Hausarbeit öffentliches Recht PDF

Title Hausarbeit öffentliches Recht
Course Rechtswissenschaften
Institution Universität Greifswald
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Summary

Hausarbeit (entsprechendes) Gutachten in er Anfängerübung im Öffentlichen Recht im Sommersemester 2018...


Description

A. Verfassungsbeschwerde der K für den Zug der Befreiung! Fraglich ist, ob die Verfassungsbeschwerde der Künstlerin K Aussicht auf Erfolg hat. Dafür müsste sie zulässig und begründet sein. 1!

I. Zulässigkeit Zu prüfen ist die Zulässigkeit dieser. Dafür müssten die Voraussetzungen von Art. 93 I Nr. 4a GG2, §§ 90 ff. BVerfGG3 vorliegen4. Das BVerfG ist gem. ! Art. 93 I Nr. 4a, §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. für Verfassungsbeschwerden zuständig.

1. Beschwerdefähigkeit K müsste gem. § 93 I Nr. 4a, § 90 I beschwerdefähig sein. Die Beschwerdefähigkeit gliedert sich in Grundrechtsfähigkeit und Prozessfähigkeit. 5 Zunächst müsste die Grundrechtsfähigkeit gegeben sein. Darunter verstehe man die Fähigkeit Träger von Grundrechten zu sein. 6 Dies ist bei natürlichen Personen regelmäßig unproblematisch. 7 K ist eine natürliche Person. Mithin ist die Grundrechtsfähigkeit gegeben. Auch die Prozessfähigkeit müsste vorliegen. Gemäß den §§ 52 f. ZPO sei dies die Fähigkeit, selbst oder durch selbst bestellte Vertreter Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen. Mangels entgegenstehender Hinweise ist auf diese Fähigkeit abzustellen. Somit ist K prozessfähig und die Beschwerdefähigkeit insgesamt zu bejahen.! ! 2. Beschwerdegegenstand! Zudem müsste ein tauglicher Beschwerdegegenstand vorliegen, welcher gem. ! § 93 I Nr. 1a, § 90 I jeden Akt der deutschen Staatsgewalt darstellt, also alle Handlungen oder Unterlassungen der Legislative, Exekutive und Judikative.! 1

Schwabe/Walter, Lernen mit Fällen - Staatsrecht I, S. 318.

2 Artikel,

welche nicht genauer bezeichnet werden, sind solche des GG.

3

Paragraphen, welche nicht genauer bezeichnet werden, sind solche des BVerfGG.

4

Epping, Grundrechte, Rn. 150.

5

Schmidt, Grundrechte, Rn. 1021 f.

6

Kühl/Reichold/Ronellenfitsch, Einführung in die Rechtswissenschaft, § 22 Rn. 9.

7

Ipsen, Staatsrecht II, Rn. 717.

!1

Vorliegend geht es unmittelbar um ein Urteil, also einen Akt der Judikative.! Es wird jedoch auch mittelbar gegen § 5 FTG M-V Verfassungsbeschwerde erhoben. Das Erlassen von Gesetzen stellt eine Handlung der Legislative dar. Somit liegt in jedem Fall ein tauglicher Beschwerdegegenstand vor. ! ! 3. Beschwerdebefugnis! Zu prüfen ist, ob die Beschwerdebefugnis gem. § 93 I Nr. 4a, 90 I gegeben ist. Dazu muss beim Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung oder eine Verletzung grundrechtsgleicher Rechte in Betracht kommen und er muss selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen sein. 8 Möglicherweise könnte eine Grundrechtsverletzung vorliegen. K könnte in der Kunstfreiheit gem. Art. 5 III 1, 1. Alt. und der Religionsfreiheit gem. Art. 4 I,II, der Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 I, der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 I oder zumindest in ihrer Allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 I verletzt sein. Daher liegt eine Situation vor, in der eine staatliche Maßnahme mehrere Grundrechte eines Grundrechtsträgers gleichzeitig beeinträchtigt. Nun komme es darauf an, die Konkurrenzverhältnisse der Grundrechte untereinander zu bestimmen. 9 Art. 2 I sei zumeist nur ein Auffanggrundrecht gegenüber spezielleren Normen und wird deshalb in diesem Fall von den anderen, möglicherweise betroffenen, Grundrechten verdrängt. 10 Vorliegend schützen Art. 5 I und Art. 5 III 1, 1. Alt. beide das Recht, eine bestimmte Meinung, in Form eines künstlerischen Auftritts, öffentlich zu präsentieren. Jedoch halte das BVerfG die Kunstfreiheit im Verhältnis zu Art. 5 I für das speziellere Grundrecht. 11 Daher wird die Meinungsfreiheit verdrängt. Zudem werden die Durchführung einer Versammlung und ein Akt der Kunst verboten. Nach der „lex specialis-Regel“ gehe das jeweils speziellere Grundrecht vor.12 Somit haben die Grundrechte aus Art. 8 I und Art. 5 III 1, 1. Alt. eine engere

8

Michael/Morlok, Grundrechte, Rn. 926 ff.

9

Epping, Grundrechte, Rn. 258.

10 Hufen, 11 Ipsen,

Staatsrecht II, § 6 Rn. 46.

Staatsrecht II, Rn. 520.

12 Hufen,

Staatsrecht II, § 6 Rn. 45.

!2

Beziehung zum Sachverhalt als Art 4 I,II. Daher wird er von Art. 8 I und ! Art. 5 III 1, 1. Alt. verdrängt. Die beiden übrigen Grundrechte umfassen jeweils einen anderen Schutzbereich und können zugunsten ein und derselben Person gleichzeitig zur Anwendung kommen. 13 Mithin ist eine Möglichkeit der Grundrechtsverletzung gegeben. Zudem müsste die eigene, gegenwärtige und unmittelbare Beschwer vorliegen. K müsste selbst beschwert sein. Dies ist gegeben, wenn der Beschwerdeführer selbst der Adressat der angegriffenen Maßnahme ist.14 K ist eigens vom Verbot betroffen. Folglich liegt eine eigene Beschwer vor. Fraglich ist, ob sie auch gegenwärtig, also aktuell beschwert ist. Gegenwärtig sei die Beschwer, wenn der Beschwerdeführer schon oder noch betroffen ist. 15 Hier wurde das Urteil bereits gesprochen, also hat die Beeinträchtigung schon eingesetzt. Weiterhin wurde das Verbot nicht revidiert, wodurch die weitere Planung des Karfreitags der Befreiung aktuell sinnlos ist. Demnach ist K gegenwärtig beschwert. Zuletzt ist zu prüfen, ob die Beschwer unmittelbar ist. Das bedeutet, es ist kein vollziehender Zwischenakt mehr notwendig um die Beeinträchtigung hervorzurufen. 16 Hier wurde K bereits verurteilt den Zug der Befreiung nicht stattfinden zu lassen. Es ist also keine weitere Maßnahme nötig um die Beeinträchtigung hervorzurufen. Somit ist die unmittelbare Beschwer gegeben und die Beschwerdebefugnis daher zu bejahen.! ! 4. Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität! Zu prüfen ist die Rechtswegerschöpfung und die Subsidiarität. Nach § 90 II muss der Beschwerdeführer den Rechtsweg erschöpft haben. Laut Sachverhalt ist dies so passiert. Außerdem muss ihm keine andere Möglichkeit mehr zustehen, um seine Grundrechtsbeeinträchtigung zu beseitigen.17 In diesem Fall erscheint keine!

13 von

Münch/Mager, Staatsrecht II, Rn. 136.

14 BVerfGE

97, 157 (164) (Saarländisches Pressegesetz); 108, 370 (384) (Exklusivlizenz)

15 Schmidt,

Grundrechte, Rn. 1052.

16 Michael/Morlok, 17 Stein/Frank,

Grundrechte, Rn. 929.

Staatsrecht, § 28 I.

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andere Möglichkeit ersichtlich. Mithin sind beide Voraussetzungen erfüllt. !

5. Form und Frist! Fraglich ist, ob die Verfassungsbeschwerde gem. §§ 23 I, 92 form- und fristgerecht eingereicht wurde. Demnach ist diese schriftlich und gem. § 93 I binnen eines Monats nach Zustellung des letztinstanzlichen Urteils einzureichen. Es sind keine entgegenstehenden Hinweise ersichtlich, somit ist auf ein ordnungsgemäßes Einreichen abzustellen. Demnach ist eine form- und fristgerechte Einreichung zu bestätigen.! ! 6. Zwischenergebnis! Es sind alle Voraussetzungen von § 93 I Nr. 4a, §§ 90 ff. erfüllt. Daher ist die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde der K gegeben.! ! II. Begründetheit ! Die Verfassungsbeschwerde müsste begründet sein. Dies ist der Fall, wenn das Urteil bzw. das Gesetz den Beschwerdeführer in seinen Grundrechten verletzt. 18! ! 1. Versammlungsfreiheit gem. Art. 8 I GG! K könnte in ihrem Grundrecht aus Art. 8 I verletzt sein. Um eine Verletzung zu bestätigen müsste der Schutzbereich eröffnet sein, ein hoheitlicher Eingriff in diesen vorliegen und dieser verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sein. 19! ! a. Schutzbereich! Der Schutzbereich müsste in persönlicher und sachlicher Hinsicht eröffnet sein. ! (1) Persönlicher Schutzbereich! Fraglich ist, ob der persönliche Schutzbereich eröffnet ist. In persönlicher Hinsicht schützt Art. 8 I nur Deutsche, d.h. deutsche Staatsbürger oder

18 Michael/Morlok, 19 Schmidt,

Grundrechte, Rn. 936.

Grundrechte, Rn. 1080.

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Staatsdeutsche i.S.v. Art. 116. Mangels entgegenstehender Hinweise ist K eine Deutsche. Demnach gilt der persönliche Schutzbereich als eröffnet.! ! (2) Sachlicher Schutzbereich! Der sachliche Schutzbereich müsste eröffnet sein. Dies ist der Fall, wenn mehrere Personen für einen gemeinsamen Zweck friedlich und ohne Waffen zusammenkommen.20 Es müsste also zunächst eine Personenmehrheit gegeben sein. Die Definition ist strittig. Eine Ansicht sagt, dass die Mehrheit bereits bei mindestens zwei Personen erreicht ist. Eine Gegenposition besagt, dass diese erst ab mindestens 3 Personen vorliegt und eine dritte Ansicht spricht von mindestens 7 Personen.21 Es treffen sich anfangs 12 befreundete Künstler mit K auf dem Marktplatz und Interessierte sind dazu eingeladen den Zug zum Theater zu begleiten. Dadurch würde die Anzahl noch erhöht werden. Somit ist die kleinstmögliche Personenanzahl grundsätzlich überschritten und daher eine Personenmehrheit gegeben. Der Streit kann unentschieden bleiben. Zudem müsste die Versammlung einen gemeinsamen Zweck verfolgen. Was einen gemeinsamen Zweck darstellt, ist umstritten. Unstreitig ist, dass eine innere Verbindung der Teilnehmer erkennbar sein muss. 22 Es ist zudem umstritten, wie dieser innere Zusammenhang aussehen muss. Der enge Versammlungsbegriff umfasse als gemeinsamen Zweck nur die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung. 23 Nach dem erweiterten Versammlungsbegriff muss eine Form gemeinsamer Meinungsäußerung vorliegen.24 Die Verbundenheit der Teilnehmer durch einen beliebigen Zweck reiche hingegen nicht aus. 25 Im Rahmen des Zuges wird kritisiert, dass die Stellung der Religion im gesellschaftlichen Leben immer mehr an Bedeutung gewinnt und der nichtgläubige Teil der Bevölkerung zunehmend verdrängt wird. Es handelt sich also um ein politisches Thema und eine 20 Grundgesetz 21 Klopfer,

für die Bundesrepublik Deutschland/Jarass, Art. 8 Rn. 3 ff.

Verfassungsrecht Band II, § 63 Rn. 5.

22 Grundgesetz-Kommentar/Kunig, Art. 23 Detterbeck,

8 Rn. 14.

Öffentliches Recht, Rn 436.

24 Kühl/Reichold/Ronellenfitsch, 25 Grundgesetz/Bergmann, Art.

Einführung in die Rechtswissenschaft, § 24 Rn. 55.

8, Rn. 4.

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öffentliche Angelegenheit. Dies fällt als Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung in den Anwendungsbereich des engen Versammlungsbegriffs. Daher ist auch der erweiterte Versammlungsbegriff als erfüllt zu betrachten. Außerdem müsste die Versammlung waffenlos und friedlich stattfinden. Zu prüfen ist also, ob eine Waffe mitgeführt wird. Waffen i.S.d. Art. 8 I seien objektiv gefährliche Gegenstände, die keine sinnvolle, gewaltfreie Verwendung im Rahmen der Versammlung erwarten lassen. 26 K trägt eine Sense mit scharfer Klinge, wodurch sie ein objektiv gefährlicher Gegenstand ist. Die Sense mag zwar zum Kostüm der K gehören jedoch ist keine gewaltfreie, sinnvolle Anwendung dieser im Rahmen der Versammlung vorstellbar. Auch das von der Klinge tropfende Kunstblut deutet auf die Darstellung der Sense als Waffe und somit ihren gefährlichen Charakter hin. Folglich ist die Sense eine Waffe i.S.d. Art. 8 I. Mithin ist die Voraussetzung der Waffenlosigkeit nicht erfüllt.! ! b. Zwischenergebnis! Demnach ist der sachliche Schutzbereich nicht eröffnet. Die Voraussetzungen für eine Grundrechtsverletzung sind nicht vollständig erfüllt. Daher liegt keine Verletzung der K in ihrem Grundrecht aus Art. 8 I vor. Somit wäre die Verfassungsbeschwerde hier nicht begründet und hätte keine Aussicht auf Erfolg.! ! 2. Kunstfreiheit gem. Art. 5 III 1, 1. Alt. GG! K könnte aber in ihrem Grundrecht aus Art. 5 III 1, 1. Alt. verletzt sein. (s.o.) ! ! a. Schutzbereich! Der Schutzbereich müsste in persönlicher und sachlicher Hinsicht eröffnet sein. ! ! (1) Persönlicher Schutzbereich! Der persönliche Schutzbereich müsste eröffnet sein. Art. 5 III 1, 1. Alt. ist ein Jedermannsgrundrecht. K gehört zu dieser Personengruppe, also ist der persönliche Schutzbereich eröffnet.!

26 Michael/Morlok,

Grundrechte, Rn. 280.

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(2) Sachlicher Schutzbereich! Weiterhin müsste der sachliche Schutzbereich eröffnet sein. Der durch ! Art. 5 III 1, 1. Alt. geschützte Lebensbereich ist die Kunst. Diese wird unterschiedlich definiert. Beim formalen Kunstbegriff kommt es darauf an, ob das Werk einer bestimmten Kunstform zugeordnet werden kann. 27 Indem K und die Beteiligten Verkleidungen tragen und u.A. schluchzend in Richtung Theater laufen, könnte dieses Verhalten ein Straßentheater und somit eine Art der darstellenden Kunst bzw. Aktionskunst sein. Daher ist eine Zuordnung möglich und der formale Kunstbegriff als erfüllt anzusehen. Beim materialen Kunstbegriff sei das Wesentliche der künstlerischen Betätigung die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden.28 K vermittelt ihre Gedankeninhalte in Form des Zuges der Befreiung und wird dabei schöpferisch tätig. Daher ist nach dieser Definition der sachliche Schutzbereich eröffnet. Der offene Kunstbegriff sagt aus, dass das zentrale Element der Kunst die Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts sei, also die Möglichkeit der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiter reichende Bedeutungen zu entnehmen, sodass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergebe. 29 Der Zug besitzt einen mannigfaltigen Aussagegehalt und es ist möglich diesem durch eine fortgesetzte Interpretation immer weiterreichender Bedeutung zu entnehmen. Schließlich kann eine praktisch unerschöpfliche Informationsvermittlung möglich sein. Somit liegt gem. dieser Definition Kunst vor. Mithin sind alle Definitionen i.S.d. Art. 5 III 1, 1. Alt. erfüllt und der sachliche Schutzbereich ist eröffnet.! ! b. Hoheitlicher Eingriff! Es müsste ein hoheitlicher Eingriff vorliegen. Der Begriff ist strittig. Laut klassischem Eingriffsbegriff handelt es sich um jedes staatliche, finale und

27 BVerfGE

67, 213 (226 f.) (Anachronistischer Zug).

28 BVerfGE

30, 173 (188 f.) (Mephisto).

29 BVerfGE

67, 213 (226) (Anachronistischer Zug).

!7

unmittelbare Handeln durch einen Rechtsakt.30 Beim erweiterten Eingriffsbegriff ist staatliches Handeln erfasst, dass die Ausübung eines von einem Grundrecht geschützten Verhaltens unmöglich macht oder zumindest erschwert. 31 Das Urteil als staatliches Handeln beeinträchtigt K in ihrer Kunstfreiheit und macht ihr geplantes Handeln unmöglich. Dies stellt einen Eingriff gem. des engen Eingriffsbegriffs dar. Somit ist auch der weite Eingriffsbegriff erfüllt und ein hoheitlicher Eingriff liegt vor.! ! c. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung! Fraglich ist, ob der Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein könnte. ! ! (1) Schrankenbestimmung! Das Grundrecht aus Art. 5 III 1, 1. Alt. ist ein schrankenlos gewährtes. Dennoch besteht die Einschränkungsmöglichkeit durch Rechtsgüter, die unmittelbar der Verfassung zu entnehmen seien, insbesondere Grundrechte Dritter, Umwelt- oder Staatsbelange, sowie Sonn- und Feiertagsschutz. Im Einzelfall können und müssen sie hinter kollidierenden Verfassungsgütern zurückstehen. Man spricht von sog. verfassungsimmanente Schranken.32 Hier kommt der Sonn- und Feiertagsschutz gem. Art. 140 i.V.m. Art. 139 WRV in Betracht. Solche Einschränkungen dürfen jedoch nur durch oder aufgrund eines formell und materiell verfassungsgemäßen Gesetzes ergehen. 33 Das Urteil wäre also gerechtfertigt, wenn es sich als verfassungsmäßige Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranke darstellt. Diese ist hier der Sonn- und Feiertagsschutz, welcher in § 5 I FTG M-V seinen Ausdruck findet. Die Norm müsste jedoch formell und materiell verfassungsgemäß sein.! ! !

30 Pieroth/Schlink, 31 Kloepfer,

Staatsrecht II, Rn. 228.

Verfassungsrecht Band II, § 51 Rn. 31.

32 Grundgesetz

Studienkommentar/Gröpl, Art. 5 Rn. 116

33 Sodan/Ziekow,

Grundkurs Öffentliches Recht, § 24 Rn. 22.

!8

aa. Formelle Verfassungsmäßigkeit des eingreifendes Gesetzes! Fraglich ist, ob § 5 FTG M-V formell verfassungsgemäß ist. Dafür müssten, Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 70 ff., ein ordnungsgemäßes Verfahren gem.! Art. 76 ff. und eine angemessene Form gem. Art. 82 vorliegen.34 Es ist zu unterstellen, dass die vom Landrat angenommene Ermächtigungsgrundlage die richtige sei und das Gesetz in einem ordnungsgemäßen Verfahren verabschiedet wurde. Somit sind Gesetzgebungskompetenz und ordnungsgemäßes Verfahren zu bestätigen. Mangels entgegenstehender Hinweise ist von einer angemessenen Form auszugehen. Mithin ist die Norm formell verfassungsgemäß.!

bb. Materielle Verfassungsmäßigkeit des eingreifenden Gesetzes! Der § 5 I FTG M-V müsste materiell verfassungsgemäß sein. Das ist gegeben, wenn er dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, also ein legitimes Ziel verfolgt, geeignet, erforderlich und angemessen ist. 35 Hier muss das verfolgte Ziel Verfassungsrang aufweisen.36! ! i. Legitimes Ziel ! Es müsste ein legitimes Ziel von Verfassungsrang vorliegen. Das Gesetz schützt u.A. den Karfreitag vor öffentlichen Veranstaltungen um der Bevölkerung Ruhe zu gönnen. Dieser Feiertagsschutz ist ein Schutzgut der Verfassung gem. Art. 140 i.V.m. Art. 139 WRV. Somit liegt ein legitimes Ziel von Verfassungsrang vor.! ! ii. Eignung! Fraglich ist, ob die Norm, durch welche das Urteil und somit das Verbot erwirkt wurden, ein geeignetes Mittel darstellt. Geeignet sei eine Maßnahme, wenn sie der! Zweckerreichung in irgendeiner Weise dienlich ist. 37 Eine Vorschrift, welche öffentliche Veranstaltungen an den aufgeführten Tagen verbietet bzw. nur in

34 Sodan/Ziekow,

Grundkurs Öffentliches Recht, § 17 Rn. 2 ff.

35 Papier/Krönke,

Grundkurs Öffentliches Recht 1, Rn. 237.

36 Grundgesetz 37 BVerfGE

Studienkommentar/Gröpl Art. 5 Rn. 119.

30, 250 (263 f.) (Absicherungsgesetz).

!9

Ausnahmefällen zulässt, ist durchaus zweckdienlich für den Schutz der Ruhe an den gesetzlichen Feiertagen. Mithin stellt das FTG M-V ein geeignetes Mittel dar.! ! iii. Erforderlichkeit! Zu prüfen ist, ob diese Norm erforderlich ist. Nicht erforderlich wäre sie, wenn es ein gleichwirksames, milderes Mittel geben würde. 38 Hier könnte als milderes Mittel ein Aufruf zur Unterlassung derartiger Veranstaltungen an den genannten Feiertagen aufgeführt werden. Jedoch würde dennoch die Möglichkeit bestehen diese durchzuführen, wodurch der Aufruf keine Garantie für Ruhe ist. Somit wäre dieses mildere Mittel nicht gleich wirksam. Folglich ist die Erforderlichkeit der Norm zu bejahen.! ! iv. Angemessenheit! Fraglich ist, ob das Gesetz angemessen ist. Dafür muss das Prinzip der praktischen Konkordanz angewandt werden. Dieses besagt, dass wegen der grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller Verfassungswerte bei Kollisionen nach einer Lösung zu suchen sei, die beide zu optimaler Wirksamkeit kommen lassen. Bei etwaiger gleicher Betroffenheit müssen sich beide einer ungefähr gleichstarken Bindung hingeben. 39 Hier stehen sich § 5 I FTG M-V als Norm mit Verfassungsrang und die Kunstfreiheit gem. Art. 5 III 1, 1. Alt., welche vom hoheitlichen Eingriff betroffen ist, gegenüber. K argumentiert, dass die Kunst in einer freien Gesellschaft als höchstes Gut zu betrachten sei und nicht rückständiger Moral geopfert werden könne. Dagegen steht, dass die Kunst diese Ruhe an den Feiertagen stören könnte, obwohl sie zu Erholungszwecken gewahrt werden sollte. Allerdings geht es bei Kunst auch darum bestimmten Themen Ausdruck zu verleihen. Um dem optimale Intensität zu verleihen, kann es durchaus wichtig sein, diese Veranstaltungen an religiösen Feiertagen durchzuführen. Trotzdem gibt es genügend andere Tage, an denen die Kunstfreiheit ausgelebt werden kann, wohingegen die Tage, für die das Verbot

38 Bethge,

Verfassungsrecht, S. 142.

39 Stein/Frank,

Staatsrecht, § 32 III 1.

!10

gilt, einen geringen Teil ausma...


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