Mordmerkmale - Strafrecht Wintersemester Jura FU 1. Semester PDF

Title Mordmerkmale - Strafrecht Wintersemester Jura FU 1. Semester
Course Einführung in das Strafrecht I und Delikte gegen die Person
Institution Freie Universität Berlin
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Strafrecht Wintersemester Jura FU 1. Semester...


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Univ.-Prof. Dr. Gerhard Seher

Übersicht Mordmerkmale

Mordmerkmale der 1. Gruppe (Motivmerkmale): Mordlust = Der Wunsch, einen anderen sterben zu sehen, ist alleiniger Antrieb zur Tat (z.B. Tötung aus Neugier).  BGH NStZ 2007, 522 und NStZ 2008, 94

Zur Befriedigung des Geschlechtstriebes = Der Täter sucht im Tötungsakt geschlechtliche Befriedigung (Lustmörder) oder er will seine Geschlechtslust an der Leiche selbst (Nekrophilie) oder durch Betrachten von Videos des Tötungsaktes (Kannibale von Rotenburg, BGHSt 50, 80) oder durch Verspeisen von Leichenteilen befriedigen; außerdem der Sexualverbrecher, der mit bedingtem Tötungsvorsatz Gewalt anwendet.

Habgier = ungezügeltes und rücksichtsloses Gewinnstreben um jeden Preis; der Täter muss durch die Tötung eine unmittelbare Vermögensmehrung oder die Aussicht darauf erstreben. P: Reicht es aus, dass der Täter Aufwendungen vermeiden will? (dafür BGHSt 10, 399; dagegen SKHorn, § 211 Rn. 14)

Sonstige niedrige Beweggründe = Tatantriebe, die nach allgemeiner rechtlich-sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen; Gesamtwürdigung aller Umstände der Tat und der Person des Täters erforderlich (z.B. Rachsucht, Wut, Zorn, Hass, Eifersucht, soweit diese auf einer verwerflichen Gesinnung beruhen, ihnen also ein sozial nachvollziehbarer Anlass fehlt). P: Abweichende Wertvorstellungen insbes. ausländischer Täter: Nach BGH NJW 1995, 602 werden sie nicht als solche berücksichtigt, sondern an den hiesigen Wertmaßstäben gemessen; das Mordmerkmal entfällt aber, wenn dem Täter die Umstände nicht bewusst waren, die seine Beweggründe zu „niedrigen“ machen, oder er unfähig war, sich aus seinen Wertvorstellungen zu lösen.

Mordmerkmale der 2. Gruppe (Verwerfliche Begehungsweise):

grausam = Zufügen besonders schwerer Qualen körperlicher oder seelischer Art, die über das zur Tötung Erforderliche hinausgehen (objektives Element). Dieses Verhalten muss in gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung erfolgen (subjektives Element).  BGH NStZ 2007, 402 (ablehnend) zum Verhungernlassen eines Kindes

mit gemeingefährlichen Mitteln = Tatmittel, deren Wirkungsweise der Täter in der konkreten Situation nicht sicher kontrollieren kann und die daher über das oder die ausersehene(n) Opfer hinaus eine Mehrzahl unbeteiligter Dritter gefährden können (z.B. Tötung durch Brandstiftung, Explosion oder Brunnenvergiftung, vorsätzliche Geisterfahrt [BGH NStZ 2006, 503]).

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heimtückisch = Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung (BGHSt 9, 385) 

Arglos ist, wer sich bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs (d.h. bei Eintritt der Tat in das Versuchsstadium) keines tätlichen Angriffs auf Leib oder Leben (!) versieht. Die Fähigkeit zum Argwohn fehlt bei Kleinstkindern und Bewusstlosen (hier aber Arglosigkeit eines schutzbereiten Dritten denkbar!), nicht aber bei Schlafenden („Er nahm seine Arglosigkeit mit in den Schlaf.“).



Wehrlos ist, wer infolge seiner Arglosigkeit in seiner Verteidigung zumindest stark eingeschränkt ist.



Ausnutzen liegt vor, wenn sich der Täter die Lage des Opfers listig, hinterhältig oder planmäßigberechnend für die Zwecke der Tötung nutzbar macht.

P: Ist die Annahme weiterer, einschränkender Voraussetzungen geboten? Vertreten werden: – Erfordernis eines verwerflichen Vertrauensbruchs (z.B. Sch/Sch-Eser, § 211 Rn. 26) (Kritik: führt zu willkürlichen Ergebnissen) – Lehre von der negativen Typenkorrektur (z.B. SK-Horn, § 211 Rn. 6): Mordmerkmale haben nur Indizwirkung für die Tatbestandserfüllung, die zu verneinen ist, wenn nach einer Gesamtwürdigung die Tat als nicht besonders verwerflich einzustufen ist. – „Rechtsfolgenlösung“ des BGH (Strafmilderung analog § 49 StGB) nur in ausweglosen, notstandsähnlichen Lagen oder bei schwerer Kränkung bzw. Provokation durch das Opfer (BGH [GrS] 30,105).

Mordmerkmale der 3. Gruppe (Absichtsmerkmale):

Begehungsabsicht = Das Ziel, eine andere Straftat zu begehen, muss dominierendes Motiv des Täterhandelns sein. Hinsichtlich des Todeserfolgs genügt dolus eventualis. Hinsichtlich der „anderen Straftat“  bei Verdeckungsabsicht.

Verdeckungsabsicht = Der Täter tötet, um dadurch eine vorangegangene Straftat als solche oder Spuren zu verdecken, die Aufschluss über bedeutsame Umstände der Tat geben könnten (BGH NJW 2005, 1203). – Bedingter Tötungsvorsatz genügt nur dann, wenn das Verdeckungsziel nach Tätervorstellung auch ohne den Tod des Opfers erreichbar ist. P: Genügt die Absicht, außerstrafrechtliche Konsequenzen der Straftat zu vermeiden? (bejahend BGHSt 41, 8; dagegen Rengier, BT II 4/56: Fall niedriger Beweggründe). P: Ist ein Verdeckungsmord durch Unterlassen denkbar? (bejaht von BGH JR 2004, 77; str.) P: Wann liegt eine „andere Straftat“ vor? – Weder der konkurrenzrechtliche noch der prozessuale Tatbegriff anwendbar!  Kriterien str. – War die Vortat mit Tötungsvorsatz (gegen dasselbe Opfer) ausgeführt, ist sie nur bei Erfolglosigkeit und deutlicher zeitlicher Zäsur eine „andere Tat“. – Str., ob „andere Straftat“ vorliegt, wenn der Täter es nur unterlässt, einen Todeserfolg abzuwenden, der aufgrund vorherigen aktiven Tuns mit Tötungsvorsatz droht (abl. BGH NJW 2003, 1060). – Die andere Straftat braucht keine eigene Tat des Täters zu sein. – Nach h.M. genügt es, dass der Täter glaubt, es handele sich um eine strafbare Tat, während tatsächlich ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

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