heran, was zu stärkerer Wechselwirkung mit den d-Orbitalen und damit größerem ΔO führt. Zum anderen haben verschiedene Liganden einen unterschiedlichen Einfluss. Die Anordnung nach zunehmender Kristallfeldaufspaltung ergibt die sogenannte Spektrochemische Reihe: I- < Br- < Cl- < F- < OH- < H2O < SCN- < NH3 < NO2 - < CN- < CO Die Größe von ΔO kann man experimentell aus Absorptionsspektren erhalten: nur Lichtquanten der entsprechenden Energie können Elektronen vom t2g- in das eg-Niveau anregen. Tetraedrische Komplexe Bei tetraedrisch gebauten Komplexen nähern sich die Liganden von den Raumdiagonalen. Damit werden die t2-Orbitale dxy, dxz und dyz stärker destabilisiert als die e-Orbitale dx2-y2 und dz2 (bei Tetraedersymmetrie entfällt die g/u-Klassifizierung, da kein Inversionszentrum existiert). Aus geometrischen Gründen und weil nur vier statt sechs Liganden vorhanden sind, ist die Tetraederfeldaufspaltung ΔT kleiner als ΔO. Bei gleichem Zentralion und gleichen Liganden ist ΔT ca. 4/9 ΔO. Daher ist ΔT immer kleiner als die Spinnpaarungsenergie und tetraedrische Komplexe immer high spin.

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Quadratisch-planare Komplexe Die Aufspaltung durch quadratisch-planare Koordination kann man sich vom Oktaeder ableiten. Bewegt man die Liganden in z-Richtung zunächst nur etwas ...


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