Politische Psychologie (Alle Vorlesungen) PDF

Title Politische Psychologie (Alle Vorlesungen)
Course Politische Psychologie: Persönlichkeit und Politik
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Politische Psychologie: Persönlichkeit und Politik Prof. Dr. Markus Freitag

Institut für Politikwissenschaft Universität Bern

POLITISCHE PSYCHOLOGIE: PERSÖNLICHKEIT UND POLITIK Vorlesung 1: Einführung und Übersicht 1. Relevanz des Themas 1.1.

Der Zeitgeist  Denk- und Fühlweise unseres Zeitalters: Individualisierung der Lebensführung  der oder die Einzelne strebt nach einem selbstbestimmten Leben und Selbstverwirklichung  Betonung der Autonomie und Einzigartigkeit des Einzelnen rückt automatisch die Frage nach der Beschaffenheit der Persönlichkeit in den Mittelpunkt des analytischen Interesses

1.2.

Unser Alltag  Selbsteinschätzungen der Persönlichkeit dienen der Bewältigung alltäglicher Herausforderungen: Halte ich das durch? Bin ich zu sensibel? Kann ich mich durchsetzen? Bin ich schlau genug? Schaffe ich das rechtzeitig? Bin ich wirklich kreativ?  Einschätzungen des Gegenübers (Partnerschaft, Wohngemeinschaft, Arbeitgeber etc.) zur Minimierung von Lebensrisiken  Inhalt für all diejenigen von Interesse, die an der Ausleuchtung des Charakters und den damit verbundenen Konsequenzen Gefallen finden

1.2.1. Unser politischer Alltag  «Denn Menschen legen tief verankerte Verhaltenstendenzen nicht ab, sobald sie sich der politischen Sphäre nähern» (Schoen 2012, 49)  Persönlichkeit bedeutsam für politisches Denken du Handelns  Beschreibung von Politikern (aktuelles Beispiel: Bundesrat)  Öffentliche Charakterisierung politischer Gegner seit Beginn der 1990er («Messerstecher»-Inserat 1993) 1.3.

Das Microtargeting  politisches Microtargeting beschreibt eine auf individuelle Empfänger zugeschnittene Versorgung mit politischen Informationen

1.4.

Der Berner Lokalpatriotismus

1.5.

Die Bedeutung der Persönlichkeit in der Wahl- und Einstellungsforschung  Mikrosoziologischer Gruppenansatz der Columbia-Schule  “A person thinks politically, as he is, socially” (ebda., 27)  Grundlage «homo sociologicus»

Politische Psychologie: Persönlichkeit und Politik Prof. Dr. Markus Freitag

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 Individuum von Umwelt geprägt  erwirbt durch soziale Kontakte Normen, die handlungsleitend sind und situative Anreize unbeachtet lassen 1.5.1. Ökonomische Theorie des Wahlverhaltens  Grundannahme des «homo oeconomicus» als rational handelnder Akteur in politischen Belangen  Akteure wählen gemäss ihrer Präferenzen aus mehreren alternativen Parteien diejenige Gruppierung, die bei den geringsten Kosten den höchsten Nutzen verspricht Parteiendifferential o Vergleich Parteien A und B o Ua>Ub: Wahl Partei A o Ua Nutzen: Wahlenthaltung 1.5.2. Eidgenössische Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten», 29. November 2009 (57,5 Ja) 1.5.3. Sozialpsychologischer Ansatz der Michigan-Schule  «The political character of men is, on the whole, bound up with many generic traits in their personalities» (Allport 1929, 220)  «[…] any account of behavior – political as well as social or economic – must lean heavily on personality theories» (Campbell et al. 1960, 499) 1.5.4. Erklärungen auf Grundlage von Sozialstruktur und Rationalität stossen an Grenzen  An die Stelle soziopolitischer Milieus oder rationaler Kalküle tritt die «Seele» der Wählerin bzw. des Wählers als auslösendes Moment politischer Ansichten und Verhaltensweisen in den Vordergrund 2. Lernziele der Veranstaltung  Einblick in interdisziplinäre Forschung (Brückenschlag zwischen Politikwissenschaft und Psychologie) in einem wachsenden Forschungsfeld  Erwerb von Kenntnissen des Forschungsprozesses politikwissenschaftlicher Wahl- und Einstellungsforschung  Erlernen der Handhabe empirisch-quantitativer Techniken zur Überprüfung theoretisch fundierter Zusammenhänge

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Vorlesung 2: Konzepte, Entwicklungen und Forschungsgebiete 1. Ortsbestimmung 1.1.

Was macht Psychologie?  «Psychology is the scientific analysis of human mental processes and memory structures in order to understand human behavior» (Mayer 1981, 13)  «Psychologie ist […] die Wissenschaft vom Seelenleben. Das Seelenleben eines Menschen äussert sich einerseits in seinem Verhalten, andererseits in seinem Erleben» (Hobmair 2008, 8)  «Der Gegenstand der Psychologie sind Verhalten, Erleben und Bewusstsein des Menschen, deren Entwicklung über die Lebensspanne und deren innere (im Individuum angesiedelte) und äussere (in der Umwelt lokalisierte) Bedingungen und Ursachen» (Zimbardo 1995, 4)

1.2.

Was ist Politik?  «Politik ist menschliches Handeln, das auf die Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regeln und Entscheidungen in oder zwischen Gruppen von Menschen abzielt» (Patzelt 2013, 33)

1.3.

Was macht Politikwissenschaft?  «Politikwissenschaft bezeichnet die Sozialwissenschaft, die sich mit der wissenschaftlichen Beschreibung und Erklärung politischer Phänomene beschäftigt» (Bernauer et al. 2013, Glossar)  «Die Politikwissenschaft untersucht […] Verhaltensweisen, Entscheidungsprozesse, Ereignisse oder Entwicklungen, Strukturen und Organisationen, die dem Politischen […] zuzuordnen sind» (Bernauer et al. 2013, 35)

1.4.

Was ist Politische Psychologie?  «Political psychology is the application of psychological research methods, theory, and data to politics» (Stone et al. 2014, 373)  «At its core, political psychology concerns the behavior of individuals within a specific political system» (Huddy et al. 2013, 3)  Aufdecken psychologischer Ursachen für politische Einstellungen und Verhaltensweisen

1.5.

Fünf Grundsätze als Orientierungspunkte der Politischen Psychologie (Hermann 1986):

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1.5.1. Im Mittelpunkt des analytischen Interesses steht die Beziehung zwischen politischen und psychologischen Phänomenen  Persönlichkeit, Werte, Einstellungen, Identitäten und Emotionen beeinflussen politisches Denken und Handeln (neben kulturellen und strukturellen Faktoren) 1.5.2. Forschung reagiert auf gesellschaftliche Probleme und ist für diese relevant  gesellschaftliche Probleme und Herausforderungen können durch Analyse des Zusammenspiels zwischen Individuum, Gruppen und Politik mit Gewinn erörtert werden. 1.5.3. Berücksichtigung des Kontexts macht Unterschied  Wirkung individueller Charakteristiken auf politisches Denken und Handeln wird durch Situation/Kontext moderiert 1.5.4. Analyseschwerpunkt liegt auf Prozess und Ergebnis  Erörterung der Herausbildung politischer Ansichten und Verhaltensweisen ebenso relevant wie Analyse des politischen Denkens und Handelns als solches 1.5.5. Datenerhebung mittels vielfältiger Methoden  Kein Dogmatismus, sondern Offenheit bei Arten der Informationsbeschaffung (Datenerhebung)  Experimente, Dokumentenanalyse, Befragung, Beobachtung 1.6.

Ziel der Forschung in Politischer Psychologie  Aufspüren und Etablierung von systematischen Zusammenhängen zwischen psychologischen und politischen Variablen.  Erklärung von politischen Einstellungen und Verhaltensweisen mit Hilfe psychologischer Variablen  Beobachtungen anstellen  Vorahnungen und Intuitionen zu Variablen formen  Hypothesen über mögliche Beziehungsmuster entwickeln  systematisch Informationen sammeln, Daten erheben  Testen der Hypothesen

Konzepte und Definitionen

2. 2.1.

Zentrale Frage: Wie lässt sich politisches Denken und Handeln erklären?

2.1.1. menschliches Verhalten (V) ist allgemein als Resultat der Person (P) und ihrer Umwelt (U) aufzufassen (Lewin 1951, 239) 2.1.2. V = f (P,U) 2.1.3. MF: für Einstellungen [E]: E = f[P,U]). 

hier im Vordergrund: das Individuum

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2.2.

Persönlich keit als

unbewusstes Fundament in der Entwicklung politischer Ansichten und Verhaltensweisen 2.3. Was ist Persönlichkeit? 2.3.1. Verhaltenstendenzen, die über die Zeit und Situationen hinweg an den Tag gelegt werden (Schoen 2012: 48). 2.3.2. «Bei der Persönlichkeit geht es um jene Charakteristika oder Merkmale des Menschen, die konsistente Muster des Fühlens, Denkens und Verhaltens ausmachen» (Pervin et al. 2005, 31) 2.4.

Wert als tief verankerter Glaubenssatz, der als Zielorientierung das Handeln und die Einstellungen des Menschen motivieren und steuern kann. 2.4.1. «what people consider important, the goals they wish to pursue» (Roccas et al. 2002, 790) 2.4.2. Was ist richtig, was ist falsch?

2.5.

Identität als Antwort auf die Frage wer man selbst oder wer jemand anderer ist 2.5.1. Wer bin ich? Wer bist du? 2.5.2. als Akt individueller sozialer Verortung zu verstehen 2.5.3. Personale Identität:  Passfähigkeit zwischen subjektivem Innen und gesellschaftlichem Aussen  Grundbedürfnis nach Anerkennung und Zugehörigkeit befriedigen  Meinung anderer und eigene Meinung über sich selbst werden reflexive verarbeitet

2.5.4. Soziale Identität  Identifikation mit einer sozialen Gruppe (Familie, Freundeskreis, Partei)

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Zuschreibung und Teilung gruppenspezifischer Werte, Normen und Regeln

2.6.

Einstellung als mentaler Bereitschaftszustand, der durch die Erfahrung (oder gefühlsmässig) strukturiert ist und einen steuernden Einfluss auf die Reaktionen des Individuums gegenüber allen Situationen und Objekten ausübt, mit denen dieses Individuum in Beziehung steht (Allport 1935) 2.6.1. Objekte sind Personen, Gegenstände, Institutionen etc. 2.6.2. Situationen (Ereignisse) sind dynamisch, Objekte statisch 2.6.3. Einstellungen beziehen sich im Vergleich zu Meinungen auf eine grössere Anzahl von Objekten (Offenheit versus EU Beitritt), sind abstrakter und weniger explizit

2.7. Emotion als Erlebniszustand (Gefühl): 2.7.1. Inwiefern berührt ein Ereignis, eine Vorstellung oder eine Erinnerung eine Person? 2.7.2. Angst, Wut, Zorn, Neid, Mitgefühl 2.7.3. Werte, Identitäten und Einstellungen mit emotionaler Komponente 2.8.

Kognition bezieht sich auf psychische Leistungen der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses, der Sprache, des Denkens und Fühlens 2.8.1. kognitive Prozesse transformieren, reduzieren, verarbeiten, interpretieren, speichern Informationen aus der Umwelt und strukturieren unsere Wahrnehmungen

2.9.

Beziehungen zur soziopolitischen und soziokulturellen Umwelt 2.9.1. Auswahlprozesse zur Bildung von Identität und Kategorisierung aufgrund gemeinsam geteilter geographischer Lebensräume, kultureller Rituale, Religionen, Lebensgewohnheiten, Werte, Normen oder Schicksale 2.9.2. Einteilung in Eigengruppe (Wir) und Fremdgruppe (die Anderen) 2.9.3. Eigengruppe: Wir-Gefühl, Vertrautheit, Loyalität und Kooperationsbereitschaft der Gruppenmitglieder 2.9.4. Fremdgruppe: negativ etikettiert, diskriminiert bei Bewertung von Eigenschaften, Sympathien und Verteilung von Gütern 2.9.5. Gruppenzugehörigkeit strukturiert politisches Denken und Handeln

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3. Entwicklungsetappen der Politischen Psychologie 3.1.

Hinweise auf Gedanken der Politischen Psychologie (PP) in politischer Ideengeschichte

3.1.1. charakterliche Eigenschaften eines guten Staatsoberhauptes und Bürgers im Altertum (Gerechtigkeitssinn, Klugheit, Selbstbeherrschung und Tapferkeit) 3.1.2. Analyse Charakterzüge anhand dreier Perspektiven:  pessimistische Sichtweise (Thomas Hobbes): Mensch von Natur aus selbstsüchtig, rücksichtslos und brutal. Einbindung in soziale Organisationen nötig  optimistische Sichtweise (Jean-Jacques Rousseau): gute Natur des Menschen, die allerdings der Befreiung sozialer Zwänge bedarf  neutrale Sichtweise (John Locke): Mensch bei Geburt ein unbeschriebenes Blatt, welches später durch Umwelt geformt wird 3.1.3. zunehmende Relevanz der PP in der Zwischenkriegszeit (Wirkung totalitärer Regime, Aufkommen Massenmedien, Einsatz Propaganda) verlangt nach Erkenntnissen zum Zusammenhang zwischen Psychologie und Politik 3.1.4. Verankerung als akademische Disziplin in den USA zu Beginn der 1930 Jahre durch Arbeiten von Harold Lasswell

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aufbauend auf den psychoanalytischen Erkenntnissen von Sigmund Freud Projektion von psychischen Konflikten auf politische Welt

3.2. akademische Entwicklung 3.2.1. 1973 erstes Handbuch (Knutson) 3.2.2. 1978: Gründung ISPP (International Society of Political Psychology) 3.2.3. seit 1979: Journal of Political Psychology (vierteljährlich, peerreview) 3.2.4. ab 1986 weitere Handbücher (Hermann 1986; Monroe 2002, Sears et al. 2003, Cottam et al. 2015; Huddy et al. 2013) 3.2.5. Deutsche Handbücher und Sonderhefte: Zmerli und Feldman (2015); Faas et al. 2015, PVS-Sonderheft) 3.2.6. 2004: Herausgabe der Advances in Political Psychology durch ISPP. 3.3.

Phasen der Politischen Psychologie nach McGuire (2004)

3.3.1. Ära der Persönlichkeitsstudien(1940er und 1950er Jahre)  Analyse des Einflusses der Persönlichkeit und des Führungsstils politischer Führungsfiguren auf deren politisches Handeln  Qualitative Forschung  Psychobiografien auf Grundlage der Psychoanalyse von Sigmund Freud (Harold Lasswell 1948, George und George 1956; Eintritt in Politik als Kompensation für lebensweltliche Defizite)  später auch Untersuchung von Charaktereigenschaften und Motivationen politischer Elite 3.3.2. Ära der Analysen zu politischen Einstellungen und Verhaltensweisen (1960er und 1970er Jahre)  systematische Erforschung öffentlicher Meinung, der Einstellungen und des politischen Verhaltens in der Bevölkerung  Quantitative Forschung  Zusammenhang zwischen Einstellungen und Verhalten im Vordergrund (politische Kulturforschung)  Sozialpsychologischer Ansatz des Wahlverhaltens (MichiganSchule, Campbell et al. 1960)  Theorie der kognitiven Dissonanz (Festinger 1957) 3.3.3. Ära der Analysen zu politischen Überzeugungen, Informationsverarbeitung und Entscheidungsfindung (1980er und 1990er Jahre)  Annahme unvollständiger Informationen und begrenzter kognitiver Kapazitäten (begrenzte Rationalität)  Orientierung und Entscheidungshilfe durch Heuristiken  Entscheidung nicht anhand Nutzenmaximierung, sondern durch Anspruchserfüllung  erstbeste und nicht optimale Möglichkeit zur Erfüllung eines Anspruchsniveaus wird gewählt

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3.3.4. Ä r a der Beschäftigung mit intrapersonellen Themen (Persönlichkeit, Einstellung, Kognition) und Intergruppenbeziehungen (Nationalismus, ethnische Konflikte, Terrorismus) (2000- jetzt)  Persönlichkeit als auslösendes Moment bei politischen Einstellungen und Verhaltensweisen  Neurowissenschaften: Messung Hirnaktivitäten bei Auseinandersetzung mit Politik (Wahrnehmungen bei Betrachtung von Politikern)  Rolle der Emotionen bei politischen Konflikten und Prozessen (Gewalt, Terror, Krieg, Intergruppenkonflikte) 4. Forschungsgebiete der Politischen Psychologie Beispiel I Wie lässt sich die Einstellung der Schweizerinnen und Schweizer gegenüber Zuwanderung erklären?  Theorien zu Intergruppenbeziehungen a.

die Konflikthypothese (Allport 1954, Blumer 1958) a.1. Reale Bedrohung als Motiv: a.2. Entstehung realer ökonomischer, kultureller oder religiöser Bedrohungsgefühle durch die Präsenz und das Anwachsen kulturell fremder Bevölkerungsgruppen in Wirtschaft und Kultur  zunehmende Heterogenität des Umfeldes generiert Unsicherheit über eigenen sozialen Status a.3. Bedrohungsgefühle bei sozioökonomisch Benachteiligten stärker ausgeprägt; diese eher mit Vorurteilen und für eine Begrenzung der Zuwanderung

b.

Theorie sozialer Identität (Tajfel und Turner 1979; 1986) b.1. Soziale Identitäten als Motiv:

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c.

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Soziale Kategorisierungsprozesse („wir“ vs. „die“) führen ohne reale Bedrohungslagen zu kompetitiven Intergruppenbeziehungen Positive soziale Identifikation und (überhöhte) Favorisierung der Eigengruppe birgt Potential zur Diffamierung von Fremdgruppen Haltungen zur Wahrung nationaler Identität sind von Bedeutung: Wer gegen die Einmischung von aussen und für den Heimatschutz ist, lehnt die Zuwanderung ab

die Kontakthypothese (Allport 1954, Pettigrew 1998) c.1. Aktives Zusammenleben mit Zugewanderten als Motiv:  Kontakt zwischen Personen mit unterschiedlicher ethnischer oder kultureller Herkunft führt durch Perspektivenwechsel und gegenseitiges Lernen zum Abbau von Vorurteilen und zur Ausbildung von Vertrauen und Normen der Gegenseitigkeit  Kontakt muss eng, wiederholend und zahlreich und nicht hierarchisch organisiert sein  Wenig oder kein Kontakt fördert Bildung von negativen Stereotypen und Vorurteilen gegenüber Zugewanderten

Beispiel II Führen Kriegserfahrungen zu einem Vertrauensverlust?  Ansätze posttraumatischer Belastungsstörungen und posttraumatischen Wachstums 1. Posttraumatische Belastungsstörung a. kriegsbedingte posttraumatische Belastungsstörungen führen zu einem Rückzug des betroffenen Individuums aus dem öffentlichen Leben und zu sozialer Isolation. b. Gefühle der Angst und Schutzlosigkeit sowie Erinnerungen an Kriegsereignisse forcieren ein Menschenbild der Bos- und Rücksichtslosigkeit und münden in einem Vertrauensentzug gegenüber den (fremden) Mitmenschen 2. Posttraumatisches Wachstum a. Krieg und Krisen mit positiven Veränderungsprozessen verbunden b. Persönliche Reifung infolge von Kriegserfahrung berührt die Selbstwahrnehmung, die Beziehung zu anderen und die Lebensphilosophie allgemein c. das dadurch entwickelte grössere Selbstvertrauen, das Wissen um die Stärke des Überlebenswillens, die erlangte Kreativität im Umgang mit nachteiligen Lebensumständen wie auch ein vertieftes Mitgefühl, Solidarität, Toleranz gegenüber anderen und die Wertschätzung des Lebens lassen Vertrauen in Mitmenschen entwickeln

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Vorlesung 3: Geschichte und Zugänge der Persönlichkeitsforschung im Lichte der Disziplinen 1. Konzepte der Persönlichkeitspsychologie 1.1.

Individuum 1.1.1. lateinisches Verb „dividere („zerlegen von etwas Ganzem in seine Teile“) zusammen mit Vorsilbe „in“, betont der Begriff die Einzigartigkeit der Person sowie deren menschliches Erleben und Verhalten

1.2.

Persönlichkeit 1.2.1. lateinisch „persona“ (die „Maske“, die in der Antike von Schauspielern getragen wurde, um die Rolle anzunehmen, die sie spielen wollten) 1.2.2. die Gesamtheit aller Merkmale, die eine Person zeitstabil kennzeichnen und unverwechselbar machen  Merkmale von Eigenschaften bis hin zu Fähigkeiten, Bedürfnissen, Werthaltungen und Einstellungen

1.3.

Temperament 1.3.1. lateinisches Verb „temperare“ (mässigen) 1.3.2. Basis der Persönlichkeit, Grundstein wird in frühen Kindheitsjahren oder sogar direkt nach der Geburt gelegt 1.3.3. manchmal auch Bezeichnung von Persönlichkeitseigenschaften zum Verhalten eines Individuums (aggressiv)

1.4.

Charakter 1.4.1. Charakter als umgangssprachliche Bezeichnung für Persön...


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