Hausarbeit II - Eisenbahnausbau als Treibkraft der Industriellen Revolution in Deutschland PDF

Title Hausarbeit II - Eisenbahnausbau als Treibkraft der Industriellen Revolution in Deutschland
Author Max Maier
Course Die Industrielle Revolution
Institution Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau
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Summary

Eisenbahnausbau als Treibkraft der Industriellen Revolution in Deutschland...


Description

Industrielle Entwicklung der Eisenbahn in Deutschland: Technische Innovation oder ungeliebte Neuerung?

Einleitung

2

Produktion in Leitsektoren – Wirtschaftlicher Aufschwung in Deutschland

5

Die Eisenbahn als Transportmittel

7

Ideen und Kapital – Der Weg deutscher Unternehmer an die Weltspitze

9

Der Arbeitnehmer – Leidtragender der Entwicklung?

11

Fazit

15

1

Einleitung Der industrielle Wandel innerhalb Europas und insbesondere innerhalb des heutigen Deutschlands ging rasch voran. Von Großbritannien ausgehend verbreitete sich die Innovation geradezu rasant über den gesamten westlichen Kontinent. Innerhalb nicht einmal eins ganzen Jahrhunderts erfolgte in zahlreichen Nationen eine derartige Umstrukturierung von feudal geprägten Agrargesellschaften zu produktionsgeleiteten Industriegesellschaften, dass allen Zeitgenossen klar war, dass im Zuge dieser Veränderung nichts mehr so sein würde wie zuvor. Von der unaufhaltsamen Modernisierung einmal abgesehen, erhielt die Industrialisierung nicht zuletzt besonders in Deutschland 1 eine bedeutende Eingendynamik, welche sich in immer höheren Produktionsvolumen in immer kürzerer Zeit zum Einen, zum Anderen auch in immer höherer Notwendigkeit von spezifischen Transportmitteln für Rohstoffe und Güter äußerte. Der Ausbau des Eisenbahnnetzes auf dem deutschen Gebiet verband sich somit unmittelbar mit dem Ausbau der Industrie und ihrer Fabrike sowie in direkter Weise mit der ökonomischen Schlagkraft Deutschlands gegenüber dem größten zeitgenössischen Konkurrenten Großbritannien.2 Zu Beginn möchte ich kurz auf die grundsätzliche Entwicklung der industriellen Revolution als Fogle der Agrarrevolution auf deutschem Gebiet eingehen und insbesondere die Schwerindustrie als deren treibende Kraft und Leitsektor eingehen. Kurze theoretische Einschübe, beispielsweise Rostows Ansätzen der leading sectors3 sowie Fremdlings Kopplungseffekte4 sollen gerade unter dem Gesichtspunkt einer sich schnell ändernden Infrastruktur5 der Veranschaulichung dienen. Fremdlings Argumentation der Verflechtung sowie

der

gleichzeitigen

Beflügelung

von

Transportmittelherstellung

und

Schwermetallindustrie verdeutlicht die Notwendigkeit des Eisenbahnausbaus und markiert 1 Des Verständnisses wegen wird im Laufe der Abhandlung von Deutschland gesprochen, wenngleich es zum größten Teil des untersuchten Zeitraumes noch keinen deutschen Einheitsstaat gab. In diesem Fall ist in der Regel von den Vorgängerstaaten des deutschen Kaiserreichs auszugehen. 2 Vgl. Then:2011:179-190. 3 Vgl. Walt W. Rostow: Leading sectors and the take-off, in: Rostow:1963:1-21. 4 Rainer Fremdling (*), deutscher Wirtschafts- und Sozialhistoriker, lieferte zahlreiche Ansätze und Theorien, welche für diese Abhandlung maßgeblich sind. Zu den ökonomischen Interdependenzen zwischen den Sektoren siehe insb. Fremdling:1979:202-205. 5 Zur Begrifflichkeit der Infrastruktur und ihren ökonomisch-soziologischen Ansätzen kann das Werk von Reimut Jochimsen zur Vertiefung einer mehr wirtschaftlichen Denkweise herangezogen werden, insbesondere Jochimsen:1966:103ff.

2

den wichtigen Punkt der Unumkehrbarkeit des Prozesses und die letztendliche Unabhängigkeit und Eigendynamik, welche die Industrialisierung zu diesem Zeitpunkt bereits

genommen

hat.

Statistische

Exkurse

und

Randinformationen,

wie

die

Produktionsvolumina und Leitsektoren sich in Deutschland insbesondere im Vergleich zu Großbriannien verhalten, werden eine ökonomische Expertise zu der Situation abrunden. Davon ausgehend soll sich der Fokus der Arbeit auf die Gesellschaft verlagern. Um den sich unaufhaltsam vollziehenden Wandel zunächst theoretisch aufzuarbeiten, werden die Studien Rostows6 sowie sein fünfstufiges Modell zur Entwicklung einer ursprünglichen Agrargesellschaft zu einer forschrittlichen Industrienation veranschaulichen, welchen Umschwung ökonomischer wie auch sozialer Art die Bevölkerung in dieser Zeit durchgemacht hat. Die bildliche Ausarbeitung dieses Komplexes, und somit auch die empirische Brücke, die ich zu bauen versuche, ist die zunehmende Omnipräsenz der Eisenbahn innerhalb Deutschlands, welche es den Menschen schlicht unmöglich machte, ihr als Verdeutlichung der Industrialisierung aus dem Weg zu gehen. Der Ausbau der Industrie und des Transportwesens hatte in dieser schnelllebigen Epoche den obersten Standpunkt eingenommen, welchem sich die politische Führung, der Adel und das Bürgertum gleichermaßen verschrieben hatten. Die Fragen, wie sich somit auch die jahrhundertelang vorherrschende Ständegesellschaft endgültig zersetzte und welche möglichen Auswirkungen der industrielle Aufschwung in Deutschland allgemein auf die gesellschaftlichen und sozialen Begebenheiten des Landes hatte, sind ebenfalls Ansätze, die hier von Bedeutung sein werden. Denn es soll grundsätzlich um die Bevölkerung gehen, die Menschen, die über viele Generationen in einem Teilsektor der Agrargesellschaft beschäftigt waren und im behandelten Zeitraum zwangsläufig eine grundsätzliche Veränderung gespürt haben müssen, welche ihre Existenz vor neue Herausforderungen gestellt haben muss. Aber war es eine Bedrohung, oder eine Chance? Und genau hierbei soll die zentrale Intention im Hauptteil dieser Abhandlung liegen. Es geht darum, zum einen zu zeigen, welche Möglichkeiten der mit dem Eisenbahnausbau einhergehenden industrielle Wandel für die Bevölkerung bot, und das immer unter Berücksichtigung persönlicher Existenz, gesellschaftlicher Schicht und nicht zuletzt Wohnort innerhalb des deutschen Gebietes. Es wird nicht überraschend sein festzustellen, 6 Vgl. Rostows 5-Stufen-Modell industrieller Entwicklung, ausführlich beschrieben bei Rostow:1963:1121.

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dass sowohl der Eisenbahnausbau als auch die industrielle Entwicklung als Solche in verschiedenen Teilen Deutschlands auf unterschiedliche Weise abliefen, wie sich die Gesellschaft in unterschiedlich weit fortgeschritten industrialisierten und ausgebauten Existenzen dahingehend entwickelt, wird ebenfalls ein interessanter Punkt sein. Zuletzt geht es hier um die persönliche Ansicht der Zeitzeugen, die Haltung, die sie der sich ausbauenden Schwerindustrie sowie insbesondere der Eisenbahn entgegenbrachten. War es eine technische Innovation, in welcher sie Erleichterung für ihre eigene Existenz erkannten und die Entwicklung mit Interesse und Neugier betrachteten, oder überwog eine skeptische Sichtweise, die die Veränderung scheute und ihr nicht zuletzt durch die Bedrohung von Leben und Arbeit der Zeit zuvor ablehnend gegenüber stand? Zeigen soll sich am Ende eine Art Querschnitt verschiedenster Menschen und Menschengruppen aus verschiedenen Orten wie Schichten, beide Ansichten sollen ihren Platz in dieser Arbeit finden. Es geht auch nur bedingt darum, eine abschließende Beurteilung zu fällen, inwieweit die fortschreitende Industrialisierung anhand des Eisenbahnausbaus nun letztendlich von Vorteil oder von Nachteil für das Bürgertum wie auch für die Arbeiterschaft gewesen ist, vielmehr soll eine Diversität der Situationen veranschaulicht werden, in welchen sich die deutsche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts in vielfacher Weise befunden hat.

Produktion in Leitsektoren – Wirtschaftlicher Aufschwung in Deutschland Um einen guten Überblick über die allgemeinen Entwicklungen in der Ära der industriellen Revolution zu erhalten und in der Lage zu sein, die Begebenheiten für die Menschen zu verstehen und ihre damalige Situation beurteilen zu können, kommen wir um eine kurze Analyse der ökonomischen Grundbedingungen nicht herum. Die Begrifflichkeit Industrialisierung hilft uns dabei nicht, prägnante Aussagen über die einzelnen Entwicklungen treffen zu können, die Herangehensweise muss eine Detailliertere sein. Ein guter Startpunkt bilden dabei die Ansätze Rainer Fremdlings. Fremdling nennt sogenannte Leitsektoren7,

welche die deutsche Industrie insbesondere

7 Vgl. Rostows Beschreibung der Leitsektoren bei Rostow:1963:1-10.

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durch ihre Vernetzung und Wechselwirkung mit anderen Schlüsselproduktionen besonders beeinflussen konnten. Als Leitsektor kann in Deutschland ohne Zweifel die Schwerindustrie gelten, welche sich als letztliche Triebkraft für die Eisenbahn als nachgelagertem Produktionssektor herausstellen sollte. In erster Linie war es der Ausbau dieses neuartigen Transportmittels, welcher für die große Nachfrage nach Kohle, Eisen oder Stahl sorgte und die

gesamte

Schwermetallindustrie

regelrecht

beflügelte.

Die

Produktion

von

Zwischenprodukten, in Fremdlings Beispiel der Schienenbau8, veranschaulichen dabei im Besonderen den gegenseitigen Kopplungseffekte zwischen Schwermetallproduktion und Eisenbahnausbau. Schließlich ging es bei jeder Güterherstellung auch zunehmend um schnellere Transportwege, um die Erzeugnisse möglichst weiträumig, flexibel und effizient vom einen Ort zum anderen bringen zu können. Zu betonen sind hierbei die Wechselwirkungen zwischen dem vorgelagerten Sektor, der mit der Rohstoffgewinnung beginnt und Eisen, Kohle und Stahl bereitstellt sowie dem nachgelagerten Sektor, welcher die Materialien zu Endproukten verarbeitet, in diesem Fall Schienen und Eisenbahnen. Die demands und supplies9, in Keohanes Entwicklungstheorie die Operatoren für Angebot und Nachfrage, entwickeln sich dabei in direkter Abhängigkeit voneinander: Zum Einen kann höherer Bedarf an Endproduktion die Rohstoffproduktion nachhaltig ankurbeln, und zum Anderen, gibt es einen Preisnachlass bei Gütern im vorgelagerten Sektor, beschleunigt dies die

Investitionsbereitschaft

im

nachgelagerten

Sektor.

Vereinfacht

gesagt,

der

Eisenbahnausbau steigert die Nachfrage nach Eisen und Stahl und schafft zugleich ein größeres Angebot, woraufhin die Schwermetallindustrie mit niedrigeren Preisen reagiert, welche den Prozess in die andere Richtung wieder beschleunigt. Beide Seiten profitieren also voneinander. Zugleich schaffen sie mit dem Endprodukt von Transportwegen durch ein ausgebautes Einsenbahnnetz bessere Handelsbedingungen für andere Industriebereiche, insbesondere bei der Roheisen- und Kohleherstellung.10 Somit, und damit soll sich der Kreis schließen, war es also gleichermaßen im Interesse aller Produktionssektoren der deutschen Industrie, die Eisenbahn zügig auszubauen und zu vernetzen, nicht zuletzt dadurch manifestierte sich die Industrialisierung auf deutschem 8 Vgl. zu Angebot und Nachfrage nach Zwischenprodukten insbesondere im Eisenbahnsektor Fremdling:1979:207-210, sowie die statistische Aufstellungen über die Herkunft des preußischen Schienenbestandes bei Fremdling:1979:211. 9 Zur staatlichen Situation in Deutschland während der take-off-Phase dient die Argumentation Keohane zur Errichtung supranationaler Zusammenarbeit. „The more concetrated power is in a (…) system, the greater the supply of international [cooperation] and demand“, Keohane:1982:326f. 10 Siehe statistische Darstellungen zur Entwicklung einzelner Leitsektoren im deutschen Raum am Beispiel der Kohleherstellung bei Fremdling:1979:219-222.

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Boden in erster Linie auf die Schwermetallindustrie, die sich als Dreh- und Angelpunkt der gesamten Entwicklung herausstellen sollte und deren Absatzzahlen auch hier ein zentraler Gradmesser für die ökonomische Schlagkraft Deutschlands in dieser Phase sein sollen.11 Die von Fremdling beschriebenen Rückwärts- und Vorwärtskopplungseffekte, wirkten sich neben den ökonomischen Aspekten gerade im Vergleich zum Konkurrenten und Vorreiter in Bezug auf industrielle Revolution Großbritannien sehr unterschiedlich aus, sowohl auf die Wirtschaft als auch auf die Gesellschaft. Rein ökonomisch betrachtet unterscheiden sich bei einem Vergleich nicht nur die jeweiligen Leitsektoren, welche bei der Industrialisierung maßgebend waren, sondern auch die Art und Weise, wie sich sich unabhängig voneinander entwickelten. So war es in Großbritannien nicht ein nach Fremdling vorgelagerter Sektor wie die Schwerindustrie, der als „Motor der Industrialisierung“12 gelten konnte, sondern vielmehr Produktionsgüter wie die Textilindustrie, welche treibende Kräfte der Entwicklung waren. Dies sorgte für ein anderes Produktions- und Transportverhalten bei der Herstellung der Handelsgüter, was der Kerngrundsatz in beiden Ländern war, der Eisenbahn eine so zentrale Rolle für den wirtschaftlichen Aufschwung zukommen zu lassen. Die Fokussierung der deutschen Industrie auf die Rohstoffgewinnung bzw, einem ökonomisch vorgelagerten Sektor bot in dieser Hinsicht zugleich mehr alternative Produktionen von Endproduktionen und mehr Raum für die wissenschaftlichen und technischen Innovationen der eigens hergestellten statt importierten Güter 13, ein Aspekt, der maßgeblich zur Ablösung Großbritanniens als führende Industriekraft Europas durch Deutschland führte. Insbesondere im Bereich Transportmittel, und somit im Wesentlichen beim Eisenbahnausbau, war Deutschland in der Lage, ein deutlich schnelleres Entwicklungstempo an den Tag zu legen, was den Handel im ausgehenden 19. Jahrhundert immer weiter optimierte.14

Die Eisenbahn als Transportmittel 11 Übersicht über die Interdependenz der Eisenbahnindustrie mit anderen Leitsektoren, Fremdling:1979:224. 12 Prädikat zur Klassifizierung des Einflusses und der Rolle der Schwerindustrie sowie insbesondere des Eisenbahnsektors als Schrittmacherindustrie in Deutschland, welches von zahlreichen Forschern aufgegriffen und beschrieben wurde. 13 Eine Kurzübersicht der technischen Innovationen als Kennzeichen des industriellen Aufschwungs in Deutschland findet sich bei Kiesevetter:1988:195ff. 14 Vgl. Vergleichender Index der industriellen Produktion in europäischen Ländern zwischen 1860 und 1913, siehe Handbuch für Wirtschafts- und Sozialgeschichte:1985:149.

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Das immer weiter entwickelte Eisenbahnnetz, was in dieser Abhandlung gleichermaßen Verdeutlichung der materiell sichtbaren wie auch allgemein unüberwindbaren Präsenz des industriellen Fortschritts auf dem gesamten Staatsgebiet sein soll, wirkte sich in großem Maße also auch auf die Gesellschaft aus. Dass sich die Eisenbahn somit auch für die Bevölkerung als der Faktor herausstellte, welche die Industrialisierung für alle Schichten und Arbeitsbereiche greifbar machen sollte, verdeutlicht sich auch an der geographischen Ausbreitung des Eisenbahnnetzes. Vom provinziellen Sachsen und Oberschlesien ausgehend, wurde zunächst von regionalen Linien ausgehend im Laufe der 1840er Jahre eine sogenannte „Querlinie“15 in das industriereiche Rheinland errichtet, kurz darauf zunächst nach Berlin, in den Norden anch Hamburg und in den Süden bis nach Basel16. Dass nicht größere Städte, sondern meist provinzielle Industriegebiete an erster Stelle standen, zeigt sich insbesondere daran, dass vorindustrielle Großstädte wie Frankfurt oder München erst einige Jahre später an das Fernverkehrsnetz angebunden wurden. Zwar war die erste Bahnlinie, welche 1835 auf deutschem Gebiet fuhr, eine Personenstrecke17, doch war der größte Impuls für den rasanten Ausbau an dieser Stelle ohne Zweifel der Gütertransport. Hinzu kam die Abhängigkeit der einzelnen Strecken von den Gliedstaaten des späteren Kaiserreichs

sowie

die

noch

zu

Anfang

vielfach

vorherrschenden

privaten

Eisenbahngesellschaften, welche erst nach und nach verstaatlicht und vereinheitlicht wurden. Erst mit dem Zollverein 1833/34 18 konnte sich der Handel innerhalb Deutschlands per Eisenbahn endgültig als profitabel erweisen. Doch so unterschiedlich, wie die Gebiete, durch welche die Eisenbahn verlief, auch beschaffen waren, so unterschiedlich war auch ihre jeweilige Bevölkerung innerhalb der Industrie positioniert. Um der Frage, wie die Menschen den Eisenbahnausbau und die daraus folgenden Veränderungen ihres Umfeldes und ihrer Arbeit wahrnahmen, weiter auf den Grund zu gehen, möchte ich nun zunächst Beispiele für eine Personengruppe anführen, welche von den raschen Veränderungen der Industrialisierung beruflich wie auch in erster Linie finanziell profitiert hat. Im Zuge der verstärkten Nachfrage nach Rohstoffen und 15 Rheinlinie: Eisenbahnstrecke zwischen Bonn und Köln, errichtet 1843. Mehr zum Ausbau des Eisenbahnnetzes in Deutschland ab den 1840er Jahren bei Then:1997:53-57. 16 Vgl. Setzler u.a., Die industrielle Revolution in Baden-Württemberg, S. 14ff. Und Ziegler:1996:327/481. 17 Erste deutsche Eisenbahnfahrt am 7. Dezember 1835 über die 6km lange Strecke von Nürnberg nach Fürth mit der Lokomotive „Adler“, vgl. Ziegler:1996:26-36. 18 Vgl. Wege zum Deutschen Zollverein (1815-1833) in: Kiesevetter:1988:37 ff.

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Zwischenprodukten wie Eisen, Stahl und Kohle – insbesondere für die Erweiterung des Eisenbahnnetzes – benötigten die Regierungen der einzelnen deutschen Gliedstaaten als oberste Impulsgeber wirtschaftlichen Aufschwungs eine Größe mehr als jede Andere: Kapital. Um weiterhin in der Lage sein zu können, sowohl Produktionsmethoden als auch den Gütertransport weiter zu optimieren, öffnete man sich mehr und mehr für privat geleitete Finanzierungs- und Aktiengemeinschaften, welche für enorme Kapitalströme innerhalb kurzer Zeit sorgen konnten.19 Während in England insbesondere Kreditunternehmen wie die von Nathan Meyer Rothschild geführte Rothschild-Bank für große finanzielle Ressourcen sorgte, finanzierte dessen jüngerer Bruder Jakob Rothschild nicht zuletzt durch seine Filiale in Paris weitestgehend im Alleingang den Ausbau des Eisenbahnnetzes in Frankreich. 20 In Deutschland dagegen zeigte sich diese Entwicklung anhand von Investitionsgesellschaften, wer über Wohlstand und Kapital verfügte, konnte Aktienbeteiligungen und sonstige Titel an den jungen Industrieunternehmen erwerben und somit als privater Unternehmer davon profitieren, selbst wenn er mit Branche und Produktion selbst nichts zu tun hatte – ein Vorläufer des heutigen Investitionskapitalismus. Für wohlhabende Unternehmer war dies insofern eine ausgesprochen vielversprechende Vermögensanlage, dass nicht selten Dividenden von 40 Prozent ausgezahlt wurde und zum Anderen auch mittelfristig kein Abbruch des industriellen Aufschwungs abzusehen war. Dass sich unter diesen Bedingungen eine neue reiche und einflussreiche Elite ausbilden und nicht einmal ein halbes Jahrhundert nach Abschaffung der klassischen Stände21 auf deutschem Boden ausbilden konnte, liegt anhand dieser Betrachtungsweise auf der Hand. Stellvertretend für diese neuen „Industrieadel“ kann der Werdegang von Einzelunternehmern wie August Borsig22 als Vertreter der Eisenbahnindustrie oder Alfred Krupp 23 als Vertreter der Rohstoff- und Schwermetallindustrie am Ehesten verdeutlichen, welchen Profit einzelne Personen oder Familien aus der industriellen Revolution und insbesondere der Beflügelung der Schwermetallindustrie ziehen konnten. Dass sie als zunehmend vermögende Pioniere der 19 Vertiefende Ausführungen zur Bankensituation in Deutschland vor und nach den Kapitalströmen in das Industriewesen bei Kiesevetter:1988:284-290. 20 Vgl. Lembke:2008. 21 Abschaffung der Ständegesellschaft im feudalen Sinn in zahlreichen deutschen Staaten mit Vorreiterrolle Preußens nach 1800, insbesondere die Bauernbefreiung, Städtreform und Gewerbefreiheit um 1808. 22 August Borsig (1804-1854), bedeutender Entwickler und Pionier der Eisenbahnkonstruktion, ausführliche biographische Werke von Fritz Pachtner und Kurt Pierson im Literaturverzeichnis. 23 Alfred Krupp (1812-1887), maßgeblicher Begründer des Gusseisenunternehmens Krupp, welches er von seinem Vater Friedrich übernahm, vgl. hierzu die biographische Krupp-Monographie von Lothar Gall.

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technischen Innovation der deutschen Industrieentwicklung und ihrer Begleiterscheinungen 24 positiv gege...


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