Hausarbeit Franziskus PDF

Title Hausarbeit Franziskus
Course Einführung in die Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit
Institution Technische Universität Dortmund
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Hausarbeit...


Description

Inhaltsverzeichnis 1

EINLEITUNG

2

1.1

FORSCHUNGSFRAGE

2

1.2

VORGEHENSWEISE

2

2

HISTORISCHE KONTEXTUALISIERUNG

4

3

QUELLENANALYSE

5

3.1

CELANO: BRUCH MIT DEM BISHERIGEN LEBEN

5

3.1.1

Der Text der Hauptquelle: eine Analyse

5

3.1.2

Vergleich mit Paulus, Buddha

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3.2

FUČIK: KURZBIOGRAPHIE ZUR ORIENTIERUNG

7

3.3

LEHMANN: DER HEILIGE GEIST RUHT ÜBER DEN ARMEN

8

3.4

ESSER: DER LETZTE WILLE

9

3.5

RUH: MYSTISCHE HOCHZEIT MIT DER ARMUT

10

3.6

DETLOFF: SOLA SCRIPTURA

10

3.7

JUNG: DER KIND-ARCHETYP

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4

FAZIT

11

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LITERATURVERZEICHNIS

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1

Einleitung

Der heilige Franziskus ist sicherlich eine der außergewöhnlichsten Persönlichkeiten der Kirchengeschichte. Charakteristisch für ihn ist der ursprüngliche, mystisch vertiefte Bibelglaube, die intensive Suche nach dem richtigen Geist, der dem Christentum innewohnt, und das unbedingte Bekenntnis zur Armut. Seiner Meinung nach macht erst der Verzicht auf materiellen Besitz den Menschen wirklich frei für den Dienst an Gott. Das hat er oft und eindringlich auch an die Ordensbrüder des von ihm gegründeten Franziskanerordens weitergegeben. Im Seminar „Kirchengeschichte“ war ihm ein eigenes Kapitel mit der Überschrift „Spektakel des Verzichts – Franz von Assisi“ gewidmet, in dem ebenfalls dieser Aspekt seiner Lehre herausgestrichen wird. Was dort auch deutlich gesagt wurde: die individuelle Suche nach einer neuen Religiosität mit mehr Bezug zur Ursprünglichkeit, die durchwegs mit materieller Einfachheit oder Bedürfnislosigkeit verbunden war, ist eine Zeiterscheinung, die schon vor Franziskus massiv einsetzt und etwa zur Gründung der Zisterzienser und Prämonstratenser führt. 1.1

Forschungsfrage

In dieser Arbeit soll gezeigt werden, 

dass der äußere Eindruck eines dramatischen Schauspiels mit großer Außenwirkung (denn Franziskus agierte diese Bekenntnis zur Armut auch in vielen Situationen öffentlich aus) einer intensiven, konsequent gelebten inneren Haltung entspricht, wie sie wohl auch in seiner Zeit einzigartig war,



dass die authentische und zentrale Bedeutung, welche die Armut bei Franziskus einnimmt, auch mit vielen anderen inneren Aspekten seines Lebens, seines Bekenntnisses und seiner Lehre untrennbar verbunden ist,



und dass sie daher wohl jene Tugend darstellt, die ihn selbst von innen her so stark macht.

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1.2

Vorgehensweise

Es handelt sich um eine Literaturarbeit, in der vom Quellentext des Thomas von Celano ausgegangen wird, einem Franziskanermönch und engen Weggefährten der letzten Jahre, der kurz nach dem Tod des Heiligen seine Biographie herausgab. Maßgeblich für die Betrachtung ist dabei jener Abschnitt, der den ultimativen Schritt in den vollständigen materiellen Verzicht darstellt. Zur besseren historischen und biographischen Orientierung wird dieser Quelle eine aktuelle, kompakte Biographie des Franziskus von Regina Fučik gegenübergestellt. Hinzu kommt ein die Biographie des Thomas von Celano kritisch musternder ausführlicher Kommentar von Leonhard Lehmann, auch er ein Franziskaner und maßgeblicher Franziskusforscher der neueren Zeit. Mit seiner Hilfe verbreitert sich das Bild, das man aus der Quelle „Celano“ hat, schon deutlich. Dann wird kurz auf Kajetan Esser eingegangen, der mit seiner außergewöhnlich gründlichen und aufschlussreichen Arbeit zu den Testamenten des Franziskus auch im Bezug auf das Armutsgebot viel zu sagen hat. Was die mystischen Aspekte des Lebens und Wirkens betrifft, ist das Werk von Kurt Ruh maßgeblich, der einen tiefen Einblick in die mystische Bedeutung der „Hochzeit mit der Armut“ gibt. Auch Werner Detloff darf hier nicht fehlen; er hat sich mit der Geistigkeit des Franziskus und seiner höchst individuellen Bibelauslegung beschäftigt und zeigt auf, wie sehr aus dessen Sicht die Armut dem Geist des Evangeliums und einer unverfälschten urchristlichen Lebensweise entspricht. Ein kurzer Ausflug in die außerchristliche Religionsgeschichte zeigt die auffallenden Ähnlichkeiten des Lebens von Franziskus nicht nur mit dem von Jesus, sondern insbesondere auch mit dem des Buddha, und so erscheint es folgerichtig, auch kurz bei C.G. Jung und seinen Archetypen Anleihe zu nehmen, denn Franziskus entspricht ganz idealtypisch einem seiner wesentlichen Archetypen.

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2

Historische Kontextualisierung

Der heilige Franziskus steht in der Kirchengeschichte für den radikalen Bruch mit dem Heldenmythos von Rittern, die sich für Christus auf Kreuzzüge begeben, und für eine Rückkehr zum unverfälschten, urchristlichen Bibelglauben, der sich in das Leben und Aussagen Jesu tief und mystisch versenkt, um ihm ähnlich zu werden. Seine intensive Hinwendung zum Heiligen Geist und seine unbedingte Abkehr von jeglichem materiellen Besitz ermöglicht es ihm, tatsächlich so zu leben und zu sterben wie Jesus selbst (conformitas) Dabei kommt er mit allen Strukturen von Macht und Gelehrsamkeit in Konflikt, die seine Zeit so bestimmten: Die Kirchenväter und ihre Lehren, auch die gesamte Scholastik, bedeuten ihm wenig, und als er plötzlich ungeahnten Zuspruch erlebt und sein Orden rapide wächst, ist er fast verzweifelt, weil er in seiner Rolle als Ordensoberster nicht mehr sein authentisches Leben führen kann. So gibt er die Rolle des Ordensobersten ab, nicht ohne immer wieder zu mahnen und zu schreiben – auch in mehreren Testamenten, die als Briefe klar an seine Brüder gerichtet sind. In dieser inneren und äußeren Spannung gelingt Franziskus immer wieder Unglaubliches: Er verschenkt Ware aus dem Lager seines Vaters, eines reichen Kaufmannes, an die Armen Als ihn sein Vater vor das Gericht bringt, sagt Franziskus aus, er sei nicht mehr von dieser Welt und dieses Gericht daher nicht für ihn zuständig. In einer ähnlichen weiteren Situation zieht er sich vor Gericht nackt aus, und zeigt damit, dass er allem Materiellen entsagt und tatsächlich an seinen Vater keinerlei Erbansprüche mehr stellt Er ist dabei, als es anlässlich eines Kreuzzuges in Ägypten zu Verhandlungen kommt, und er verhandelt mit Khalil, einem Heerführer der Moslems, der von ihm beeindruckt ist und ihm ein Friedensangebot an die christlichen Ritter mitgibt. Leider nehmen diese das Angebot nicht an und es kommt zur Schlacht. Aber das verhindert nicht, dass Khalil von Franziskus nachhaltig sehr angetan und beeindruckt ist: das ist literarisch belegt. Es lässt sich zeigen, dass seine Person und Lehre vom klerikalen Establishment lange Zeit sehr kritisch betrachtet wurde. Es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn manche vermuten, dass seine letztliche Akzeptanz als Ordensgründer ebenso wie seine Heiligsprechung auf eine kluge taktische Entscheidung des kirchlichen Establishments zurückzuführen ist: eine Ablehnung dieses so unbefangen und kompromisslos seinem 4

biblischen Christus nachfolgenden wahren Heiligen hätte wohl einen Flächenbrand unter den Gläubigen ausgelöst, zumal, wie schon erwähnt, sein Weg dem entspricht, was damals viele Christen als echtes Christentum betrachteten. Dass diese kluge, diplomatische und auf Integration bedachte Reaktion der Amtskirche eine der wenigen Ausnahmen darstellt, kann man am Beispiel einiger anderer Persönlichkeiten und der von ihnen gegründeten Gruppierungen sehen, die aus derselben Haltung in genau dieser Zeit entstehen. Petrus Waldes († 1218), ebenfalls aus einer Kaufmannsdynastie stammend, hatte genau wie Franziskus seinen Besitz verschenkt und proklamierte die Armut als den Weg Christi. Das hinderte die Kirche aber nicht daran, seine Anhänger bald als Ketzer heftig zu verfolgen und davon auch über Jahrhunderte(!) nicht abzulassen. Auch der Begriff Ketzer, der sich aus den Katharern („Reinen“) ableitet, zeigt ja das zugrundeliegende Dilemma mehr als deutlich auf: es war zur damaligen Zeit schlicht lebensgefährlich, sich dem „Reinen“ zuzuwenden, denn dafür wurde man von der Kirche verfolgt. Möglicherweise hat die Integration von Franziskus und seine Anerkennung als Heiliger (die erstaunlich rasch passiert ist), die Kirche des 13. Jahrhunderts, die ohnehin vom Schisma gespalten war, vor einer tatsächlichen und unwiderruflichen Spaltung bewahrt, wie sie dann erst mit Luther 300 Jahre später eingetreten ist.

3 3.1

Quellenanalyse Celano: Bruch mit dem bisherigen Leben

3.1.1 Der Text der Hauptquelle: eine Analyse Der in dieser Arbeit als Hauptquelle verwendete Ausschnitt aus der Biographie von Thomas von Celano1 zeigt eine dramatische Situation im Leben eines jungen Mannes aus begüterter Familie. Der Stil ist kraftvoll und voller fast romantisch anmutender Bilder, und die Fakten sind nur ein Rahmen, in dem der Autor immer wieder erbauende, ermahnende und massiv belehrende Betrachtungen und Kommentare einbaut. Die Fakten sind folgende: Es beginnt damit, dass er direkt nach seinem Erleuchtungserlebnis durchglüht und begeistert aus seinem Versteck hervorkommt, und, von göttlicher Glut entzündet, in die Stadt zurückkehrt, voller Zuversicht, und sich seiner Trägheit und Feigheit anklagend. Als er so durch die Straßen geht, abgemagert durch die Kasteiung, fängt er sich den Spott und die Bosheit all jener ein, die ihn ganz anders noch gekannt hatten: als Partytiger und großzügigen 1 Celano, Th. von, (1964), Leben und Wunder des heiligen Franziskus von Assisi, S. 74-77

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Verschwender. Aber er ist demgegenüber taub und empfindet sein neues Leben als Befreiung. Das Gerücht darüber erreicht den Vater, der sofort zu ihm eilt, ihn „wie ein Wolf das Lamm“ packt und zu Hause einsperrt. Schläge, Fesseln, Kerker: das kann ihm alles nichts anhaben: als der Vater weg muss, befreit ihn seine Mutter, und er kehrt an den Ort des Gebets zurück. Der zurückgekehrte Vater „häuft Sünde auf Sünde“, in dem er seiner Frau Vorwürfe macht. Inzwischen ist die Zuversicht des Franziskus gewachsen, und so geht er dem „fleischlich gesinnten“ Vater, der ihn verjagen will, mit festem Mut entgegen und versichert ihn, dass ihm Schläge und Kerker nichts anhaben könnten. Und dann, als der Vater ihm das Geld entwinden will, kommt der erste Höhepunkt des Armutsbekenntnisses: „Der Mann Gottes hatte zwar gewünscht, es für den Unterhalt der Armen und die Gebäude auszugeben“ Aber, da ihm das alles wirklich nichts mehr bedeutete, duldete auch Franziskus keinerlei Verzug: vor den Bischof geführt, zog er sich nackt aus und warf dem Vater alles hin. Der Bischof hob ihn auf, schloss ihn in seine Arme und umhüllte ihn mit seinem Mantel. Dazu gibt es eine weitere Verstärkung an Fakten, die in einer zweiten Szene wiederum den völligen Verzicht und die Nichtachtung des Materiellen zeigen: Räuber ergreifen ihn, werfen ihn in den Schnee und in eine Grube. Aber je härter die Versuchung und Bedrängnis, desto glücklicher: Franziskus springt fröhlich aus dem Schneeloch und läuft geradewegs in die wohl für ihn schlimmste Szene, die allerdings aus Sicht der Heiligenlegende endgültig seinen Ruhm als Heiliger festigt, hinein: er dient in einem Kloster, und zwar unerkannt in der Küche, worauf man ihm aber weder zu essen noch ein Gewand spendiert: „ jegliches Erbarmen“ wurde ihm verweigert, sogar im Kloster selbst! Celano schafft mit dieser Biographie eine Heiligenlegende, die den Vergleich mit anderen solchen Legenden nicht zu scheuen braucht. Im Gegenteil: Nur die Lebensbeschreibungen wirklich großer Persönlichkeiten aus der menschlichen Religionsgeschichte können auf ähnlich radikale Erleuchtungsszenarien zurückgreifen. Das soll gleich der nächste Abschnitt aufzeigen. 3.1.2 Vergleich mit Paulus, Buddha Bedenkt man diese Phase in der Lebensgeschichte des Franziskus, drängen sich unmittelbar zwei Vergleiche auf: Aus der Bibel das Erleuchtungserlebnis des Apostels Paulus, das diesen sprichwörtlich vom „Saulus“, einem der eifrigsten Verfolger der Urchristen, zum „Paulus“, ihrem wohl strategisch wirkungsvollsten Missionar, macht. Aber noch viel mehr bietet es sich

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an, das Leben des Franziskus mit dem von Buddha zu vergleichen2, über den es heißt: „Er lebte in einem Palast, wo ihm alles, was zum Wohlleben gehörte, zur Verfügung stand und wo er der Überlieferung nach von allem weltlichen Leid abgeschirmt wurde. Sein Vater sah in ihm den idealen Nachfolger und wollte verhindern, dass Siddhartha sich von seinem Reich abwendete. Daher wurde ihm nur selten gestattet, den königlichen Palast zu verlassen, und wenn, wurden die Straßen zuvor frei von Alten, Kranken und Sterbenden gemacht. Eines Tages sah er sich aber doch der Realität des Lebens und dem Leiden der Menschheit gegenübergestellt und erkannte eine Sinnlosigkeit in seinem bisherigen Leben: Die Legende berichtet von Begegnungen mit einem Greis, einem Fieberkranken, einem verwesenden Leichnam und schließlich mit einem Mönch, woraufhin er beschloss, nach einem Weg aus dem allgemeinen Leid zu suchen. […] Mit 29 verließ er sein Kind, seine Frau und seine Heimat [… ] suchte seinen eigenen Weg und übte sich dabei vor allem in der Meditation.“ Soweit zur Einordnung der Bedeutung des Heiligen Franziskus, der sich mit dem in der Hauptquelle beschriebenen radikalen Wechsel seines Lebenswandels - so wie Jesus und Buddha - dort bewegt, wo man Gründer von Weltreligionen findet. 3.2

Fučik: Kurzbiographie zur Orientierung

Eine informative und kompakte, aber wohl in ihren Fakten wissenschaftlich gut abgesicherte Biographie des Heiligen wird von INFAG, der Interfranziskanischen Arbeitsgemeinschaft, auf deren Website zur Verfügung gestellt. Sie hilft, den Text der Hauptquelle biographisch gut nachzuverfolgen und die dort angegebenen Elemente des Spektakels des materiellen Verzichts biographisch einzordnen. Allerdings findet man dort auch unbedingt bestätigt, wie eng und untrennbar die Erlebnisse von Armut und Ausgegrenztsein mit der radikalen Wende im Leben des Heiligen verbunden sind3: „Nach tiefgreifenden Begegnungen mit Aussätzigen erkennt er, dass Gott uns in Gestalt der Armen und Ausgegrenzten begegnet, und dass auch Jesus aus diesem Grund arm lebte und verfolgt wurde. Noch am Ende seines Lebens bezeichnet er in seinem Testament diese Begegnungen als den entscheidenden Wendepunkt.“ 3.3

Lehmann: Der Heilige Geist ruht über den Armen

Lehmann, einer der profiliertesten Kenner des Lebens des Franziskus und Herausgeber vieler seiner Schriften, kommentiert auch die Vita des Celano und arbeitet sie gründlich auf 4: „Er 2 „Buddha“, Wikipedia, 2020 3 Fučik, R., (2020), Lebensbeschreibung des hl. Franziskus 4 Lehmann, L., (2020), Der Geist des Herrn als Lebensprinzip bei Franziskus und Klara, S. 2

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wollte überhaupt, dass sein Orden den Armen und Ungebildeten, nicht nur den Reichen und Gelehrten zugänglich sei. „Bei Gott“, sprach er, „gilt kein Ansehen der Person (Röm 2,11), und der Generalminister des Ordens, der Heilige Geist, ruht in gleicher Weise über Armen und Einfältigen.“ Dieses Wort wollte er auch in die Regel setzen, doch die bereits erfolgte Bestätigung ließ es nicht mehr zu“ und kommentiert diese Aussage folgendermaßen: „Welches Wort wollte er in die Regel setzten: das Zitat aus Röm 2,11? Dass der Heilige Geist gleichermaßen auf Armen und Einfältigen wie auf Reichen und Gelehrten ruht? Dass der Heilige Geist der Generalminister des Ordens ist? Oder alles zusammen? Das lässt sich nicht genau bestimmen. Jedenfalls war es ein für Franziskus wichtiger Gedanke, den er in die Regel einbringen wollte, die aber schon abgeschlossen, bulliert war, wie der lateinische Text genauestens sagt (bullatio facta). Doch Franziskus wird den Gedanken noch oft wiederholt haben, so dass die Gefährten ihn weitergaben und Celano ihn hier festhält. Kernaussage ist, dass nicht die Weisen und Klugen den Heiligen Geist gepachtet haben, sondern ebenso oder noch mehr die Kleinen und Einfachen. Das Wort vom Heiligen Geist als Generalminister fällt eher beiläufig und wird auch nirgendwo sonst überliefert. Dennoch kann es ein Logion, ein dictum des Franziskus sein. Das zu beweisen wird kaum möglich sein und ist auch nicht unsere Absicht. Was wir hier vielmehr anstreben ist: zu schauen, ob dieses Wort auf der Linie Francescos liegt, ob es in seine Gedankenwelt passt. Ist der Geist wirklich für ihn ein Prinzip, von dem alles ausgeht? Spielt der Heilige Geist eine solche Rolle, dass er der allgemeine Diener, der minister generalis ist und ohne ihn nichts läuft? Dass er das Lebensprinzip ist – im Sinne des Pauluswortes: „Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig“ (2 Kor 3,6), oder bei Johannes: „Der Geist ist es, der lebendig macht, das Fleisch nützt nichts“ (Joh 6,64). Bei Lehmann ist also herausgestellt, wie sehr der Geist des Herrn hochgehalten, ja sogar als Ordensoberster angesehen wird (und das nicht nur formal oder gar aus taktischdiplomatischen Erwägungen, wie Lehmann gleich zu Beginn ausführt), und wie das der Grund für den Verzicht auf das „weniger Geistige“ ist. Aus Lehmanns Sicht bedeutet das nicht nur den Verzicht auf materiellen Besitz, sondern auch auf jede Art von Status (den des Kirchenfürsten, Ordensobersten, oder auch den des angesehenen scholastischen Wissenschaftlers und „Kirchenvaters“)

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Von Lehmann stammt auch die Hinweis auf die exegetische Einfachheit des Franziskus und auf seine Eigenart, Erkenntnisse aus biblischen Aussagen unmittelbar und wörtlich im Leben umzusetzen5: „ebenso verhält es sich mit dem Attribut „gut“: da Gott […]„allein gut“ ist, preist ihn Franziskus als „alles Gut, höchstes Gut, ganzes Gut […] von dem jegliches Gute kommt, ohne den nichts Gutes ist“ […], und niemals nennt er den Menschen gut.“ Die scholastische Exegese ist bei Franziskus überhaupt nicht Thema: die Bibel wird einerseits wörtlich genommen (und zwar nicht nur mystisch-spirituell, sondern ganz direkt und wörtlich, wie man oben erkennt: Nur Gott ist „Gut“, daher kann man – so die konsequente Logik des Franziskus - keinen Menschen als „gut“ bezeichnen, aber andererseits geht es immer darum, den Sinn, den Geist des Wortes zu empfinden und zu leben. 3.4

Esser: Der letzte Wille

Es geht bei diesem Forscher und der hier verwendeten Quelle 6 ganz ausdrücklich um das Testament des Franziskus, und zwar um das letzte. Esser zeigt auf, dass es die Sorge des Heiligen Franziskus um die Entwicklung des Ordens war, die ihn zur Verfassung desselben bewogen hat. Inhaltlich zeigt dieses Testament sehr direkt - und ohne die sonst üblichen Verbesserungsarbeiten juristischer und formaler Natur, die Franziskus oft selbst veranlasste den unbedingten Wunsch, die Brüder noch einmal zu den wichtigsten Regeln und Grundtugenden zurückzuführen. Es geht in diesem Beitrag vordergründig auch um die spitzfindige Frage, ob der Orden Häuser eignen sollte, oder ob man sich völlig auf eine Existenz als Bettelorden einstellen wolle. Aber im Kern erkennt der Autor doch wiederum die Thematik des Armutsgelübdes, auch wenn es sich nunmehr um einen zahlenmäßig stürmisch angewachsenen Orden handelte, dessen offizielle Führung Franziskus mittlerweile in andere Hände gelegt hat, weil er selbst sich nicht so sehr als Organisator einer solch großen Struktur sehen und fühlen konnte: Er wollte, so schreibt Esser, den Brüdern unbedingt noch etwas sagen, und er wollte in den letzten Todesstunden vor allem noch jene stärken, die gegen die „Fortschrittlichen“ und die „adversarii“ eine Aussage des Franziskus selbst in der Hand halten und sich darauf beziehen können wollten („ad quod recurramus post mortem tuam“), falls es Debatten um die weitere Entwicklung des Ordens gäbe.

5 Derselbe, S. 3 6 Esser, K., (1949), Das Testament des heiligen Franziskus von Assisi, eine Untersuchung über s...


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